Anamnese

Ein 71-jähriger Mann kaukasischer Abstammung wurde wegen eines pulmonalen Rundherdes in unsere pulmologische Abteilung überwiesen. Es bestand eine leichte Atemnot bei geringer Belastung (NYHA II) mit Husten seit ca. 8 Wochen. Fieber, Gewichtsverlust sowie Nachtschweiß wurden negiert. Als Vorerkrankungen bestanden: rheumatoide Arthritis unter Methotrexat-Therapie, Diabetes mellitus Typ I mit Insulinpumpe, arterieller Hypertonie, KHK (koronare Herzkrankheit), Hyperlipidämie und Hypothyreoidismus. Sämtliche Vorerkrankungen waren zusammenfassend stabil und suffizient therapiert. Die körperliche Untersuchung ergab einen guten Körper- und Ernährungszustand ohne weitere Auffälligkeiten. Familienanamnestisch gab der Patient mehrere Fälle von Lungenkarzinomen an. Im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit als ehemaliger Gastwirt bestand eine langjährige Tabakrauchexposition bei zusätzlich kumulativ bestehenden 8 PY („pack year“).

Labor, Lungenfunktion und Bildgebung

Auffälligkeiten im Labor: Hämoglobin 11,1 g/dl, Leukozyten 9,0 G/l, Eosinophile 0,7 G/l, Natrium 129 mmol/l, Alanin-Aminotransferase 91 U/l, C-reaktives Protein 4,6 mg/dl. Die Ganzkörperplethysmographie ergab im Wesentlichen einen Normalbefund (TLC [gesamte Lungenkapazität]: 6,9 l [98 %], VC [Vitalkapazität]: 3,33 l [84 %], FEV1 [Einsekundenkapazität]: 2,5 l [84 %], FEV1/FVC [forcierte Vitalkapazität]: 74,7 %, DLCO [Diffusionskapazität von Kohlenmonoxid]: 73 %, KCO [„carbon monoxide transfer coefficient“]: 99 %). In der Computertomographie zeigte sich ein spikulierter Rundherd (23 × 20 mm) im rechten Unterlappen (Abb. 1a–c).

Abb. 1
figure 1

Computertomographie des Thorax ohne Kontrastmittel

Weiteres Procedere

Es wurden eine Bronchoskopie mit Bronchiallavage aus dem rechten Unterlappen sowie eine endobronchial ultraschallgesteuerte transbronchiale Nadelaspiration (EBUS-TBNA) von grenzwertig vergrößerten hilären Lymphknoten durchgeführt. Zudem erfolgte eine transbronchiale Biopsie der Raumforderung im Segment 6 rechts, die zuvor mittels radiärer Ultraschallsonde detektiert wurde. In den histologischen Proben der Lymphknoten sowie der transbronchialen Biopsie zeigten sich Lymphknoten- sowie mechanisch alterierte Bronchialwandanteile ohne eindeutigen Hinweis auf Malignität. Die mikrobiologische Untersuchung ergab kein Bakterien- sowie Pilzwachstum. In der Spülzytologie zeigten sich wenige Alveolarmakrophagen und diskret vermehrt neutrophile Granulozyten.

Bei Verdacht auf ein Lungenkarzinom wurde eine FDG-PET-CT (Fluordesoxyglucose-Positronenemissionstomographie-Computertomographie) durchgeführt, wobei sich der suspekte Herd weitgehend größenkonstant mit FDG-Anreicherung (SUV[„standardized uptake value“]max 3,2) ohne Hinweis auf regionale Lymphknoten- oder Fernmetastasierung zeigte. Des Weiteren zeigten sich Fett- und Kalkeinlagerungen in der Veränderung. In der angefertigten cMRT (kraniale Magnetresonanztomographie) konnte eine 4 mm kontrastmittelanreichernde Läsion, differenzialdiagnostisch mit einem Sekundärblastom oder einer vaskulären Läsion vereinbar, nachgewiesen werden.

