Pneumologische Rehabilitation (PR) wird von der American Thoracic Society (ATS) und European Respiratory Society (ERS) definiert als „evidenzbasierte multidisziplinäre und umfassende Behandlung für Patienten mit chronischen Erkrankungen der Atmungsorgane, die Symptome aufweisen und in ihren Alltagstätigkeiten eingeschränkt sind“ [1]. Wichtig ist es, explizit darauf zu verweisen, dass Rehabilitation mehr einschließt als lediglich Training und niemals auf das Training alleine reduziert werden sollte. Module wie die Ernährung, Sauerstoffversorgung, Ergotherapie und Atemphysiotherapie etc. sind wichtige Module des umfassenden rehabilitativen Ansatzes, s. Abb. 1 im Beitrag „Übersicht zur pneumologischen Rehabilitation“ in dieser Ausgabe.

Abb. 1
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Von der Frührehabilitation zur Aktivitäts(steigerung/erhaltung)

Der sehr frühzeitige Beginn von Bewegung durch konsequentes Abstellen der Sedationsmedikamente und tägliches Training direkt auf der Intensivstation bringt deutlich mehr Patienten in den Zustand, den Alltag bewältigen zu können, als in der Kontrollgruppe, wo ein ärztlich initiierter Sedationsstopp täglich festgelegt wurde und entsprechend dann tägliches Training stattfand (59 % Trainingsgruppe vs. 35 % Kontrollgruppe; [2]). Die mechanische Beatmungszeit war ebenfalls in der Trainingsgruppe mit 3,4 Tagen geringer als in der Kontrollgruppe mit 6,1 Tagen. Es scheint also sinnvoll zu sein, frühzeitig im Krankenhaus mit Training zu beginnen.

Der frühe Beginn der Rehabilitation noch während oder zumindest sehr kurz nach akuter Erkrankung ist im § 39 SGB V verankert (s. Beitrag „Pneumologische Frührehabilitation“). Die Frührehabilitation ist definiert als eine frühzeitig einsetzende rehabilitationsmedizinische Behandlung unter Berücksichtigung der Rehabilitationsdefinition von Patientinnen und Patienten, die wegen eines akuten Gesundheitsproblems mit schwerer Beeinträchtigung der physischen und/oder psychischen Funktionalität im Krankenhaus behandlungsbedürftig sind [3].

Nicht selten findet eine rein somatische Betrachtung statt. Angst und Depression werden nicht immer zwangsläufig sensitiv abgefragt. Hier sollten auch wissenschaftlich begleitet unbedingt holistischere Rehabilitationsstrukturen ermöglicht werden, um Patienten umfassender behandeln zu können. Immerhin scheinen mehr als 50 % der Patienten mit COPD in einem relevanten Ausmaß an einer Angstsymptomatik zu leiden [4, 5].

Der pulmonal rehabilitative Standard in Deutschland ist die stationäre Rehabilitation (s. Beitrag „Übersicht zur pneumologischen Rehabilitation“). Die Notwendigkeit ist mittlerweile auch in Leitlinien wie der NVL COPD 2021 gut hinterlegt [6]. Daten aus der Realität sind eher ernüchternd, wenn in einer Umfrage lediglich 2 % der moderaten COPD-Patienten und 16 % der schwer bzw. sehr schwer erkrankten COPD’ler Rehabilitationsangebote erhalten [7]. Gerade der Patient mit schwerer Erkrankung und ggf. vorhandenen Komorbiditäten kann von einem stationären PR-Konzept profitieren. Wichtig erscheint hier die Festschreibung von qualitativen Standards, die sich an der Erkrankungsschwere der Patienten orientiert. Bislang ist im Besonderen der schwer erkrankte Patient nicht gut abgebildet, das gilt für die Vorhaltung medizinischer Standards, wie z. B. nichtinvasive Beatmung oder Bronchoskopie, genauso wie für finanzielle Strukturen, die beispielsweise auch einen entsprechenden Arzt- bzw. Pflegeschlüssel beinhalten sollten. Die neurologische Rehabilitationsstruktur kann hier als Blaupause dienen [8].

Die ambulante pulmonale Rehabilitation ist in Deutschland nur an einzelnen Standorten vorhanden (s. Beitrag „Ambulante pneumologische Rehabilitation“). Ein Ausbau ambulanter Versorgungsstrukturen ist sinnvoll, dringend notwendig und sollte sich an festzulegenden Qualitätsstandards orientieren.

Die personalisierte Diagnostik und Therapie ist essenzieller Part der Rehabilitationskonzepte

Die personalisierte Diagnostik und Therapie ist essenzieller Part der Rehabilitationskonzepte. Ein besonders wichtiger Fokus kommt dabei der Trainingstherapie zu (s. Beitrag „Trainingssteuerung“), die entsprechend individuell begonnen und weiterbegleitet werden sollte. Die positiven Effekte auf die körperliche Leistung, Atemnot, Lebensqualität und Prognose sind auf höchstem Evidenzniveau belegt.

Das große Ziel ist es, mit Training, ambulanter und stationärer (Früh‑)Reha mehr Aktivität der Patienten und damit eine höhere Teilhabe zu erreichen. Physikalische Aktivität ist definiert als Bewegung des Körpers produziert durch die Skelettmuskulatur, was mit Energieverbrauch vergesellschaftet ist und über die Energiebedürfnisse beim Sitzen hinausgeht. Die körperliche Aktivität (s. Beitrag „Körperliche Aktivität bei chronisch obstruktiver Lungenerkrankung – jeder Schritt zählt“) ist dabei ein sehr wichtiger klinischer Parameter, der mit Morbidität und Mortalität bei chronischen Lungenerkrankungen vergesellschaftet ist [9].

Möglicherweise können auch digitale Konzepte hier in Zukunft weitere wertvolle Unterstützung bringen. Zumindest gibt es Bestrebungen, in der digitalen Trainingsunterstützung mehr Nachhaltigkeit zu erzielen. So konnte eine App die stationären Trainingserfolge konservieren und die Lebensqualität, gemessen mit dem CAT, sogar verbessern [10].

Wir wollen mit diesem Themenheft den Bogen spannen von der Frührehabilitation zur Aktivität und Teilhabe. Wir konnten für die Artikel dieser Ausgabe ausgewiesene Experten und Expertinnen in den Feldern gewinnen und freuen uns, Ihnen einen ausgewogenen Überblick präsentieren zu können, der bekanntes Wissen zusammenfasst, auf aktuelle Herausforderungen eingeht und auch strukturelle Probleme ausweist.

Prof. Dr. med. Andreas Rembert Koczulla