Settings im DACH(Deutschland, Österreich, Schweiz)-Raum

Die pneumologische Rehabilitation (PR) wird, basierend auf dem biopsychosozialen Modell der WHO (International Classification of Functioning [ICF]), im deutschsprachigen Raum in ähnlichen Strukturen durchgeführt (Abb. 1). Die Ziele und Komponenten sind klar definiert. Ambulante PR besteht also genauso wie stationäre PR unter anderem aus den Komponenten Trainingstherapie, Schulungen, Atemphysiotherapie und wird in einem Team aus Ärzt:innen, Physiotherapeut:innen, Trainingstherapeut:innen, Sportwissenschafter:innen, Ergotherapie, Ernährungsberatung und Psychologie sowie Pflege und Sozialarbeit.

Abb. 1
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Komponenten der ambulanten pneumologischen Rehabilitation

Auch die Indikationen sind ident, einzig die Form (stationär/ambulant) sowie die Dauer sind unterschiedlich. In Deutschland wird die PR in der Regel stationär und selten ambulant für 3 Wochen durchgeführt, in Österreich gibt es neben der traditionellen stationären Reha (3 Wochen) seit 2019 eine flächendeckende Versorgung mit ambulanten Möglichkeiten in Ballungszentren. Diese dauert 6 Wochen, es kann an diese eine weitere Phase angeschlossen werden, die 6 bis 12 Monate dauert. Die ATS (American Thoracic Society)/ERS (European Respiratory Society) Guidelines [1] empfehlen eine Rehabilitationsdauer von mindestens 8 Wochen. Dahingehend wäre eine integrative Verschränkung der Rehabilitation, wie sie in der Schweiz seit Jahren vorbildlich funktioniert, zu forcieren. Stationäre und ambulante Einrichtungen sollten miteinander vernetzt sein, diese wiederum mit ambulanten Angeboten wie Atemphysiotherapie, Ergotherapie, Schulungsmöglichkeiten und Selbsthilfegruppen. Wir wissen, dass eine Fortführung im Sinne eines lebenslangen Prozesses das oberste Ziel sein sollte, Rehabilitation beginnt auf der Intensivstation und endet im palliativen Setting – das macht sie so effektiv und notwendig.

Evidenz der ambulanten pneumologischen Rehabilitation

Frühe Reha nach Exazerbation der chronisch obstruktiven Lungenerkrankung

Es dürfte Sinn machen, die PR so früh wie möglich nach Exazerbation zu initiieren. Im Jahr 2018 zeigte Camilla Koch Ryrso in einer Metaanalyse von 13 RCTs („randomized controlled trials“), dass eine frühe PR innerhalb von 4 Wochen zu einer nachhaltigen (12 Monate) Reduktion der Mortalität führt; 11 der 13 Studien waren in einem ambulanten Setting (8 Wochen bis 6 Monate) und 2 stationär (10 Tage bzw. 6 Wochen 2‑mal pro Woche). Diese Hypothese wurde nun in 2 Studien bekräftigt. Die erste 2020 [2] konnte zeigen, dass eine frühe PR (innerhalb von 90 Tagen nach Entlassung nach Exazerbation) bei einer Patientenzahl von 197.376 Personen, von denen 2721 einer frühen PR zugewiesen wurden, einen Mortalitätsbenefit bringt. Innerhalb des ersten Jahres starben 19,4 % der Patient:innen. Das Risiko zu versterben war bei Initiierung innerhalb von 90 Tagen signifikant geringer (Hazard Ratio 0,63; p < 0,01).

Bei jeder Exazerbation sollte eine zeitnahe PR angestrebt werden

Die zweite Studie 2021 [3] zeigte in der gleichen Kohorte eine Reduktion der Wiederaufnahme im Spital (Hazard Ratio 0,83). Die mittlere kumulative Zahl an Hospitalisierungen im 1 Jahr betrug 0,95 für die Gruppe, die die Rehabilitation innerhalb von 90 Tagen initiierte, und 1,15 für diejenigen, die dies nicht taten (p < 0,001). Der Großteil dieser Rehabilitationen war ambulant, wie im angloamerikanischen Raum üblich.

