Die Praxisleitlinie „Tumorbedingte Durchbruchschmerzen“ der Deutschen Gesellschaft für Schmerzmedizin definiert ihren Gegenstand als „vorübergehende Schmerzexazerbationen …, die bei Patienten mit einer vorbestehenden Tumorerkrankung spontan oder im Zusammenhang mit einem bestimmten vorhersehbaren oder nicht vorhersehbaren Auslöser trotz relativ konstanter und angemessen kontrollierter Dauerschmerzen auftreten“.

Die Therapie von Durchbruchschmerzen ist eine Gratwanderung. Wer vorbeugend die Dauertherapie mit Opioiden erhöht, muss mit erheblichen Nebenwirkungen rechnen. „Wird dagegen die Dauerschmerztherapie auf die Ruheschmerzen adjustiert, ist die Wahrscheinlichkeit groß, unverhältnismäßig viele, nach Intensität und Häufigkeit unterschiedliche Durchbruchschmerzattacken zu induzieren“, heißt es in der Leitlinie.

Im Fall von Durchbruchschmerzen empfiehlt die Praxisleitlinie stark wirksame Opioid-Analgetika der WHO-Stufe III mit schnellem Wirkeintritt („Rapid-Onset Opioids“) als Bedarfsmedikation der ersten Wahl. Dabei ist eine solche Bedarfsmedikation nur unter der Voraussetzung einer Dauermedikation mit Opioiden in der gleichen Ebene des WHO-Stufenschemas sinnvoll. Diese Dauermedikation gegen chronische tumorbedingte Schmerzen besteht traditionell aus retardierten, lang-wirksamen Opioid-Analgetika der WHO-Stufe III.

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Die Zahl der in Deutschland verordneten Opioiddosen hat sich binnen zehn Jahren verdreifacht.

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Sehen Sie genauer hin!

Den Nutzen von Opioiden gegen Tumorschmerzen und gegen Durchbruchschmerzen zumal wird niemand bestreiten. Juan Olarte von der Gregorio-Marañón-Klinik der Universität Madrid hat indes kürzlich empfohlen, genauer hinzusehen, ob die Medikamente auch bestimmungsgemäß eingesetzt werden [1].

Auf folgende Auffälligkeiten empfiehlt Olarte besonders zu achten:

  • falscher Gebrauch (Patienten nehmen mehr als die verordnete Dosis, wenn sie einen schlechten Tag haben);

  • Missbrauch (Patienten gebrauchen die Mittel als Freizeitdroge);

  • Umleitung (Patienten verkaufen das Mittel, statt es einzunehmen);

  • chemisches Coping (Stressbewältigung durch Substanzgebrauch);

  • Sucht;

  • aberrantes Verhalten (Drogenaffinität mit/ohne problematischen Opioidkonsum, oft, aber nicht immer mit einer Suchtkrankheit kombiniert).

  • Zu denken ist auch an unkontrollierte Schmerzen im Sinne einer Pseudoabhängigkeit oder an andere psychiatrische Störungen.

Um den vom normalen Opioideinsatz abweichenden Verhaltensweisen abzuhelfen, rät Olarte unter anderem dazu, alle Opioidverordnungen eines Patienten in der Hand eines einzelnen Verschreibers zusammenlaufen zu lassen. Ein enges Monitoring sei nötig. Darüber hinaus könne es auch helfen, den Patienten der Therapie ausdrücklich zustimmen zu lassen.

Gezielte Prävention

Es kann jedenfalls nicht die Antwort auf abweichenden Opioidgebrauch sein, Krebspatienten den Zugang zu diesen Mitteln zu erschweren. „Bis zu einem gewissen Grad ist abweichender Gebrauch eine unvermeidliche Begleiterscheinung einer adäquaten Versorgung und der Schmerzlinderung“, meint der Palliativexperte. Olarte sieht die Lösung in gezielter Prävention und der Organisation spezialisierter Versorgung.

Der Opioidverbrauch ist in den reicheren Ländern der Welt in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen. In einer 2016 publizierten Erhebung stand Deutschland im europäischen Ländervergleich mit 23.352 definierten Tagesdosen je Million Einwohner für die Jahre 2011 bis 2013 an der Spitze [2]. Die Zahl der hierzulande verordneten Opioiddosen hat sich damit innerhalb von zehn Jahren verdreifacht.