Hintergrund

Im Dezember 2019 begann mit dem erstmaligen Nachweis des „severe acute respiratory syndrome coronavirus type 2“ (SARS-CoV-2) bei Patienten mit schweren grippeähnlichen Symptomen und Ausbildung eines schweren akuten respiratorischen Syndroms (ARDS) die weltweite Pandemie durch Coronavirus Disease 2019 (COVID-19), die nicht nur zu einschneidenden persönlichen und gesellschaftlichen Veränderungen führte, sondern vielmehr die tägliche Arbeit in der Gesundheits- und Krankenversorgung drastisch und bis heute anhaltend beeinflusst.

Neben Coronaviren (SARS-CoV, Middle-east-respiratory-syndrome[MERS]-CoV, SARS-CoV-2) zählt auch für andere pathogene virale Erreger, wie Influenza‑, Adeno- und Rhinoviren, die Ausbreitung über Aerosole zu deren wichtigstem Übertragungsweg. Für das medizinische Personal konnte im Vergleich mit Tätigkeiten in anderen systemrelevanten Bereichen ein bis zu 12fach erhöhtes Risiko belegt werden, an COVID-19 zu erkranken [1, 2]. Zu Beginn der Pandemie – insbesondere vor dem Hintergrund fehlender wissenschaftlicher Daten und knapper Ressourcen wie individueller Schutzausrüstung – führte dies zu hoher Unsicherheit, ob gastrointestinale endoskopische Interventionen generell als sog. aerosolerzeugende Prozeduren („aerosol generating procedures“, AGP) mit einem erhöhten Transmissionsrisiko gelten und damit mit einem erhöhten Infektionsrisiko für das Personal verbunden sind. In Abhängigkeit vom lokalen pandemischen Infektionsgeschehen führte dies im klinischen Alltag vielerorts zu einer Reduktion aller endoskopischen Leistungen um bis zu 50 % und zu terminlichen Verschiebungen elektiver, insbesondere ambulant durchgeführter Eingriffe [3]. Daten aus der 1. und 2. pandemischen Welle in Deutschland und Polen zeigten, dass die Anzahl von Notfallendoskopien und interventionellen Endoskopien mit hoher Dringlichkeit (endoskopische retrograde Cholangiopankreatikographie, ERCP) an großen Zentren hingegen nicht reduziert wurden [4, 5]. Insbesondere zu Beginn der Pandemie im Jahr 2019 traf dies für viele endoskopische Zentren zu. Endoskopische Leistungen wurden insbesondere im ambulanten Sektor nicht angeboten und Eingriffe auf notfällige Indikationen reduziert. Dies berücksichtigte auch die Tatsache, dass eine optimierte Versorgung schwer COVID-19-ARDS-erkrankter Patienten eine Reorganisation der fachlichen und personellen Ressourcen in den Krankenhäusern notwendig machte [6, 7].

Merke.

In Abhängigkeit vom lokalen pandemischen Infektionsgeschehen kam es während der COVID-19-Pandemie vielerorts zu einer signifikanten Reduktion endoskopischer Leistungen und zu terminlichen Verschiebungen elektiver, insbesondere ambulant durchgeführter Eingriffe.

Diese Tatsachen, aber auch die inhaltliche Unsicherheit über eine mögliche Transmission durch einen endoskopischen Eingriff berücksichtigend wurden früh durch unterschiedliche internationale Fachgesellschaften und durch die WHO Algorithmen und Empfehlungen vorgeschlagen, die sowohl eine infektions- und indikationsadaptierte Durchführung endoskopischer Leistungen berücksichtigen, individuelle Schutzausrüstung („personal protective equipment“, PPE) definieren, aber auch prä-, peri- und postinterventionelle Maßnahmen, inklusive präinterventionelle Testverfahren (Polymerasekettenreaktion, PCR;, nachrangig Antigentest) berücksichtigen.