Das Fazit ist zweierlei – einerseits sollte bei jeder Exazerbation eine zeitnahe PR angestrebt werden, da sie in Bezug auf Rehospitalisation und Mortalität bei einer Kohorte von fast 200.000 Menschen einen Benefit gezeigt hat. Andererseits waren es nur 1,5 % der Patient:innen, die einer PR zugeführt wurden, was wohl mit den Erfahrungen in Europa übereinstimmt. Es fehlen automatisierte Prozesse zwischen Krankenhaus und Versicherungsanstalt sowie Strukturen, um diese hohe Zahl an Patient:innen zu rehabilitieren.

Telerehabilitation

Eine Möglichkeit, dieses Problem zu lösen, wäre die Anwendung von telemedizinischen Reha-Konzepten. Cox et al. legten in einem Cochrane Review [4] die Evidenz dar. Viele Studien, die mit verschiedenen Tools für Telerehabilitation durchgeführt wurden (Video-Conferencing, Telefon, Webseiten mit Telefonunterstützung, mobile Applikationen mit Rückkopplung und andere), kommen zum Schluss, dass Telerehabilitation sicher ist und in Bezug auf viele Endpunkte ähnliche Ergebnisse liefert wie eine Rehabilitation in einem Zentrum. Dennoch ist die Datenlage noch nicht konsistent genug, um eine Empfehlung in den GOLD Guidelines 2022 auszusprechen, da es hier an Standardisierung wie im stationären oder ambulanten Bereich fehle. Häufig sind bei genauerer Betrachtung Telerehabilitationsstudien de facto lediglich Trainingsstudien, beinhalten also lediglich die medizinische Trainingstherapie. Das umfassende Konzept der Rehabilitation findet somit keine Umsetzung. Das sollte hinsichtlich einer Definition von Standards für Telerehabilitation unbedingt erfolgen, so wie dies in der stationären oder ambulanten PR üblich ist.

Bronchiektasenerkrankung

Ein Cochrane Review von Lee [5] inkludierte 6 Studien mit 275 Patient:innen mit Bronchiektasenerkrankung, die in einem ambulanten Setting 6–8 Wochen einer PR unterzogen wurden. Hier kam es zu einer Verbesserung der Leistungsfähigkeit im Incremental-shuttle-walk-Test mit einem Unterschied von 87 m (95 %-Konfidenzintervall [KI] 43–132 m) und im 6‑min-Gehtest (6MWT) von 42 m (95 %-KI 22–62 m) in der PR-Gruppe vs. „usual care“. Alle Leistungsverbesserungen waren oberhalb der MCID („minimal clinically important differences“) gelegen und somit als klinisch relevant zu bewerten. Auch die Lebensqualität in Form des „St George’s Respiratory Questionnaire (SGRQ) total score“ (−9,62 Punkte, 95 %-KI −15,67 bis −3,56 Punkte) konnte relevant verbessert werden. Darüber hinaus gab es Evidenz zur Verbesserung der Dyspnoe und der Fatigue. Diese fehlt in Bezug auf Hustenfrequenz sowie Angst und Depression.

Interstitielle Lungenerkrankungen

Fast zeitgleich publizierte Leona Dowman einen Cochrane Review zu PR bei interstitiellen Lungenerkrankungen [6]. Hier wurden fast nur ambulante Studien (16 Studien mit > 670 Patient:innen) inkludiert, die PR-Programme von 8 bis 12 Wochen beinhalteten. Der 6MWD konnte um +40,07 m, 95 %-KI 32,70–47,44, die VO2max um 1,28 ml/kg/min, 95 %-KI 0,51–2,05 gesteigert werden. Auch patientenbezogene Parameter wie der SGRQ oder der CRQ (Chronic Respiratory Questionnaire) sowie die Dyspnoe konnten verbessert werden. Alle Studien waren sicher, es gab keine dokumentierten negativen Effekte. Es fehlen noch große RCTs zu Langzeiteffekten und Mortalitätsbenefit.

