Lernziele

Nach der Lektüre dieses Beitrags …

  • sind Ihnen die spezifischen Aspekte in der Behandlung von Vorhofarrhythmien beim Diabetespatienten bekannt,

  • wissen Sie, wie Kammerarrhythmien beim Diabetespatienten behandelt werden,

  • ist Ihnen der Zusammenhang zwischen Diabetes und Atherosklerose, insbesondere im Hinblick auf die koronare Herzkrankheit (KHK) und die Auswirkung auf die kardiale Morbidität und Mortalität, geläufig,

  • wissen Sie um das differenzierte Management des akuten Koronarsyndroms und der stabilen KHK beim Diabetespatienten,

  • kennen Sie die laut derzeit publizierter Evidenzlage unterschiedliche Bedeutung verschiedener Revaskularisationsstrategien (Bypass vs. PCI [perkutane Koronarintervention]) beim Patienten mit im Vergleich zu demjenigen ohne Diabetes.

Inflammation, Diabetes und koronare Herzerkrankung

In den letzten Jahrzenten wurden wir uns nach und nach der inflammatorischen Natur vaskulärer Erkrankungen gewahr. Atherosklerose und ihre Folgen, wie Myokardinfarkt und Schlaganfall, werden längst nicht mehr als Speichererkrankung von Lipiden mit sekundärer Verkalkung aufgefasst, sondern vielmehr als komplexe immunologische, chronisch entzündliche Krankheitsbilder. In der Tat sind die ihnen zugrunde liegenden Mechanismen sehr ähnlich derer von Krankheiten des rheumatischen Formenkreises und Krebserkrankungen [1]. Der Grad der vaskulären Inflammation korreliert dabei sehr gut mit klinischen Ereignissen, wie sowohl in histopathologischen als auch modernen interventionellen Studien gezeigt wurde. So konnten beispielsweise in der PROSPECT-Studie allein durch den mittels intravaskulärem Ultraschall definierten Plaquephänotyp und die Plaquegröße klinische Ereignisraten zwischen 2 und 18 % differenziert werden [2]. Wichtig ist dabei, zu verstehen, dass diese inflammatorischen Prozesse nicht klassische Risikofaktoren ersetzten, sondern vielmehr durch diese in unterschiedlichem Ausmaß in unseren Patienten unterhalten werden.

Neben der Rolle als Pathomechanismus stellt Entzündung in anderen Kompartimenten des Körpers selbst einen wesentlichen Risikofaktor dar (Abb. 1). So zeigen beispielsweise Patienten mit rheumatoider Arthritis grundsätzlich ein, ähnlich dem Diabetespatienten, 2‑fach erhöhtes Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse [3]. Aber selbst eine chronische Sinusitis erhöht das Auftreten kardiovaskulärer Ereignisse in messbarem Ausmaß. Patienten mit Diabetes weisen durch unterschiedliche Mechanismen wie glykosylierte Proteine, z. B. RAGE („receptor for advanced glycation endproducts“), aber auch durch die häufige Komorbidität Adipositas und die damit verbundene Fettgewebsinflammation einen besonders inflammatorischen Phänotyp auf [4, 5].

Abb. 1
figure 1

Durch traditionelle und nichttraditionelle Risikofaktoren unterhaltener und mit der Krankheitsaktivität und kardiovaskulären Ereignissen korrelierender Entzündungsprozess in der Gefäßwand, LDL „low density lipoprotein“

Diabetes und kardiovaskuläres Risiko

Aufgrund des besonders inflammatorischen Phänotyps von Diabetespatienten verwundert es nicht, dass Daten des großen schwedischen Diabetesregisters belegen, dass diese Patienten besonders häufig einen tödlichen Myokardinfarkt erleiden. Dabei wurden 457.473 Typ-2-Diabetes-Patienten im Mittel für 6,5 Jahre nachverfolgt: Im Jahr 2014 betrug die Inzidenz eines tödlichen Myokardinfarkts 92/10.000 Patientenjahre, was zwar einer beträchtlichen Abnahme gegenüber der koronaren Mortalität des Diabetespatienten aus dem Jahr 1999 (180 Todesfälle/10.000 Patientenjahre) entspricht, aber immer noch doppelt so hoch wie die des nicht an Diabetes Leidenden (48 koronar bedingte Todesfälle/10.000 Patientenjahre) ist [6]. Die Notwendigkeit zur Durchführung revaskularisierender Maßnahmen ist daher bei Menschen mit Diabetes wesentlich häufiger als bei nicht an dieser Erkrankung leidenden Patienten gegeben. In einer konsekutiven Serie von 1046 Patienten, die an der Universitätsklinik Graz und im universitären Lehrspital Feldkirch einer Herzkatheteruntersuchung zur Abklärung einer stabilen Angina-pectoris-Symptomatik unterzogen wurden, wiesen nur 37,8 % einen unbeeinträchtigten Glukosestoffwechsel auf. An Diabetes erkrankt – auf Basis eines erhöhten Nüchternblutzuckerspiegels – waren 35,2 %, im Glukosetoleranztest zeigten 18,3 % eine gestörte Glukosetoleranz und weitere 8,7 % einen manifesten Diabetes [7].

