Das diabetische Fußsyndrom war lange Zeit sowohl klinisch als auch wissenschaftlich eine vernachlässigte und weitgehend übersehene Komplikation des Diabetes mellitus. Dies betraf insbesondere Diabetologen, aber auch andere medizinische Disziplinen, welche den diabetischen Fuß behandelten.

Henry Connor [1] hat in einem sehr profunden und lesenswerten Artikel die Historie der Behandlung des diabetischen Fußsyndroms dargelegt. Während zur diabetischen Nephropathie, Retinopathie und Neuropathie im 20. Jahrhundert wissenschaftliche Studien und innovative Therapien breiten Widerhall fanden, war dies beim diabetischen Fußsyndrom bis in die 1980er Jahre hinein kaum der Fall. Erst seit dieser Zeit hat sich die früher deutlich unterproportionale Publikationshäufigkeit im Vergleich zu den anderen diabetischen Komplikationen vermehrt. Das geringe wissenschaftliche Interesse zeigte sich auch darin, dass die Gründung der „Diabetic Foot Study Group“ der Europäischen Diabetes Gesellschaft erst 1998 erfolgte, Jahrzehnte nach der Gründung der „Study Groups“ für die anderen diabetischen Komplikationen.

Der interdisziplinäre Ansatz verbessert Prävention, Therapie und Prognose des diabetischen Fußsyndroms in hohem Maße

Außer der Einführung der Antibiotika gab es wenig klinischen Fortschritt in der Therapie. In den 30 Jahren nach Einführung der Antibiotika wurde das diabetische Fußsyndrom mit diabetischer Gangrän und nachfolgender Amputation gleichgesetzt, ohne die erheblichen Unterschiede in der Pathogenese des diabetischen Fußsyndroms zu würdigen. Insbesondere die herausragende Bedeutung des Verlustes der Schmerzempfindung durch die Neuropathie und die dadurch verursachte erhebliche Gefährdung des diabetischen Fußes wurden nicht entsprechend beachtet. Bedingt durch die unterschiedlichen klinischen Ausprägungen des diabetischen Fußsyndroms, vom rein neuropathischen Ulkus bis hin zur rein ischämischen Nekrose, wurde das Krankheitsbild meist von ganz verschiedenen Arztgruppen behandelt. So ist es auch heute noch in vielen Krankenhäusern üblich, dass neuropathische Ulzera von Abteilungen für Innere Medizin, Dermatologie, Geriatrie oder Allgemeinchirurgie behandelt werden. Patienten mit ischämischen Läsionen finden sich hingegen eher in angiologischen, gefäßchirurgischen oder letztendlich wieder geriatrischen Fachabteilungen. Diese Zersplitterung der therapeutischen Zuständigkeit führte auch dazu, dass die wahre Bedeutung dieser Komplikation für die Patienten, aber auch für unser Gesundheitswesen, lange unterschätzt wurde.

Durch den interdiziplinären Therapieansatz, der vom hausärztlichen Bereich bis hin zur spezialisierten Fachabteilung für das diabetische Fußsyndrom reicht, ist es möglich geworden, die Prävention, die Therapie und die Prognose des diabetischen Fußes drastisch zu verbessern. Es ist mir eine besondere Freude, dass in dieser Ausgabe von Der Diabetologe die interdisziplinäre Zusammenarbeit beim diabetischen Fußsyndrom so ausführlich dargestellt werden kann.

M. Spraul