Zusammenfassung
Hintergrund
Die Pandemie durch Coronavirus Disease 2019 (COVID-19) stellt eine anhaltende Herausforderung für das gesamte Gesundheitssystem dar, darunter auch für die Versorgung von Lebertransplantierten, die eine besondere Risikogruppe darstellen.
Fragestellung
Ziel der Arbeit ist es, einen praxisnahen Überblick über die aktualisierte S1-Leitlinie zur Versorgung von Lebertransplantierten während der COVID-19-Pandemie zu geben.
Material und Methoden
Basis dieser Übersicht ist die aktualisierte Leitlinie (Stand 15.06.2022) der Deutsche Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) und der Deutschen Gesellschaft für Allgemein- und Viszeralchirurgie (DGAV).
Ergebnisse
Während der Pandemie sollen Lebertransplantationsprogramme inklusive Evaluation, Organspenden und Nachsorge möglichst unverändert fortgeführt werden, da sie eine lebensrettende Therapieoption darstellen. Je nach Pandemielage sind jedoch Anpassungen möglich. Die Impfungen gegen „severe acute respiratory syndrome coronavirus type 2“ (SARS-CoV-2) sollen entsprechend den Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (STIKO) erfolgen, und Antikörperbestimmungen sind sinnvoll. Im Fall einer Infektion stehen verschiedene Therapieoptionen zur Verfügung. Eine präventive Anpassung der Immunsuppression soll nicht erfolgen, eine Anpassung von Mycophenolat-Mofetil-haltigen Regimen sowie eine Anpassung bei SARS-CoV-2-Infektion kann jedoch sinnvoll sein.
Schlussfolgerungen
Die mittlerweile zur Verfügung stehende Immunisierung sowie die antivirale/immunmodulierende Therapie erlauben eine deutlich verbesserte Prävention und Therapie von COVID-19 bei Lebertransplantierten. Eine frühzeitige Erkennung durch engmaschige Testung ist von hoher Wichtigkeit. Die verbesserten pharmakologischen Optionen ermöglichen unter Risiko-Nutzen-Abwägung auch eine Transplantation von positiven Spendern oder Empfängern.
Abstract
Background
The coronavirus disease 2019 (COVID-19) pandemic continues to be a challenge for the entire health care system, including the care of liver transplant recipients, who represent a vulnerable population.
Objectives
The aim of this work is to provide a practice-oriented review of the updated S1 guideline on the care of liver transplant recipients during the COVID-19 pandemic.
Materials and methods
We summarize the updated guideline (as of 15 June 2022) issued by DGVS (“Deutsche Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten”) and DGAV (“Deutschen Gesellschaft für Allgemein- und Viszeralchirurgie”).
Results
Liver transplantation programs including evaluation, organ donation, and follow-up should continue during the pandemic, as they represent a life-saving therapeutic option. However, adjustments are possible depending on the pandemic situation. Vaccinations against severe acute respiratory syndrome coronavirus type 2 (SARS-CoV-2) should be carried out according to the STIKO (“Ständigen Impfkomission”) recommendations, and antibody testing is useful. In case of infection, various therapeutic options are available. Generally, pre-emptive adjustment of immunosuppression due to the pandemic is not recommended, but adjustment of regimens containing mycophenolate mofetil, particularly in case of SARS-CoV‑2 infection, may be reasonable.
Conclusions
Both immunization and the now available antiviral/immunomodulatory therapy improve prevention and treatment of COVID-19 in liver transplant recipients. Early detection through rigorous testing is of paramount. The improved pharmacological options also allow transplantation of positive donors or recipients under careful consideration.
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Hintergrund
Die Pandemie durch Coronavirus Disease 2019 (COVID-19) stellt auch gut 3 Jahre nach dem erstmaligen Auftreten des „severe acute respiratory syndrome coronavirus type 2“ (SARS-CoV-2) eine anhaltende Herausforderung für Gesundheitssysteme weltweit und auch in Deutschland dar [2]. Mit dem Ziel, die Versorgung dieser Patientinnen und Patienten auch unter den pandemischen Herausforderungen gewährleisten zu können, wurde erstmalig im Januar 2021 die S1-Leitlinie zur Versorgung von Lebertransplantierten während der COVID-19-Pandemie herausgegeben, zu der nun ein Update vorliegt [22].