Die Effektivität dieser Maßnahmen konnte in der Zwischenzeit durch erhobene Daten mit wissenschaftlicher Evidenz belegt werden bzw. sie konnten basierend auf neuen Daten und der veränderten pandemischen Situation mit eingeführter Vakzination und Immunisierung der Bevölkerung entsprechend angepasst werden.

Die „nosokomialen“ Infektionsraten für das Personal in endoskopischen Abteilungen sind sehr gering [8]. Die Effektivität der erhobenen präventiven Maßnahmen ist somit die Grundlage für die postpandemische, neue, „normale“ Krankenversorgung vor dem Hintergrund niedriger Inzidenzen und hoher Immunisierung in der Bevölkerung.

Merke.

Die infektionspräventiven Strategien während der COVID-19-Pandemie waren effektiv und die „nosokomialen“ Infektionsraten für das Personal in endoskopischen Abteilungen durch die verwendeten Schutzmaßnahmen sehr gering.

Diese Daten und die Leitlinienempfehlungen werden in dieser Arbeit zusammengefasst und ebenso basierend auf den Erfahrungen aus den unterschiedlichen pandemischen Wellen – mit dem Bias krankhausversorgender Ärzt*Innen – diskutiert und in ihrer Bedeutung für den klinischen Alltag eingeordnet.

SARS-CoV-2-Übertragung durch viruskontaminierte Aerosole

Als aerogene Übertragung wird die Übertragung über Aerosole und Tröpfchen definiert. Aerosole sind luftgetragene Partikel mit einem Durchmesser < 5 µm, die aufgrund des kleinen Durchmessers sehr gut lungengängig sind. Als Tröpfchen hingegen werden Partikel mit einem Durchmesser von 10–500 µm definiert, die nicht in die tiefen Atemwege vordringen können [9,10,11]. Es ist bekannt, dass bei jedem Atemzug, beim Sprechen und beim Husten Aerosole und Tröpfchen produziert und ausgestoßen werden. Hieraus ergibt sich ein erhöhtes Risiko einer Übertragung pathogener Erreger für medizinisches Personal, das sich in der Nähe von Patienten aufhält. Dies betrifft insbesondere Disziplinen, bei denen während einer Behandlung keine mechanische/physikalische Aerosolretention durch den Patienten (Maske; geschlossenes Atemwegssystem) und eine enge räumliche Beziehung zur Aerosolquelle besteht. Solche Behandlungssituationen bestehen beispielsweise in der Zahnmedizin, der Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde und auch bei endoskopischen Eingriffen in der Gastroenterologie. Daher bedürfen diese Bereiche hinsichtlich der anzuwendenden Schutzkonzepte besonderer Aufmerksamkeit.

Auch über die räumliche Exposition um einen infektiösen Patienten*in hinaus werden bei bestimmten medizinischen Interventionen vermehrt Aerosole generiert. Durch die WHO wurden bereits zuvor Tracheotomien, Bronchoskopien sowie die orotracheale Intubation mit invasiver Beatmung als Hochrisikoeingriffe mit erhöhter Aerosolgeneration als AGP definiert [12]. Endoskopische Eingriffe wurden bis dato nicht aufgeführt. Bis zum Ausbruch der Pandemie fehlten bezüglich der Aerosolexposition bei endoskopischen Untersuchungen schlichtweg auch die wissenschaftlichen Daten, dies evident zu stützen.

Endoskopie des oberen Gastrointestinaltrakts als „aerosolerzeugende Prozedur“

Neue, methodisch exakte Untersuchungen demonstrierten zuletzt sehr genau, dass endoskopische Untersuchungen des oberen, aber auch des unteren Gastrointestinaltrakts sehr wohl mit einer verstärkten Aerosol- und Tröpfchengeneration einhergehen und daher als AGP bezeichnet werden können. Erste Untersuchungen hinsichtlich der Aerosolerzeugung konnten mit unterschiedlichen Methoden den vermehrten Tröpfchenausstoß visualisieren [13, 14]. Das Absaugen von Flüssigkeiten oder der Austausch von Zubehör während des Eingriffs können ein weiteres Risiko mit vermehrter Aerosolexposition in der experimentellen Visualisierung darstellen.

