Durch eine optimale Diabeteseinstellung kann das Risiko für Komplikationen und Folgeerkrankungen gesenkt werden. Manche Patienten sprechen jedoch schlechter auf die glukosespiegelsenkende Medikation an und verfehlen die therapeutischen Zielwerte. Genetische Analysen liefern zusätzliche Informationen für die Anpassung der Therapie an die individuelle Situation, da sie Gründe für mangelndes Ansprechen aufzeigen könnten. Zusammen mit den Therapieoptionen durch neue Glukosespiegelsenker wird dadurch ein weiterer Schritt hin zur Präzisionsmedizin möglich.

Einleitung

Es sind verschiedene Mechanismen bekannt, die zur Entwicklung eines Diabetes führen können. Pathophysiologische Prozesse wie eine veränderte Entwicklung und Funktionalität der Inselzellen, Autoimmunität mit β‑Zell-Zerstörung, gestörte Inkretinaktivität, Übergewicht und veränderte Körperfettverteilung mit Insulinresistenz können unterschiedlich stark ausgeprägt sein und im Zusammenspiel mit Umwelteinflüssen und Lebensstilfaktoren zum Versagen der β‑Zellen und einer reduzierten Insulinsensitivität führen [39]. Dementsprechend weisen Menschen mit einer Diabeteserkrankung eine große Heterogenität auf [20]. Therapieschemata und Leitlinien berücksichtigen diese bisher kaum und sind meist nicht auf ursächliche Mechanismen ausgerichtet [54]. Diese Diskrepanz im Therapiemanagement trägt womöglich zu einem unterschiedlichen Ansprechen auf die Medikation sowie zu Problemen beim Erreichen der glykämischen Zielwerte bei [12]. Durch Nutzung der personalisierten Medizin können die Komplexität und Heterogenität des Diabetes besser berücksichtigt werden.

Die personalisierte Therapie stellt einen Teilaspekt der Präzisionsmedizin dar und beinhaltet den Vergleich zwischen verschiedenen Therapieoptionen, eine individuelle Risiko-Nutzen-Bewertung sowie die Berücksichtigung von Patientenpräferenzen [4]. Anhand klinischer Charakteristika des Erkrankten könnte somit eine auf ihn zugeschnittene Therapieentscheidung getroffen werden [20]. Aktuell wird intensiv daran geforscht, welche Charakteristika den Therapieerfolg der glukosespiegelsenkenden Therapie bei Typ-2-Diabetes begünstigen oder erschweren. Bisher wurden Alter, Geschlecht, Ethnizität, anthropometrische Parameter, Ernährungsgewohnheiten, körperliche Aktivität, Dauer des Diabetes, Ausgangswerte von Blutglukose und HbA1c (Glykohämoglobin), klinische Marker der Insulinresistenz, Komorbiditäten (u. a. Fettleber, Niereninsuffizienz) und Umweltfaktoren (z. B. endokrine Disruptoren, Luftschadstoffe) als Einflussfaktoren identifiziert [1, 8, 22, 28, 31, 40, 49].

Pharmakogenetik untersucht die Effekte genetischer Eigenschaften auf Arzneimittelwirkungen

Im Fokus dieser Übersichtsarbeit stehen genetische Faktoren, da sie sowohl zur Entstehung des Typ-2-Diabetes beitragen als auch den Therapieerfolg beeinflussen können. Das Gebiet der Pharmakogenetik untersucht die Auswirkungen von genetischen Eigenschaften auf die Pharmakokinetik und -dynamik von Medikamenten sowie auf das Risiko unerwünschter Arzneimittelwirkungen [3]. Bereits kleine Variationen im genetischen Code von Transport- oder Rezeptorproteinen können beispielsweise Auswirkungen auf die Bindungsaffinität und somit die Wirkstärke eines Arzneistoffs haben.

Der Bereich der Onkologie nimmt im Hinblick auf den klinischen Einsatz der Pharmakogenetik eine Vorreiterrolle ein. Hier werden Arzneistoffe mit geringer therapeutischer Breite eingesetzt, sodass genetische Variationen, die zu höheren Plasmaspiegeln z. B. von Chemotherapeutika führen, schwerwiegende Konsequenzen haben. Genetische Analysen, um relevante Variationen zu identifizieren, sind im Vorfeld der Medikamentengabe bereits etabliert. Zum Beispiel sieht die Leitlinie zum kolorektalen Karzinom eine Bestimmung des Dihydropyrimidindehydrogenase-*2A-Polymorphismus vor Beginn einer Fluoropyrimidintherapie vor [33].

