Die Pneumonie wird in der Regel durch eine akute Infektion der unteren Atemwege hervorgerufen. Sie führt weltweit jährlich zum Tod von etwa 3 Mio. Menschen und verursacht eine hohe Zahl von Krankenhauseinweisung und Antibiotikabehandlungen [1]. In den letzten Jahren wurde offensichtlich, dass auch die Langzeitmortalität durch Lungenentzündungen erhöht wird, unter anderem aufgrund vermehrter kardiovaskulärer Ereignisse [2]. Die häufigsten Erreger der Pneumonie sind Bakterien wie Streptococcus pneumoniae und Haemophilus influenzae, aber auch intrazelluläre Mikroben wie Legionella pneumophila. Die jährlichen Influenzaepidemien verursachen ebenfalls eine hohe Morbidität und Mortalität. Coronaviren haben bisher 3 große Ausbruchgeschehen hervorgerufen: die SARS-CoV-1-Pandemie 2002, den MERS-Ausbruch 2013 und die aktuelle SARS-CoV-2-Pandemie mit bisher über 102 Mio. Erkrankten und über 2,2 Mio. Toten weltweit [3].

Zur Einschätzung der Prognose und zur Wahl der kalkulierten Therapie werden v. a. der Ort und die Umstände der Infektion (ambulant-erworben, nosokomial, beatmungsassoziiert) und klinische Eigenschaften der Patienten (Alter, Vorerkrankungen, Medikation) herangezogen. Andererseits gibt es schon lange die Beobachtung, dass zwar viele Menschen einem Infektionsrisiko ausgesetzt sind, jedoch nur wenige erkranken [4]. Vor der Identifikation von Mycobacterium tuberculosis wurde die Tuberkulose teilweise als erbliche Erkrankung angesehen, da sie häufig in Familien auftrat. Aktuelle Studien bestätigen zunehmend, dass die individuelle Suszeptibilität für Infektionskrankheiten im Allgemeinen und die Pneumonie im Besonderen in der Tat auch eine genetische Grundlage hat. In einer dänischen Kohortenstudie wurden 960 Familien mit nicht verwandten Adoptivkindern in Bezug auf vorzeitige Todesfälle beobachtet [5]. Wenn die biologischen Eltern der Kinder vorzeitig an einer Infektionskrankheit verstarben, erhöhte sich das relative Risiko der Kinder, ebenfalls an einer Infektionskrankheit zu versterben, auf das 5,8-Fache, während ein vorzeitiger Tod durch Infektionskrankheiten der Adoptiveltern keinen Einfluss hatte. Diese Erhöhung des relativen Risikos war höher als etwa für kardiovaskuläre Erkrankungen oder Krebs. Das vermehrte Auftreten schwerer bakterieller Infektionen erfordert also immer auch die Betrachtung einer möglichen genetischen Ursache.

Primäre monogenetische Immundefekte

Grundlage einer erhöhten Infektanfälligkeit können primäre monogenetische Immundefekte sein, von denen bereits über 300 beschrieben wurden. Sie sind in der Regel selten, zeigen aber einen starken Phänotyp, häufig in Bezug auf ein oder wenige Pathogene [6].

Ein typischer monogenetischer Immundefekt ist die 1952 beschriebene Bruton-Agammaglobulinämie. Diese X‑chromosomal-rezessive Erkrankung geht mit multiplen invasiven Pneumokokkeninfektionen und anderen pyogenen bakteriellen Infekten einher. Durch die aktuellen Sequenzierungen des Exoms oder des gesamten Genoms werden immer weitere Einzelnukleotidmutationen (SNPs) in Immungenen identifiziert [7]. Jedoch zeigen gerade die Mechanismen der angeborenen Immunität eine hohe Redundanz, sodass der beobachtete Phänotyp als Konsequenz solcher SNPs häufig gering ist.

