Die Erkenntnis, dass unsere Darmbesiedlung mehr als nur ein stinkendes Exkrement darstellt, konnte in den letzten Jahren zunehmend auf eine feste Datenbasis gestellt werden. Mittlerweile handelt es sich hierbei um ein zentrales und sehr aktuelles wissenschaftliches Thema. Nach wie vor überschlagen sich die Neuigkeiten in diesem Bereich und der Wissensstand nimmt rapide zu. Die Fermentationsprodukte der Darmbakterien, insgesamt als Mikrobiom zusammengefasst, beeinflussen das Essverhalten, und können eine Adipositas unterstützen sowie ihr entgegen wirken. In einer neu veröffentlichten Arbeit wurde eine parasympathomimetische Wirkung von Acetat, einem Hauptfermentationsprodukt der Bakterien aus nichtresorbierbaren Kohlenhydraten, nachgewiesen. Die Insulinsekretion und Ghrelinfreisetzung (Hormon zur Steuerung des Hunger- und Sättigungsgefühls) wird durch den Parasympathicus gesteigert, eine Hyperphagie ausgelöst und dadurch ebenfalls eine Adipositas [1]. Genau gegenteilige Daten wurden von anderen Gruppen publiziert [2] – da bleibt Raum für weitere Forschung. Andererseits konnte die insulinsensitivitätssteigernde Wirkung von Ballaststoffen mit bestimmten Stämmen von Darmbakterien verknüpft werden [3]. Eine aufsehenerregende Studie von Zeevi et al. (2015) [4] stellte den Einfluss des Mikrobioms auf die postprandialen Blutzuckeranstiege dar, und schlug eine individuelle Ernährung zum Anzüchten der passenden Darmflora vor.

Im Zusammenhang mit Diabetes wurde die subklinische Inflammation auf eine gesteigerte Durchlässigkeit des Darms, durch fettreiche Ernährung und das Übertreten von bakteriellen Lipopolysacchariden, zurückgeführt. Dies kann eine Insulinresistenz auslösen [5]. Einige Arbeitsgruppen haben schon Übertragungen des Mikrobioms, also fäkale Transplantationen, vorgenommen und gezeigt, dass sich die Insulinsensitivität hierdurch moderat verbessern lässt [6]. Es zeichnen sich auch erste Bakterien ab, die überwiegend mit positiven oder negativen Effekten verbunden werden können. Daneben wird deutlich, dass die Kombination von Probiotikum und Präbiotikum, also Bakterien und ihren bevorzugten Nährstoffen, die Darmflora am effektivsten modifiziert, während das Zuführen von Bakterien ohne entsprechende Nährstoffe nicht erfolgreich ist.

Die Kombination von Pro- und Präbiotikum kann die Darmflora sehr effektiv modifizieren

Wie man angesichts der schnellen Verdopplungszeiten von Bakterien erwarten würde, kann das Mikrobiom durch Nahrungseinflüsse schnell und erheblich verändert werden [7]. Es zeichnet sich allerdings auch ab, dass die Diversität des Mikrobioms, die bei gesunden Menschen beobachtet wird, durch die mangelnde Ballaststoffzufuhr vermindert wird, und zu irreversiblen Verlusten von Bakterienspezies führen kann. Darmbewohner induzieren offenbar auch eine monozytenvermittelte, neuronale Regeneration im Hippocampus [8] und reduzieren damit den altersbedingten Abfall der kognitiven Funktion.

Trotz all dieser vielfältigen Daten können wir gegenwärtig noch nicht beziffern, wie effektiv eine Modifikation des Mikrobioms sein kann, um wie viel Prozent sich der HbA1c-Wert verbessert, und wer dafür besonders in Frage kommt. Die nachfolgenden Arbeiten stellen verschiedene Perspektiven der Mikrobiomforschung dar. Es werden Grundlagen, Ernährungseinflüsse und metabolische und hormonelle Effekte, sowie die bisherigen Erfahrungen mit klinischen Anwendungen diskutiert.

Ich hoffe, Sie konnten interessante Einsichten gewinnen, und Ihre Wertschätzung für unsere intestinalen Mitbewohner steigern.

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A. F. H. Pfeiffer