Genetische Analysen gehen auch im Bereich des Diabetes mit Vorteilen bei Prävention, Diagnose und Intervention einher [55]. Im Idealfall sollten bereits bei Diagnosestellung anhand genetischer Informationen der mögliche Krankheitsverlauf und das Risiko für Organschädigungen abgeschätzt werden [54]. Die Therapie könnte bei erhöhtem Risiko für einen schwereren Verlauf entsprechend intensiver gestaltet und medikamentös angepasst werden, z. B. durch Glukosespiegelsenker, die Endpunkte bei kardiovaskulären oder renalen Ereignissen reduzieren können.

Primäre Therapieziele sind eine Verbesserung der Lebensqualität und Reduktion der Morbidität und Mortalität, v. a. durch Verhinderung von Folgeerkrankungen des Diabetes. Das Erreichen des individuellen Zielwerts für den HbA1c ist ein wichtiger Indikator für den Therapieerfolg. Allerdings wurden bei mehr als jeder dritten medikamentös behandelten Person mit Diabetes in Deutschland nur HbA1c-Werte über 7 % (53 mmol/mol) erreicht [30, 32]. Oft ist daher eine Intensivierung der Therapie unter Hinzunahme weiterer glukosespiegelsenkender Medikamente notwendig.

In den letzten Jahrzehnten konnten 3 neue Wirkstoffklassen entwickelt werden. In der Nationalen VersorgungsLeitlinie zum Typ-2-Diabetes wird übereinstimmend mit internationalen Fachgesellschaften der bevorzugte Einsatz von GLP-1-Rezeptor-Agonisten (GLP: glukagonähnliches Peptid 1 [„glucagon-like peptide 1“]) und SGLT-2-Inhibitoren (SGLT: Natrium-Glukose-Kotransporter [„sodium glucose linked transporter“]) als Zweitlinientherapie zusammen mit Metformin bei Patienten mit atherosklerotischen kardiovaskulären Vorerkrankungen, erhöhtem kardiovaskulärem Risiko oder chronischen Nierenerkrankungen empfohlen [2, 4]. Des Weiteren traten unter Therapie mit SGLT-2-Inhibitoren seltener herzinsuffizienzbedingte Hospitalisierungen auf [2]. Kombinationstherapien aus Metformin und DPP-4-Inhibitoren (DPP: Dipeptidylpeptidase) gingen mit weniger Hypoglykämien und einer geringeren Gewichtszunahme als unter Sulfonylharnstoffen einher [2].

Um eine differenzierte Therapieentscheidung im Sinne der Präzisionsmedizin treffen zu können, sollten daher pharmakogenetische Analysen einbezogen werden. Zu Metformin und Sulfonylharnstoffen wurden bereits mehrere Studien zu genetischen Varianten von Transport- und Rezeptorproteinen durchgeführt [36]. Ziel der vorliegenden Publikation ist, eine Übersicht über die bereits veröffentlichten pharmakogenetischen Studien der neuen glukosespiegelsenkenden Wirkstoffklassen GLP-1-Rezeptor-Agonisten, SGLT-2-Inhibitoren und DPP-4-Inhibitoren zu geben.

Pharmakogenetische Studien zu neuen Glukosespiegelsenkern

Um einen aktuellen Überblick der Studienlage zu erhalten, wurde eine Literaturrecherche in MEDLINE/PubMed® durchgeführt. Dazu wurde der Suchalgorithmus einer früheren Übersichtsarbeit genutzt [46]. Die ursprüngliche Suche umfasste den Zeitraum bis zum 12.08.2020, sodass in der aktualisierten Suche nur Abstracts aus dem Zeitraum zwischen dem 01.01.2019 und dem 06.07.2022 berücksichtigt wurden. Im definierten Zeitraum wurden 1377 Artikel identifiziert, von denen 2 Duplikate ausgeschlossen wurden. Nach Prüfung der Titel und Zusammenfassungen der verbliebenen Veröffentlichungen wurden 10 geeignete Publikationen identifiziert, von denen 3 mit der vorherigen Suche überlappten. Im Folgenden werden die Ergebnisse der bisher durchgeführten pharmakogenetischen Studien zu neuen Glukosespiegelsenkern bei Patienten mit Typ-2-Diabetes dargestellt (Tab. 1, 2, 3 und 4).