Eine wirkliche Quantifizierung der Aerosolexposition gelingt dann erstmalig unter Verwendung von Partikelzählern [15, 16]. In einem standardisiertem Untersuchungsszenario in einem geschlossenen Untersuchungsraum mit bekannter Ventilation, einer Untersucher*in und Assistenzpersonal (2 Personen) konnte in 10 cm Entfernung zum Mund des Patienten eine 2fach erhöhte Aerosolexposition (Partikel < 5 μm) im Vergleich zum Hintergrund sowohl während einer peroralen als auch transnasalen Endoskopie nachgewiesen werden. Insbesondere bei der Rachenanästhesie und der oralen sowie transnasalen In- und Extubation kommt es zu weiteren deutlichen Peaks mit 20–40fach erhöhter Exposition [17]. Diese und eine weitere Arbeit identifizierten insbesondere das Husten während der Untersuchung als Quelle einer verstärkten Aerosolexposition bei Durchführung einer Gastroskopie [18].

Merke.

Die Endoskopie des oberen Gastrointestinaltrakts geht mit einer verstärkten Aerosol- und Tröpfchengeneration einher und wird daher als AGP bezeichnet werden.

Diese Ergebnisse machen die Notwendigkeit der Verwendung von PPE, insbesondere eines Mund-Nasen-Schutzes (Maske), bei der Durchführung von endoskopischen Untersuchungen des oberen Gastrointestinaltrakts unter pandemischen Bedingungen deutlich. Die Interpretation der veröffentlichten Daten der 1. und 2. pandemischen Welle aus nationalen, tertiären Zentren belegt die Effektivität dieser Maßnahmen. Durch Verwendung von optimierter PPE mit KN95-/FFP2-Masken konnte in diesen Zentren eine „nosokomiale“ Transmission von infizierten Patienten auf das Personal verhindert bzw. deutlich eingegrenzt werden [4, 5, 8, 19]. Der Effekt dieser protektiven Maßnahmen wurde sicherlich durch die während der 2. Welle verfügbare Vakzinierung zusätzlich verstärkt, sodass im Verlauf der Pandemie in vielen endoskopischen Abteilung eine Anpassung der Untersuchungszahlen an den Routinebetrieb erfolgen konnte [5].

Merke.

Durch Verwendung von optimierter PPE mit KN95-/FFP2-Masken konnte die „nosokomiale“ Virustransmission von infizierten Patienten auf das Personal verhindert bzw. deutlich eingegrenzt werden.

Das Risiko für die Endoskopie des unteren Verdauungstrakts hingegen ist weniger eindeutig, man spricht von einem potenziell AGP-gefährdeten Eingriff [17]. Obwohl virale RNA in Stuhlproben von COVID-Patienten 2–5 Tage nach positivem COVID-19-Oropharyngealabstrich nachgewiesen werden kann [20, 21], gibt es bisher keine Belege dafür, ob dies ein Risiko für eine fäkal-aerogen Übertragung darstellt.

Angepasste Empfehlungen der Fachgesellschaften an die jeweils aktuelle COVID-19-Situation – „Pandemie im Wandel“

Vor dem Hintergrund der Krankenversorgung mit personeller und fachlicher Reorganisation in den Kliniken zur Notfallversorgung COVID-19-Erkrankter wurden früh in der Pandemie eine gemeinsame Stellungnahme der European Society of Gastrointestinal Endoscopy (ESGE) und der European Society of Gastroenterology and Endoscopy Nurses (ESGENA) sowie eine Stellungnahme der American Gastroenterology Association (AGA) veröffentlicht, die zum einen die personelle Umstrukturierung in den Krankenhäusern ermöglichte, zum anderen die Eindämmung der Transmission mit Schutz des Personals in den Vordergrund stellte [22, 23]. Hier wurden präprozedurale, strukturelle Maßnahmen von intraprozeduralen und postprozeduralen Maßnahmen unterschieden.

