Das Lungenkarzinom sowie das Mammakarzinom stellten 2020 die häufigsten malignen Erkrankungen dar, wobei das Lungenkarzinom weiterhin an der ersten Stelle der Krebstodesursachenstatistik steht [32]. Historisch betrachtet galt das Lungenkarzinom als eine Erkrankung, die vorrangig Männer betraf, bedingt durch die höhere Verbreitung des Rauchens und die größere Anzahl an „pack years“ bei Männern. In den letzten Jahrzehnten hat sich der Inzidenztrend jedoch erheblich verändert sowohl zwischen den Geschlechtern und Altersgruppen als auch zwischen Industrie- und Entwicklungsländern.

Epidemiologie

Während die Lungenkrebsinzidenz bei Männern in Industrieländern in den 1970er- und 1980er-Jahren ihren Gipfel erreichte und seitdem zurückgegangen ist, ist bei Frauen in den meisten westlichen Ländern, darunter auch Deutschland und Österreich, entweder ein Anstieg oder ein langsamerer Rückgang als bei Männern zu beobachten (Abb. 1; [2]). In einigen westlichen Ländern wie Kanada, USA, Dänemark und den Niederlanden wird derzeit bei Frauen bis 49 Jahren sogar häufiger Lungenkrebs diagnostiziert als bei Männern [3]. Die Angleichung der Lungenkrebsinzidenz zwischen den beiden Geschlechtern lässt sich v. a. auf Veränderungen der Rauchgewohnheiten in Industrieländern zurückführen, insbesondere auf den Rückgang des Rauchens bei Männern und gleichzeitig auf die Zunahme des Nikotinabusus bei Frauen in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Die Entwicklung der Rauchgewohnheiten wirkt sich dabei mit einer Latenz von etwa 20 bis 30 Jahren auf die Lungenkrebsinzidenzen aus [2]. Erfreulicherweise ist derzeit auch bei den Frauen in den Industrieländern ein Rückgang der Raucherprävalenz zu verzeichnen (Abb. 2). Im Gegensatz dazu ist in den Schwellen- und Entwicklungsländern, darunter Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika, die Prävalenz des Zigarettenrauchens sowohl bei Männern als auch bei Frauen gleichbleibend hoch. Daher ist in diesen Ländern mit einem Anstieg der Inzidenz und Mortalität von Lungenkrebs bei beiden Geschlechtern zu rechnen [2].

Abb. 1
figure 1

Altersstandardisierte Neuerkrankungs- und Sterberaten nach Geschlecht, ICD-10 C33–C34, Deutschland 1999 bis 2018/2019, Prognose (Inzidenz) bis 2022. (Aus [42]; mit freundl. Genehmigung, © RKI, alle Rechte vorbehalten)

Abb. 2
figure 2

Entwicklung der Anteile der Rauchenden in Deutschland. (Mod. nach [43], mit freundlicher Genehmigung des Deutschen Krebsforschungszentrums)

Es ist jedoch zu betonen, dass die Zunahme des Nikotinabusus bei Frauen nicht allein die steigende Inzidenz von Lungenkrebs erklärt. Die Raucherquote bei Männern bleibt nach wie vor höher, und Frauen rauchen im Durchschnitt weniger Zigaretten als Männer [9]. Dies lässt vermuten, dass Frauen im Vergleich zu Männern eine höhere Suszeptibilität gegenüber den karzinogenen Wirkungen des Zigarettenrauchs aufweisen. Diese höhere Suszeptibilität könnte durch genetische, hormonelle oder metabolische Faktoren bedingt sein.