Tab. 1 Zusammenhang von Genvarianten mit dem Ansprechen auf eine Therapie mit DPP-4-Inhibitoren bei Typ-2-Diabetes
Tab. 2 Zusammenhang von Genvarianten mit dem Ansprechen auf eine Therapie mit GLP-1-Rezeptor-Agonisten bei Typ-2-Diabetes
Tab. 3 Zusammenhang von Genvarianten mit dem Ansprechen auf eine Therapie mit SGLT-2-Inhibitoren bei Typ-2-Diabetes
Tab. 4 Zusammenhang von Genvarianten mit dem Ansprechen auf eine Kombinationstherapie bei Typ-2-Diabetes

Dipeptidylpeptidase-4-Inhibitoren

Bisher wurden 14 Studien durchgeführt, in denen die metabolischen Auswirkungen von 12 Genen und deren Varianten auf die Behandlung mit Dipeptidylpeptidase-4-Inhibitoren (DPP-4-I) untersucht wurden (Tab. 1).

Dipeptidylpeptidase-4 (DPP-4) und Rezeptor des glukagonähnlichen Peptids 1 (GLP-1)

Aufgrund des primären Wirkmechanismus wurden 2 Varianten des Gens für das Enzym DPP‑4 untersucht. Nach 1‑wöchiger Therapie mit Sitagliptin wurden für den TT-Genotyp von rs2909451 und den CC-Genotyp von rs759717 erhöhte Aktivitäten von DPP‑4 gefunden [57]. Die Hemmung von DPP‑4 vermindert den Abbau von GLP‑1, das für eine glukoseabhängige Insulinsekretion sorgt. Bei der GLP-1-Rezeptor-Genvariante rs6923761 zeigte sich nach Gabe von DPP-4‑I für den GG-Genotyp eine stärkere Senkung der postprandialen Glukosekonzentration, aber für den AA-Genotyp eine schwächere HbA1c-Wert-Senkung [26, 37, 53]. In einer asiatischen Population wurde die Variante rs3765467 untersucht, bei welcher eine stärkere Reduktion des HbA1c-Werts beim GA-Genotyp zu beobachten war [18].

Kaliumkanäle (KCNQ1, KCNJ11) und adenosintriphosphatbindende Kassette (ABCB1)

An der Sekretion von GLP‑1 und Insulin sind transmembrane Kaliumkanäle beteiligt.

Nach mindestens 3‑monatiger Therapie mit DPP-4‑I wurden für die Gene KCNQ1 („potassium voltage-gated channel subfamily Q member 1“) und KCNJ11 („potassium inwardly rectifying channel subfamily J member 11“) Unterschiede in der HbA1c-Senkung in Abhängigkeit der Genvariante gefunden [16, 25]. Das Gen ABCB1 („ATP binding cassette subfamily B member 1“ [ATP: Adenosintriphosphat]) kodiert für das P‑Glykoprotein, das den energieabhängigen Transport aus der Zelle realisiert. Nach DPP-4-I-Einnahme über 3 Monate erreichten Träger des G‑Allels häufiger einen HbA1c-Zielwert unter 7,5 % [23].

N-Acetyl-Transferase 2 (NAT2) und Chymotrypsinogen B1/B2 (CTRB1/CTRB2)

Ein wichtiges Enzym der Metabolisierung von Arzneimitteln ist die N‑Acetyl-Transferase, die durch das Gen NAT2 kodiert wird. Bei der untersuchten Variante rs1041983 erreichten Träger des T‑Allels seltener einen HbA1c-Zielwert unter 7,5 % bei Einnahme von DPP-4‑I [23]. In einer Metaanalyse aus europäischen Kohorten wurde die Genvariante rs7202877 untersucht, die in der Nähe der Chymotrypsinogengene B1 und B2 liegt [51]. Nach 3‑monatiger Therapie mit Sitagliptin oder Vildagliptin zeigte sich eine schwächere HbA1c-Wert-Senkung bei vorliegendem G‑Allel.