Risikostratifizierung und Revaskularisationstechniken bei Diabetespatienten

Sowohl bezüglich der Indikation zur invasiven Abklärung mittels Herzkatheteruntersuchung als auch in der Auswahl des geeigneten Revaskularisationsverfahrens (katheterbasierte Koronarintervention, aortokoronare Bypassoperation, Hybridverfahren) sind im Wesentlichen 2 Subpopulationen voneinander zu unterscheiden: Patienten mit der Arbeitsdiagnose akutes Koronarsyndrom von solchen mit stabiler Koronarerkrankung.

Akutes Koronarsyndrom (ACS [„acute coronary syndrome“])

Die Gesamtsterblichkeit an koronaren Ereignissen sank in den letzten Jahren beträchtlich. Die Kombination aus frühzeitiger interventioneller Rekanalisierung eines verschlossenen Koronargefäßes mittels perkutaner Koronarintervention (PCI) und sehr effektiven medikamentösen Begleittherapien, wie den P2Y12-Inhibitoren (P2Y12: ein Adenosindiphosphatrezeptor) Clopidogrel, Prasugrel und Ticagrelor und den starken LDL-Senkern (LDL: „low density lipoprotein“) Atorvastatin und Rosuvastatin, in Zukunft zusätzlich PCSK9-Inhibitoren (PCSK9: Proproteinkonvertase Subtilisin/Kexin Typ 9) in speziellen Patientengruppen, reduzierten insbesondere die Sterblichkeit des Patienten mit akutem Myokardinfarkt drastisch [8]. Da Diabetespatienten diesem koronaren Risiko in einem deutlich erhöhten Ausmaß ausgesetzt sind, profitieren sie auch besonders von diesen Entwicklungen.

Indikation zur Revaskularisation

STEMI (ST-Elevations-Myokardinfarkt).

Entsprechend ESC („European Society of Cardiology“) sind die möglichst frühzeitige Erkennung und interventionelle Rekanalisierung der bei einem STEMI zumeist verschlossenen Koronararterie v. a. durch eine funktionierende Logistik sicherzustellen. So sollen die Erstdiagnose bei Patienten mit Thoraxschmerz und einem Schmerzbeginn <12 h mittels EKG (Elektrokardiographie) innerhalb von 10 min gestellt und die Zeit bis zur erfolgreichen primären PCI <120 min betragen. Nur wenn dieses 120-min-Zeitfenster nicht eingehalten werden kann, kommt alternativ eine Thrombolyse in Betracht, die wiederum innerhalb von 10 min erfolgen muss. Auch nach Verabreichung der Thrombolytika ist eine invasive Abklärung mittels Herzkatheter innerhalb von 2–24 h vorgesehen. Bestehen Hinweise auf ein Versagen der Lysetherapie (Persistenz von ST-Hebungen und oder einer ausgeprägten Angina pectoris), muss der invasive Eingriff sofort an diese angeschlossen werden [9]. Dieses Vorgehen unterscheidet sich beim Patienten mit nicht von dem beim Menschen ohne Diabetes (Abb. 2).

Abb. 2
figure 2

Diagnostik und Planung der Intervention bei STEMI mit Fokus auf der optimierten Logistik, ESC „European Society of Cardiology“, PCI perkutane Koronarintervention, STEMI ST-Elevations-Myokardinfarkt. (Adaptiert nach ESC-STEMI-Richtlinien 2017 [9])

NSTEMI (Nicht-ST-Strecken-Hebungsinfarkt).

Die Indikation zur Revaskularisation bei NSTEMI ist insbesondere durch die dieses Krankheitsbild betreffenden allgemeinen diagnostischen Herausforderungen gekennzeichnet. Die klassische Diagnose des NSTEMI beruht auf einem unspezifischen EKG, typischen Beschwerden und v. a. auf der Erhöhung von hochsensitiven kardialen Troponinen (Troponin T oder Troponin I). Einschränkend muss festgehalten werden, dass die Aussagekraft des Troponins besonders hoch ist, wenn der Wert (unter Einbeziehung einer zeitlichen Verzögerung seit Schmerzbeginn von wenigen Stunden) negativ bleibt. In diesen Fällen ist ein akutes Koronarsyndrom mit hoher Wahrscheinlichkeit auszuschließen.