In genetischen Untersuchungen einer Gruppe von Kindern mit wiederkehrenden invasiven Pneumokokkeninfektionen wurde die zentrale Rolle eines Signalwegs der angeborenen Immunität für die Infektion mit bekapselten Bakterien aufgezeigt [4]: Diese Bakterien werden über membranständige Rezeptoren, sog. Toll-like-Rezeptoren (TLRs), erkannt, die über mehrere Signalmoleküle zur Aktivierung des Transkriptionsfaktors NF-κB führen, der eine Vielzahl proinflammatorischer Mediatoren und Effektoren reguliert. Autosomal-rezessiv vererbte Mutationen in den Signalmolekülen MYD88 und IRAK4 führen zu schweren, invasiven Infektionen mit pyogenen bekapselten Bakterien bei Kindern. Die Abwehr gegen andere Bakterien, Mykobakterien, Viren und Pilze ist kaum gestört. Mutationen in den Genen IKBKG und NFKBIA beeinträchtigen jedoch auch die Immunabwehr gegen atypische Mykobakterien, Viren und Pilze. Die Infektionshäufigkeit nimmt mit dem Alter ab. Am Beispiel vermehrter Staphylococcus-aureus-Infektionen durch eine TIRAP-Mutation konnte dies auf das Auftreten schützender Antikörper zurückgeführt werden. Das heterozygote Auftreten solcher Mutationen kann aber durch eine Dämpfung der Immunabwehr auch zu einem protektiven Effekt gegen die Entwicklung einer Sepsis führen. In Kandidatengenstudien wurden auch für Legionella pneumophila, dem häufigsten intrazellulären Erreger der Pneumonie, Hinweise auf eine erhöhte Suszeptibilität durch SNPs in Signalwegen der Pathogenerkennung (TLR5, TLR6, STING, TOLLIP) identifiziert [8,9,10,11].

Schwer verlaufende Influenzapneumonien wurden mit autosomal-rezessiv vererbten SNPs in Verbindung gebracht [7]. In diesen Fällen wurde v. a. die Produktion oder Wirkung von Typ-I- oder Typ-III-Interferonen durch einzelne Basenaustausche in den Genen IRF7, IRF9 und TLR3 beeinträchtigt.

Schwer verlaufende Influenzapneumonien wurden mit autosomal-rezessiv vererbten SNPs in Verbindung gebracht

Ein weiterer monogenetischer Immundefekt ist die mendelsche Anfälligkeit für Erkrankungen durch Mykobakterien (MSMD) [4]. Initial wurde eine seltene mendelsche Vererbung einer erhöhten Empfindlichkeit gegenüber atypischen Mykobakteriosen und Salmonelleninfektionen durch 31 verschiedene autosomal-heterozygot vererbte Mutationen in 16 Genen im Interleukin-12/Interferon-γ-Signalweg beobachtet. Kürzlich zeigte sich jedoch eine unvollständige Penetranz, sodass bei einigen homozygoten Genträgern als einziger Phänotyp eine erhöhte Anfälligkeit gegenüber Infektionen mit Mycobacterium tuberculosis auftrat. Eine neue Studie legt nahe, dass die TYK2(P1104A)-Mutation für 1 % aller Tuberkulosefälle bei Patienten mit europäischer Abstammung verantwortlich ist [12].

Darüber hinaus wird die Immunantwort der Lunge auch durch die genetischen Erkrankungen der zystischen Fibrose und des α1-Antitrypsin-Mangels beeinträchtigt, die an anderer Stelle diskutiert werden.

Erhöhte Suszeptibilität durch Genpolymorphismen

Das humane Genomprojekt und die Verfügbarkeit von Microarrays zur Analyse einer Vielzahl von SNPs haben es ermöglicht, durch genomweite Assoziationsstudien (GWAS) eine Vielzahl von krankheitsassoziierten Genvarianten zu identifizieren, die für sich genommen nur einen kleinen Risikozuwachs (1,1- bis 1,5-fach) bewirken.

Durch GWAS konnte eine Vielzahl von krankheitsassoziierten Genvarianten identifiziert werden

Die größte dieser Studien wurde an der Vanderbilt-University durchgeführt [13]: Bei 69.819 Personen mit europäischem Hintergrund wurden 8889 Pneumonien identifiziert, von denen 5774 stationär behandelt wurden. Die stärkste Assoziation – auch im heterozygoten Status – zeigte sich hier bei einem SNP im CFTR-Gen, dessen Mutationen für die zystische Fibrose verantwortlich sind. Bei 15.603 Individuen mit afrikanischem Hintergrund wurden 1710 Pneumonien gefunden, 1043 mit Hospitalisierung. Die stärkste Assoziation zeigte sich hier – auch im heterozygoten Status – bei einem SNP im Gen der Hämoglobin-β-Untereinheit, der auch für die Sichelzellanämie verantwortlich ist. Bei beiden Erkrankungen stellt die Pneumonie eine wichtige Komplikation dar. Nach Ausschluss aller Patienten mit zystischer Fibrose und Sichelzellanämie konnte v. a. ein weiterer SNP im Gen R3HCC1L, das für ein Protein unbekannter Funktion kodiert, identifiziert und in 2 unabhängigen Kohorten validiert werden.