Weitere Gene

Die weiteren untersuchten Gene haben keinen bekannten direkten Bezug zum Wirkmechanismus von DPP-4‑I, sondern wurden aufgrund ihrer Assoziation mit Typ-2-Diabetes untersucht. Das Gen PRKD1 kodiert für eine Serin-Threonin-Proteinkinase, für deren Genvariante rs57803087 eine statistisch signifikante Assoziation mit dem Ansprechen auf DPP-4‑I gefunden wurde [34]. Varianten des Gens TCF7L2, das für den „transcription factor 7 like 2“ kodiert, zeigten die bisher stärksten Assoziationen mit Typ-2-Diabetes. Nach Zusammenfassung von 4 klinischen Studien zu Linagliptin wurde eine etwas stärkere HbA1c-Wert-Reduktion bei vorliegendem C‑Allel gefunden [59]. Für Varianten des Gens CDKAL1 (kodiert „CDK5 regulatory subunit associated protein 1 like 1“ [CDK5: cyclinabhängige Kinase 5]) wurde eine stärkere Senkung des HbA1c-Spiegels in einer asiatischen Population gefunden [43].

Eine Studie zu Genvarianten von Interleukin‑6 (IL‑6) ergab dagegen keine Assoziation mit dem Ansprechen auf DPP-4‑I [38]. In einer Untersuchung an Patienten, die sowohl Typ-2-Diabetes als auch eine nichtalkoholische Fettleber aufwiesen, wurde eine Assoziation zwischen einer Genvariante für PNPLA3 (patatinähnliche Phospholipase 3 [„patatin like phospholipase domain containing 3“]) und HbA1c sowie Leberaminotransferasen gefunden [27].

Rezeptoragonisten des glukagonähnlichen Peptids 1

Zur modifizierten metabolischen Wirkung von GLP-1-Rezeptor-Agonisten (GLP-1-RA) wurden 9 Studien zu 6 verschiedenen Genen identifiziert (Tab. 2).

Rezeptor des glukagonähnlichen Peptids 1

Bei GLP‑1 handelt es sich um ein Peptidhormon, das u. a. für eine glukoseabhängige Insulinsekretion, eine Hemmung der Glukagonausschüttung und eine verlangsamte Magenentleerung sorgt [47].

Die GLP-1-Rezeptor-Genvariante rs3765467 wurde in 3 Studien auf das Ansprechen auf den GLP-1-RA Exenatid untersucht. Bei einem Applikationszeitraum über 3 Monate fand sich eine stärkere Senkung des HbA1c bei Vorliegen des GG-Genotyps im Vergleich zu Trägern des A‑Allels [17, 58]. In einer kürzer angelegten Untersuchung wurde bei einer kontinuierlichen Insulininfusion und zusätzlicher Gabe von Exenatid keine Assoziation zwischen der Genvariante und Insulin oder C‑Peptid gefunden [35]. In der gleichen Studie wurde aber für die Genvariante rs761386 im oGTT (oraler Glukosetoleranztest) eine höhere 120-min-Glukosekonzentration bei Trägern des T‑Allels festgestellt [35].

Eine Studie zur Genvariante rs6923761 zeigte nach 14-wöchiger Applikation von Liraglutid eine stärkere Senkung des Gewichts und des Körperfettes bei Vorliegen des A‑Allels [7]. Studien zur Genvariante rs10305420 und Applikation von Exenatid bzw. Liraglutid lieferten widersprüchliche Ergebnisse. Während Guan et al. [17] keine Assoziation zwischen Polymorphismen und dem HbA1c fanden, berichteten Yu et al. [58] eine schwächere Senkung des HbA1c bei vorliegendem T‑Allel.

„Potassium voltage-gated channel subfamily Q member 1“ (KCNQ1) und Chymotrypsinogen B1/B2 (CTRB1/CTRB2)

Das für einen Kaliumkanal kodierende Gen KCNQ1 wurde in einer klinischen Studie zur Wirkung von Exenatid untersucht [15]. Nach 48-wöchiger Therapie zeigte sich eine stärkere Senkung des HbA1c und der Nüchternglukosekonzentration bei vorliegendem T‑Allel. Die Genvariante rs7202877 in der Nähe des Gens CTRB1/2 zeigte in Bezug auf eine Liraglutidtherapie über 6 Monate keinen Unterschied im Erreichen der HbA1c-Zielwerte zwischen verschiedenen Polymorphismen [31].

