Die Frührehabilitation ist eine akutstationäre Behandlung noch während oder kurz nach akuter Erkrankung und ist in § 39 im Sozialgesetzbuch (SGB) V verankert. Sie stellt eine frühzeitig einsetzende rehabilitationsmedizinische Behandlung von PatientInnen dar, die aufgrund eines akuten Gesundheitsproblems mit schwerwiegenden Beeinträchtigungen der Funktionalität stationär behandlungspflichtig sind. Die Frührehabilitation verfolgt das Ziel, die Beeinträchtigungen der Körperfunktionen zu reduzieren bzw. zu minimieren, die Alltagsfähigkeiten zu verbessern, um letztlich die Teilhabe der PatientInnen zu erreichen. Die Behandlung in der Frührehabilitation stellt den ersten und sehr wichtigen Schritt der rehabilitativen Behandlungskette dar. Laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO) ist die Frührehabilitation essenzieller Bestandteil der rehabilitativen Versorgungskette, die das Ziel verfolgt, mögliche Behinderungen nach einer akuten und schweren Erkrankung zu verringern oder zu vermeiden [1].

Aktuell existieren laut dem Deutschen Institut für medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) 4 unterschiedliche frührehabilitative Komplexbehandlungen, die durch verschiedene Strukturanforderungen und die entsprechenden OPS(Operationen- und Prozedurenschlüssel)-Codes unterschieden werden. Bereits seit den 1990er-Jahren existiert die neurologisch-neurochirurgische Frührehabilitation. Im Einzelnen werden die geriatrische frührehabilitative Komplexbehandlung (OPS 8‑550), die neurologische-neurochirurgische Frührehabilitation (OPS 8‑552), die frührehabilitative Komplexbehandlung von PatientInnen mit Kopf-Hals-Tumoren (OPS 8‑553) sowie die fachübergreifende und andere Frührehabilitation (OPS 8‑559), zu der auch die pneumologische Frührehabilitation gezählt wird, unterschieden.

Werden die entsprechenden Voraussetzungen für eine frührehabilitative Behandlung erfüllt, werden die Leistungen entweder über die jeweiligen OPS-getriggerten Entgelte oder über krankenhausindividuell verhandelte Tagessätze vergütet. Die Behandlung und die damit verbundene Vergütung darf nur so lange abgerechnet werden, wie diese erforderlich ist [2]. Damit grenzt sich die frührehabilitative Behandlung von einer Rehabilitation in einer Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtung ab.

Die pneumologische Frührehabilitation versorgt PatientInnen, die nach schwerer akuter Erkrankung der Atmungsorgane in der Regel auf einer Intensiv‑/Weaningstation längere Zeit invasiv beatmet wurden. Im Gegensatz zu der neurologischen Frührehabilitation erfolgt die pneumologische Frührehabilitation im Allgemeinen erst nach erfolgreichem Weaning [3]. Die Beatmungsentwöhnung ist bei neurologischen PatientInnen hingegen Teil der frührehabilitativen Behandlung. Erfolgt das Weaning idealerweise auf einer zertifizierten Weaningstation, sind supportive Therapien bereits Bestandteil der Weaningkomplexbehandlung. So ist anschließend gewährleistet, den PatientInnen einen reibungslosen Übergang in die pneumologische Frührehabilitation zu ermöglichen.

Behandlung in der pneumologischen Frührehabilitation

Die pneumologische Frührehabilitation optimiert den gesamten Behandlungsverlauf von schwerkranken PatientInnen von der Intensiv‑/Weaningstation über die Frührehabilitation bis zur außerklinischen Weiterversorgung und schließt damit eine Lücke in dem Behandlungsverlauf. Das Ziel bei chronischen Erkrankungen, wie z. B. der COPD („chronic obstructive pulmonary disease“) mit chronisch ventilatorischer Insuffizienz, die Frequenz der stationären Behandlungen zu reduzieren und somit den Drehtüreffekt zu verringern, kann mit dieser zusätzlichen Form der Behandlung meistens erfolgreich umgesetzt werden. (Abb. 1).

Abb. 1
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Optimierung der Behandlungskette. ITS Intensivstation