Bei positiven Troponinwerten ist bei weiten nicht immer eine Ischämie durch Plaqueruptur in einer Koronararterie ursächlich (Typ-1-Infarkt), sondern diese können durch eine Reihe weiterer Ursachen bedingt sein, darunter auch extrakardiale Erkrankungen. Diesbezüglich wird in der kürzlich veröffentlichten neuen Definition des Myokardinfarkts der Begriff myokardiale Ischämie von dem der myokardialen Verletzung („injury“) abgegrenzt [10].

Die Indikation zur invasiven Abklärung, um eine effektive Revaskularisation zu bewirken, ist daher beim NSTEMI komplexer als bei STEMI-Patienten und im Wesentlichen von Klinik, Hämodynamik, Risikoscores, wie dem GRACE-Score (GRACE: „The Global Registry of Acute Coronary Events“, Tab. 1), und einer erhöhten Vortestwahrscheinlichkeit abhängig. Das Vorhandensein eines Diabetes wirkt in diesem Sinne als Parameter für ein erhöhtes Risiko und somit als Indikationsstellung für ein invasives Vorgehen, vergleichsweise ähnlich wie eine verminderte Herzleistung, ein Zustand nach vorangegangener Revaskularisation mittels PCI oder Bypass oder ein intermediärer Wert des GRACE-Scores (Abb. 3).

Tab. 1 GRACE-Score zur Beurteilung des Risikosa für Patienten mit NSTEMI. (Nach [11])
Abb. 3
figure 3

Indikation zur Koronarangiographie bei Patienten mit NSTEMI in Abhängigkeit von Vortestwahrscheinlichkeit und ischämischem Risiko, ACS akutes Koronarsyndrom, AP Angina pectoris, CABG aortokoronare Bypassoperation, ESC „European Society of Cardiology“, GRACE „The Global Registry of Acute Coronary Events“ [11], HI Herzinsuffizienz, HK Herzkatheter, IA, IC Empfehlungsniveaus der ESC-Richtlinie (adaptiert nach den ESC-Richtlinien für die myokardiale Revaskularisation 2018 [12]), LV-EF linksventrikuläre Ejektionsfraktion, MI Myokardinfarkt, NINS Niereninsuffizienz, NSTEMI Nicht-ST-Strecken-Hebungsinfarkt, PCI perkutane Koronarintervention

Revaskularisationstechnik

Intervention mittels perkutaner Koronarintervention (PCI).

Bei Patienten mit ACS steht die perkutane Koronarintervention mittels der von Andreas Grüntzig entwickelten und 1978 erstbeschriebenen Ballondilatation (heutzutage mit Stentimplantation) im Vordergrund [13]. Nach der fakultativ notwendigen Vordilatation erfolgt die Implantation eines medikamentenbeschichteten („drug eluting“ [DE]) Stents, dessen Restenoseraten wesentlich geringer als die des unbeschichteten („bare metal“ [BM]) Metallstents sind. Dies ist insbesondere bei Diabetespatienten relevant, da bei ihnen das Risiko für eine Restenosierung bei Verwendung von DE- statt BM-Stents um bis zu 80 % niedriger ist [14].

Als zu bevorzugender Gefäßzugang erwies sich insbesondere bei ACS-Patienten der radiale Zugang. So zeigt das 1‑Jahres-Follow-up der MATRIX-Studie (8404 ACS-Patienten, 22,6 % Diabetespatienten) eine signifikante Reduktion der kardiovaskulären Sterblichkeit und der klinisch relevanten Blutungen um jeweils 29 % im Vergleich zu Patienten, bei denen der femorale Gefäßzugang verwendet wurde [15].

Die Antwort auf die Frage, wie vollständig die Revaskularisation bei Patienten mit ACS und Mehrgefäßerkrankung erfolgen soll, muss differenziert gegeben werden. Bei Patienten mit kardiogenem Schock bewährte sich eine fokussierte Strategie, die sich auf die Behandlung der Läsion beschränkt, die zum Akutereignis führte („culprit lesion“). Die CULPRIT-SHOCK-Untersuchung zeigte bei 706 eingeschlossenen Patienten (davon 218 Diabetespatienten) nach 12 Monaten mit einer um 6,9 % niedrigeren Sterblichkeitsrate eine Bestätigung der 30-Tage-Ergebnisse. Einschränkend ist zu erwähnen, dass nicht an Diabetes leidende Patienten von dieser Strategie signifikant profitierten, während die diabetische Subpopulation bei beiden Interventionsstrategien vergleichbar abschnitt [16].