„Transcription factor 7 like 2“ (TCF7L2), Cannabinoidrezeptor 1 (CNR1) und „sortilin related vacuolar protein sorting 10 protein receptor 1“ (SORCS1)

Für Genvarianten von TCF7L2 wurde nach 8 Wochen Exenatidtherapie nach einer definierten Mahlzeit eine stärkere Insulinreduktion bei vorliegendem T‑Allel gefunden [11]. Das Endocannabinoidsystem wirkt auf den Appetit ein und ist an der Regulation des Körpergewichts beteiligt. Eine Genvariante des Cannabinoid-Typ-1-Rezeptors (CNR1) ging nach Liraglutidgabe mit einer stärkeren Senkung des HOMA-IR (HOMA für Insulinresistenz [HOMA: „homeostasis model assessment“]) bei Vorliegen des A‑Allels einher [6]. Eine Studie zum Gen SORCS1 (kodiert „sortilin related vacuolar protein sorting 10 protein receptor 1“) zeigte nach 48 Wochen Exenatidtherapie eine verbesserte β‑Zell-Funktion bei Vorliegen des GG-Genotyps [61].

Inhibitoren des Natrium-Glukose-Kotransporters 2 (SGLT-2-I)

Es wurden bisher 7 Studien durchgeführt, in denen die metabolischen Auswirkungen von 3 verschiedenen Genen und deren Varianten auf die Behandlung mit Natrium-Glukose-Kotransporter-2-Inhibitoren (SGLT-2‑I [„sodium glucose linked transporter 2 inhibitors“]) untersucht wurden (Tab. 3).

„Solute carrier family 5 member 2“ (SLC5A2)

Der Natrium-Glukose-Kotransporter 2 sorgt für die renale Glukosereabsorption und wird durch das Gen SLC5A2 kodiert. In einer klinischen Studie, in der 5 Varianten dieses Gens untersucht worden waren, war nach 24-wöchiger Empagliflozintherapie keine Assoziation zwischen den Genvarianten und dem Therapieerfolg festzustellen [60]. In einer kürzlich veröffentlichten Studie an schwer einstellbaren Patienten wurde dagegen für die Genvariante rs11646054 bei vorliegendem GG-Genotyp die stärkste Senkung des Nüchternglukose- und des HbA1c-Werts gefunden [24].

Uridindiphosphat-Glukuronosyl-Transferase 1A9 (UGT1A9)

Das Enzym Uridindiphosphat-Glukuronosyl-Transferase 1A9 (UGT1A9) wurde analysiert, da es die SGLT-2‑I metabolisiert. Für die Genvariante rs72551330 ergaben 2 Studien übereinstimmend eine höhere Wirkstoffkonzentration bei vorliegendem UGT1A9*3-Allel nach Einnahme von Canagliflozin [13, 21]. Naagaard et al. [41] untersuchten die gleiche Genvariante in Bezug auf die Einnahme von Dapagliflozin. Die Stichprobe enthielt aber zu wenig Patienten mit abweichenden Polymorphismen für eine Analyse. Für weitere Genvarianten von UGT1A9 wurden in der Studie keine Unterschiede in der Aufnahme von Dapagliflozin gefunden [41].

„Patatin like phospholipase domain containing 3“ (PNPLA3)

In einer klinischen Studie an Patienten mit Typ-2-Diabetes und einer nichtalkoholischen Fettlebererkrankung wurde das Gen PNPLA3 in Bezug auf den Therapieerfolg von Dapagliflozin untersucht [10]. Nach 12 Wochen Therapie zeigte sich für den CC-Genotyp eine stärkere Senkung des Leberfetts.

