Zusammenfassung
Hintergrund
Geldspielautomaten bilden ein besonders umsatzstarkes Segment im legalen deutschen Glücksspielmarkt und bergen zugleich ein vergleichsweise hohes Risiko für die Entwicklung von Suchtverhalten. Entsprechend fordert der aktuell gültige Glücksspielstaatsvertrag (GlüStV), dass die Spielstättenbetreiber bei erkennbar problematischem Spielverhalten ihrer Gäste frühzeitig intervenieren.
Zielsetzung
Die vorliegende Studie ist darauf ausgerichtet, ein von Hayer, Kalke, Buth und Meyer entwickeltes Screeninginstrument zur frühzeitigen Identifikation von Problemspielern im Hinblick auf seine psychometrischen Eigenschaften zu überprüfen sowie Spezifität und Sensitivität in Zusammenhang mit einem optimalen Cut-off-Wert zu ermitteln. Zudem stellt sich die Frage, ob mit Hilfe des Screeninginstruments bereits eine Glücksspielproblematik auf subklinischer Ebene erkennbar ist.
Methodik
In 23 Spielstätten schätzte das Personal das Verhalten der Spielhallengäste anhand der Screeningkriterien ein. Das Forschungsteam befragte anschließend die Gäste (n = 283) anhand eines Fragebogens, der u. a. die 9 DSM-5-Kriterien zur Diagnose einer Störung durch Glücksspielen als Referenzmaß umfasste.
Ergebnisse
Das Screeninginstrument erfüllt für die Personengruppe mit mindestens 4 DSM-5-Kriterien die Gütekriterien für ein nützliches Verfahren. Personen mit subklinischer Symptomschwere erkennt es hingegen nicht zuverlässig. Bei gleichwertiger Optimierung von Sensitivität und Spezifität ergibt eine Anzahl von mindestens 6 zutreffenden Screeningkriterien einen optimalen Grenzwert zur Ansprache der betreffenden Person (Sensitivität = 55,9 %; Spezifität = 78,1 %).
Schlussfolgerungen
Das Instrument lässt sich in der Gesamtbewertung als ein zweckdienliches Hilfsmittel zum Erkennen stark belasteter Personen ansehen. Die Schwierigkeiten bei der Identifikation von Problemspielern in Spielstätten einschließlich angemessener Interventionen können, insbesondere bei subklinischer Problematik, dadurch jedoch nicht vollständig behoben werden. Weitere Maßnahmen, z. B. die Heranziehung objektiver Daten über personengebundene Spielerkarten, sind zukünftig zu ergreifen, um den Nutzen des Spielerschutzes in der Praxis weiter zu optimieren.
Abstract
Background
Gaming machines located in gambling halls and pubs represent both a high-revenue segment within the legal German gambling market and a gambling form with a relatively high addictive potential. Accordingly, the current State Treaty on Gambling requires venue staff to intervene as early as possible when customers show visible signs of problematic gambling behavior.
Aim
The present study aims at validating a screening instrument for the early detection of problem gamblers, originally published in 2013 by Hayer, Kalke, Buth and Meyer, with regard to its psychometric properties as well as determining specificity and sensitivity in connection with an optimal cutoff value. In addition, the screening instrument’s suitability in detecting problem gamblers with subclinical symptoms was investigated.
Methods
In 23 gambling halls, staff rated the behavior of customers using the screening instrument. Subsequently, the research team asked these customers (n = 283) to fill in a questionnaire that also included the nine DSM-5 symptoms for gambling disorder as a reference measure.
Results
The screening instrument fulfills the criteria as a useful tool for the subgroup of customers with at least four DSM-5 symptoms (i.e. disordered gamblers). Individuals with less severe symptoms (i.e. problem gamblers with subclinical symptoms) were not reliably identified. Optimization of sensitivity and specificity leads to a set of at least six applicable screening criteria that provide the optimal cutoff value for approaching the respective individuals (sensitivity = 55.9%; specificity = 78.1%).
Discussion
Taken together, the screening instrument appears to be a useful tool for the identification of severely affected individuals (i.e. disordered gamblers). However, it cannot resolve all difficulties associated with the early identification and intervention of problem gamblers in gambling halls, especially when individuals with less severe symptoms are considered. Further measures, such as the use of objective data stored on personalized smart cards, are required to further optimize the positive effects of responsible gambling strategies in real-life settings.
Notes
Zur Berechnung des AUC-Wertes wird für jeden möglichen Punktwert des Screeninginstruments die Sensitivität und die Spezifität in ein Koordinatensystem eingetragen. Je weiter sich der entstehende Profilverlauf von der Mittellinie entfernt (Werte >0,5), desto besser ist die Diskrimination zwischen dem zu erkennenden Problemzustand und der Gegenmenge.
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Danksagung
Ein Forschungsprojekt derartigen Umfangs ist ohne die Hilfe Außenstehender in dieser Form nicht umzusetzen. Unser Dank gilt daher in erster Linie den Betreibern und dem Personal der teilnehmenden Spielhallen für die Kooperation beim Einsatz des Screeninginstruments. Ein großes Dankeschön richtet sich zudem an die Spielhallengäste, die sich Zeit für die Beantwortung der Fragen genommen haben.
Funding
Das Forschungsprojekt wurde durch das Bundesministerium für Gesundheit (Förderkennzeichen: ZMVI1-2517DSM201) und das Bundesland Bremen im Rahmen der Bremer Fachstelle Glücksspielsucht finanziert.
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Interessenkonflikt
G. Meyer, L. Girndt, T. Brosowski und T. Hayer geben an, dass keine Interessenskonflikte im Zusammenhang mit der vorliegenden Publikation bestehen.
Die Durchführung der beschriebenen Untersuchung fand im Einklang mit nationalem Recht sowie gemäß der Deklaration von Helsinki in ihrer aktuellen Fassung von 2013 statt. Insbesondere wurde die Freiwilligkeit der Teilnahme sowie die anonymisierte Verarbeitung der Daten sichergestellt. Alle Teilnehmer haben nach mündlicher und schriftlicher Information zur Studie mündlich der Teilnahme zugestimmt („informed consent“). Die Teilnahme konnte jederzeit abgebrochen werden. Zudem gab es keinerlei Interventionen, die zu einer Schädigung der Teilnehmer hätten führen können. Die Aufwandsentschädigung erfolgte in Form eines Sachgutscheins, der im Gegensatz zu Bargeld keinen Bezug zu einer möglichen Glücksspielproblematik hatte.
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Meyer, G., Girndt, L., Brosowski, T. et al. Validierung eines Screeninginstruments zur frühzeitigen Identifikation eines problematischen Spielverhaltens in Spielhallen. Präv Gesundheitsf 15, 107–114 (2020). https://doi.org/10.1007/s11553-019-00724-5
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