Bei weiterhin hochgradigem Verdacht auf das Vorliegen eines Malignoms wurden die Befunde im interdisziplinären Tumorboard besprochen. Hier wurde bei funktioneller Operabilität (ECOG [Eastern Cooperative Oncology Group] 0) und maximal oligometastatischer Konstellation nach inkonklusiver bronchoskopischer Abklärung eine chirurgische Sicherung mittels videoassistierter Thorakoskopie (VATS) beschlossen. Es erfolgten eine Resektion des Segments 6 rechts mit der makroskopisch gut identifizierbaren Raumforderung sowie eine Exstirpation der Lymphknoten in diesem Abflussgebiet, die sich zahlenmäßig und größenmäßig vermehrt darstellten.

Letztlich ergab die histologische Untersuchung mehrkernige Riesenzellen vom Fremdkörpertyp mit Einschluss lipoiden Fremdmaterials passend zu einer chronisch exogenen Lipidpneumonie ohne Anhaltspunkt für Malignität (Abb. 2 und 3).

Abb. 2
figure 2

HE(Hämatoxylin-Eosin)-Färbung, interstitielle Lipidtropfen mit umgebenden Histiozyten vor Fibrosehintergrund, Vergr. 40:1

Abb. 3
figure 3

HE(Hämatoxylin-Eosin)-Färbung, Granulom aus vielkernigen Histiozyten mit unterschiedlicher Größe der Lipidvakuolen, Vergr. 20:1

Auf spezifische Nachfrage berichtete der Patient, wegen trockener Schleimhäute jahrelang vor dem Zubettgehen eine Nasensalbe mit weißem Vaseline und dickflüssigem Paraffin verwendet zu haben.

Wie lautet Ihre Diagnose?

Eine Lipidpneumonie wurde bereits präoperativ aufgrund des CT-morphologischen Bildes als Differenzialdiagnose diskutiert. Aufgrund der Risikoanamnese sowie des suspizierten zentralen Sekundärblastoms wurde jedoch eine chirurgische Intervention angestrebt, die die chronische Lipidpneumonie schlussendlich bestätigte.

Therapie

Absetzen der Nasensalbe. Eine weitere therapeutische Maßnahme war nicht notwendig. Die 4‑mm-Läsion in der cMRT wurde in einer Verlaufsuntersuchung als Gefäßkonvolut klassifiziert.

Definition

Die Lipidpneumonie stellt eine seltene Ursache der Lungenentzündung dar. Man unterscheidet zwischen der exogenen und endogenen Lipidpneumonie. Die exogene Lipidpneumonie kommt durch Aspiration oder Inhalation lipidhaltiger Produkte zustande, wobei die inflammatorische Reaktion zu einer Zerstörung der alveolären Wände und des Interstitiums sowie Fibrosierung führen kann. Als typische Auslöser, wie auch in unserem Fall, zählen lipidhaltige Nasalia oder Laxanzien, die im Zuge von Verstopfung oder trockenen Nasenschleimhäuten zur Anwendung kommen. Jedoch mehren sich mit dem steigenden Gebrauch von E‑Zigaretten auch die Fallberichte von E‑Zigaretten- oder Vaping-assoziierten Lipidpneumonien [1, 2]. Im Gegenzug hierzu resultiert die endogene Lipidpneumonie, auch als Cholesterinpneumonie bekannt, durch Ablagerung von endogenem Cholesterin, beispielsweise im Rahmen einer bronchialen Obstruktion, Lipidspeicherkrankheiten oder Hyperlipidämien.

Diagnose: Chronische Lipidpneumonie

Zu den typischen, jedoch unspezifischen, klinischen Manifestationen zählen Husten und Dyspnoe. Weniger häufig kommt es zu Fieber, Gewichtsverlust, Thoraxschmerzen oder Hämoptysen. Die genannten Symptome können akut oder chronisch verlaufend auftreten. Nicht selten präsentieren sich insbesondere Patientinnen oder Patienten mit prädisponierenden Faktoren für Aspiration (z. B. GERD [gastroösophageale Refluxkrankheit], neurologische Erkrankungen, Schluckbeschwerden) asymptomatisch und fallen initial nur durch eine abnorme Bildgebung auf.

