Hintergrund

Die fortgeschrittene Leberzirrhose ist durch eine reduzierte Leberfunktion, Komplikationen der portalen Hypertension und einem erhöhten Risiko für die Entwicklung hepatozellulärer Karzinome gekennzeichnet [1]. Dabei können akute hepatische Dekompensationen (AD) auftreten, die durch Aszites, gastrointestinale Blutungen, Ikterus oder die hepatische Enzephalopathie charakterisiert sind. Am häufigsten wird eine AD durch schädlichen Alkoholgebrauch oder bakterielle Infektionen ausgelöst [2].

Bakterielle Infektionen

Patienten mit Leberzirrhose sind aufgrund von intestinaler Dysbiose, bakterieller Translokation, zirrhoseassoziierter Immundysfunktion und portosystemischer Shunts besonders anfällig für bakterielle Infektionen [3, 4]. Nachgewiesene Infektionen sind die Hauptursache der AD und sind bei insgesamt 58 % der Patienten mit einem identifizierbaren Auslöser ursächlich für die AD [5]. Dies gilt über alle Stadien der AD hinweg (siehe vorheriger Artikel zu AD und akut-auf-chronischem Leberversagen [ACLF] [6]). So weisen Patienten mit stabiler und instabiler dekompensierter Zirrhose sowie Patienten mit Prä-ACLF die gleiche Prävalenz bakterieller Infektionen auf. Das Auftreten bakterieller Infektionen kann bei diesen Dekompensationsstadien jedoch eine Destabilisierung verursachen, sodass eine klinische Verschlechterung auch innerhalb eines kurzen Zeitraums mit rascher Dynamik möglich ist [7].

Spontane bakterielle Peritonitis

Die spontane bakterielle Peritonitis (SBP) ist eine primäre Peritonitis infolge einer bakteriellen Translokation über die intestinale Barriere. Sie ist durch den Nachweis von > 250 polymorphkernigen neutrophilen Granulozyten (PMN) je µl Aszites bei Ausschluss einer anderweitigen intraabdominellen Ursache definiert [8]. In bis zu 60 % der Fälle kann jedoch trotz bettseitiger Inokulierung von Blutkulturflaschen kein Erreger identifiziert werden. Liegt ein Keimnachweis aus dem Aszites mit < 250 PMN/µl Aszites vor, spricht man von einem monomikrobiellen Bakteraszites. Hier ist die Entscheidung zur antiinfektiven Therapie je nach klinischer Symptomatik individuell zu treffen, doch die Datenlage ist deutlich spärlicher gegenüber der klassischen SBP.

Die spontane bakterielle Peritonitis verläuft häufig asymptomatisch

Häufig verläuft die SBP asymptomatisch, sodass sie bei ungeplanter stationärer Aufnahme immer als mögliche Infektion in Betracht gezogen werden sollte. Ihre Prävalenz in asymptomatischen ambulanten Patienten liegt zwischen 1,5 und 3,5 % und bei etwa 10 % bei stationären Patienten. Bei jedem neu aufgetretenen Aszites, sofern sicher durchführbar, wird früh eine diagnostische Parazentese mit Bestimmung der PMN und Entnahme von Asziteskulturen empfohlen. Wird eine SBP nachgewiesen, ist zusätzlich die Entnahme von Blutkulturen obligat [9]. Bei Patienten mit sehr hoher Neutrophilenzahl im Aszites sowie polymikrobiellem Erregernachweis oder Vorliegen von Anaerobiern wird ein CT-Abdomen zum Ausschluss einer sekundären Peritonitis mit sanierungsfähigem Fokus (z. B. Hohlorganperforation, Abszess) empfohlen. Als Initialtherapie bei ambulant erworbener SBP ohne Risikofaktoren für das Vorliegen multiresistenter Erreger (MRE) können weiterhin Cephalosporine der 3. Generation mit Wirksamkeit gegen Enterobakterien eingesetzt werden. Ausnahmen, die den empirischen Einsatz von Acylureidopenicillinen oder Carbapenemen ggf. in Kombination mit Enterococcus-faecium-wirksamen Antibiotika erfordern können, sind insbesondere Patienten mit bekannter Kolonisation durch multiresistente Erreger (MRE), mit nosokomialer SBP, Sepsis oder kritisch kranke Patienten [10,11,12].