Pulmonale Hypertonie

Yan et al. [7] analysierten in einem systematischen Review die Effekte von PR auf Patient:innen mit pulmonaler Hypertonie (PAH [pulmonal-arterielle Hypertonie] und CTEPH [chronisch thromboembolische pulmonale Hypertonie]). In 7 Studien, die inkludiert wurden, kamen sie zum Schluss, dass stationäre und ambulante PR bei diesem speziellen Patientenkollektiv sicher ist. Die Effekte im stationären Setting waren vermutlich höher, dennoch kam es auch im ambulanten Setting zu klinisch relevanten Verbesserungen in Bezug auf die Leistungsfähigkeit. Dies gilt v. a. für Patienten in der NYHA(New York Heart Association)-Klasse II und III, die Effekte bei NYHA IV sind noch nicht so klar. Ebenso unklar sei die Datenlage in Bezug auf die Lebensqualität.

Kosteneffektivität

Liu et al. publizierten einen systematischen Review zur Kosteneffektivität von PR bei chronisch obstruktiver Lungenerkrankung (COPD) in verschiedenen Settings [8]. Es wurden bis 23.11.2019 alle Publikationen durchforstet, die eine Kosteneffektivität untersuchten, 10 Studien entsprachen den Qualitätskriterien. Davon untersuchten 5 Studien PR (ambulant und stationär) mit „usual care“. Zwei Studien verglichen ambulante PR mit stationärer PR oder „usual care“, in den anderen Studien war die PR selbstständig zu Hause durchgeführt worden. Im Vergleich zu der Kohorte mit „usual care“ waren sowohl die ambulante wie auch die stationäre PR kosteneffektiv. Ein Kriterium waren die QoL („quality of life“) in Form des Chronic Respiratory Questionnaire (CRQ) und die QALY („quality adjusted life years“), andere die ICER („incremental cost-effectiveness ratio“). In Bezug auf ICER war die ambulante PR „moderat kosteneffektiv mit einer Ratio von 32.425 €/QALY“ verglichen mit „usual care“.

Post/Long-COVID-Rehabilitation

Erste Publikationen zum Thema Rehabilitation bei Long-COVID konnten die Machbarkeit, Sicherheit und Effektivität nach einem schweren Verlauf zeigen [4]. Nach einer 3‑wöchigen stationären Rehabilitation verbesserten sich sowohl körperliche Leistungsfähigkeit klinisch relevant (6-min-Gehtest: mittelschwer Betroffene +48 m, schwer Betroffene +124 m) wie auch die psychosomatischen Parameter Angst, Traumatisierung und Depression.

Dieselben Erfahrungen haben wir in 6 Wochen ambulanter Rehabilitation gemacht. Es kommt zu einer klinisch relevanten Verbesserung des 6‑min-Gehtests: +62,9 m, die mit einer „number needed to treat“ (NNT) von 1,4 einhergehen. Die Mehrzahl der Patient:innen verbesserte sich mehr als die „minimal clinical important difference“ (MCID) von 30,5 m, nur sehr wenige hatten keinen Benefit. Des Weiteren kam es zu einer Reduktion der Fatigue – NNT 1,9, zu einer Verbesserung der Dyspnoe – NNT 1,8 [9]. Weitere Studien zeigten eine Verbesserung der restriktiven Lungenfunktionsveränderungen, der Diffusionsstörung und der Atemmuskelkraft, auch das konnten wir im ambulanten Setting bestätigen.

Klinische Erfahrungen aus der ambulanten Reha bei Post/Long-COVID

Wir haben Patient:innen mit Long-COVID anhand des Schweregrades des initialen Verlaufs in Hospitalisierte und nicht Hospitalisierte eingeteilt. Das Erstaunliche ist, dass auch viele Patient:innen mit vermeintlich „milden“ Verläufen nach 4,4 Monaten dieselben Beschwerden haben wie diejenigen, die hospitalisiert oder gar auf der Intensivstation waren. In unserem Kollektiv hatten unabhängig vom Schweregrad der Infektion fast 70 % Dyspnoe, 63 % Fatigue und fast 40 % neurokognitive Defizite.