Im Rahmen der pneumologischen Frührehabilitation werden PatientInnen versorgt, die nach schwerer akuter Erkrankung der Atmungsorgane im Allgemeinen auf einer Intensiv‑/Weaningstation über einen längeren Zeitraum invasiv beatmet wurden. Während dieser meist mehrere Wochen oder sogar Monate dauernden Behandlung verlieren diese PatientInnen einen hohen Anteil an Funktionalität und Selbstständigkeit bei oft gleichzeitig bestehender persistierender respiratorischer Insuffizienz mit begleitender Dyspnoe. Durch die Intensivbehandlung kommt es u. a. zum Muskelabbau bis hin zur Muskelatrophie, neurogenen Schäden durch Immobilisation im Sinne einer Critical-Illness-Polyneuropathie, Sensibilitätsverlusten, Schluckstörungen aufgrund einer erforderlichen Trachealkanüle und oraler Nahrungskarenz oder zu vorübergehender Harn- und Stuhlinkontinenz. Dieser partielle oder totale Selbstständigkeits- und Funktionsverlust der Körperfähigkeiten bildet nach erfolgreichem Weaning die Voraussetzung zur Aufnahme in die Frührehabilitation, quantifiziert wird dies z. B. am Barthel-Index. Die Verlegung in die pneumologische Frührehabilitation ist eine Akutverlegung, d. h. sie muss nicht über den Kostenträger beantragt werden. Die Behandlungsdauer ist im Gegensatz zu einer rehabilitativen Maßnahme, z. B. eine Anschlussheilbehandlung (AHB), nicht vorher festgelegt, sondern richtet sich nach den Fortschritten der PatientInnen bzw. nach deren Selbstständigkeit. Solange kontinuierlich Fortschritte durch die Behandlung erzielt und nachgewiesen werden können und eine AHB-Fähigkeit (ca. 70 Barthel-Punkte) noch nicht erreicht wurde, kann die pneumologische Frührehabilitation fortgeführt werden. Im Gegensatz hierzu sieht eine neurologische Frührehabilitation gemäß dem Phasenmodell der neurologischen Rehabilitation eine Verlegung in die nächsthöhere Phase C bereits ab einem Barthel-Index von 30 Punkten zwingend vor.

Die Verlegung in die pneumologische Frührehabilitation ist eine Akutverlegung

Die Gründe für die intensivmedizinische Behandlung der PatientInnen sind vielschichtig. Viele von ihnen wurden aufgrund von septischem Lungenversagen, exazerbierter COPD, Asthma bronchiale, thoraxchirurgischen Operationen (Empyem, Tumor), Langzeitbeatmung nach anderen Operationen oder sogar ARDS („acute respiratory distress syndrome“) mit erforderlicher ECMO(extrakorporale Membranoxygenierung)-Therapie z. B. aufgrund einer COVID-19-Pneumonie auf der Intensivstation behandelt.

Eine frührehabilitative pneumologische Behandlung zeichnet sich neben der akutstationären Behandlung zusätzlich durch frührehabilitative Aspekte, wie z. B. individualisierte Therapien mithilfe von verschiedenen Bereichen, aus. Sie bietet ein interdisziplinäres, multimodales Behandlungskonzept mit intensiver Zusammenarbeit aller beteiligten Berufsgruppen von ÄrztInnen, Pflegekräften, TherapeutInnen und dem Sozialdienst. Bei Aufnahme und Entlassung erfolgen verschiedene Assessments, wie z. B. Barthel-Index, 6‑min-Gehtest, Handkraftmessung, um einen Prä-Post-Vergleich zu dokumentieren und so den Behandlungserfolg sichern zu können. Die Strukturvoraussetzungen für eine pneumologische Frührehabilitation sind mehrschichtig. Die ärztliche Behandlungsleitung und Koordination obliegen RehabilitationsmedizinerInnen oder PneumologInnen mit mindestens 5‑jähriger Expertise in der Rehabilitationsmedizin. Da es sich um eine akutmedizinische Behandlung von schwerkranken PatientInnen handelt, erfolgen täglich fachärztliche Visiten mit der Möglichkeit, jede pneumologische nichtinvasive und invasive Diagnostik und Therapie durchführen zu können.

Eine weitere Strukturvoraussetzung der pneumologischen Frührehabilitation stellt die aktivierende Pflege dar, d. h. sämtliche Pflegekräfte sind speziell darauf geschult, die Ressourcen der PatientInnen gezielt zu fördern und abzufordern. Während der täglichen Pflegemaßnahmen erlernen bzw. weiten die PatientInnen die Dinge des alltäglichen Lebens (ADLs), wie z. B. Waschen, Zähneputzen, Anziehen, wieder aus, um so die eigene Selbstständigkeit wieder schneller erreichen zu können. Die Pflegekräfte motivieren und aktivieren die PatientInnen dadurch zusätzlich und sind daher wichtiger Bestandteil des frührehabilitativen Genesungsprozesses.

Die PatientInnen erhalten aufgrund der vom Deutschen Institut für medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) beschriebenen Strukturvorgaben wöchentlich durchschnittlich mindestens 15 Therapieeinheiten aus mindestens 3 unterschiedlichen Therapiebereichen. Diese sind Physiotherapie, Ergotherapie, Logopädie, physikalische Therapie, Kunst- und Musiktherapie sowie Psychologie. Sämtliche Therapien werden in der Regel als Einzeltherapien, ggf. auch mit 2 TherapeutInnen durchgeführt, um die Therapie jeweils auf die Bedürfnisse und Möglichkeiten der PatientInnen abstimmen zu können.

Zusätzlich erfolgt eine Behandlung durch die speziell geschulten AtmungstherapeutInnen, welche die nichtinvasive Beatmung, die Sauerstofftherapie, ggf. auch High-flow-Therapie und die inhalative Therapie betreuen. Die betroffenen PatientInnen erhalten intensive Schulungen zu den erforderlichen inhalativen Therapien mit den unterschiedlichen Devices, Etablierung, Überprüfung bzw. Optimierung von nichtinvasiver Beatmungstherapie inklusive Maskentraining und Handling des Beatmungsgerätes. Die Sauerstofftherapie wird überprüft und ggf. nach ärztlicher Rücksprache verordnet.