Bei ACS-Patienten ohne Schock wird in den Richtlinien bezüglich der Intervention bei Nicht-culprit-Engstellen im Sinne einer kompletten Revaskularisation ein Vorgehen vergleichbar dem bei Patienten mit stabiler Koronarerkrankung empfohlen [12].

Intervention mittels aortokoronarer Bypassoperation (CABG) oder Hybrideingriff (Kombination aus Operation und perkutaner Koronarintervention [PCI]).

Während bei Patienten mit STEMI die Revaskularisation mittels CABG sehr selten angewandt werden muss, ist die Indikation für NSTEMI-Patienten breiter und v. a. abhängig von der Koronaranatomie zu stellen. Vergleichbar mit den Studienergebnissen bei stabiler Koronarerkrankung profitieren v. a. Diabetespatienten und Menschen mit Mehrgefäßerkrankung häufiger von einer CABG [17]. So wurden in einer kürzlich veröffentlichte Metaanalyse die Ergebnisse von 1246 NSTE-ACS-Patienten (NSTE-ACS: akuter Brustschmerz ohne persistierende ST-Strecken-Erhöhung) mit Mehrgefäßerkrankung und/oder Hauptstammstenose aus 3 Studien (BEST, COMBAT, SYNTAX) zusammengefasst: Nach einem mittleren Follow-up von 60 Monaten wies die mit CABG versorgte Patientengruppe ein 24 % geringeres Risiko für den kombinierten primären Endpunkt Tod, Myokardinfarkt und Schlaganfall auf, wobei für dieses Resultat hauptsächlich die um 50 % niedrigere Myokardinfarktfrequenz verantwortlich war. Die Häufigkeit von Tod und Schlaganfällen war in beiden Gruppen vergleichbar. In Bezug auf die Begleitdiagnose Diabetes bestand kein Unterschied in den Ereignisraten zwischen den beiden Revaskularisationsstrategien [17].

Die Indikation zur CABG wird bei etwa 5–10 % der Patienten mit NSTEMI gestellt [18], wobei der Operationszeitpunkt bei persistierender Ischämie und/oder hämodynamischer Instabilität trotz begleitender antithrombotischer Therapie und damit einhergehenden Blutungsrisiken frühzeitig angesetzt werden muss. Sowohl für die Indikationsstellung zur PCI bzw. CABG als auch für den optimalen Durchführungszeitpunkt einer CABG sind ein individualisiertes Vorgehen in Sinne der personalisierten Medizin sowie die multidisziplinäre Entscheidungsfindung („heart team“) die für den Patienten beste Vorgangsweise.

Stabile Koronarerkrankung („stable coronary artery disease“ [SCAD])

Indikationsstellung zur Revaskularisation anhand der klinischen Symptomatik.

Im Gegensatz zu Patienten mit akutem Koronarsyndrom, bei denen Revaskularisationsstrategien wesentlich zur Verbesserung der Prognose (Sterblichkeit, Herzinsuffizienz, Arrhythmieneigung) beitragen, liegt der Stellenwert von PCI und CABG bei stabiler Erkrankung in erster Linie in der Verbesserung der Symptomatik. Ein wissenschaftlicher Nachweis der Verbesserung der Prognose von Patienten mit stabiler Koronarerkrankung gelang nur in definierten Subgruppen (Hauptstammstenose, proximale LAD-Stenose [LAD: R. interventricularis anterior], eingeschränkte Herzfunktion mit EF [Ejektionsfraktion] <35 %, Mehrgefäßerkrankung oder hohe Ischämielast mit >10 % betroffenes Myokard; [12]).

Die Angina pectoris ist das führende, zur weiteren, zunächst nichtinvasiven Abklärung veranlassende Symptom. Entgegen der weit verbreiteten Ansicht können Diabetespatienten im selben Ausmaß wie nicht an dieser Stoffwechselerkrankung leidende Patienten klinisch anhand des Vorhandenseins und des Schweregrades von Angina-pectoris-Symptomen eingeschätzt werden. Diese Zusammenhänge wurden in der PROMISE-Studie (Vergleichsstudie der Wertigkeit von Myokardszintigraphie vs. Stressechokardiographie) bei über 10.000 Patienten (davon 2144 Diabetespatienten) mit stabiler Angina-pectoris-Symptomatik aufgezeigt [19]. Der anhand der invasiven Koronarangiographiedaten von 2260 Patienten in 14 Kliniken kürzlich modifizierte Diamond-Forrester-Score ist daher zum klinischen Screening von Patienten mit und ohne Diabetes gleichermaßen geeignet (Tab. 2).