Die intravenöse Gabe von Humanalbumin an Tag 1 und 3 bei der Diagnose von SBP hat sich bewährt

Zur Vermeidung eines hepatorenalen Syndroms (HRS) und ACLF hat sich die intravenöse Gabe von Humanalbumin an Tag 1 mit 1,5 g/kgKG und an Tag 3 mit 1,0 g/kgKG bewährt [13]. Da Humanalbumin bei unselektiver Indikationsstellung in Patienten mit AD mit einer unveränderten klinischen Prognose – bei nichtsignifikant erhöhten schweren Nebenwirkungen – assoziiert ist, bleibt seine Gabe definierten Populationen mit dem Risiko eines akuten Nierenversagens vorbehalten (SBP, HRS, großvolumige Parazentese; [14]).

Nach stattgehabter SBP wird eine Sekundärprophylaxe mit Norfloxacin empfohlen, bis eine kausale Therapie der portalen Hypertension (d. h. Lebertransplantation oder transjugulärer intrahepatischer portosystemischer Shunt, TIPS) erfolgt ist [15]. Bereits Patienten mit < 1,5 g Protein/dl Aszites und eingeschränkter Leber- oder Nierenfunktion profitieren von einer Primärprophylaxe mit Norfloxacin [8, 16]. Aktuell wird außerdem geprüft, ob Patienten mit einer NOD2-Mutation von einer Primärprophylaxe profitieren [17]. Nach stattgehabter SBP sollte die Indikation zur Lebertransplantation geprüft werden [18].

Andere bakterielle Infektionen und Sepsis

Bei jedem Patienten mit AD sollte an die Möglichkeit einer bakteriellen Infektion gedacht werden. Neben spontanen Infektionen, wie SBP, spontane Bakteriämie und spontanes -bakterielles Empyem, stellen Harnwegs‑, Atemwegs- und Weichteilinfektionen die häufigsten Entitäten bakterieller Infektionen dar (Abb. 1a; [8]). Insbesondere schwere bakterielle Infektionen prädisponieren für die Entwicklung eines ACLF. Neben der SBP sind dies vor allem Pneumonien, Weichteil- und Blutstrominfektionen [9, 19].

Abb. 1
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Häufigkeit und Letalität von bakteriellen Infektionen bei Patienten mit Leberzirrhose. a Häufigkeit bakterieller Infektionen bei hospitalisierten Patienten mit dekompensierter Leberzirrhose [12, 20,21,22]. b Infektionsspezifische Letalität verschiedener Infektionen [12, 23, 24]. Die BICHROME-Studie umfasst hierbei ausschließlich Patienten mit Bakteriämie oder Fungämie. Inf. Infektionen, SB spontane Bakteriämie, SBE spontanes bakterielles Empyem, HWI Harnwegsinfektion, ICA International Club of Ascites, NACSELD North American Consortium for the Study of End-Stage Liver Disease

Nach aktueller Definition [25] wird die Sepsis als lebensbedrohliche Organdysfunktion, die durch eine fehlregulierte Wirtsantwort auf eine Infektion hervorgerufen wird, definiert. Sowohl die Kriterien der Sepsis als auch die Kriterien des ACLF greifen auf Komponenten des Sepsis-related-organ-failure-assessment(SOFA)-Scores als Ausdruck der Organdysfunktion zurück, sodass Patienten mit infektionsbedingtem ACLF definitionsgemäß häufig die Sepsis-3-Kriterien erfüllen.

Insgesamt entwickelt etwa die Hälfte der Patienten mit AD und nachgewiesener Infektion im Verlauf ein ACLF [26]. Im Vergleich zu Patienten ohne ACLF sind Patienten mit infektionsassoziiertem ACLF durch eine ausgeprägtere systemische Inflammation (Leukozyten, C‑reaktives Protein [CRP], Interleukin[IL]-6) gekennzeichnet [27,28,29]. Hieraus resultierend beträgt die 28-Tage-Mortalität von Patienten mit Infektionen, aber ohne ACLF lediglich 5 %, erhöht sich jedoch beim ACLF auf etwa 37 % [26]. Die infektionsspezifische Letalität variiert hierbei in Abhängigkeit der zugrunde liegenden Infektion (Abb. 1b).