Umweltfaktoren für Lungenkarzinom

Rauchen ist der wichtigste vermeidbare Risikofaktor für die Entwicklung von Lungenkarzinomen. Wie bereits oben erwähnt, hat die Prävalenz des Zigarettenrauchens bei Frauen in den letzten Jahren zugenommen. Neben dem Aktivrauchen spielen jedoch auch umweltbedingte Faktoren wie Passivrauchen, Luftverschmutzung im Freien und in Innenräumen, Radon und Asbest eine Rolle bei der Entstehung von Lungenkarzinomen [33]. Eine Metaanalyse von 14 Studien ergab, dass die Luftverschmutzung als umweltbedingter Hauptrisikofaktor das Lungenkrebsrisiko um 9 % erhöhen kann [33]. Im Vergleich zu Rauchern hatten Nieraucher mit Lungenkrebs eine starke Assoziation mit dem weiblichen Geschlecht, einer asiatischen Herkunft und einer stärkeren Belastung durch Luftverschmutzung, was auf einen Zusammenhang zwischen Umweltverschmutzung, Geschlecht und Ethnizität hindeutet [20].

Luftverschmutzung als umweltbedingter Hauptrisikofaktor kann das Lungenkrebsrisiko um 9 % erhöhen

Auch das Passivrauchen erhöht das Lungenkrebsrisiko für Frauen überproportional: Von weltweit über 600.000 vorzeitigen Todesfällen pro Jahr, die mit Passivrauchen in Verbindung gebracht werden, sind in 65 % der Fälle Frauen betroffen [3]. Ebenso erhöhen Innenraumverschmutzung und Brennstoffquellen das Lungenkrebsrisiko bei Frauen deutlicher als bei Männern, was möglicherweise mit der Rolle in der Gesellschaft zusammenhängt [3]. Die lange Verwendung von rauchiger Kohle führt bei Frauen zu einem 99fachen Anstieg der Lungenkrebssterblichkeit, bei Männern hingegen um das 36fache [1]. Während die außerberufliche Asbestexposition ein höheres Risiko für die Entwicklung eines Pleuramesothelioms bei Frauen mit sich bringt, ergab eine aktuelle Metaanalyse, dass Asbest bei Frauen mit einem höheren Lungenkrebsrisiko verbunden ist als bei Männern [17].

Genetische, hormonelle, molekulare und virale Risikofaktoren

Weltweit sind ca. 15 % aller Lungenkrebserkrankungen bei Männern und 53 % bei Frauen nicht auf das Rauchen zurückzuführen [22, 24]. Um diese raucherunabhängigen, geschlechtsspezifischen Unterschiede bezüglich der Lungenkrebsinzidenz erklären zu können, wurden genetische, molekulare, hormonelle und virale Faktoren evaluiert [36]. Dabei scheinen einige per se mit einem erhöhten Lungenkarzinomrisiko bei Frauen assoziiert zu sein, andere erklären hingegen eine erhöhte Suszeptibilität gegenüber den karzinogenen Wirkungen des Zigarettenrauchs bei rauchenden Frauen.

Geschlechtsspezifische Unterschiede in den DNA(Desoxyribonukleinsäure)-Reparaturmechanismen können ein zusätzliches Risiko für die Entwicklung von Lungenkrebs bei Frauen mit sich bringen. Die verringerte Reparaturkapazität ist bei Lungenkrebspatientinnen mit und ohne Raucheranamnese ähnlich, was darauf hindeutet, dass dieser Faktor unabhängig von der krebserzeugenden Wirkung von Tabak mit dem Risiko eines Lungenkarzinoms assoziiert sein kann [15]. So konnte auch gezeigt werden, dass möglicherweise Mutationen in BRCA 1 („breast cancer gene“), BRCA 2 und TP53 („tumor protein p53“) auch für pulmonale Adenokarzinome bei jungen Nichtraucherinnen verantwortlich sein können [7].

