Während Politiker in Australien, Nordamerika, Nord- und Westeuropa und vielen Ländern Asiens (z. B. Thailand, Türkei) und Südamerikas (z. B. Brasilien, Uruguay) dem Rat der medizinischen Wissenschaft folgten, haben Tabakindustrie und -handel sowie deren Lobbyisten in Österreich noch immer einen starken Einfluss [5]. Seit 2007 wird Österreich von den europäischen Krebsligen bei der Tabakkontrolle auf den letzten Platz gereiht, weil Zigaretten hier – gemessen an der Kaufkraft – billig sind, rund um die Uhr verfügbar sind in Automaten, deren elektronische Alterskontrolle nachweislich versagte, sowie in Trafiken und anderen Verkaufsstellen, die nur von der Monopolverwaltung kontrolliert werden und daher ungestraft auch Minderjährigen Tabak verkaufen. Tabakverkaufsstellen in Österreich bieten gleichzeitig Waren für Kinder an, die sie der Tabakwerbung aussetzen, wobei in Trafiken vor Kindern auch geraucht werden darf. Jedes Mal wenn die Tabakindustrie eine neue Marke auf den Markt bringt, dürfen dort Gratiszigaretten verteilt werden. Zwar hatte Gesundheitsminister Dr. Außerwinkler 1992 das damals modernste Tabakgesetz Europas entworfen und 1993 auf einer WHO-Konferenz in Wien international angekündigt, fiel aber 1994 einer Intrige des damaligen Wirtschaftsministers zum Opfer, der dafür sorgte, dass das 1995 beschlossene Gesetz sanktionslos blieb. Nachdem dieser Minister 2000 Bundeskanzler wurde, verhinderte er jeden weiteren Fortschritt der Tabakkontrolle, der nicht durch EU-Direktiven erzwungen wurde. Die Tabakindustrie brachte immer neue Verführungen auf den österreichischen Markt, die Raucherraten bei Kindern und Jugendlichen stiegen dramatisch und der Rauchbeginn erfolgte immer früher. Trotzdem wurde das Rahmenübereinkommen der WHO zur Tabakkontrolle, welches Österreich 2005 ratifizierte, bis heute nicht umgesetzt (insbesondere Art. 5.3 und Art. 8), EU-Direktiven erst zum spätesten möglichen Zeitpunkt erfüllt und EU-Empfehlungen, wie die im EU-Amtsblatt C 296 vom 5. Dezember 2009, weitgehend ignoriert. Erst seit 2008 gibt es in Österreich Sanktionen für die Verletzung von Rauchverboten in öffentlich zugänglichen Innenräumen; allerdings sind Einraumgaststätten bis 50 m2 sowie Raucherzimmer davon ausgenommen. Spanien, von dem diese Regelung auf Rat eines FPÖ-Abgeordneten übernommen worden war, hat aus dem Versagen solch partieller Rauchverbote gelernt und sein Gesetz 2010 novelliert. In Österreich bedurfte es einer Gesundheitsministerin, die selbst an Krebs erkrankte, und einem populären Journalisten mit Lungenkrebs, damit im Parlament 2015 endlich eine rauchfreie Gastronomie mit den Stimmen von SPÖ, ÖVP und Grünen verabschiedet wurde. Für den „Vertrauensschutz“ wurde mit 3 Jahren die längste Übergangszeit in Europa beschlossen. Das Gesetz sollte am 1. Mai 2018 in Kraft treten. Auf Wunsch des FPÖ-Vorsitzenden hat der Koalitionsausschuss aber im Dezember 2017 beschlossen, die rauchfreie Gastronomie wieder abzusagen [1]. Die Frage, ob die Tabakindustrie 2017 den Wahlkampf von FPÖ und ÖVP unterstützte, erscheint in diesem Zusammenhang gerechtfertigt, kann aber mangels ausreichender Transparenz bei der Parteienfinanzierung nicht beantwortet werden.