Diagnostik und Therapie

Der Verdacht auf eine Infektion wird klinisch gestellt. Er erfordert zeitgleich und vor Beginn der antibiotischen Therapie die Abnahme von mikrobiologischen Kulturen. Dabei darf nicht vergessen werden, dass eine antibiotische Therapie beim kritisch kranken Patienten zeitnah erfolgen muss und durch die mikrobiologische Diagnostik nicht verzögert werden sollte [30]. Laborchemische Routinemarker – in erster Linie Leukozyten, CRP und IL-6 – sind bei nachgewiesenen Infektionen ebenfalls erhöht und erhärten die klinische Diagnose. Es ist dabei zu beachten, dass diese Parameter auch beim Fehlen einer bakteriellen oder fungalen Infektion im Rahmen der AD oder des ACLF aufgrund steriler systemischer Inflammation erhöht sein können [29, 31]. Im Fall einer bakteriellen Infektion sollten entsprechend der derzeit geltenden Leitlinienempfehlungen Blutkulturen entnommen werden, um Episoden sekundärer oder spontaner Bakteriämien zu erfassen [8, 32, 33].

Eine adäquate Therapie bakterieller Infektionen umfasst die zeitnahe, kalkulierte antimikrobielle Therapie des kausativen Erregers. Für das initiale Management bei vermuteter Sepsis wurden Diagnosebündel („bundles“) postuliert: Laktatbestimmung, Entnahme von Blutkulturen, Breitbandantibiotikatherapie und großzügige Volumengabe (30 ml/kgKG) bei Hypotonie und/oder Laktaterhöhung > 36 mg/dl (4 mmol/l; [19, 34]). Die Implementierung dieser Bündel ist auch bei Patienten mit Leberzirrhose mit einem Überlebensvorteil assoziiert [19]. Wichtig ist die Unterscheidung zwischen ambulant erworbenen und nosokomialen Infektionen, denn MRR sind bei Letzteren signifikant häufiger die zugrunde liegenden Mikroorganismen. Eine inadäquate initiale Antibiotikatherapie mit der Notwendigkeit einer Therapieanpassung ist dabei signifikant mit der Entwicklung eines ACLF assoziiert, dabei verschlechtert sich die 28-Tage-Mortalität von 29 auf 54 % [35].

Die Unterscheidung zwischen ambulant erworbenen und nosokomialen Infektionen ist wichtig

Bei Patienten mit nosokomialer Infektion und signifikantem Risiko für ein ACLF zeigt eine breite empirische Therapie unter Berücksichtigung von MRE eine höhere Ansprechrate und wird daher empfohlen [5, 36]. Gerade bei diesen Patienten ist nach der Identifizierung des ursächlichen Erregers eine antibiogrammgerechte Deeskalation/Fokussierung der Therapie zu empfehlen, um den Selektionsdruck und damit die MRE-Inzidenz zu minimieren [10].

Multiresistente Infektionen

Vor dem Hintergrund einer weltweit steigenden MRE-Prävalenz sind Infektionen mit multiresistenten gramnegativen Bakterien (MRGN) oder vancomycinresistenten Enterokokken (VRE) gefürchtete Komplikationen [12]. Patienten, die eine Kolonisation mit MRE aufweisen, leiden oft an einer fortgeschrittenen Lebererkrankung, hatten häufig wiederholte Kontakte zum Gesundheitssystem, erhielten antibiotische Vortherapien und entwickeln im Verlauf häufiger ein ACLF [26, 37]. Da Infektionen durch MRE schwieriger und langwieriger zu behandeln sind, scheitern empirische Therapien häufiger und die Sterblichkeit dieser Patienten ist erhöht [10, 35, 38]. Die antibiotische Primär- und Sekundärprophylaxe mit Norfloxacin oder Rifaximin scheint nach neuesten Erkenntnissen jedoch nicht mit einer erhöhten Inzidenz von Infektionen durch MRE assoziiert zu sein [12]. Obwohl eine MRE-Kolonisierung bei Patienten mit Leberzirrhose auf der Warteliste mit einem reduzierten Überleben assoziiert ist, verbessert die Lebertransplantation bei ausgewählten Patienten die Prognose nachhaltig [39].