Die hochauflösende Dünnschicht-Computertomographie stellt den Goldstandard in der radiologischen Diagnostik der Lipidpneumonie dar. Dabei zählen zu den häufigsten radiologischen Manifestationen Milchglasverschattungen, Konsolidierungen sowie „Crazy-Paving“-Muster (Milchglastrübungen mit Verdickung der interlobulären Septen) [3, 4]. Typischerweise sind die unteren Lungenlappen betroffen und zeigen oft eine bronchovaskuläre Verteilung [5]. Aufgrund der chronischen Inflammation sowie sekundären Fibrose kommen die Konsolidierungen zumeist irregulär oder spikulierend zur Darstellung, sodass eine genauere Abgrenzung zu Lungenkarzinomen, Pneumonien oder interstitiellen Lungenerkrankungen letztlich nicht möglich ist. Diagnostisch wegweisend kann die Darstellung von Fett innerhalb der Konsolidierung mittels Computertomographie sein, wobei auch hier differenzialdiagnostisch andere Ursachen wie Hamartome, Lipome oder Liposarkome möglich sind [6]. Hinzu kommt, dass in der PET-CT-Untersuchung ein positiver FDG-Uptake aufgrund der inflammatorischen Komponente einen malignen Prozess vortäuschen kann [7].

Aufgrund dieses unspezifischen klinischen sowie radiologischen Bildes der exogenen Lipidpneumonie ist eine histopathologische Sicherung in den meisten Fällen notwendig. Pathognomonisch sind dabei lipidbeladene Makrophagen, die mittels HE(Hämatoxylin-Eosin)- oder Sudanfärbung (z. B. Oil-Red-O-Färbung), aus der bronchoalveolären Lavage oder mittels Biopsie gesichert werden können [5]. Es gibt nur wenige Entitäten, die bei der Differenzialdiagnose der exogenen Lipoidpneumonie in Betracht gezogen werden müssen, da die histologischen Veränderungen eindeutig sind. Im Vergleich zur endogenen Lipidpneumonie unterscheidet sich die exogene Variante durch die große Größe der Lipidvakuolen innerhalb von Histiozyten, während bei der endogenen Form schaumiges, körnig erscheinendes Lipidmaterial zu erkennen ist.

Bei Diagnose einer exogenen Lipidpneumonie sollte der Gebrauch der vermutlich auslösenden Noxe unverzüglich beendet werden. Weitere evidenzbasierte Empfehlungen zur Therapie der exogenen Lipidpneumonie bestehen aktuell nicht und begrenzen sich auf Erfahrungsberichte. In einigen schwereren Fällen mit progredienter Lungenschädigung wurden systemische Kortikosteroide angewandt. Eine generelle Empfehlung wird jedoch aufgrund des zuletzt nicht klaren Nutzens kontrovers diskutiert und sollte nur in ausgewählten Fällen mit respiratorischer Insuffizienz erwogen werden. Es bestehen zudem einige ältere Fallberichte, bei denen eine therapeutische bronchoalveoläre Lavage bei Vorliegen großflächiger Veränderungen durchgeführt wurde.

Prognose und Therapie

Die Prognose ist von vielerlei Faktoren abhängig und kann je nach Ursache, Dauer der Exposition sowie Zeitpunkt der Diagnose sehr unterschiedlich ausfallen. Typischerweise kommt es jedoch nach strikter Karenz der verursachenden Noxe zu einer Besserung des klinischen Zustandes.

Fazit

Die exogene Lipidpneumonie stellt eine Rarität im klinischen Alltag dar und kann einem malignen Prozess ähneln. Falls keine Risikofaktoren bestehen, kann natürlich eine zuwartende Rolle nach Expositionskarenz eingenommen werden. Im Hinblick auf die zunehmende Anzahl an Fallberichten sollte die gezielte Nachfrage nach ölhaltigen Noxen als fester Bestandteil in die pulmologische Anamnese integriert sein.