Merke.

Vor dem Hintergrund der Krankenversorgung mit personeller und fachlicher Reorganisation in den Kliniken zur Notfallversorgung COVID-19-Erkrankter und zur endoskopischen Patientenversorgung wurden früh in der Pandemie eine gemeinsame Stellungnahme der European Society of Gastrointestinal Endoscopy (ESGE) und der European Society of Gastroenterology and Endoscopy Nurses (ESGENA) sowie eine Stellungnahme der American Gastroenterology Association (AGA) veröffentlicht.

Im Verlauf der Pandemie mit der Vakzinierung und Immunisierung großer Teile der Bevölkerung, dem Auftreten neuer Virusvarianten und sinkender Inzidenz der SARS-CoV-2-Infektionen wurden die Empfehlungen der ESGE und anderer Fachgesellschaften an das pandemische Infektionsgeschehen angepasst und weitere Statements veröffentlicht. Diese Anpassungen werden im Folgenden im Rahmen der Interpretation der Maßnahmen im klinischen Alltag und ihrer Anpassung der Strategien im Verlauf der Pandemie zum „neuen Normal“ gesondert diskutiert. Gleichzeitig wird der Übergang in die postpandemische Phase der COVID-19-Pandemie, mit der sich das medizinische Personal im heutigen (klinischen) Alltag auseinandersetzt, eingeordnet.

Merke.

Im Verlauf der Pandemie mit der Vakzinierung und Immunisierung großer Teile der Bevölkerung, dem Auftreten neuer Virusvarianten und bei sinkender Inzidenz der SARS-CoV-2-Infektionen wurden die Empfehlungen der ESGE und anderer Fachgesellschaften an das pandemische Infektionsgeschehen angepasst und weitere Statements veröffentlicht.

Präprozedurale/präendoskopische Maßnahmen

Die personelle Belastung der Krankenhäuser berücksichtigend sollte eine individuelle Fallbewertung und Risikostratifizierung vorgenommen werden. Für jeden Fall sollte bewertet und überprüft werden, ob es sich um eine Notfallindikation oder eine solche Indikation handelt, die aus medizinischer Sicht nicht aufgeschoben werden kann. Dies betraf insbesondere die Untersuchungen, bei denen es sich um eine zeitkritische Diagnose handelt und deren verzögerte Durchführung zu einem prognostisch ungünstigen Verlauf bzw. einer lebensbedrohlichen Situation führen kann (vor allem maligne Erkrankungen; biliäre Obstruktion, Versorgung von Ernährungssonden etc.). Elektive, nichtdringende Fälle sollten verschoben werden. Des Weiteren wurden Hochrisikoeingriffe und Situationen definiert, für die ein erhöhtes Infektionsrisiko für das Personal anzunehmen ist. Nach dieser Stratifizierung von medizinischen Indikationen und dem spezifischen Infektionsrisiko wurde zum einen die Terminierung endoskopischer Leistungen sowie die Verwendung von PPE festgelegt.

Intraprozedurale/intraendoskopische Maßnahmen

Ein wichtiger Schritt und Voraussetzung für die Durchführung endoskopischer Untersuchungen und Interventionen während der Pandemie war die Verwendung PPE. Dazu gehörte insbesondere zu Beginn der Pandemie die Definition einer adäquaten Maske. Die Empfehlungen der AGA legten die Verwendung einer KN95-Maske für alle Untersuchungen nahe, während diese von der ESGE nur bei Hochrisikoeingriffen empfohlen wurde. Neben den Masken wurde die Verwendung von Handschuhen, wasserfesten Kitteln, Augen- bzw. Gesichtsschutz sowie Haarnetze empfohlen. In den ersten Empfehlungen wurde auch die Verwendung eines 2. Handschuhpaars wenigstens bei Hochrisikoverfahren (nachgewiesene SARS-CoV-2-Infektion) nahegelegt. Ein wichtiger Punkt war die strukturelle Schulung in der korrekten Verwendung der PPE und die erneute Schulung in den Praktiken der Händedesinfektion.