Das Update spiegelt die Verfügbarkeit der Immunisierung und der antiviralen Therapieoptionen wider
Zum Zeitpunkt der ersten Leitlinie, die gemeinsam von der Deutschen Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) und der Deutschen Gesellschaft für Allgemein- und Viszeralchirurgie (DGAV) herausgegeben wurde, waren die ersten Impfstoffe gegen COVID-19 gerade zugelassen worden, längerfristige Studien und Erfahrungen zur Wirkung bei (Leber‑)Transplantierten fehlten jedoch weitestgehend [23]. Ebenso waren im Fall einer Infektion mit SARS-CoV‑2 die medikamentösen Therapiemöglichkeiten limitiert. Seitdem hat sich das Wissen zur Immunisierung sowie zu therapeutischen Optionen deutlich vervielfacht. Aus diesem Grund wurde im Herbst 2022 das Update der Leitlinie herausgeben [22], das die nun breite Verfügbarkeit der aktiven Immunisierung sowie antiviraler Therapieoptionen widerspiegelt. Hieraus ergeben sich neue und geänderte Empfehlungen sowohl direkt im Hinblick auf die Impfungen und die Therapie im Fall einer Infektion wie auch indirekt, da die neuen Optionen sich auch auf die Risikobewertung z. B. einer Organspende eines positiven Spenders auswirken. Dieser Artikel stellt einen Überblick über die wichtigsten Neuerungen der S1-Leitlinie zur Versorgung von Lebertransplantierten während der COVID-19-Pandemie dar, um die Versorgung dieser vulnerablen Patienten bestmöglich zu gewährleisten. Die wesentlichen Leitlinieninhalte werden im Folgenden dargestellt.
Fortführung der Lebertransplantationsprogramme
Es herrscht internationaler Konsens, dass Lebertransplantationsprogramme aufgrund des lebensrettenden Charakters der Transplantation auch während der COVID-19-Pandemie aufrechterhalten werden sollen [18]. Je nach Pandemielage können jedoch ggf. regionale oder lokale Anpassungen notwendig sein. Dies kann bedeuten, dass Leberlebendspenden für erwachsene Empfänger sowie weniger dringliche Transplantationen vorübergehend auszusetzen sind [18]. Nicht verschoben werden sollten jedoch Transplantationen mit hoher Kurzzeitmortalität wie im Fall von akutem oder akut-auf-chronischem Leberversagen [22].
Organspende und Transplantation
Alle potenziellen Organspender sowie Empfänger sollen unmittelbar vor der Lebertransplantation auf SARS-CoV‑2 getestet werden. In der ersten Phase der Pandemie erfolgte weder eine Transplantation von positiv getesteten Spendern noch von positiv getesteten Empfängern, da die Auswirkungen unklar waren. Durch die mittlerweile zur Verfügung stehenden Optionen zur aktiven und passiven Immunisierung sowie einige Fallserien [19] zur Transplantation von Organen positiv getesteter Spender ergibt sich hier eine relevante Änderung in der Leitlinie [22]: Zusammenfassend kann eine Transplantation sowohl bei positivem Empfänger als auch bei positivem Spender unter strenger Risiko-Nutzen-Abwägung erfolgen. Berücksichtigt werden sollen dabei
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die Dringlichkeit der Transplantation (z. B. akutes Leberversagen, s. zuvor),
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der Infektionsverlauf,
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der Impfstatus des Empfängers und, falls bekannt,
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der Serostatus (Antikörpertiter),
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die vorherrschende SARS-CoV-2-Variante und
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potenzielle Risikofaktoren für einen schweren Verlauf.
Sollte die Transplantation durchgeführt werden, sollte die Indikation zur medikamentösen Therapie evaluiert werden (s. Abb. 1).
Prozedere vor der Lebertransplantation
Evaluation
Die allgemeine Empfehlung zur Fortführung der Lebertransplantationsprogramme umfasst die Empfehlung zur grundsätzlich unveränderten Fortführung der Evaluation und Listung. Insbesondere Patienten mit einer ungünstigen Kurzzeitprognose, z. B. mit dekompensierter Leberzirrhose und z. B. therapierefraktärem Aszites, rezidivierender hepatischer Enzephalopathie, hepatorenalem Syndrom, labormedizinischem Model-for-end-stage-liver-disease(labMELD-Score ≥ 20), oder Patienten, die die Kriterien für eine „standard exception“ (SE) oder „non-standard exception“ (NSE) erfüllen, sollen weiterhin zeitnah evaluiert werden [22].
