Der 80-Jährige, der in die Klinik der Magna-Graecia-Universität im kalabrischen Catanzaro kommt, ist schrecklich zugerichtet. Von einem Schäferhund angefallen, weist er schwere Bisswunden mit tief eingedrungenen Reißzähnen auf. Er hat massive Hämatome an beiden Armen und an der rechten Flanke vom Oberschenkel bis zum Rippenbogen.

Der Hund muss fürchterlich gewütet haben. Aber das ist noch nicht einmal das größte Problem des Mannes. Denn eigentlich kommt er wegen seiner heftigen Brustschmerzen in die Klinik. Die Familienanamnese ist positiv für kardiovaskuläre Erkrankungen, außerdem ist der Mann Hypertoniker. Die Brustschmerzen haben einen infarkttypischen Charakter, und tatsächlich zeigt das EKG in den Ableitungen V1 bis V5 deutliche Hebungen der ST-Strecke. Nach thrombolytischer Behandlung gehen die Hebungen teilweise zurück.

In der notfallmäßig vorgenommenen Angiografie der Koronarien zeigt sich eine signifikante Stenose des Ramus interventricularis anterior (LAD) mit Ausbildung eines Thrombus. Schließlich erhält der Mann einen medikamentenfreisetzenden Stent, die Behandlung ist erfolgreich.

Capnocytophaga canimorsus ist diesmal unschuldig

Die Ärzte um den Kardiologen Alberto Polimeni interessieren sich nun dafür, wie das Infarktgeschehen mit den vorangegangenen Hundebissen zusammenhängt. In der Literatur sind nämlich einige Fälle beschrieben, in denen Patienten nach einem Hundebiss einen Herzinfarkt erlitten haben [1, 2]. Dabei handelte es sich um Typ-2-Infarkte infolge von septisch verlaufenen Infektionen mit Capnocytophaga canimorsus, einem gramnegativen Stäbchenbakterium, das im Maul von Hunden und Katzen vorkommt.

Der Mann aus Catanzaro allerdings ist nicht infiziert. Weder weist er entsprechende klinische Zeichen auf, noch fallen die angelegten spezifischen Blutkulturen positiv aus. Diesmal gibt es auch eine typische LAD-Stenose mit Thrombusbildung, es liegt mithin ein klassischer Typ-1-Infarkt vor.

War es der Stress?

Polimeni und Kollegen vermuten daher, dass es der Stress im Zusammenhang mit den vielen Hundebissen war, der ein bereits vorhandenes chronisches Koronarsyndrom ins akute Stadium befördert hat: „Die akute Ruptur einer vulnerablen Plaque könnte die Folge einer abrupten sympathischen Stimulation sein.“ Konkret spekulieren die Mediziner, zunehmende ventrikuläre Inotropie und Herzfrequenz, steigender Blutdruck oder die Stimulation der alphaadrenergen Rezeptoren könnten die Scherspannung erhöht haben, wodurch die Deckplatte der Plaque gerissen sei.

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In seinem Maul lauern Bakterien, die Herzinfarkte auslösen können.

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