Während Autoimmunerkrankungen, die sich gegen ein Organ richten (z. B. Schilddrüsenentzündungen, Nierenentzündungen, Lebererkrankungen, Darmerkrankungen, multiple Sklerose, bestimmte Hauterkrankungen) meist von den Spezialisten für das jeweilige Organ behandelt werden, beeinträchtigen „systemische“ Autoimmunerkrankungen verschiedene Organe. Um diese Krankheitsgruppen kümmern sich häufig Rheumatolog:innen und in zunehmendem Maß auch Gastroenterolog:innen, da sich die Gastroenterologie nicht nur mit einem Organ, sondern mit einem (Verdauungs‑)Organsystem befasst [1].

Unter einer Systemerkrankung oder Systemkrankheit (oder systemischen Erkrankung) versteht man eine Krankheit, die ein gesamtes Organsystem befällt und nicht auf eine einzige Körperregion beschränkt bleibt. Krankheiten, die mehrere Organsysteme betreffen, werden auch mit dem Begriff Multisystemerkrankung bezeichnet.

Unter einer Systemerkrankung versteht man eine Krankheit, die ein gesamtes Organsystem befällt

Systemerkrankungen haben einen langwierigen, meist chronischen Verlauf und manifestieren sich im Körper an verschiedenen Organen und Gewebsstrukturen. Sie können daher – entsprechend ihres Befallsmusters und dem Ausmaß der betroffenen Strukturen (Gefäße, Skelettmuskulatur, Gelenke) und Organe – sehr unterschiedliche klinische Bilder hervorrufen.

Hier liegt die Herausforderung in der effizienten Diagnostik, Differenzialdiagnostik und Therapie im klinischen Alltag und die Motivation für dieses Schwerpunkt-Thema.

Zu den systemischen Autoimmunerkrankungen gehören die folgenden Krankheitsgruppen.

  1. 1.

    Kollagenosen

    • Systemischer Lupus erythematodes (SLE)

    • Systemische Sklerose (SSc) oder Sklerodermie

    • Mischkollagenose oder Mixed Connective Tissue Disease (MCTD)

    • Primäres Sjögren-Syndrom (PSS)

    • Polymyositis und Dermatomyositis (PM/DM)

  2. 2.

    Systemvaskulitiden (Autoimmungefäßentzündungen)

    Einteilung nach der internationalen Chapel-Hill-Definition (2012; [2])

    • Vaskulitiden der großen Gefäße

    • Vaskulitiden mittelgroßer Gefäße

    • Vaskulitiden kleiner Gefäße

    • Vaskulitiden variabler Gefäßgröße

    • Vaskulitiden eines Organs

    • Vaskulitiden in Assoziation mit einer Systemerkrankung

    • Sekundäre Vaskulitiden

Infektionserkrankungen haben meist auch systemische Auswirkungen; im akuten Stadium gelten sie jedoch nicht als Systemerkrankungen. Bei chronischem und progredientem Verlauf können sich Infektionskrankheiten jedoch als Systemkrankheiten an verschiedenen Organen und Geweben manifestieren. Beispiele für systemische Infektionskrankheiten sind: Morbus Whipple, Tuberkulose und Borreliose.

Wir haben uns in diesem Schwerpunktheft auf die nichtinfektiösen Systemerkrankungen und die Rolle der Gastroenterologie in Diagnostik und Therapie fokussiert.

Systemerkrankungen weisen häufig eine Leberbeteiligung und/oder eine Beteiligung des Pankreas und des Gastrointestinaltrakts auf. Grundsätzlich können alle Organe des Verdauungssystems betroffen sein. Am häufigsten sind der Ösophagus (Dysphagie und Refluxösophagitis) und der Dünndarm (Vaskulitis) betroffen. Das klinische Bild einer gastrointestinalen Beteiligung bei Systemerkrankungen ist durch eine Vaskulitis mit Ischämie und/oder durch eine Kollagenose mit Motilitätsstörungen charakterisiert. Die häufigsten Symptome einer mesenterialen Vaskulitis sind die gastroenterologischen Leitsymptome Bauchschmerzen, Durchfall, Übelkeit/Erbrechen, Gewichtsverlust und gastrointestinale Blutung.

Endoskopisch sollten vor allem atypische Ulzera mit Lokalisation an multiplen Stellen des Gastrointestinaltrakts, Petechien und ein Mukosaödem zur differenzialdiagnostischen Erwägung einer Vaskulitis führen.

Die Affektion der Leber und der Gallenwege wird dabei in unterschiedlicher Form klinisch manifest. So kann man hierbei mit erhöhten Leberwerten, einem akuten Leberversagen, einem Cholestasesyndrom oder einem Ikterus konfrontiert werden. Schwerpunkt der diagnostischen Bemühungen muss die Zuordnung der Lebererkrankung zu einer Systemerkrankung und damit zu einer spezifischen Therapie sein.