Das Assistenzpersonal sollte möglichst in 2er-Teams eingeteilt werden, die den ganzen Tag über zusammenbleiben sollten. Der Kontakt mit allen Mitgliedern des gesamten Teams sollte vor allem nach Kontakt mit einem SARS-CoV-2-infizierten Patienten auf ein Minimum reduziert werden, um die potenzielle Transmission innerhalb des Teams zu verhindern. Untersuchungen, insbesondere von SARS-CoV-2-infizierten Patienten sollten nach Möglichkeit von Fachärzten durchgeführt werden und Interventionen zur Ausbildung reduziert werden.

Postprozedurale/postendoskopische Maßnahmen

Während der Pandemie wurde bei der Aufbereitung die Verwendung von PPE inklusive eines wasserfesten Kittels, die Verwendung eines 2. Paars Handschuhe, Haarnetz sowie Gesichtsschutz analog zu den Empfehlungen für die Untersuchung SARS-CoV-2-infizierter Patienten empfohlen. Nach der Untersuchung eines bestätigten oder vermuteten SARS-CoV-2-infizierten Patienten sollte eine Vorreinigung des Endoskops standardisiert im Untersuchungsraum stattfinden und der weitere Transport in die Aufbereitung in einem Container mit Biohazard-Folie erfolgen.

Interpretation der Maßnahmen im klinischen Alltag und Anpassung der Strategien im Verlauf der Pandemie zum „neuen Normal“

Nach dem Lockdown und mit sinkender Inzidenz infizierter Patienten in der Bevölkerung erfolgte in vielen endoskopischen Zentren während der Pandemie eine schrittweise Rückkehr zum „Routinebetrieb“ . Dies ist begründete mit dem rückläufigen Infektionsgeschehen und den dadurch freiwerdenden personellen Ressourcen in den Krankenhäusern, aber insbesondere auch mit der geschulten Verwendung und durchgehend effektiv getragene PPE [24, 25].

Die Verwendung von PPE bietet einen hochgradig effektiven Schutz

Es erfolgte diesbezüglich eine erste Anpassung der Empfehlungen der Fachgesellschaften und ein modifiziertes Statement wurde sowohl von der ESGE als auch von der AGA veröffentlicht. Zu Beginn der Lockerungen wurden darin präendoskopische Teststrategien für solche Patienten vorgeschlagen, die über keinen ausreichenden Impfschutz verfügten (3-G-Regel). Optimalerweise sah diese präendoskopische Teststrategie PCR-gestützte Verfahren vor, da für den Antigentest in diesen Fragestellungen zu wenige Daten vorlagen [26,27,28]. In den meisten Kliniken in Deutschland wird für Patienten, die im stationären Versorgungssektor behandelt und während dessen endoskopisch untersucht wurden, nach wie vor ein PCR-Test bei Aufnahme empfohlen [29]. Für ambulante Untersuchungen wird seit dem Jahr 2021 in der US-amerikanischen Stellungnahme der AGA die Routinetestdurchführung in einer „low incidence population“ nicht mehr empfohlen [30].

