HIV-Infizierte mit nicht nachweisbarer Viruslast sind auch bei kondomlosem Geschlechtsverkehr nicht ansteckend. Das gilt nicht nur für heterosexuelle, sondern auch für homosexuelle Sexualpartner, so das Ergebnis der Studie PARTNER2 [1].

Die Daten von PARTNER2 hatte Erstautorin Prof. Alison Rodger, London, bereits im Sommer 2018 bei der internationalen Aids-Konferenz in Amsterdam vorgestellt. In der vorangegangenen Studie PARTNER1 (Partners of People on ART — A New Evaluation of the Risks) war schon belegt worden, dass bei heterosexuellen, serodiskordanten Paaren, bei denen also ein Partner HIV-positiv und einer HIV-negativ ist, eine Transmission des HI-Virus nicht stattfindet, wenn der HIV-positive Partner durch eine antiretrovirale Therapie (ART) eine nicht mehr nachweisbare Viruslast (weniger als 50 Viruskopien pro Milliliter Blut) hat.

Zweite Studie nur mit MSM

Insgesamt waren Daten von 888 Paaren in 14 europäischen Ländern für diese erste Studie zwischen 2010 und 2014 erhoben worden [2]. Dabei war jedoch der Anteil der homosexuellen Teilnehmer zu gering, um eine gesicherte Aussage über das Risiko einer Virusübertragung zwischen homosexuellen, serodiskordanten Paaren treffen zu können.

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3D-Modell des HI-Virus.

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Für die zweite Studie PARTNER2 wurden deshalb bis April 2018 in 14 europäischen Ländern 972 Paare von Männern, die Sex mit Männern haben (MSM), gewonnen und deren Sexualverhalten, HIV-Status, die Viruslast sowie eventuell vorhandene sexuell übertragbare Infektionen (STI) erfasst. Von 782 Paaren konnten insgesamt Daten über 1.593 Paar-Jahre mit 76.088 Sexualkontakten mit Analverkehr erhoben werden. Ergebnis: Eine Transmission des HI-Virus fand nicht statt zwischen serodiskordanten Paaren, bei denen sich die Viruslast des HIV-positiven Partners unter der Nachweisgrenze befindet. Dies gilt sowohl für kondomlosen Vaginal- als auch für den infektionsträchtigeren Analverkehr.

Wissen in der Bevölkerung ist gering

Damit schließt sich das Team um Rodger der Botschaft der internationalen Kampagne „U=U“ (Undetectable = Untransmittable), in Deutschland auch bekannt als „N=N“ (nicht nachweisbar bedeutet nicht übertragbar) an, die sich seit 2016 für ein breiteres Bewusstsein der Öffentlichkeit für die geringe Infektiosität virussupprimierter HIV-Infizierter einsetzt.

Eine solche Kampagne ist auch nötig, denn in der Bevölkerung ist das Wissen dazu noch gering. Einer repräsentativen Umfrage im Auftrag der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung zum Welt-Aids-Tag 2017 zufolge stimmten in Deutschland nur 10% der Aussage zu, dass es „mit den gegenwärtigen Behandlungsmöglichkeiten möglich ist, andere beim Sex ohne Kondom nicht mehr mit HIV anzustecken“. 71% der Befragten glaubten dagegen nicht, dass dies mit den aktuellen Therapieoptionen möglich sei.

Ruf nach „Test and Treat“-Strategie

Das Team um Rodger unterstreicht, dass die Studienergebnisse erneut den Nutzen von breit verfügbaren Tests auf das HI-Virus sowie einem frühen Therapiebeginn herausstellen. Um den vollen Therapieeffekt einer ART ausschöpfen zu können und die Verbreitung des Virus einzudämmen, sei eine universelle „Test and Treat“-Strategie nötig, pflichtet auch Dr. Myron Cohen von der University of North Carolina in einem Kommentar zur Studie im „Lancet“ bei. Nur so ließen sich Unkenntnis über den eigenen Infektionsstatus eliminieren und die Dunkelziffer von unwissentlich HIV-Infizierten reduzieren, erläutert Cohen, der nicht an der Studie beteiligt war.

Denn: Lassen sich Personen aus Risikogruppen, die vermuten, sich infiziert zu haben, früh testen und beginnen sie bei Nachweis einer Infektion früh mit ihrer ART, gibt es weniger risikobehaftete Sexualkontakte, bei denen eine Infektion stattfinden kann. Cohen weist darauf hin, dass eine Kampagne wie „U=U“ zur Reduktion der HIV-Inzidenz unerlässlich sei, da noch immer Diskriminierung und Stigmatisierung viele potenziell Infizierte von Tests und Behandlungen abhalten.

Niedrigschwellige Testangebote, zum Beispiel Selbsttests auf das Virus, wie sie seit Oktober 2018 auch in Deutschland frei verkäuflich sind, sind dafür eine wichtige zusätzliche Option. Ebenfalls nicht zu vernachlässigen: Mit einer erfolgreichen ART wird zwar die Infektion des Sexualpartners mit HIV verhindert, nicht jedoch eine Infektion mit anderen sexuell übertragbaren Erregern.