Kombinationstherapien

Kaliumkanäle (KCNQ1) und „patatin like phospholipase domain containing 3“ (PNPLA3)

In einer Studie zur nichtalkoholischen Fettlebererkrankung wurden Patienten mit Typ-2-Diabetes und einer Therapie mit Inkretinen (GLP-1-RA, DPP-4-I) oder SGLT-2‑I bzw. einer Kombinationstherapie genetisch untersucht (Tab. 4; [29]). Die Analyse des Gens KCNQ1 zeigte für den CC-Genotyp eine stärkere Gewichtsreduktion, aber keine Unterschiede für den HbA1c. Für das Gen PNPLA3 wurde bei vorliegendem GG-Genotyp eine schwächere Senkung des HbA1c gefunden, aber keine Unterschiede in der Gewichtsreduktion.

Zusammenfassung der pharmakogenetischen Studien

Die Anzahl der bisher durchgeführten Studien zur Pharmakogenetik neuer Glukosespiegelsenker ist gering, besonders im Hinblick auf die polygenetische Pathogenese des Typ-2-Diabetes. Bei der Auswahl der untersuchten Genvarianten wurden pharmakokinetische und pharmakodynamische Mechanismen der Wirkstoffgruppen herangezogen. Zusätzlich wurden Polymorphismen untersucht, für die eine Assoziation mit der Entwicklung von Typ-2-Diabetes nachgewiesen ist. Als Indikatoren der Effektivität wurden meistens die Änderungen des HbA1c oder des Körpergewichts verwendet. Bei der Untersuchung der Genvarianten des GLP-1-Rezeptors wurden Polymorphismen gefunden, bei denen der HbA1c unter einer Therapie mit DPP-4‑I oder GLP-1-RA weniger stark, im Bereich von 0,4–0,9 %, reduziert wurde. Zudem wurden Assoziationen zwischen weiteren Genvarianten (ABCB1, CTRB1/2, NAT2, TCF7L2) und dem Ansprechen auf DPP-4‑I oder GLP-1-RA festgestellt, wobei bisher Replikationen der Ergebnisse zur Bestätigung fehlen.

Der Mechanismus der SGLT-2-Inhibitoren ist unabhängig von Insulinresistenz und -sekretion, sodass mit Typ-2-Diabetes assoziierte Gene wahrscheinlich keinen Einfluss auf deren Wirkstärke haben. Für Genvarianten des Natrium-Glukose-Kotransporters 2, der Zielstruktur von SGLT-2‑I im proximalen Tubulus der Niere, wurden keine klaren Assoziationen zwischen Polymorphismen und dem Ansprechen auf die Therapie gefunden. Für das an der Metabolisierung beteiligte Gen UGT1A9 wurden bei vorliegendem *3-Allel höhere Plasmaspiegel von Canagliflozin festgestellt. Das Ausmaß der Erhöhung war aber nicht klinisch relevant.

Die bisherigen Ergebnisse zur Pharmakogenetik neuer Glukosespiegelsenker sind kaum klinisch relevant

Die bisher durchgeführten Studien zur Pharmakogenetik neuer glukosespiegelsenkender Medikamente reichen daher nicht aus, um Empfehlungen im Sinne einer personalisierten Therapie abzuleiten. Trotz der gefundenen statistisch signifikanten Ergebnisse unterschieden sich die HbA1c-Werte zwischen den Genvarianten nur um maximal 0,9 %. Die klinische Relevanz der bisherigen Ergebnisse ist somit begrenzt. Des Weiteren steht deren Replikation in anderen Studien aus. Die bisherigen Untersuchungen weisen zudem zahlreiche Limitationen auf, die eine Evidenzgenerierung erschweren. Die Fallzahlen sind oft zu gering, die Studiendesigns mangelhaft, die Populationen zu verschieden und die Zielparameter zu unterschiedlich definiert [19, 42].

Weitere Entwicklung der Pharmakogenetik

Wissenschaftliche Konsortien

Die Untersuchung von Interaktionen zwischen genetischen Polymorphismen und Medikamenten benötigt eine Fallzahl im mittleren Tausenderbereich. Dies kann durch Konsortien realisiert werden, die Studien mit ähnlichen Populationen und Zielparametern zusammenfassen. Zusätzlich sind Replikationsstudien und Analysen in Populationen mit unterschiedlichen Ethnien notwendig [42].

Neben Beobachtungsstudien sollten auch randomisierte kontrollierte Studien (RCT) für pharmakogenetische Auswertungen genutzt werden, da diese einen höheren Evidenzgrad besitzen [12, 36]. Vor der Nutzung der RCT-Daten für pharmakogenetische Auswertungen müssen jedoch erst vielfältige Hürden überwunden werden [12].