Auch hormonelle Faktoren haben einen entscheidenden Einfluss auf das Karzinomrisiko. Endogenes Östrogen ist an der neoplastischen Transformation von Zellen sowie an der Proliferation, Migration, Invasion von Krebszellen beteiligt [25]. Zudem kann das Östrogen auch mit Tabakverbindungen und Onkogenmutationen interagieren, um die Bildung reaktiver Sauerstoffspezies und DNA-Addukte zu verstärken, was zur Entstehung von Lungenkarzinomen führen kann. Zusätzliches Tabakrauchen kann die Wirkung von Östrogen auf die Lungenkrebsentstehung verstärken, indem es die Produktion des krebserregenden, östrogenmetabolisierenden, geschlechtsspezifischen Enzyms, das Cytochrom P450 1b1 (CYP1B1), beschleunigt [15].

Kontroverse Aussagen hingegen gibt es zur Assoziation einer Östrogenhormonersatztherapie mit einem erhöhten Risiko für die Entwicklung eines Lungenkarzinoms [4, 10, 11, 16,17,18,19,20, 27]. Eine Studie mit mehr als 16.000 Frauen zeigte eine erhöhte Zahl von Todesfällen durch Lungenkrebs in der Hormonersatztherapiegruppe von 0,11 %, im Vergleich mit 0,06 % in der Placebogruppe [20]. Andere Studien hingegen widerlegten einen Zusammenhang zwischen Hormonersatztherapie und der Entwicklung eines Lungenkarzinoms [4, 5]. Allerdings scheint auch in diesen Studien eine kombinierte Hormonersatztherapie mit einer erhöhten Lungenkrebsmortalität assoziiert zu sein, während hingegen eine alleinige Östrogentherapie weder mit einem erhöhten Risiko, an einem Lungenkarzinom zu erkranken oder zu versterben, einhergeht.

Eine Infektion mit HPV ist mit einem deutlich höheren Risiko für Lungenkrebs verbunden

Bei der Pathogenese von Lungenkrebs wurde auch über eine mechanistische Beziehung zwischen dem Östrogenrezeptor (ER) und dem epidermalen Wachstumsfaktorrezeptor (EGFR) berichtet, wobei eine verstärkte Antitumorwirkung des ER- und des EGFR-Antagonisten auf die Hemmung der Zellmigration bei Lungenkrebs beobachtet wurde. Mehrere Ergebnisse stützen die Begründung für den Einsatz einer dualen Lungenkrebstherapie aus Östrogenrezeptorantagonisten und EGFR-Tyrosinkinaseinhibitor, da diese Kombination die Tumorzellproliferation in vitro und in vivo im Vergleich zu der alleinigen Therapie stärker verringert [23, 29].

Auch virale Faktoren scheinen einen Einfluss auf die geschlechtsspezifischen Unterschiede in der Lungenkarzinomentwicklung zu haben. So konnte eine Metaanalyse zeigen, dass eine Infektion mit humanen Papillomaviren (HPV), insbesondere mit HPV 16 und 18, mit einem deutlich höheren Risiko für Lungenkrebs verbunden ist [39]. Dabei haben v. a. Frauen mit früheren HPV-bedingten urogenitalen und analen Neoplasien im Vergleich zu Männern eine signifikant höhere Inzidenz von Lungenkarzinomen [12].

Histologie und Mutationen

Die Veränderungen im Rauchverhalten haben auch Auswirkungen auf die Verteilung der histologischen Subtypen des Lungenkarzinoms. Früher dominierte bei Männern das Plattenepithelkarzinom, das stark mit Zigarettenrauch assoziiert ist, während Frauen höhere Raten von Adenokarzinomen aufwiesen. In den letzten Jahren ist jedoch die Inzidenz des Plattenepithelkarzinoms bei beiden Geschlechtern zurückgegangen, und das Adenokarzinom ist nun in den industriellen Ländern sowohl bei Männern als auch bei Frauen der häufigste Subtyp des Lungenkarzinoms (Abb. 3; [2]).

