In den letzten beiden Jahrzehnten war weltweit ein dramatischer Anstieg der Adipositas zu beobachten, wobei dies insbesondere für die morbide Adipositas (Klasse III mit einem „Body Mass Index“/BMI ≥40 kg/m2) gilt. In einem Zeitraum von nur 14 Jahren (1986–2000) ist der Anteil dieser Patientengruppe in den USA um das 5-Fache angestiegen [1]. Die „morbide Adipositas“ ist eine chronische, multifaktorielle und oft anlagebedingte Erkrankung mit erheblichen negativen physischen wie psychischen Folgen für die Betroffenen und enormen sozioökonomischen Folgekosten. Aufgrund des extremen Übergewichts sind diätetische oder medikamentöse Maßnahmen bei diesen Patienten nahezu aussichtslos. Bei fortgeschrittener Adipositas stellen die chirurgischen Verfahren derzeit die oft einzige effektive Therapie für viele der betroffenen Patienten dar. Gemäß internationaler Standards und Leitlinien sollten bariatrische Eingriffe bei Patienten mit Adipositas Grad III (BMI ≥40 kg/m2) oder Grad II (BMI ≥35 kg/m2) mit erheblicher Komorbidität (z. B. Diabetes) in Betracht gezogen werden. In den meisten Zentren, die sich mit bariatrischer Chirurgie beschäftigen, liegt allerdings der mittlere BMI bei den Operationskandidaten bei 45 kg/m2 oder sogar noch höher.

Wichtig ist eine umfassende präoperative Aufklärung der Patienten mit Darstellung aller Vorteile und Nachteile der verschiedenen Operationsverfahren. Wichtige Kriterien bei der Verfahrenswahl sind das Ausgangsgewicht des Patienten, der zu erwartende Gewichtsverlust, das Essverhalten, Begleiterkrankungen, allgemeines Operationsrisiko sowie die Compliance des Patienten im Sinne einer Bereitschaft zur Mitverantwortung und Mitwirkung. Bei der richtigen Auswahl der Patienten und des geeigneten Operationsverfahrens können beachtliche Erfolge erzielt werden. Neben der Gewichtsabnahme profitieren die Patienten erheblich in Bezug auf die Beeinflussung ihrer Komorbidität. Am schnellsten tritt der Operationseffekt auf den Diabetes ein. Noch vor Beginn einer substanziellen Gewichtsabnahme sinken die Blutzuckerspiegel massiv, und es können akut und auf Dauer erhebliche Mengen der Diabetesmedikation eingespart oder sogar abgesetzt werden. Neben der schlagartig drastisch verminderten Nahrungszufuhr („Restriktion“) werden auch Änderungen in der Sekretion verschiedener gastrointestinaler Hormone (z. B. GLP-1) dafür mitverantwortlich gemacht. Von einer generellen „Heilung des Diabetes“ zu sprechen, ist allerdings bei Weitem überzogen, da eine weitgehende Diabetesremission vorwiegend nur bei jenen Patienten gesehen wird, die eine kurze Diabetesdauer aufweisen, einen relativ leichten Diabetes haben und bei denen vorwiegend eine Insulinresistenz und weniger ein Insulinmangel vorliegt [2].

Neben der Gewichtsabnahme profitieren die Patienten erheblich in Bezug auf die Beeinflussung ihrer Komorbidität

Prinzipiell sollten bariatrische Operationen ausschließlich an jenen Zentren durchgeführt werden, die über ein interdisziplinäres Team aus erfahrenen Stoffwechselexperten, Chirurgen, Psychologen und Diätologen verfügen, damit eine professionelle interdisziplinäre prä-, peri- und postoperative Betreuung der Patienten gewährleistet ist. Niedrige operative Komplikationsraten finden sich nur dort, wo große Operationszahlen von sehr erfahrenen Chirurgen erarbeitet werden. Da ein hoher Anteil der Patienten (etwa 50%) die Kriterien einer psychischen Störung aufweist, sollte eine präoperative Vorstellung bei einem Psychologen mit dem Ziel erfolgen, den aktuellen psychischen Zustand des Patienten zu klären und herauszufinden, welche Motive und Erwartungen des Patienten an die Operation vorliegen. Sehr wichtig ist auch eine lebenslange „Nachsorge“ der operierten Patienten, um Mangelerscheinungen, die insbesondere bei malabsorptiven Operationsverfahren auftreten, rechtzeitig zu erfassen und zu behandeln. Weitere prospektive kontrollierte Langzeitstudien sind aber unbedingt erforderlich, um zu erkennen, welche Patienten mit morbider Adipositas bezüglich Morbidität und Mortalität am meisten profitieren.

Professor Dr. G. Schernthaner