Lebertransplantation

Insgesamt sind hepatische Dekompensationen prognostisch mit einem schlechten Verlauf der Leberzirrhose assoziiert, die kurativ nur durch die Lebertransplantation behandelt werden kann. Möglicherweise stellen diese einen Point of no Return dar, weil die Komplikationsspirale sich verdichtet und zu einem chronischen Leberversagen führt. Neben der AD, die im vorhergehenden Kapitel bearbeitet wurde [6], stellt auch das stetig progrediente chronische Leberversagen eine wichtige Indikation für eine Lebertransplantation dar. Der hohen Mortalität der fortgeschrittenen Lebererkrankung steht ein 1‑Jahres-Überleben nach Lebertransplantation in Deutschland von > 80 % gegenüber (Jahresbericht 2019: 1‑, 2‑ und 3‑Jahres-Überleben 84, 81 und 78 %). Die Neuanmeldungen auf die Warteliste für eine Lebertransplantation nehmen allerdings in Deutschland zu, wohingegen die Anzahl an Transplantationen tendenziell leicht abnimmt und insgesamt deutlich unter der Anzahl der Neuanmeldungen liegt (Jahresbericht 2019: 831 Lebertransplantationen [776 postmortal/55 durch Lebendspende] und 1385 Anmeldungen auf die Warteliste; [40]).

Die Anzahl an Transplantationen nimmt in Deutschland tendenziell leicht ab

Neben der Notwendigkeit einer blutgruppenidentischen (nachrangig blutgruppenkompatiblen) Organverteilung erfolgt die Organallokation aufgrund des relativen Spenderorganmangels priorisiert an die Patienten, die eine hohe Wahrscheinlichkeit haben, in den kommenden 3 Monaten zu versterben. Diese wird mittels Model-for-end-stage-liver-disease(MELD)-Score, ein Modell für terminale Leberkrankungen, prognostiziert. Der Score (labMELD) berechnet sich aus dem Werten für Kreatinin, Bilirubin und International Normalized Ratio (INR) des Patienten und wird auf der Warteliste zeitlich kontinuierlich angepasst. Hierbei kann ein Maximalwert von 40 Punkten berechnet werden, der eine 90-Tage-Mortalität von 98 % anzeigt [41]. Aber selbst hierdurch kann die Dringlichkeit zur Transplantation nicht für alle Patienten adäquat abgebildet werden, weshalb es durch sog. Standard Exceptions (SE) Möglichkeiten zur Adjustierung dieses Scores gibt.

Hierbei wird aufgrund einer hohen Dringlichkeit zur Transplantation, die sich jedoch im labMELD nicht adäquat abbildet, ein durch die Richtlinie der Bundesärztekammer definierter dynamisch ansteigender MELD-Wert (matchMELD) für den Patienten angewendet. Dies betrifft z. B. Patienten mit rezidivierender Cholangiosepsis bei dominanten Stenosen oder signifikantem Gewichtsverlust (> 10 % innerhalb eines Jahrs), die an einer primär sklerosierenden Cholangitis erkrankt sind, oder Patienten mit einem hepatozellulären Karzinom im Stadium UNOS T2 (Tumorstadium = 1 Läsion ≥ 2 und ≤ 5 cm, oder 2–3 Läsionen ≥ 1 und ≤ 3 cm ohne extrahepatische Metastasierung oder makrovaskuläre Infiltration; [42]). Diese Patienten haben kumulativ über die Wartezeit eine höhere Sterblichkeit als von labMELD abgebildet, und der matchMELD ermöglicht nach einer bestimmten Zeit die Organallokation und damit Transplantation. Darüber hinaus ist es auch möglich, eine sog. Non-Standard Exception (NSE) bei Eurotransplant (Leiden, Niederlande) für Patienten zu beantragen (Begutachtung erfolgt mittels Auditverfahren durch die Vermittlungsstelle), bei denen die lokale Transplantationskonferenz zwar eine erhöhte Dringlichkeit zur Transplantation sieht, aber keins der vordefinierten SE-Kriterien erfüllt wird.