Die Überweisung der Patienten an ein Transplantationszentrum sollte nicht verzögert werden
Auch die Überweisung solcher Patienten an ein Transplantationszentrum sollte nicht verzögert werden, falls noch keine Anbindung besteht. Die Evaluationsuntersuchungen bleiben grundsätzlich unverändert, einige können jedoch in Abhängigkeit der Pandemielage auch heimatnah durchgeführt werden, u. a. Gastroskopie und Koloskopie, Lungenfunktion, ggf. Schnittbildgebung, transthorakale Echokardiographie und Computertomographie der Nasennebenhöhlen. Die Anpassung der Evaluationsuntersuchungen sollte mit dem Transplantationszentrum besprochen werden. Eine neue Empfehlung der Leitlinie ist die Ergänzung der Evaluation um die Erfassung des Impfstatus sowie der Antikörpertiter [22].
Wartelistenführung
Auch die Wartelistenführung inklusive regelmäßiger ärztlicher Vorstellung sollte grundsätzlich unverändert weitergeführt werden. Unter Abwägung der Pandemielage können jedoch telemedizinische Konzepte genutzt oder Rezertifizierungsuntersuchungen heimatnah durchgeführt werden.
Im Hinblick auf Impfungen gilt weiterhin die Empfehlung, Schutzimpfungen entsprechend den Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (STIKO) durchzuführen. Neben den bisherigen Impfungen gegen Streptokokkus pneumoniae und Influenzaviren umfasst dies nun auch die aktive Immunisierung gegen SARS-CoV‑2 (Tab. 1). Eine Überprüfung des Antikörpertiters zur Evaluation der Immunantwort gegen SARS-CoV‑2 kann erfolgen, da das Impfansprechen bei dieser Patientengruppe eingeschränkt ist [20].
Bei fehlender humoraler Immunantwort sollten weitere Auffrischungsimpfungen erwogen werden
Bei fehlender humoraler Immunantwort sollten weitere Auffrischungsimpfungen erwogen werden [13]. Für eine prophylaktische passive Immunisierung (Präexpositionsprophylaxe) mit SARS-CoV-2-spezifischen monoklonalen Antikörpern bei Patienten mit unzureichender humoraler Immunantwort besteht eine „Kann-Empfehlung“. Dabei sollte die aktuell vorherrschende Virusvariante berücksichtigt werden. Zugelassen ist hierfür die Kombination aus Tixagevimab plus Cilgavimab, die nur alle 6 Monate verabreicht werden muss. Für eine Postexpositionsprophylaxe mit monoklonalen Antikörpern kann keine eindeutige Empfehlung ausgesprochen werden, sondern diese sollte nach aktueller Datenlage nach Kontakt nur in Einzelfällen erfolgen (s. Tab. 1; [22]).
Neben der Prävention einer SARS-CoV-2-Infektion stellt die Prävention stationärer Aufenthalte und von Verschlechterungen der Grunderkrankung eine wichtige Säule dar. Die Prophylaxe möglicher Komplikationen, wie u. a. Varizenblutung (nichtselektive β‑Blocker), spontan-bakterielle Peritonitis (Antibiotika), hepatische Enzephalopathie (Laktulose, Rifaximin, L‑Ornithin-L-Aspartat), soll daher konsequent weitergeführt werden.
SARS-CoV-2-Infektion
Patienten auf der Warteliste sollten bei jeglichen Symptomen frühzeitig auf SARS-CoV‑2 getestet werden. Dies umfasst jegliche klinische Verschlechterung, da in dieser Patientengruppe nicht selten eine hepatische Dekompensation ein Symptom einer SARS-CoV-2-Infektion sein kann. Im Fall des Nachweises von SARS-CoV‑2 bei Patienten auf der Warteliste muss in Abhängigkeit der COVID-19-Symptomatik und der Dringlichkeit der Transplantation die Meldung als „nicht transplantabel“ (NT-Status) abgewogen werden. Im Hinblick auf die therapeutischen Optionen wurde die Leitlinie im Vergleich zur ersten Version um viele Therapieempfehlungen ergänzt. Aktuell gelten für Patienten auf der Lebertransplantationswarteliste zur Therapie einer Infektion mit SARS-CoV‑2 die in Tab. 2 und Abb. 1 zusammengefassten Empfehlungen.