Polygenetische Scores

Durch die Fortschritte bei genetischen Analyseverfahren wurden innerhalb der letzten 15 Jahre mehr als 700 Genvarianten identifiziert, die mit Diabetes assoziiert sind [5]. Trotz dieser immensen Zahl sind diese Varianten geschätzt nur für 20 % des genetischen Einflusses auf das Risiko für Typ-2-Diabetes verantwortlich [56]. Es sind sehr viele Genvarianten an der Entstehung von Typ-2-Diabetes beteiligt, die aber, einzeln betrachtet, nur mit einem sehr geringen Risiko behaftet sind [14]. Es verwundert daher nicht, dass die Effekte bisheriger pharmakogenetischer Studien einzelner Genvarianten keine klinisch relevanten Zusammenhänge ergaben [19]. Der Schlüssel könnte daher in der Kombination diverser Genvarianten oder Geninteraktionen mit klinischen Faktoren liegen [19]. Denn durch die Zusammenführung mehrerer Genvarianten in einen polygenetischen Score konnte ein größerer Anteil des Diabetesrisikos erklärt werden [12, 52]. Die zusätzliche Einbeziehung klinischer Risikofaktoren führte zu einer weiteren Verbesserung der Risikoprädiktion [5].

Polygenetische Scores können auf eine bestimmte Pathophysiologie ausgerichtet sein (prozessspezifische polygenetische Scores) und beispielweise die Insulinsekretion, die Insulinresistenz, den adipositasassoziierten Diabetes, die Nüchternglukosespiegel oder die Anzahl und Funktion der β‑Zellen abbilden [12, 52, 55]. Von diesen prozessspezifischen polygenetischen Scores erhofft man sich stärkere Assoziationen mit dem Ansprechen auf glukosespiegelsenkende Medikamente und eine verbesserte Risikovorhersage zu Komplikationen und Folgeerkrankungen [9, 44].

Schritte zur Umsetzung in die Praxis

In einer kürzlich erschienenen Übersichtsarbeit wurden 5 notwendige Schritte für den Einsatz der Pharmakogenetik in der klinischen Praxis formuliert ([12]; Abb. 1). Zum Vergleich wurde die bisherige Evidenz zum seltenen monogenetischen Diabetes dargestellt, für den die meisten dieser Schritte bereits umgesetzt sind [12]:

  1. 1.

    Zunächst sollten reproduzierbare genetische Varianten identifiziert werden, die prädiktiv für das Ansprechen auf die glukosespiegelsenkende Therapie sind. Wie bereits gezeigt, ist die Studienlage gerade für die neuen Glukosespiegelsenker derzeit jedoch noch mangelhaft.

  2. 2.

    Im nächsten Schritt sollten metabolische oder phänotypische Biomarker identifiziert werden, die genetische Effekte modifizieren, wie z. B. Adipositas, Inflammation, β‑Zell-Funktion und Insulinwirkung. Diesbezüglich rückt auch die Analyse des Metaboloms in den Fokus [50].

  3. 3.

    Als weiterer Schritt muss gezeigt werden, dass die Nutzung der genetischen Informationen zu einer Verbesserung der klinischen Zielgrößen (glykämische Einstellung, Verzögerung/Vermeidung von Komplikationen und Folgeerkrankungen) führt und eine Überlegenheit gegenüber einfachen klinischen Parametern besteht. Dafür sind klinische Studien auf Basis internationaler Kooperationen notwendig [12].

  4. 4.

    Der nächste Schritt besteht in Kosten-Effektivitäts-Analysen, wobei das Verhältnis von Kosten und Nutzen so ausfallen muss, dass eine Umsetzung in der Breite möglich ist.

  5. 5.

    Im letzten Schritt steht die Implementierung im Gesundheitswesen an. Herausforderungen ergeben sich hier bereits bei der datenschutzkonformen Speicherung der genetischen Informationen. Des Weiteren können diese komplexen Daten vermutlich nur durch Softwarealgorithmen für Diagnostik und Therapieentscheidungen aufbereitet werden. Eine entsprechende Aufklärung und Weiterbildung von allen Beteiligten des Gesundheitswesens müsste ebenfalls realisiert werden. Abgesehen von wissenschaftlichen Gesichtspunkten muss auch eine Akzeptanz für genetische Analysen auf Seiten der Patienten und der behandelnden Ärzte vorliegen.