Neuere Arbeiten haben sich mit der Fragestellung der präendoskopischen Teststrategien in dieser neuen pandemischen Situation mit einer „low incidence population“ beschäftigt. Daten einer Studie aus Würzburg belegten, dass bei 4534 ambulant durchgeführten endoskopischen Untersuchungen ohne präendoskopisches Testergebnis keine Transmission auf das Personal stattfand [31]. In dieser retrospektiven Arbeit wurden endoskopische Untersuchungen unter Verwendung von PPE mit Untersuchungen unter Verwendung von PPE plus zusätzlich negativem Antigentest sowie Untersuchungen unter Verwendung von PPE plus zusätzlich negativem PCR-Test verglichen. Eine Transmission fand in keiner der 3 Gruppen statt. Eine retrospektive Analyse aus einem großen chinesischen Zentrum in Hebei zeigte identische Ergebnisse mit hochgradig effektivem Schutz durch die Verwendung von PPE selbst bei der Untersuchung von SARS-CoV-2-positiven Patient*Innen [32]. Beide Studien belegen die Effektivität der PPE zur Infektionsprophylaxe in einer „low incidence population“. Die Verwendung von PPE durch das Personal im klinischen Alltag erscheint im Vergleich zur einer präendoskopischen Teststrategie für die Infektionsprävention des Personals von grundlegender Bedeutung. Dies wurde in einer Kosten-Risiko-Kalkulation unter unterschiedlichen Infektionsszenarios und mit unterschiedlicher Testgenauigkeit der verfügbaren Teststrategien von einer internationalen Arbeitsgruppe in einem Modell berechnet. Das Gesamtrisiko einer Transmission auf das Personal konnte zwar durch eine präprozedurale Teststrategie gesenkt werden, dieser Effekt war für eine „low incidence population“ (Inzidenz < 10/100.000) unter Verwendung von PPE jedoch marginal [33].

Zusammenfassend stehen bei der Rückkehr zur „neuen Routine“ die bekannten Maßnahmen zur Infektionsprävention zum Schutz des Personals nach wie vor im Vordergrund [34]. Diese beinhalten neben der Identifikation von Patient*Innen mit möglichen COVID-19-assoziierten Symptomen insbesondere die effektive Verwendung von PPE inklusive FFP2-/KN95-Masken. Für geimpftes Personal, in Regionen mit niedrigem Infektionsgeschehen und bei einem Patientenkollektiv mit hoher Vakzinierungsrate kann auch die Verwendung chirurgischer Masken diskutiert und erwogen werden [35]. Alle Patient*Innen sollten weiterhin Masken tragen.

Merke.

Bei der Rückkehr zur „neuen Routine“ stehen die bekannten Maßnahmen zur Infektionsprävention und zum Schutz des Personals nach wie vor im Vordergrund. Diese beinhalten neben der Identifikation von Patient*Innen mit möglichen COVID-19-assoziierten Symptomen auch weiterhin die effektive Verwendung von PPE inklusive FFP2-/KN95-Masken. Alle Patient*Innen sollten weiterhin Masken tragen.

Die aktuellen Empfehlungen der ESGE beinhalten derzeit noch eine Teststrategie mittels PCR bei Patienten ohne aktuellen Impf- bzw. Genesenenstatus [34]. Die US-amerikanischen Empfehlungen der AGA sehen in der aktuellen Situation keine Teststrategien bei asymptomatischen Patient*Innen vor einer endoskopischen Untersuchung mehr vor [30].

Ein zentraler Punkt bleibt, an einer Testung eines symptomatischen Patienten*in mit potenzieller SARS-CoV-2-Infektion festzuhalten, um schnellstmöglich ein Infektionsgeschehen zu isolieren und das Risiko des Personals in der Endoskopie möglichst zu reduzieren. Entsprechend den gesundheitspolitischen Empfehlungen für Angestellte im Gesundheitswesen legen auch die Leitlinien der ESGE dem Personal endoskopischer Einrichtungen die Impfung gegen SARS-CoV‑2 nahe (Abb. 1).

Abb. 1
figure 1

Risikostratifizierung zur Terminierung endoskopischer Untersuchungen und Verwendung von persönlicher Schutzausrüstung (PPE) in der postpandemischen Situation nach den Empfehlungen der European Society of Gastrointestinal Endoscopy [26, 34]. aIm letzten Positionspapier wird die Testung mittels Polymerasekettenreaktion (PCR) in Abhängigkeit der lokalen Testkapazität für asymptomatische Patient*Innen ohne Nachweis eines ausreichenden Impfschutzes bzw. einer Genesung von Coronavirus Disease 2019 (COVID-19) empfohlen. Alle symptomatischen Patient*Innen sollten mittels PCR getestet werden. SARS-CoV-2 „severe acute respiratory syndrome coronavirus type 2“

Merke.