Trotz dieser Möglichkeiten der Priorisierung verstarben im Jahr 2019 in Deutschland 250 Patienten auf der Warteliste vor Erhalt eines Spenderorgans (18 % der Patienten auf der Warteliste; [43]). Nebst anderen Ursachen spielt hierbei die in Deutschland vergleichsweise niedrige Bereitschaft zur Organspende eine Rolle (alle Organspenden in Deutschland im Jahr 2019: 11,2 pro 1 Mio. Einwohner; [44]).

Leberlebendspende als mögliche Alternative zur postmortalen Spende

Aufgrund dieser Diskrepanz zwischen verfügbaren Spenderorganen und Patienten auf der Warteliste für eine Lebertransplantation hat neben der postmortalen Spende auch die Leberlebendspende in Deutschland seinen Stellenwert mit einem Anteil von zuletzt knapp 7 % [43]. Hierbei erfolgt die Transplantation einer Teilleber, deren anatomisches Ausmaß präoperativ in Abhängigkeit des benötigten Lebervolumens kalkuliert wird [45]. Das deutsche Transplantationsgesetz erlaubt eine Leberlebendspende an „Verwandte ersten oder zweiten Grades, Ehegatten, eingetragene Lebenspartner, Verlobte oder andere Personen, die dem Spender in besonderer persönlicher Verbundenheit offenkundig nahestehen“ [46].

Das Outcome nach Leberlebendspende scheint aktuell gleichwertig zu sein

Nach interdisziplinärer Indikationsstellung zur Leberlebendtransplantation erfolgt auch hier zuerst die Aufnahme auf die Warteliste für eine postmortale Lebertransplantation. Die Evaluation der potenziellen Spender beinhaltet neben transplantationstechnischen Aspekten (Blutgruppenkompatibilität, Ausschluss relevanter Vorerkrankungen des Spenders, ausreichende Organgröße und -qualität insbesondere in Bezug auf Verfettungsgrad bzw. Vorliegen hepatologischer Erkrankungen) eine psychologische Mitbeurteilung auch in Bezug auf die Beziehung des Spenders zum Empfänger. Das Outcome nach Leberlebendspende scheint aktuell dem der postmortalen Leberspende gleichwertig bzw. nach Selektion der Indikationen zur Transplantation und des MELD-Scores vor Transplantation sogar überlegen zu sein [47, 48].

Fortgeschrittene alkoholische und nichtalkoholische Fettlebererkrankung als Indikation

Während die virale Genese der Leberzirrhose als Indikation zur Lebertransplantation seit Etablierung der direkt antiviral wirkenden Substanzen (DAA) zurückgeht, nehmen die alkoholische und die nichtalkoholische Steatohepatitis (NASH) als Genese der Leberzirrhose mit Indikation zur Lebertransplantation kontinuierlich zu [49, 50]. Hierbei spielen in der Evaluation zur Transplantation bei Patienten mit NASH eine erhöhte kardiovaskuläre Komorbidität sowie höhere Inzidenzen hepatozellulärer Karzinome eine relevante Rolle [51,52,53]. Aufgrund der kontinuierlich steigenden Inzidenz von Übergewicht und Adipositas der Gesellschaft [54] wirkt sich dies auch verstärkt in Bezug auf die gespendeten Organe aus: Die Anzahl an postmortal gespendeten Organen mit Mikro- und/oder Makrosteatose nimmt zu [55]. Hierbei zeigte sich, dass neben dem Alter und der Vorerkrankung Diabetes mellitus des Spenders auch eine Steatosis hepatis mit einer früheren Organdysfunktion und einem reduziertem Überleben des Empfängers assoziiert ist [56, 57].