Abb. 3
figure 3

Verteilung der bösartigen Neubildungen der Lunge nach histologischem Typ und Geschlecht (in Prozent), ICD-10 C33–C34, Deutschland 2017 bis 2018. (Aus [42]; mit freundl. Genehmigung, © RKI, alle Rechte vorbehalten)

Der Rückgang der Häufigkeit von Plattenepithelkarzinomen steht wahrscheinlich im Zusammenhang mit der Abnahme des Tabakkonsums bei den Männern. Die Zunahme der Adenokarzinome bei beiden Geschlechtern ist vermutlich auch eine Folge der Einführung von Filterzigaretten in den 1960er- und 1970er-Jahren. Diese erhöhen das Risiko für Adenokarzinome aufgrund der peripheren Verteilung des Tabakrauchs in der Lunge und wirkten sich somit insbesondere auf die Lungenkarzinomraten bei Frauen aus, da die Zunahme des Nikotinkonsums unter Frauen zu jener Zeit anstieg, zu der diese Art von Zigaretten am weitesten verbreitet war [35].

Onkogene Mutationen, für die eine zielgerichtete Therapie zur Verfügung steht, sind häufiger bei Frauen als bei Männern mit Lungenkarzinomen zu finden (Tab. 1). Insbesondere Mutationen in den Genen TP53, KRAS und EGFR kommen häufiger bei Frauen als bei Männern vor, wobei diese geschlechtsspezifischen Unterschiede unter Berücksichtigung des ethnischen Hintergrunds variieren können [14, 28]. Auch eine KRAS G12C-Mutation konnte in einer Studie mit mehr als 32.000 Patienten mit nichtkleinzelligem Lungenkarzinom häufiger bei Frauen als bei Männern mit nichtkleinzelligem Lungenkarzinom detektiert werden, wobei dies allerdings nur bei der kaukasischen Bevölkerung zutrifft [21]. Ähnliches gilt für BRAF(„B-Raf proto-oncogene, serine/threonine kinase“)-Mutationen, für die ebenfalls eine höhere Prävalenz bei Frauen als bei Männern mit Lungenkarzinomen – unabhängig der Raucheranamnese – gezeigt werden konnte [19].

Tab. 1 Vergleich der Häufigkeit von Target-Mutationen zwischen Frauen und Männern. (Aus [44])

Therapieansprechen

Auch bei der Verträglichkeit und dem Ansprechen auf die Therapie des Lungenkarzinoms bestehen geschlechtsspezifische Unterschiede.

In Bezug auf die konventionelle Chemotherapie zeigten Studien, dass Frauen mit einem nichtkleinzelligen Lungenkarzinom im Stadium IV unter einer platinbasierten Chemotherapie eine höhere Ansprechrate (42 % im Vergleich zu 40 %) und eine längere Gesamtüberlebenszeit (9,6 Monate im Vergleich zu 8,6 Monaten) aufweisen. Allerdings treten bei Frauen auch häufiger unerwünschte Nebenwirkungen wie Übelkeit, Erbrechen und Mukositis auf, und sie benötigen im Vergleich zu männlichen Patienten häufiger eine Dosisreduktion [30].

Ob es Unterschiede im Ansprechen auf eine Immuntherapie zwischen Frauen und Männern gibt, ist derzeit aufgrund der uneinheitlichen Studienlage eine offene Frage. Eine Metaanalyse von 2022 mit mehr als 10.000 Patientinnen und Patienten aus 16 randomisierten kontrollierten Studien zeigte, dass Frauen eher von einer Kombination aus Chemotherapie und Immuntherapie profitierten, während von einer alleinigen Immuntherapie mehr Männer als Frauen zu profitieren scheinen, und dass dieser Unterschied bei Plattenepithelkarzinomen stärker ausgeprägt war als bei Adenokarzinomen [18].