Allgemeine Maßnahmen
Patienten auf der Lebertransplantationswarteliste mit symptomatischer SARS-CoV-2-Infektion sollten frühzeitig und niederschwellig stationär aufgenommen werden, da neben einem erhöhten Risiko für einen schweren Verlauf die Gefahr einer Dekompensation oder eines akut-auf-chronischen Leberversagens besteht, auch bei niedrigem MELD-Score [3, 16]. Falls der Serostatus der Patienten nicht bekannt ist, sollte dieser bestimmt werden, um die Therapie entsprechend anzupassen.
Wegen COVID-19 hospitalisierte Patienten sollten eine prophylaktische Antikoagulation erhalten
Alle Patienten, die aufgrund einer SARS-CoV-2-Infektion hospitalisiert werden, sollten eine gewichtsadaptierte prophylaktische Antikoagulation mit niedermolekularem Heparin oder alternativ Fondaparinux erhalten [8]. Auch wenn Patienten mit fortgeschrittener Lebererkrankung eine erhöhte International Normalized Ratio (INR) aufweisen, besteht nicht grundsätzlich ein erhöhtes Blutungsrisiko. Im Gegenteil: Eine dekompensierte Leberzirrhose kann vielfach sogar einen hyperkoagulablen Zustand mit einem erhöhten Risiko für thromboembolische Ereignisse aufweisen [21].
Antikörpertherapie gegen SARS-CoV-2
Bei seronegativen Patienten auf der Warteliste, also ungeimpften oder solchen ohne humorale Immunantwort, sollte im Fall eines Nachweises von SARS-CoV‑2 frühzeitig eine Gabe von monoklonalen Antikörpern gegen SARS-CoV‑2 erfolgen. Alle Präparate müssen parenteral (intravenös oder intramuskulär) appliziert werden und anschließend ist aufgrund des Risikos einer möglichen Überempfindlichkeitsreaktion eine Überwachung notwendig. Die Therapie sollte idealerweise innerhalb der ersten 72 h nach Symptombeginn initiiert werden, spätestens jedoch innerhalb von 7 Tagen (s. Abb. 1) und die aktuell vorherrschende Virusvariante muss berücksichtigt werden (s. Tab. 2).
Antivirale/immunmodulierende Therapie
Insbesondere wenn der Serostatus von Patienten unklar ist, sollte bei symptomatischem Verlauf frühzeitig eine antivirale Therapie erfolgen. Grundsätzlich richten sich dabei die Präparate nach der Schwere der SARS-CoV-2-Infektion unter Berücksichtigung der Notwendigkeit und der Art einer Sauerstofftherapie sowie teilweise zusätzlich der Schwere der hepatischen Grunderkrankung. Übersichtsweise fasst Abb. 1 die Entscheidungskriterien zusammen.
Nirmatrelvir plus Ritonavir (Paxlovid).
Die Kombination eines Inhibitors der viralen 3CL-Protease mit einem CYP3A4-Inhibitor stellt eine orale Therapieoption dar. Zu berücksichtigen sind die multiplen Interaktionen durch Ritonavir als CYP450-Inhibitor, die z. B. online (https://www.covid19-druginteractions.org/) überprüft werden können. Zudem sollte keine Gabe bei Patienten mit Child-Pugh-C-Zirrhose erfolgen.
Molnupiravir.
Molnupiravir stellt eine weitere orale Therapieoption dar. Die Therapie ist auch bei fortgeschrittener Lebererkrankung und Leberzellkarzinom (HCC) möglich, jedoch besteht ein mutagenes und möglicherweise auch teratogenes Potenzial, sodass die Gabe bei Frauen im gebärfähigen Alter kontraindiziert ist. In Deutschland existiert bisher keine allgemeine Zulassung, die Verordnung als patientenindividuelle Bestellung ist jedoch möglich.
Remdesivir.
Bei Remdesivir handelt es sich um einen Inhibitor der RNA-abhängigen RNA-Polymerase. Im Gegensatz zu Paxlovid bestehen keine relevanten Interaktionen, jedoch sollte die glomeruläre Filtrationsrate überwacht werden, da eine Akkumulation des Medikamententrägers bei herabgesetzter Nierenfunktion möglich ist.
Dexamethason.
In der allgemeinen Bevölkerung gibt es aufgrund großer prospektiver randomisierter Studien mittlerweile eine klare Empfehlung zur Therapie mit Dexamethason, sobald eine Sauerstofftherapie notwendig ist [10]. Bei Patienten mit Leberzirrhose ist diese Empfehlung jedoch weniger eindeutig, da aufgrund der Grunderkrankung bereits ein höheres Risiko für Sekundärinfektionen besteht [1], das durch die Glukokortikoidtherapie weiter erhöht werden könnte. Die potenziellen Vorteile einer Gabe könnten jedoch insbesondere bei schwer kranken Patienten überwiegen.