Objektivierung und Quantifizierung der Ischämie

Durch die Ergebnisse der kürzlich veröffentlichten ORBITA-Studie wurden die Auswirkung einer perkutanen Koronarintervention bei stabilen Patienten erheblich in Zweifel gezogen [20]. In dieser Untersuchung wurde bei Menschen mit stabiler Angina pectoris und erhaltener linksventrikulärer Funktion die PCI mit einer Scheinprozedur verglichen. Der primäre Endpunkt (Ausmaß der Belastungsbreite) war zwischen den beiden Gruppen nicht unterschiedlich, Wandbewegungsstörungen in der Stressechokardiographie wurden allerdings durch die PCI signifikant reduziert. Auch wenn diese Studie zahlreiche Kritikpunkte und eine geringe Patientenzahl (n = 230, 200 wurden randomisiert zu PCI vs. Scheinprozedur, 18 % Diabetespatienten) aufweist, ist eine ihrer Hauptkonsequenzen, dass die Auswahl der Patienten für eine invasive Abklärung und die Indikationsstellung zur Revaskularisation einer evidenzbasierten Risiko-Nutzen-Abwägung folgen muss.

Die Durchführung von nichtinvasiven bildgebenden Diagnoseverfahren ist in Bezug sowohl auf die Koronaranatomie als auch die Funktionalität von Koronarstenosen zur Erhöhung der Vortestwahrscheinlichkeit essenziell. Die Koronar-CT (CT: Computertomographie) ermöglicht auch bei Diabetespatienten mit immer besseren Ergebnissen eine nichtinvasive Darstellung der Koronaranatomie mit prognostischen Implikationen [22]. Die Stärke dieser Untersuchungsmethode liegt aber im Ausschluss einer Koronarerkrankung bei niedriger bis intermediärer Vortestwahrscheinlichkeit. Weitere Indikationsgebiete stellen die Überprüfung der Durchgängigkeit von arteriellen und venösen Bypässen dar. In Zukunft wird die nichtinvasive Kalkulation der fraktionellen Flussreserve (FFR) auch funktionelle Aussagen zulassen, wobei insbesondere das Vorhandensein eines Diabetes sowie einer Hypertonie gemeinsam mit einer niedrigen FFR signifikant hinweisend auf hämodynamisch wirksame Stenosen sind [23]. Des Weiteren sind Aussagen über die Plaquecharakteristik (stabile harte Plaque vs. instabile rupturgefährdete weiche Plaque) möglich. Diabetespatienten haben mit einer höheren Wahrscheinlichkeit signifikant stenosierende und auch härtere Plaques, v. a. wenn hsCRP-Werte (hsCRP: hochsensitives C‑reaktives Protein) als Ausdruck der Inflammation erhöht sind [24].

Weitere Methoden zur bildgebenden Ischämiediagnostik stellen die Stressechokardiographie, die Stress-MRT (MRT: Magnetresonanztomographie), die Stress-SPECT (SPECT: „single photon emission computed tomography“) und das PET-CT (PET: Positronenemissionstomographie) dar, wobei in Zukunft Fusionsimaging (kombinierte Darstellung von Anatomie und Funktionalität) zu erwarten ist.

Die Indikation zur Durchführung einer invasiven Abklärung mittels Herzkatheteruntersuchung besteht erst bei einer Vortestwahrscheinlichkeit von >85 % für das Vorliegen einer KHK ([25]; Tab. 3).

Tab. 2 Vortestwahrscheinlichkeit (%) für eine Koronarerkrankung (modifizierter Diamond-Forrester-Score). (Aus [21])
Tab. 3 Nichtinvasive Ischämietestung – Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen/den Ausschluss einer KHK. (Nach [25, 28])

Fraktionelle Flussreserve (FFR) – Ischämietestung im Rahmen der Koronarangiographie.

Als State of the Art der funktionellen Ischämietestung im Katheterlabor etablierte sich die Bestimmung der fraktionellen Flussreserve. Bei dieser Methode wird mittels eines Druckdrahtes der Blutdruck distal einer Stenose in einer Koronararterie zum Blutdruck in der Aorta in Beziehung gesetzt. Bei einem Druckabfall auf 80 % oder weniger (FFR <0,8) kann von einer signifikanten Ischämie ausgegangen werden. Eine Revaskularisation einer solchen Stenose mittels PCI verbessert im Vergleich zur optimalen medikamentösen Therapie entsprechend den 5‑Jahres-Daten der FAME-2-Studie (27 % Diabetespatienten bei 888 randomisierten Patienten) nicht nur die Symptomatik, sondern auch die Prognose des Patienten [26]. Der Treiber des primären Endpunktes war die Notwendigkeit einer dringlichen Revaskularisation.