Autonome Dysfunktion

Diese Beschwerden sind häufig auf eine autonome Dysfunktion zurückzuführen. Diese lässt sich einfach mit einem Schellong-Test diagnostizieren, der beim Wechsel vom Liegen zum Aufstehen eine überschießende hypersympathikotone Dysfunktion mit überproportionalem Anstieg der Herzfrequenz, des diastolischen und systolischen Blutdrucks zeigt. Wir schicken diese Patient:innen dann weiter zur neurologischen Abklärung inklusive Kipptischuntersuchung. Als Therapie konnten in prospektiv randomisierten Studien einfache Maßnahmen wie Kompressionsstrumpfhose Klasse II, 10 g NaCl (Natriumchlorid)/Tag und 3–4 l Flüssigkeit/Tag Erfolge zeigen. Eine rezente Publikation [10] fasst die Symptome (blau), Tests (grün) und Therapiemöglichkeiten (rot) sehr gut zusammen (Abb. 2). Die Domänen der Rehabilitation sind hier die erstmalige Diagnostik der autonomen Dysfunktion, die Therapie mit Pacing und Training sowie nichtmedikamentöse Interventionen wie oben beschrieben. Nach fachärztlicher Begutachtung durch Neurologen kann diese um medikamentöse Therapien (rot) erweitert werden. Hierzu gibt es des Weiteren verschiedenste neue Konzepte, von der Behandlung der endothelialen Dysfunktion, Durchblutungsstörungen, Thrombozytenaktivierung, Mastzellaktivierung bis hin zu autoimmunologischen Tests (gelb), die spezialisierten Zentren überlassen bleiben.

Abb. 2
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Diagnostik und Therapie der autonomen Dysfunktion bei Long-COVID [10]. HF Herzfrequenz, ABPM „ambulatory blood pressure monitoring“, CVAD kardiovaskuläre Dysfunktion, AK Antikörper

Das Kollektiv der „milden Verläufe“ war in unserem Kollektiv durchweg jünger (im Schnitt 43 Jahre) und zu 60 % weiblich. Das bestätigt die Autoimmunhypothese, da bei Frauen auch Autoimmunerkrankungen gehäuft vorkommen. Das Kollektiv der „schweren Verläufe“ war im Schnitt 10 Jahre älter und zu 85 % männlich. Dies deckt sich mit anderen Erfahrungen im klinischen Alltag, dass Kolleg:innen berichten, sie könnten klinisch Patient:innen mit Long-COVID so schwer einschätzen.

Ab dem Grad 2 ist laut S1-Leitlinien zu Long-COVID eine Reha indiziert

Die funktionelle Einschränkung ist, wie in den S1-Leitlinien zu Long-COVID [11] empfohlen, initial messbar (Abb. 3). Ab dem Grad 2 ist laut Leitlinien eine Reha indiziert, hier kam es zu einer deutlichen Verbesserung der Post Covid Functional Scale – NNT 1,2 bei der Mehrzahl der Patient:innen.

Abb. 3
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Grad der funktionellen Einschränkung bei Long-COVID [11]

Zusammenfassend bietet die Rehabilitation die Möglichkeit einer effektiven Therapie von schweren oder kritischen Verläufen, zusätzlich aber konnten wir vielen Menschen mit milden oder moderaten Verläufen diagnostisch und therapeutisch bei autonomer Dysfunktion helfen. Rehabilitation führt zu einer Verbesserung von Leistungsparametern und zu einer funktionellen Verbesserung der Patient:innen mit Post/Long-COVID. Prospektive große RCTs sind noch ausständig, um die vorhandene Evidenz aus kleineren Studien zu bestätigen.

Fazit für die Praxis

  • Es besteht eine Gleichwertigkeit in Bezug auf die Evidenz der pneumologischen Rehabilitation (PR), unabhängig davon, ob sie im ambulanten oder stationären Setting erfolgt. Die Erweiterung von stationären um ambulante Strukturen verbessert die Patientenversorgung und hat damit einen Impact auf Wiederaufnahme von Patient:innen mit chronisch obstruktiver Lungenerkrankung (COPD) ins Krankenhaus und deren Mortalität.

  • Darüber hinaus mehrt sich die Evidenz zu den Effekten der ambulanten Rehabilitation bei anderen pneumologischen Erkrankungen wie Bronchiektasenerkrankungen, interstitiellen Lungenerkrankungen und pulmonaler Hypertonie.

  • Neue Formen der Telerehabilitation sind vielversprechend, speziell in strukturell schwachen Gebieten.

  • Rehabilitation ist im ambulanten und stationären Setting kosteneffektiv.

  • Eine PR nach durchgemachter COVID-19-Infektion kann unabhängig vom Schweregrad der Erkrankung einen wichtigen Beitrag zur Verbesserung der Leistungsfähigkeit und patientenbezogener Parameter leisten.