Eine Listung ist erst nach einer strikten 6‑monatigen Alkoholabstinenz möglich

Der prozentuale Anteil der Indikation zur Lebertransplantation von Patienten mit alkoholbedingter Leberzirrhose ist in Deutschland weiterhin hoch. Nach Vorgabe der Bundesärztekammer ist eine Aufnahme auf die Warteliste zur Lebertransplantation jedoch erst nach einer strikten 6‑monatigen Alkoholabstinenz möglich [42]. Hierdurch sollen zum einen nicht notwendige Transplantationen verhindert werden, da unter Alkoholkarenz eine Regeneration der Leberfunktion zu erwarten ist. Des Weiteren zeigte sich, dass eine Abstinenzrate von < 6 Monaten vor Transplantation mit einer erhöhten Alkoholmissbrauchsrate nach Transplantation assoziiert ist [58]. Hierbei gilt es allerdings zu beachten, dass alkoholassoziierte Folgeerkrankungen, wie die schwere akute Alkoholhepatitis, die Hautpauslöser des ACLF sind [7]. Diese Patienten weisen eine hohe Kurzzeitmortalität auf und haben ohne Transplantation nur eine sehr geringe Wahrscheinlichkeit, eine 6‑monatige Alkoholkarenzzeit zu überleben [9]. Inzwischen haben mehrere Studien einen Überlebensvorteil einer frühen Lebertransplantation (vor Ablauf einer 6‑monatigen Alkoholkarenz) bei hochselektionierten Patienten (stabiles soziales Umfeld, Krankheitseinsicht in Bezug auf Alkoholismus, Erstdekompensation) mit schwerer Alkoholhepatitis ohne Ansprechen auf medikamentöse Therapien aufzeigen können [59, 60]. In diesen ausgewählten Fällen ist daher, in Abwägung der Prognose ohne Transplantation, eine aktive Listung nach Einholung eines Sachverständigengutachten möglich [42].

Akut-auf-chronisches Leberversagen als Indikation

In 10–20 % der Patienten, die mit AD stationär aufgenommen werden, liegt ein akut-auf-chronisches Leberversagen (ACLF) gekennzeichnet durch systemische Inflammation und Multiorgandysfunktion vor [61]. Während bereits die akute Dekompensation mit einer erhöhten Mortalität einhergeht, weist das ACLF eine dramatisch hohe Kurzzeitmortalität ohne Lebertransplantation auf (28-Tage-Mortalität zwischen 30–40 %; [9]), weshalb hier prinzipiell eine Indikation zur Lebertransplantation besteht. Wenn bei Transplantation ein ACLF vorlag, zeigte sich nachfolgend allerdings ein vergleichsweise kürzeres Überleben und eine höhere Rate an Komplikationen [62, 63]. Zusammenfassend zeigten zuletzt jedoch mehrere Arbeiten einen Überlebensvorteil durch die Transplantation mit verhältnismäßig geringen Komplikationen nach Transplantation bei ausgewählten Patienten bis einschließlich ACLF Grad 3, sodass diese für eine Transplantation evaluiert werden können [62, 64, 65].

Die häufigen Auslöser des ACLF können auch relative Kontraindikationen für eine Transplantation darstellen

Hierbei gilt es jedoch zu beachten, dass häufige Auslöser des ACLF wie unkontrollierte bakterielle Infektionen auch Kontraindikationen für eine Transplantation darstellen können. Da Patienten, die mit ACLF Grad 3 transplantiert werden, im weiteren Verlauf signifikant häufiger respiratorische, renale und infektiöse Komplikationen aufweisen, ist bereits vor der Transplantation ein engmaschiges intensivmedizinisches Monitoring erforderlich, um das schmale „Transplantationsfenster“ für diese Patienten nicht zu verpassen.

Fazit für die Praxis

  • Bakterielle Infektionen entscheiden bei Leberzirrhose die Prognose und sollten bei Verdacht kalkuliert therapiert werden.

  • Die kalkulierte antibiotische Therapie sollte individuelle und lokale Risikofaktoren für Infektionen durch multiresistente Erreger berücksichtigen. Bei Erregernachweis sollte eine Deeskalation/Fokussierung der antibiotischen Therapie erfolgen.

  • Die antibiotische Prophylaxe der spontanen bakteriellen Peritonitis (SBP) bei Risikopatienten reduziert Infektionen und Mortalität.

  • Patienten mit fortgeschrittener Lebererkrankung sollten in einem Transplantationszentrum vorgestellt werden.

  • Die steigende Prävalenz der alkoholischen und nichtalkoholischen Steatohepatitis erfordert erhöhte Aufmerksamkeit: Eine frühe Diagnosestellung und die Einleitung präventiver Maßnahmen können den Krankheitsprogress verhindern.

  • Die Organspende hat einen hohen Stellenwert und ein Bewusstsein hierfür sollte weiter gefördert werden: Die Spende kann Leben retten.