Revaskularisationstechnik: perkutane Koronarintervention vs. aortokoronare Bypassoperation.

Die atherosklerotische Koronarerkrankung beim Diabetespatienten betrifft öfter den Hauptstamm der linken Kranzarterie und/oder mehrere Herzkranzgefäßäste (Mehrstammerkrankung), häufig mit diffuser langstreckiger Sklerosierung bis in die Gefäßperipherie [27]. Diese anatomischen Besonderheiten wirken sich auf die Wahl der optimalen Revaskularisationstechnik mittels PCI, CABG oder Hybridtechniken aus.

Die Summation der Evidenz aus einer Reihe von Vergleichsstudien (BARI-2D, FREEDOM, SYNTAX, CARDia und VA-CARDS; [12]) zeigt bei Diabetespatienten mit Mehrgefäß- und/oder Hauptstammerkrankung einen Vorteil im Hinblick auf das Überleben sowie auch die kardiovaskuläre Morbidität für chirurgische Verfahren, insbesondere bei Verwendung von arteriellen Bypässen. Die modernste Vergleichsuntersuchung zwischen CABG und PCI mit DE-Stents bei Diabetespatienten stellt die FREEDOM-Untersuchung dar, in die 1900 Personen inkludiert wurden. Nach 5 Jahren wurde der Endpunkt Tod, Myokardinfarkt und Schlaganfall signifikant seltener bei operierten Patienten erreicht (18,7 vs. 26,6 %). Diese Ergebnisse waren v. a. durch eine geringere Gesamtsterblichkeit sowie Myokardinfarktinzidenz bedingt, wurden allerdings durch eine höhere Schlaganfallrate in der mit CABG revaskularisierten Patientengruppe (5,2 % vs. 2,4 %) konterkariert [29].

Zusammenfassend wird die Wahl des besten Verfahrens im Sinne einer personalisierten Medizin individuell in einer Zusammenschau der Befunde durch das „heart team“ zu treffen sein. So wurde in einer Begleitpublikation [30] zu den kürzlich erschienenen Revaskularisationsrichtlinien der ESC das optimale Vorgehen wie folgt definiert (Abb. 4):

  1. 1.

    Das Hauptziel liegt im Erreichen einer vollständigen Revaskularisation.

  2. 2.

    Das chirurgische intrahospitale Mortalitätsrisiko (am besten durch den EURO-Score II [EURO: „European system for cardiac operative risk evaluation“] oder den STS-Score [STS: „Society of Thoracic Surgeons“] abgebildet, Tab. 4) muss abgewogen werden gegen den

  3. 3.

    SYNTAX-Score („SYNergy between PCI with TAXUS and Cardiac Surgery“; Tab. 5), der die anatomische Komplexität der Koronarerkrankung sowie das Langzeitrisiko für Morbidität und Mortalität bei Durchführung einer PCI abbildet (der SYNTAX-Score wurde kürzlich um klinische Parameter erweitert und wird in dieser Form als SYNTAX-2-Score bezeichnet; Tab. 5; [31]).

Abb. 4
figure 4

Mehrgefäßerkrankung und/oder Hauptstammerkrankung – Indikationsstellung für das Revaskularisationsverfahren in Abhängigkeit von SYNTAX-Score und der Diagnose Diabetes (gebildet aus koronaranatomischen Parametern), CABG aortokoronare Bypassoperation, KHK koronare Herzkrankheit, PCI perkutane Koronarintervention, SYNTAX „SYNergy between PCI with TAXUS and Cardiac Surgery“. (Adaptiert nach [30])

Tab. 4 STS- und EURO-Score zur Berechnung der intrahospitalen Mortalität bei CABG. (Nach [32])
Tab. 5 SYNTAX- und SYNTAX-2-Score zur Berechnung des Morbiditäts- und des Mortalitätsrisikos bei PCI oder CABG bei koronarer Mehrgefäßerkrankung. (Adaptiert nach [31, 32])