Entsprechend den gesundheitspolitischen Empfehlungen für Angestellte im Gesundheitswesen legen auch die Leitlinien der ESGE dem Personal endoskopischer Einrichtungen die Impfung gegen SARS-CoV‑2 nahe.

Zusammenfassung

Anpassungsfähigkeit ist eine grundlegende Eigenschaft des Menschen, sich individuell weiterzuentwickeln. Die COVID-19-Pandemie ist ein Beispiel der strukturellen Anpassung unterschiedlicher Systeme an eine Ausnahmesituation – gesellschaftlich und im Gesundheitssystem. Die Fortführung endoskopischer Untersuchungen und Interventionen war dabei in vielen Kliniken und gastroenterologischen Praxen ein integraler Bestandteil der Anpassung an die pandemische Situation. Der Schutz des Personals vor Transmission bei der Ausübung seiner Tätigkeit in der Krankenversorgung stand und steht dabei bis heute im Mittelpunkt der infektionspräventiven Maßnahmen. Der Verlauf der Pandemie mit Lockdown, die Einführung der Impfangebote, die Immunisierung und die Verläufe in pandemischen Wellen machten eine Anpassung an das jeweils lokale Infektionsgeschehen notwendig. Die Leitlinien der unterschiedlichen internationalen Fachgesellschaften unterlagen ebenfalls einer Anpassung sowohl an das jeweilige pandemische Geschehen als auch an den zunehmenden Grad der wissenschaftlichen Evidenz.

Mit der Erfahrung aus 3 Jahren nach Ausbruch der COVID-19-Pandemie kann heute festgehalten werden, dass die erhobenen Maßnahmen, insbesondere die Verwendung von PPE für das Personal in der Endoskopie, ein hohes Maß an Infektionsschutz bieten. Unterschiedliche Ansätze für bestimmte Maßnahmen, wie die Durchführung präendoskopischer Teststrategien, verdeutlichen Systemunterschiede, regionale Unterschiede des Infektionsgeschehens und Unterschiede in der regionalen, logistischen Versorgung. Man sollte daher weiterhin darauf vorbereitet sein, die klinische Praxis kontinuierlich anzupassen, um die Qualität und Sicherheit der Endoskopie während einer solchen Herausforderung wie der Pandemie zu verbessern.

Fazit für die Praxis

  • Während der Pandemie durch Coronavirus Disease 2019 (COVID-19) kam es im Lockdown vielerorts zu einer signifikanten Reduktion endoskopischer Leistungen.

  • Endoskopische Untersuchungen des oberen Gastrointestinaltrakts können als aerosolgenerierende Prozeduren eingeordnet werden.

  • Nach dem Lockdown, nach Einführung der Impfstrategien und mit sinkender Inzidenz durch „severe acute respiratory syndrome coronavirus type 2“ (SARS-CoV-2) infizierter Patient*Innen in der Bevölkerung erfolgte eine schrittweise Rückkehr zum „Routinebetrieb“ in endoskopischen Abteilungen.

  • Im Verlauf der Pandemie erfolgte basierend auf der wachsenden wissenschaftlichen Evidenz eine Anpassung der Empfehlungen der unterschiedlichen internationalen Fachgesellschaften an das Infektionsgeschehen.

  • Die Verwendung von persönlicher Schutzausrüstung (PPE) als infektionspräventive Maßnahme in der Endoskopie ist effektiv und wahrscheinlich in ihrer Wirksamkeit höher einzuschätzen als präendoskopische Teststrategien.

  • Die Präventionsstrategien während der Pandemie waren erfolgreich und die Infektionsraten des Personals in der Endoskopie waren durch die eingeleiteten Maßnahmen sehr gering.