Baricitinib.
Bei COVID-19-Patienten mit Notwendigkeit zur High-flow-Sauerstofftherapie oder invasiver Beatmung kann eine orale Gabe des Januskinase-1/2-Inhibitors Baricitinib die Mortalität senken [14]. Bei Patienten mit Hepatitis-B-assoziierter Lebererkrankung ist ein serologisches Screening und ggf. eine Behandlung notwendig, da eine Hepatitis-B-Reaktivierung möglich ist [12].
Tocilizumab.
Tocilizumab ist ein rekombinanter monoklonaler Antikörper gegen den Interleukin-6-Rezeptor. Die Gabe ist bei hospitalisierten Patienten mit Hypoxie und systemischer Entzündung indiziert [9]. Ebenso wie bei Baricitinib besteht ein erhöhtes Risiko für Sekundärinfektionen [11] und eine Hepatitis-B-Reaktivierung [4], sodass diese beiden Therapien nicht kombiniert werden sollen.
Andere Therapieoptionen.
Für die Gabe von anderen Therapieoptionen wie Rekonvaleszenzplasma, Azithromycin, Colchicin, Hydroxychloroquin und Ivermectin gibt es keine Empfehlung [22].
Prozedere nach der Lebertransplantation
Prävention einer SARS-CoV-2-Infektion
Zur Prävention einer SARS-CoV-2-Infektion nach einer Lebertransplantation gelten die allgemeinen Hygienemaßnahmen sowie die Empfehlungen der STIKO. Die Serokonversionsrate, die Antikörpertiter sowie die zelluläre Immunantwort sind niedriger als bei Gesunden [6, 17], sodass eine Antikörperbestimmung in dieser Patientengruppe sinnvoll sein kann, um Nonresponder zu identifizieren. Durch die erste und zweite Booster-Impfung kann bei einem relevanten Anteil der Patienten doch noch eine Serokonversion erreicht werden [7, 15], sodass diese entsprechend der STIKO-Empfehlung bei allen Transplantierten durchgeführt werden sollen (Tab. 1). Die zweite Booster-Impfung soll dabei ab dem dritten Monat nach der dritten Impfung bzw. bei bekannter fehlender Serokonversion sogar schon ab dem ersten Monat erfolgen.
Bei fehlender Impfantwort ist eine Präexpositionsprophylaxe mit monoklonalen Antikörpern möglich
Bei fehlender Impfantwort ist ähnlich wie vor der Transplantation eine Präexpositionsprophylaxe mit monoklonalen Antikörpern möglich (s. zuvor). Auch wenn eine präventive Anpassung der Immunsuppression auf den ersten Blick ggf. eine gewisse Logik aufweist, besteht hierzu keine allgemeine Empfehlung. Ein erhöhtes Risiko für COVID-19 wurde insbesondere für Mycophenolat-Mofetil (MMF) beschrieben [5]. Die Applikation von MMF sollte daher bei gefährdeten Patienten in der Pandemiezeit eher vermieden und ggf. pausiert werden. Solche Umstellungen sollten stets nur in Absprache mit dem Transplantationszentrum und unter Abwägung anderer Nebenwirkungen und notwendiger vermehrter Kontrollen erfolgen. Für Kalzineurininhibitoren, Everolimus und Steroide besteht kein per se erhöhtes Risiko für einen schweren Verlauf einer Infektion mit SARS-CoV‑2, sodass diese Immunsuppression unbedingt fortgeführt werden soll [22].
Nachsorgeuntersuchungen
Auch die Nachsorgeuntersuchungen sollten im Rahmen der Pandemie grundsätzlich unverändert fortgeführt werden, jedoch sind telemedizinische Konzepte denkbar. Berücksichtigt werden sollte, dass Komplikationen, wie z. B. Rejektionen, oft asymptomatisch sein können und nur durch Kontrolluntersuchungen erkannt werden, sodass diese weiterhin eine hohe Notwendigkeit aufweisen. Auch psychosoziale Belastungen für Lebertransplantierte sollten nicht unterschätzt werden [22].