Diabetes mellitus und Arrhythmien

Vorhofflimmern

Relevanz bei Patienten mit Diabetes mellitus

Diabetes mellitus ist ein unabhängiger Risikofaktor für das Auftreten von Vorhofflimmern (VHF). Das Risiko des Diabetespatienten, ein solches zu entwickeln, ist gegenüber Menschen ohne Diabetes um 39 % erhöht [33]. Atriale Extrasystolen treten bei Diabetespatienten gehäuft auf und können das Auftreten von VHF begünstigen. Auch das Risiko einer akuten Herzinsuffizienz beim Auftreten von VHF ist bei Diabetespatienten aufgrund des Verlusts des atrialen systolischen Kicks und einer Störung der diastolischen Funktion erhöht [34]. Das gleichzeitige Auftreten von VHF und Diabetes geht mit einer signifikanten Steigerung der Mortalität sowie des Risikos eines Schlaganfalls einher [35]. Aufgrund dieser Daten ist die Aussage berechtigt, dass unter den Patienten mit Diabetes mellitus diejenigen mit zusätzlich vorliegendem VHF jene Subgruppe darstellen, die von einem aggressiven Management kardiovaskulärer Risikofaktoren besonders profitieren. Da VHF bei der Mehrzahl der Betroffenen asymptomatisch oder oligosymptomatisch verläuft, sollte bei Menschen mit Diabetes verstärkt auf dessen Vorliegen kontrolliert und dieses durch ein 12-Kanal- oder 24-h-EKG bestätigt werden. Ein intensiviertes Blutzuckermanagement senkt die Rate von neu auftretendem VHF leider nicht [36].

Schlaganfallrisiko

Diabetes mellitus erhöht sowohl bei paroxysmalem als auch persistierendem/permanentem VHF das Risiko eines Schlaganfalls. Das Vorhandensein dieser Stoffwechselerkrankung stellt innerhalb des allgemein zur Quantifizierung des Schlaganfallrisikos bei VHF verwendeten CHADS-VASc-Scores (CHADS-VASc: „congestive heart failure“, Hypertonie, Alter über 75 Jahre, Diabetes mellitus, „stroke“, „vascular disease“, Alter 65–74 Jahre, „sex category“) einen Risikofaktor dar (Tab. 6).

Tab. 6 CHADS-VASc-Score zur Evaluierung des Schlaganfallrisikos bei Patienten mit VHF

In den ESC-Leitlinien 2016 zum Management bei Patienten mit Vorhofflimmern wird auch beim Vorliegen von Diabetes mellitus als einzigem Risikofaktor (und somit bei einem CHADS-VASc-Score-Wert von 1) bereits die Einleitung einer oralen Antikoagulation mit einem Vitamin-K-Antagonisten oder einem neuen oralen Antikoagulanz (NOAK) empfohlen (Klasse-IIa-Empfehlung, Evidenzlevel B). Bei einem CHADS-VASc-Score ≥2 stellt eine orale Antikoagulation eine Klasse-IA-Empfehlung dar [37]. Gerade bei VHF-Patienten mit Diabetes und einer NOAK-Therapie sollte die Nierenfunktion regelmäßig überprüft werden, um eine Einschränkung derselben und somit eine Indikation zur Dosisreduktion oder gar zum Absetzen des NOAK nicht zu übersehen und damit ein potenziell erhöhtes Blutungsrisiko zu vermeiden. In Abb. 5 sind die derzeitig gültigen Empfehlungen zur oralen Antikoagulation bei VHF zusammengefasst.

Abb. 5
figure 5

Schema zur Schlaganfallprophylaxe bei Patienten mit Vorhofflimmern. A, B, C Evidenzlevel, CHA2DS2-VASccongestive heart failure“, 1 Punkt, Hypertension, 1 Punkt, Alter über 75 Jahre, 2 Punkte, Diabetes mellitus, 1 Punkt, „stroke“, 2 Punkte, „vascular disease“, 1 Punkt, Alter 65–74 Jahre, 1 Punkt, „sex category“, 1 Punkt, ESC „European Society of Cardiology“, I, IIa, IIb, III Empfehlungsklasse, NOAK neue OAK, OAK orales Antikoagulanz, VKA Vitamin-K-Antagonist. (Mod. entsprechend der ESC-Leitlinien 2016 zum Management von Vorhofflimmern [37])

Katheterablation von Vorhofflimmern

In den ESC-Leitlinien zum Management bei Patienten mit VHF wird die Katheterablation bei symptomatischem VHF und dem Ziel der Rhythmuskontrolle, d. h. der Wiederherstellung und Erhaltung des Sinusrhythmus, als eine etablierte Zweitlinientherapie (Klasse IA), und bei ausgewählten Patienten, insbesondere mit paroxysmalem VHF, als eine Erstlinientherapie (Klasse IIaB) angesehen. Dies gilt auch für Patienten mit Diabetes mellitus [37]. Die Erfolgsrate der Katheterablation ist bei Patienten mit Diabetes nicht schlechter als bei Menschen ohne diese Erkrankung, insbesondere bei jüngeren Patienten mit zufriedenstellender Blutzuckereinstellung [38]. In Abb. 6 sind die Möglichkeiten der Langzeitrhythmuskontrolle bei Patienten mit VHF (mit und ohne Diabetes mellitus) zusammengefasst.