Abb. 1
figure 1

Umsetzung der Pharmakogenetik in der Diabetologie, BMI Body-Mass-Index, DPP-4‑I Dipeptidylpeptidase-4-Inhibitoren, HNF1A „hepatocyte nuclear factor 1‑alpha“, MODY „maturity onset diabetes of the young“, NDM Neugeborenendiabetes, RCT randomisierte kontrollierte Studie, SU Sulfonylharnstoffe, TZD Thiazolidindione. (Übersetzte Abbildung aus [12])

Ethische Aspekte

Personalisierte Medizin entwickelt die Vision einer Medizin, die eine umfassende Erhebung und Auswertung von Gesundheitsdaten nutzt, um die Qualität der Behandlung zu verbessern. Der Zugriff auf Gesundheitsdaten ist aber mit weitreichenden Folgen verbunden, z. B. im Hinblick auf Datenschutz oder den Umgang mit individuellen Krankheitsrisiken, die sich aus genetischen Analysen ableiten lassen. Es müssen daher eine entsprechende Beratung gemäß Gendiagnostikgesetz erfolgen und eine informierte Einwilligung des Patienten vorliegen [48]. Neben einer qualifizierten Diagnostik und Befundung müssen die genetischen Analysen durch Zulassungsbehörden geregelt und in entsprechende Leitlinien aufgenommen werden. Aufgrund der polygenetischen Natur des Typ-2-Diabetes muss jedoch eine Vielzahl genetischer und klinischer Faktoren berücksichtigt werden, sodass die vorgenannten Schritte schwerer umsetzbar erscheinen als bei anderen Erkrankungen.

Schlussfolgerungen

Bevor genetische Analysen in der Therapie des Typ-2-Diabetes eingesetzt werden können, sind weitere genomweite Assoziationsstudien und randomisierte klinische Untersuchungen notwendig, um die Bedeutung der verschiedenen Genvarianten in der Behandlung weiter zu erforschen [19]. Zum jetzigen Zeitpunkt sollten bereits bekannte klinischen Prädiktoren bei der Therapieentscheidung stärker einbezogen werden, um die Heterogenität des Typ-2-Diabetes zu berücksichtigen [12]. Dazu gehören u. a. Körpergewicht, glykämische Kontrolle, Risiko für Hypoglykämien, Lipidstoffwechselstörungen, kardiovaskuläre Komplikationen und Komorbiditäten, aber auch sozioökonomische Faktoren, Alter, Krankheitsdauer und die damit verbundene Lebenserwartung [45]. Ob genetische Analysen bei der Therapieentscheidung über Routineparameter hinaus einen klinisch relevanten Informationsgewinn darstellen, wird in kommenden Studien zu klären sein.

Wichtig.

  • Therapieschemata und Leitlinien berücksichtigen bisher kaum die Heterogenität des Diabetes.

  • Bei etwa jedem dritten medikamentös behandelten Patienten werden die glykämischen Zielwerte verfehlt.

  • Bestimmte Genvarianten des GLP-1-Rezeptors gehen mit einem geringeren Ansprechen auf eine Therapie mit DPP-4‑I oder GLP-1-RA einher.

  • Die gefundenen Unterschiede zwischen den Genvarianten sind nur selten klinisch relevant und vielfach noch nicht repliziert.

Fazit für die Praxis

  • Die Nutzung von genetischen Informationen zur Therapieoptimierung des Typ-2-Diabetes ist ein vielversprechender Ansatz für die Zukunft.

  • Für eine praktische Umsetzung fehlt zum aktuellen Zeitpunkt noch die notwendige Evidenz aus qualitativ hochwertigen pharmakogenetischen Studien mit replizierten Ergebnissen.

  • Vor einer praktischen Umsetzung müssen auch ethische und regulatorische Aspekte durch die entsprechenden Gremien und zuständigen Stellen geregelt werden.

  • Eine stärkere Berücksichtigung von klinischen Parametern kann die Qualität der Versorgung schon jetzt verbessern, noch bevor genetische Informationen verfügbar sind.