Die PatientInnen erhalten intensive Schulungen zu den erforderlichen inhalativen Therapien

Die Physiotherapie hat das Ziel, die Mobilisation auszuweiten, und erfolgt in der Regel mehrfach täglich. Je nach Mobilisationsgrad werden passive oder aktive Therapien auf Bettebene durchgeführt, z. B. mit dem Bettfahrrad, Mobilisierung an die Bettkante, in den Stand mit Unterstützung oder mit einer Aufstehhilfe, Gang am hohen Gehwagen, Gang am Rollator auf Zimmer‑, Stations- oder Hausebene, freier Gang sowie Treppentraining. Zusätzlich erfolgen eine Atemtherapie sowie das Erlernen von Atemtechniken bei Dyspnoeanfällen.

Die Ergotherapie bietet differenzierte Möglichkeiten, bei PatientInnen mit neurologischen Beschwerden Therapien zur Wahrnehmungsförderung durchzuführen oder Kompensationsstrategien bei Lähmungen zu erlernen. Ziel ist auch hier, die Selbstständigkeit und die Mobilisationsfähigkeit zu verbessern.

Viele PatientInnen entwickeln im Laufe der Intensivbehandlung Schluckstörungen, orale und pharyngeale Sensibilitätsstörungen oder Sprech- und Stimmstörungen. In diesen Fällen kommt eine logopädische Therapie zum Einsatz mit dem Ziel, die entsprechenden Funktionen wiederherzustellen. Für eine differenzierte Diagnostik und angepasste Therapie erfolgt bei Bedarf auch eine videoendoskopische Schluckuntersuchung (FEES) in enger Zusammenarbeit von Arzt und Logopädie im Rahmen der Frührehabilitation.

Eine weitere Therapiedisziplin stellt die physikalische Therapie mit Wärme- und Kälteanwendungen sowie Elektrotherapie zur Schmerzbehandlung oder zur Förderung der Regeneration von neuromuskulären Funktionsstörungen dar.

Wichtiger Baustein der Frührehabilitation ist die interdisziplinäre Zusammenarbeit

Die PatientInnen, welche in der pneumologischen Frührehabilitation behandelt werden, haben zuvor bereits einen langen und schweren Krankheitsverlauf hinter sich. Daher kommt es bei vielen von ihnen zu Ängsten und psychischer Belastung, die oft psychologische Mitbetreuung erfordert. Unterstützend nehmen viele PatientInnen eine Kunst- oder Musiktherapie in Anspruch, um ihre Aufmerksamkeit auf andere Themen zu lenken und so die Gedanken von der eigenen Erkrankung abzuleiten.

Einer der wichtigsten Bausteine der Frührehabilitation ist die interdisziplinäre Zusammenarbeit aller Beteiligten. Die PatientInnen und deren Bedürfnisse werden in den Mittelpunkt der Behandlung gestellt, und die verschiedenen Berufsgruppen stimmen sich kontinuierlich untereinander ab. Täglich finden Frühbesprechungen statt, in denen kurz neue Entwicklungen oder Probleme der PatientInnen dargestellt werden und kurzfristig interdisziplinäre Maßnahmen oder Lösungen diskutiert und beschlossen werden. Einmal wöchentlich erfolgt eine ausführliche Teambesprechung, in der die Veränderungen und Erfolge oder Misserfolge der vorausgegangenen Woche diskutiert, mittel- und langfristige Ziele gemeinsam beschlossen und die erforderlichen Maßnahmen eingeleitet werden. An diesen Besprechungen ist auch der Sozialdienst beteiligt, um erforderliche sozialmedizinische Aspekte, wie z. B. Beantragung eines Pflegegrades, einzuleiten, die Hilfsmittelversorgung zu gewährleisten und entsprechende weiterführende Behandlungen, wie z. B. eine AHB, zu organisieren.

PatientInnen, die eine pneumologische Frührehabilitation durchlaufen, erfahren eine deutliche Verbesserung ihres funktionellen Status und können am Ende mehrheitlich in die Häuslichkeit entlassen werden [3].

Fazit für die Praxis

  • Durch eine pneumologische Frührehabilitation nach einer akuten schweren Erkrankung mit der Notwendigkeit einer invasiven Beatmung und Behandlung auf einer Intensivstation ist es für die meisten PatientInnen möglich, durch eine frühzeitige intensive, interdisziplinäre, multimodale und individualisierte Behandlung die Kraft, die Ausdauer, die Mobilität zu verbessern und somit ein höheres Maß an Selbstständigkeit wiederzuerlangen.

  • Der selbstständige Umgang mit erforderlichen inhalativen Therapien, einer Sauerstofftherapie oder sogar einer nichtinvasiven Beatmungstherapie wird zusätzlich intensiv erlernt.

  • Bei chronischen Erkrankungen kann durch die pneumologische Frührehabilitation die Frequenz der erforderlichen stationären Krankenhausbehandlungen reduziert werden.