Abb. 6
figure 6

Schema zur medikamentösen und interventionellen Therapie bei Patienten mit Vorhofflimmern (VHF) und dem Ziel des Erhalts des Sinusrhythmus. A, B Evidenzlevel, ESC „European Society of Cardiology“, I, IIa Empfehlungsklasse, KHK koronare Herzkrankheit, LVH Linksherzhypertrophie, strukt. strukturierte. (Mod. entsprechend des ESC-Leitlinien 2016 zum Management von Vorhofflimmern, [37])

Diabetes mellitus und ventrikuläre Arrhythmien

Diabetes mellitus und Extrasystolie

Palpitationen, Extrasystolen und nichtanhaltende ventrikuläre Tachykardie (nsVTs [„non-sustained ventricular tachycardia“]) treten bei Menschen mit Diabetes mellitus gehäuft auf, wobei sich jedoch Diagnose und Therapie dieser Rhythmusstörungen bei Patienten mit und ohne Diabetes nicht unterscheiden. Dennoch sollten Diabetespatienten bei Vorliegen von gehäuften Extrasystolen oder nsVTs hinsichtlich einer strukturellen Herzerkrankung mittels Belastungs-EKG, Koronar-CT und Echokardiographie untersucht werden. Bei hochsymptomatischen Patienten mit Extrasystolen oder nsVTs kann, abseits der Behandlung der kardiovaskulären Grunderkrankung und des Diabetes mellitus, die Extrasystolie durch Gabe eines Betablockers, Kalziumantagonisten, Klasse-I-Antiarrhythmikums oder durch Katheterablation behandelt werden [39].

Ventrikuläre Tachykardie und plötzlicher Herztod

Die Diagnose und Behandlung von Patienten mit anhaltender ventrikulärer Tachykardie oder überlebtem plötzlichem Herz-Kreislauf-Stillstand ist bei Menschen mit und ohne Diabetes ähnlich. Im Zentrum steht die Diagnose einer evtl. zugrunde liegenden strukturellen Herzerkrankung, falls keine reversiblen Auslöser, wie ein Myokardinfarkt oder eine hochgradige Elektrolytimbalance identifiziert werden können. Die meisten Patienten mit anhaltender Kammertachykardie oder überlebtem plötzlichem Herz-Kreislauf-Stillstand benötigen in weiterer Folge die Implantation eines ICD (implantierbarer Kardioverterdefibrillator).

In epidemiologischen Studien wurde gezeigt, dass das Risiko des plötzlichen Herztods bei Patienten mit Diabetes mellitus erhöht ist [40], in der Framingham-Studie auf das 4‑Fache [41].

Die Inzidenz des plötzlichen Herztodes ist bei Diabetespatienten mit einer LV-EF (linksventrikuläre Ejektionsfraktion) <35 % signifikant gesteigert, was das Konzept der prophylaktischen ICD-Implantation auch bei dieser Klientel unterstützt, auch wenn eine retrospektive Analyse vermuten lässt, dass Patienten mit Diabetes mellitus nicht im selben Ausmaß wie Menschen ohne diese Stoffwechselerkrankung von einer ICD-Implantation profitieren [39, 42].

Die Ursachen der erhöhten elektrischen Instabilität beim Vorliegen von Diabetes mellitus sind nicht endgültig geklärt. Ein plötzlicher Herztod bei Patienten mit Typ-1-Diabetes im Schlaf wird vermutlich durch Hypoglykämie getriggert [43]. Faktoren wie Nephropathie, autonome Dysfunktion, Verlängerung des QT-Intervalls sowie Komorbiditäten scheinen beim erhöhten Risiko des plötzlichen Herztodes des Diabetespatienten eine Rolle zu spielen. Abseits der universell gültigen linksventrikulären Funktion (LV-EF) gibt es derzeit jedoch keinen diabetesspezifischen Algorithmus zur Risikoprädiktion hinsichtlich eines plötzlichen Herztodes beim Diabetespatienten.

Fazit für die Praxis

  • Der Patient mit Diabetes mellitus hat ein deutlich erhöhtes kardiovaskuläres Risiko, welches erheblich in dessen inflammatorischen Phänotyp mitbegründet sein dürfte.

  • Diabetes mellitus ist ein wesentlicher Faktor in der individuellen Risikoanalyse.

  • Diabetes mellitus spielt in der personalisierten Auswahl therapeutischer Interventionen eine wichtige Rolle.