Ursächlich wird vermutet, dass Tumoren bei Männern eine erhöhte Tumorantigenität aufweisen als bei Frauen, z. B. weil Männer grundsätzlich stärker rauchen. Diese erhöhte Tumorantigenität scheint mit einem verbesserten Ansprechen auf eine Therapie mit Immuncheckpointinhibitoren (ICI) einherzugehen. Darüber hinaus gibt es immunologische Unterschiede zwischen den Geschlechtern, wobei sowohl die angeborene als auch die erworbene Immunantwort bei Frauen stärker ausgeprägt ist. Tumorzellen mit hoher Antigenität werden bei Frauen eher vom Immunsystem „vernichtet“. Umgekehrt ist jedoch davon auszugehen, dass, wenn sich ein Karzinom bei einer Frau entwickelt, dies eher „unsichtbar“ für das Immunsystem verläuft, was die Wirkung der Immuntherapie bei Frauen beeinträchtigen kann. Durch die Zugabe von Chemotherapie wird die Antigenität der Tumorzellen gesteigert. Dies ermöglicht es dem Immunsystem der Frauen, die Tumorzellen besser zu erkennen und daraufhin effektiver zu eliminieren [37]. Ähnlich wie bei der Chemotherapie wird das Risiko für immunvermittelte Nebenwirkungen, insbesondere endokrine, dermatologische und kardiovaskuläre Komplikationen, bei Frauen unter einer Immuntherapie um 66 % höher als bei Männern beschrieben [34].

Bei den zielgerichteten Therapien erreichen Frauen mit aktivierenden EGFR-Mutationen Exon 19 (19 del) oder Exon 21 (L858R), die mit EGFR-TKI (Tyrosinkinaseinhibitor) der 1. oder 2. Generation behandelt werden, ein besseres progressionsfreies Überleben (PFS) als Männer. Geschlechtsspezifische Unterschiede im Ansprechen auf EGFR-TKI der 3. Generation sowie auf ALK(anaplastische Lymphomkinase)- oder ROS1(„ROS proto-oncogene 1“)-Inhibitoren sind dagegen nach derzeitiger Datenlage nicht belegt [13].

Im Hinblick auf frühere Krankheitsstadien zeigen Studien, dass Frauen, die sich einer Lungenresektion unterziehen, im Vergleich zu Männern bessere Ergebnisse hinsichtlich fast aller postoperativen Komplikationen, der Sterblichkeitsrate und des Langzeitüberlebens erzielen. Es ist jedoch darauf hinzuweisen, dass thoraxchirurgische Patientinnen in den Studien im Allgemeinen einen günstigeren Ausgangszustand und weniger Begleiterkrankungen aufweisen als die männlichen Patienten [41].

Frauen haben unabhängig von Histologie und Krankheitsstadium eine günstigere Prognose

Es liegen nur wenige Daten zu geschlechtsspezifischen Unterschieden im Outcome der stereotaktischen Radiotherapie (SBRT) vor. Kashy berichtete 2015, dass bei Patienten im Frühstadium, die mit SBRT behandelt werden, das weibliche Geschlecht ein unabhängiger Prädiktor für das Überleben ist. Daraus lässt sich schließen, dass Frauen unabhängig von der Histologie und dem Krankheitsstadium eine günstigere Prognose haben [16].

Überleben

Das Lungenkarzinom zählt zu den Tumoren mit der ungünstigsten Prognose, was sich in einer niedrigen relativen 5‑Jahres-Überlebensrate von etwa 25 % bei Frauen und 19 % bei Männern in allen Stadien widerspiegelt, basierend auf Daten aus den Jahren 2019 bis 2020 [40]. Wie bei sämtlichen Krebsarten variieren die Prognosen jedoch erheblich je nach Stadium der Erkrankung. Patienten mit einem Lungenkarzinom im Stadium 1 zeigten eine 5‑Jahres-Überlebensrate von 74 % bei Frauen und 63 % bei Männern, während im Stadium 4 deutlich niedrigere Überlebensraten von jeweils 7 % und 4 % erzielt werden [31]. Dabei ist wichtig zu betonen, dass diese Daten aus der Zeit vor der breiten Anwendung der Immuntherapie stammen und dass sich die Überlebensraten durch die Einführung der Immuntherapie signifikant verbessert haben. Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass das weibliche Geschlecht unabhängig von Stadium, Histologie und Therapieform (außer Monoimmuntherapie) einen günstigen prognostischen Faktor darstellt.