SARS-CoV-2-Infektion
Auch bei lebertransplantierten Patienten soll bei Nachweis einer Infektion frühzeitig Kontakt zum Transplantationszentrum aufgenommen werden, um die Notwendigkeit einer Therapie zu evaluieren. Insgesamt ist die Therapie ähnlich wie bei Patienten auf der Warteliste durchzuführen – mit der Besonderheit der Berücksichtigung der Immunsuppression. Grundsätzlich stellt eine Immunsuppression einen Risikofaktor für einen schweren Verlauf dar. Zudem treten häufiger atypische Verläufe auf, die trotzdem erkannt werden müssen. Frühzeitiges Testen auch bei eher untypischen Symptomen ist daher besonders wichtig [22].
Hinsichtlich der Therapie sollen seronegative lebertransplantierte Patienten mit monoklonalen Antikörpern unter Berücksichtigung der SARS-CoV-2-Variante therapiert werden. Patienten mit unklarem Serostatus oder Serokonversion sollten bei symptomatischem Verlauf antiviral behandelt werden (Abb. 1). Dabei sollten mögliche Interaktionen, insbesondere mit der Immunsuppression, sowie die Leber- und Nierenfunktion berücksichtigt werden. Insbesondere Paxlovid weist einen starken Einfluss auf Kalzineurininhibitoren und mTOR-Hemmer auf und sollte daher, wenn überhaupt, nur unter strengen Spiegelkontrollen (der Immunsuppressiva) verwendet werden.
Eine MMF-freie Immunsuppression soll unverändert fortgeführt werden
Bei weniger schweren Verläufen ist bei Lebertransplantierten daher eher eine Therapie mit Remdesivir oder ggf. Molnupiravir zu empfehlen. Bei schweren Verläufen mit Indikation zur immunmodulierenden Therapie mit Dexamethason und/oder Baricitinib oder Tocilizumab sollte eine MMF-haltige Immunsuppression wie in Tab. 3 dargestellt angepasst werden. Eine MMF-freie Immunsuppression soll unverändert fortgeführt werden. Eine prophylaktische Antikoagulation sollte auch in dieser Patientengruppe bei allen stationär behandelten Patienten durchgeführt werden [22].
Fazit für die Praxis
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Patienten vor Lebertransplantation sowie Lebertransplantierte sollen entsprechend den Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (STIKO) gegen das „severe acute respiratory syndrome coronavirus type 2“ (SARS-CoV-2) immunisiert werden.
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Der Serostatus soll im Rahmen der Evaluation und ggf. im Verlauf erneut bestimmt werden.
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Im Fall einer SARS-CoV-2-Infektion eines Empfängers und/oder eines Organspenders ist eine Lebertransplantation unter Risiko-Nutzen-Abwägung prinzipiell möglich.
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Eine Infektion mit SARS-CoV‑2 stellt ein Risiko für eine hepatische Dekompensation oder ein akut-auf-chronisches Leberversagen dar, bei jeglicher klinischen Verschlechterung soll daher eine Testung auf SARS-CoV‑2 erfolgen.
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Im Fall einer SARS-CoV-2-Infektion soll frühzeitig Kontakt zum Transplantationszentrum zur Evaluation der (antiviralen) Therapie aufgenommen werden.
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Eine präventive Anpassung der Immunsuppression im Rahmen der Pandemie soll nicht erfolgen, eine Anpassung Mycophenolat-Mofetil-haltiger Regime sowie eine Anpassung bei SARS-CoV-2-Infektion kann (bitte stets in Absprache mit dem Transplantationszentrum) sinnvoll sein.
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Interessenkonflikt
F. Tacke: Die Interessenkonflikte der Leitlinienvertreter*innen sind im Leitlinienreport angegeben. L. Wiering gibt an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Für diesen Beitrag wurden von den Autor/-innen keine Studien an Menschen oder Tieren durchgeführt. Für die aufgeführten Studien gelten die jeweils dort angegebenen ethischen Richtlinien.
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Redaktion
Martina Müller-Schilling, Regensburg
Andreas Stallmach, Jena
Dr. Leke Wiering ist Teilnehmerin des BIH Charité Junior Clinician Scientist Program der Charité – Universitätsmedizin Berlin und des Berlin Institute of Health at Charité (BIH).
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Wiering, L., Tacke, F. Versorgung von Lebertransplantierten während der COVID-19-Pandemie. Gastroenterologie 18, 115–121 (2023). https://doi.org/10.1007/s11377-023-00675-6
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DOI: https://doi.org/10.1007/s11377-023-00675-6