In einer GWAS-Analyse zur pneumogenen Sepsis wurden insgesamt 1553 Patienten aus 3 Kohorten untersucht und die Ergebnisse in einer vierten Kohorte validiert. Es zeigte sich, dass Varianten im FER-Gen mit einer deutlich niedrigeren 28-Tage-Mortalität assoziiert waren [14]: Die Mortalität sank von etwa 25 % bei homozygoten Wildtyp-Patienten (TT) auf 15 % bei Trägern einer Kopie des C‑Allels und war bei Personen, die homozygot für das C‑Allel sind, auf 10 % reduziert. FER kodiert für eine Protein-Tyrosin-Kinase, für die eine Bedeutung in der Leukozytenchemotaxis und der intestinalen Barrierefunktion nachgewiesen wurde.

In einer mexikanischen Studie wurden 91 Patienten mit einer schweren Influenzapneumonie (A/H1N1) und 98 Haushaltskontakte, die dem A/H1N1-Virus ausgesetzt waren und keine Lungenentzündung entwickelten, genotypisiert [15]. Nach Adjustierung für Geschlecht und Komorbiditäten war das Auftreten von SNPs in 4 Genen signifikant erhöht: im Immunglobulin-Rezeptor-Gen FCGR2A, in einem unbekannten Gen auf Chromosom 3 (rs9856661), im RPA-interagierenden Protein RPAIN und in C1QBP aus dem Komplementsystem.

Da Pneumonien im Kindesalter als Risikofaktoren für die Entwicklung einer COPD („chronic obstructive pulmonary disease“) diskutiert werden, wurde bei Patienten aus der COPDGene-Studie nach genetischen Assoziationen mit anamnestischen Pneumonien im Kindesalter (843 Fälle, 9091 Kontrollen) oder Pneumonien insgesamt (3766 Fälle, 5659 Kontrollen) gesucht [16]. Allerdings zeigten sich hier keine signifikanten Befunde.

Eine große Metaanalyse aus dem Jahr 2019 errechnete signifikante Effekte auf die Suszeptibilität für Pneumokokkenpneumonie für Varianten der Gene MBL2 und CD14 [17]. Untersuchungen von einzelnen SNPs in kleineren Kohorten ergaben Assoziationen von HMGB1 mit der Pneumoniesuszeptibilität und -schwere [18], von IRF5 mit der Pneumoniesuszeptibilität [19] und von MBL2 und FCN2 mit der Suszeptibilität für Pneumonien mit intrazellulären Erregern [20].

Da manche Genvarianten ihre phänotypische Wirkung nur unter spezifischen Aktivierungsbedingungen zeigen, wurden die rein genetischen Studien durch sog. eQTL-Studien ergänzt, bei denen Genregionen mit Relevanz für die quantitative Ausprägung der entzündlichen Genexpression unter Stimulation z. B. mit bakteriellem Endotoxin ermittelt wurden [21].

Die meisten Untersuchungen adressierten bisher v. a. proteinkodierende Gene. Eine GWAS-Studie an 5000 kenianischen Kindern identifizierte eine Assoziation einer Pneumokokkenbakteriämie mit einer langen nicht proteinkodierenden RNA (Ribonukleinsäure), die nur in neutrophilen Granulozyten exprimiert ist [22]. Im Rahmen weiterer Sequenzierungen des gesamten Genoms und besserer Genannotationen ist mit der Identifizierung weiterer Risiko-SNPs in solchen Genen zu rechnen.

COVID-19

Seit Dezember 2019 wurden durch die COVID-19-Pandemie über 100 Mio. Menschen von SARS-CoV‑2 infiziert und weltweit Regierungen, Gesundheitssysteme und Gesellschaften in ungekannter Weise medizinisch, sozial und wirtschaftlich gefordert. Wesentliche Herausforderungen sowohl für das öffentliche Gesundheitswesen als auch die individuelle medizinische Versorgung bestehen darin, dass zum einen bereits asymptomatische Patienten ansteckend sein können und dass zum anderen die klinische Ausprägung der Infektion ein sehr weites Spektrum aufweist: Die allermeisten Patienten bleiben entweder asymptomatisch oder entwickeln nur leichte Beschwerden, die gut ambulant betreut werden können [23]. Ein kleiner Teil der Patienten entwickelt jedoch im Verlauf eine Pneumonie, die eine Krankenhausaufnahme und ggf. eine intensivmedizinische Betreuung wegen eines ARDS („acute respiratory distress syndrome“) und weiterer Organdysfunktionen erfordert. Unter diesen Patienten gibt es nochmals eine kleinere Gruppe, die ein schwerstes systemisches Entzündungssyndrom entwickelt.