Überlebensvorteil durch Lungenkarzinomscreening

Im Rahmen der NELSON-Studie, in der die Senkung der Lungenkrebsmortalität durch jährliche Durchführung einer Low-dose-Computertomographie bei Hochrisikopersonen (aktive oder ehemalige Raucher mit einer Rauchgeschichte von mehr als 15 Zigaretten pro Tag über 25 Jahre oder mehr als 10 Zigaretten pro Tag über 30 Jahre) bestätigt wurde, zeigte sich in der Subgruppenanalyse, dass Frauen stärker vom Screening profitieren als Männer. Über einen Nachbeobachtungszeitraum von 10 Jahren konnte eine Reduktion der Lungenkrebssterblichkeit um 24 % bei Männern und um 33 % bei Frauen beobachtet werden. Allerdings waren nur etwa 16 % der Studienteilnehmer Frauen, sodass sich die Frage stellt, ob die Ergebnisse tatsächlich auf Frauen übertragbar sind [6].

Klinische Studien

In den vergangenen Jahrzehnten waren Frauen in klinischen Zulassungsstudien unterrepräsentiert. Eine Analyse aus dem Jahr 2018 ergab einen Frauenanteil von lediglich 39 % in klinischen Studien, die sich auf das nichtkleinzellige Lungenkarzinom bezogen. Besonders relevant ist hierbei die fortbestehende Unterrepräsentation älterer Frauen (über 65 Jahre) und Frauen ethnischer Minderheiten, obwohl dieser Trend auch bei Männern festzustellen ist. Als Konsequenz werden Daten, die hauptsächlich aus einer männlichen und insgesamt jüngeren Population stammen, womöglich unangemessen auf den klinischen Einsatz bei Frauen angewendet [8].

Eine Ausnahme bildet die ADAURA-Studie von 2018, in der doppelt so viele Frauen wie Männer eingeschlossen wurden (207 Männer vs. 471 Frauen). Diese Studie untersuchte die Wirksamkeit von Osimertinib als adjuvante Behandlung bei aktivierenden EGFR-Mutationen (Exon 19 del und Exon 21 L858R), die bei Frauen ohnehin mehr als doppelt so häufig auftreten wie bei Männern (59 % vs. 26 %) [38].

Fazit für die Praxis

  • In den vergangenen Jahrzehnten zeigte sich ein Anstieg der Inzidenz von Lungenkarzinomen bei Frauen, während sie gleichzeitig bei Männern abnahm. Dieser Wandel lässt sich auf veränderte Rauchgewohnheiten beider Geschlechter zurückführen.

  • Es wird vermutet, dass Frauen eine erhöhte Suszeptibilität für die karzinogene Wirkung von Zigarettenrauch sowie Luftverschmutzung, Radon und Asbest aufweisen.

  • Treibermutationen wie EGFR („epidermal growth factor receptor“), KRAS („Kirsten rat sarcoma virus oncogene homolog“) und TP53 („tumor protein p53“) treten bei Frauen häufiger auf.

  • Unabhängig vom Stadium, der Histologie und der angewandten Therapieform – mit Ausnahme der Monoimmuntherapie – verzeichnen Frauen eine bessere Ansprechrate und eine günstigere Prognose im Vergleich zu Männern.

  • Weiterhin zeigt sich, dass Frauen mit Raucherhistorie stärker von CT(Computertomographie)-Screenings profitieren als Männer.

  • Frauen sind in klinischen Studien unterrepräsentiert, was potenziell zu einer ungenauen Übertragung der Daten auf die klinische Anwendbarkeit bei Frauen führen könnte [26].