Frühe, effiziente Diagnostik und ein unmittelbarer Therapiebeginn sind bei mesenterialer Vaskulitis und anderen Systemerkrankungen immanent, um lebensbedrohliche Komplikationen und chronische Organschäden zu vermeiden.

In den folgenden Übersichtsarbeiten werden die Rolle der Gastroenterologie in Diagnosesicherung sowie symptomatischer und spezifischer Therapie beleuchtet und Handlungsempfehlungen für das klinische Management von Systemerkrankungen abgeleitet.

Die systemische Sklerose (SSc) wird auch als systemische Sklerodermie bezeichnet. Sie ist eine Kollagenose, die durch eine multisystemautoimmune chronische Entzündung der Haut und der inneren Organe charakterisiert ist. Die systemische Sklerose und gastrointestinale Manifestationen sind deutlich miteinander korreliert. So zeigen etwa 90 % der Patient:innen unterschiedliche gastrointestinale Dysfunktionen.

Die gastrointestinale Beteiligung bei der systemischen Sklerodermie ist prognoserelevant und für einen signifikanten Anteil der Todesursachen verantwortlich [3]. Die Beteiligungen des Magendarmtrakts bestehen am häufigsten aus Nahrungspassagestörungen des Ösophagus durch eine verminderte Propulsion und einem gastroösophagealen Reflux durch Schwächung der gastroösophagealen Barriere. Die Diagnostik beinhaltet die Ösophagogastroduodenoskopie, die hochauflösende Ösophagusmanometrie und die kombinierte 24 h-pH-Metrie-Impedanzmessung. Die Therapie umfasst die Behandlung der Grunderkrankung und eine leitliniengerechte Refluxtherapie. Der Artikel von T. Frieling bietet dazu eine aktuelle Übersicht.

Gastrointestinale und hepatopankreatobiliäre Manifestationen kommen regelhaft bei Vaskulitiden vor und müssen spezifisch behandelt werden [4]. Eine gastrointestinale Beteiligung ist bei über einem Drittel der Vaskulitispatient:innen mit einem schweren Verlauf assoziiert. Hepatitis-B- und Hepatitis-C-Virus-Infektionen wiederum können bestimmte Vaskulitisformen auslösen (sekundäre Vaskulitis). Insbesondere gastrointestinale Läsionen infolge einer ANCA(Anti-Neutrophile Cytoplasmatische Antikörper)-Vaskulitis bedürfen einer konsequenten immunsuppressiven Behandlung und infektiöse Komplikationen wie eine CMV-Kolitis müssen von vaskulitischen Manifestationen unterschieden werden. In dieser Ausgabe geht der Artikel von A. Schönfeld et al. auf entsprechende diagnostische und therapeutische Aspekte ein.

Die Sarkoidose ist eine entzündliche Systemerkrankung mit bisher unklarer Ursache. Sie geht typischerweise mit dem Nachweis nichtnekrotisierender, verkäsender Granulome einher. Häufigster Manifestationsort ist die Lunge. Die Erkrankung kann jedoch nahezu jedes andere Organ befallen. Daher sind auch die klinische Präsentation und Symptomatik sehr variabel. Dies macht die Diagnose und Abgrenzung zu anderen systemischen Erkrankungen und Infektionen im klinischen Alltag herausfordernd. Man spricht deshalb bei der Sarkoidose auch von einem „Chamäleon“ der inneren Medizin. Mit dieser Problematik befasst sich der Beitrag von M. Mücke et al.

Immunglobulin-G4-(IgG4)-assoziierte Erkrankungen sind Autoimmunerkrankungen, die als eine Multisystemerkrankung mehrere Organe auch gleichzeitig betreffen können. Je nach betroffenen Organen kann die Symptomatik sehr unterschiedlich sein. Zu den am häufigsten betroffenen Organen gehören das Gallengangsystem und das Pankreas. Typische klinische Zeichen einer Pankreatitis finden sich bei diesem Patientengut selten. Im Vordergrund steht die Organschwellung mit Folgen auf die umliegenden Strukturen. Der schmerzlose Ikterus aufgrund einer Kompression des distalen Gallengangs stellt die häufigste klinische Manifestation bei Erstdiagnose dar. Diagnostische und therapeutische Algorithmen mit Fokus auf das hepatopankreatobiliäre System stellt der Artikel von P. Mester et al. vor.

Die Umsetzung der Behandlung und die Beurteilung des Therapieansprechens erfordern eine enge interdisziplinäre Zusammenarbeit von Krankenhausärzt:innen und niedergelassenen Kolleg:innen und eine gute interprofessionelle Zusammenarbeit mit den Pflegenden zur optimalen Transition in die häusliche Betreuung und Begleitung der Patient:innen.

Wir freuen uns über die hohe Qualität der Beiträge und danken allen Autor:innen der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift Die Gastroenterologie, dass sie unserer Einladung nachgekommen sind. Unseren Leser:innen wünschen wir viel Spaß und Erkenntnisgewinn für die tägliche Arbeit in Klinik und Praxis.