Das Alter der Infizierten ist der stärkste bisher identifizierte Risikofaktor: So war das Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf bei einem Lebensalter über 80 Jahren im Vergleich zu einem Lebensalter unter 50 Jahren nach Adjustierung für Begleiterkrankungen 5‑fach erhöht, das Sterberisiko sogar 10-fach erhöht [24]. Bei Männern fand sich zudem ein etwa 1,3-fach erhöhtes Sterberisiko. Die Wahrscheinlichkeit für einen schweren oder tödlichen Verlauf war zudem durch das Vorliegen von Übergewicht (BMI [Body-Mass-Index] > 35) sowie chronischen Herz- oder Lungenerkrankungen gering erhöht [23].

Eine Assoziation der Krankheitsschwere mit den AB0-Blutgruppeneigenschaften konnte in einer großen Metaanalyse mit 7503 COVID-19-Fällen und über 2,9 Mio. Kontrollen nachvollzogen werden: Hier hatten hospitalisierte COVID-19-Patienten wahrscheinlicher Blutgruppe A (Odds Ratio 1,23) und weniger wahrscheinlich Blutgruppe 0 (Odds Ratio 0,77) als die Kontrollen [25]. In GWAS-Studien konnten 4 Assoziationen mit einem schweren Krankheitsverlauf identifiziert werden (Tab. 1): Das Cluster mit dem stärksten Risiko liegt auf Chromosom 3 und zeigt je nach geografischer Region eine Häufigkeit von bis zu 28 %. Es beinhaltet unter anderem SLC6A20, das für einen zellmembranständigen Transporter kodiert, der funktionell mit dem SARS-CoV-2-Rezeptor ACE2 interagiert. Weiterhin finden sich dort die Gene für die Zytokinrezeptoren CXCR6 und CCR9, die auf T‑Lymphozyten exprimiert werden [26]. Weitere Cluster enthalten Gene OAS1, OAS2 und OAS3, die für interferonabhängige, antivirale Proteine kodieren, sowie das Gen IFNAR2 für einen Interferonrezeptor [27].

In GWAS-Studien konnten 4 Assoziationen mit einem schweren Krankheitsverlauf identifiziert werden

Tab. 1 Genetische Risikofaktoren für einen schweren Verlauf von COVID-19. (Angepasst aus [23])

In einem Kandidatengenansatz wurde 659 Patienten mit lebensbedrohlicher COVID-19-Pneumonie und 534 Patienten mit mildem Verlauf auf Mutationen in Genen untersucht, deren Bedeutung für schwere Influenzainfektionen oder andere Virus-assoziierte Phänotypen bereits bekannt war [23]. Hier zeigte sich bei 3,5 % der schweren Verläufe entweder eine autosomal-rezessive (IRF7, IFNAR1) oder autosomal-dominante Defizienz (TLR3, UNC93B1, TICAM1, TBK1, IRF3, IRF7, IFNAR1, IFNAR2). Da keiner dieser Patienten zuvor wegen lebensbedrohlicher viraler Infektionen hospitalisiert war, scheinen diese Mutationen eine unerwartet niedrige Penetranz aufzuweisen. Gemeinsam mit den experimentellen Befunden, dass Mutationen von TLR3, IRF7 und IFNAR1 eine funktionelle Bedeutung für SARS-CoV-2-Infektionen haben, eröffnet dies zumindest die Möglichkeit, dass Mutationen im Interferon-Signalweg eine signifikante Bedeutung für das Auftreten schwerer COVID-19-Verläufe haben.

Fazit für die Praxis

  • Neben Erreger- und Umweltfaktoren bestimmen auch genetische Eigenschaften die individuelle Suszeptibilität für Infektionskrankheiten, speziell Infektionen der unteren Atemwege.

  • Wegen einer unvollständigen Penetranz der Mutationen können auch bei erwachsenen Patienten noch monogenetische Immundefekte identifiziert werden.

  • Genetische Testungen werden gegenwärtig nicht routinemäßig angewandt, können im Einzelfall aber sinnvoll sein.

  • Bei Patienten mit genetisch bedingt hoher Infektanfälligkeit sollte besonders auf einen vollständigen Impfstatus geachtet werden.