Österreich hat als einziges Land eine parlamentarisch beschlossene Verschlechterung des Nichtraucherschutzes
Der Jugendschutz wird 2019 dank eines Beschlusses der dafür zuständigen Landesregierungen vom März 2017 insofern verbessert werden, als das Bezugsalter für Tabakwaren und Zigaretten von 16 auf 18 Jahre angehoben wird [21]. Was dazu aber noch fehlt, sind Durchführungsbestimmungen mit Mystery Shopping (Testkauf) durch eine unabhängige Stelle sowie die Abschaffung der Zigarettenautomaten, deren elektronische Alterskontrolle schon bei 13- bis 15-Jährigen versagte. Die österreichische Bundesregierung plante ursprünglich in Raucherlokalen und Raucherzimmern ein Zutrittsverbot für Minderjährige sowie ein Rauchverbot im privaten PKW beim Mitführen Minderjähriger. Nach Einspruch der Tabaklobby blieb davon nur das Rauchverbot im PKW übrig, aber ohne Sanktionen von Übertretungen durch die Exekutive. Somit ist auch diese „Verbesserung des Jugendschutzes“ nur ein Feigenblatt für die Abschaffung der rauchfreien Gastronomie, die ja unter anderem den Jugendschutz vor Passivrauchen und der Verführung zum Aktivrauchen hätte verbessern sollen. Scheinheilig sprach die Regierung vom „Berliner Modell“, ohne wenigstens die Lenkungsabgabe von Berlin für Raucherplätze und sein Rauchverbot für Tanzflächen in Diskotheken zu übernehmen. Österreich ist weltweit das einzige Land, dessen Parlament eine Verschlechterung des Nichtraucherschutzes beschloss, und der 22. März 2018 wird als schwarzer Tag in die Geschichte der österreichischen Gesundheitspolitik eingehen.
Laut repräsentativer Umfrage von 2018 sind 70 % der Österreicher ab 15 Jahren für die Beibehaltung des Gesetzes mit rauchfreier Gastronomie (alle Altersklassen). Noch höher waren die Zustimmungsraten in Ländern mit hohem Tourismusanteil (80–84 %), bei Frauen (77 %), Akademikern (84 %) und Maturanten (77 %). Drei Viertel der Nichtraucher und Exraucher und zwei Drittel der Gelegenheitsraucher sind für eine rauchfreie Gastronomie und nur jeder zweite regelmäßige Raucher ist in Österreich derzeit noch dagegen. Die Zustimmungsraten sind nach konsequenter Einführung der rauchfreien Gastronomie überall signifikant angestiegen und erreichten in anderen EU-Ländern schließlich auch bei Rauchern eine Mehrheit, weil die meisten ihren Tabakkonsum reduzieren oder ganz aufhören möchten, was ihnen durch rauchfreie Gaststätten erleichtert wird.
Trotz des Wunsches der Bevölkerung, aller Landeshauptleute und vieler Mandatare der Regierungsparteien, der von allen Gesundheitsexperten gestützt wurde, unterwarfen die Regierungsparteien die Abstimmungen im Nationalrat und im Bundesrat dem Klubzwang und degradierten damit Abgeordnete ihrer Fraktion zu Marionetten. Für die Opposition bleibt noch die Möglichkeit einer Verfassungsklage. Außerdem hat die Österreichische Ärztekammer am 15. Februar 2018 ein Volksbegehren für eine rauchfreie Gastronomie eingeleitet (https://dontsmoke.at). Des Weiteren ist zu fordern, die Länder beim Jugendschutz vor Passivrauch und vor der Verführung zum Aktivrauchen zu unterstützen: durch Abschaffung von Automaten, Werbung und Zurschaustellung von Zigaretten, Reduktion der Verkaufslizenzen und Lizenzentzug bei wiederholter Missachtung der Altersbestimmungen. Außerdem sollten die Tabaksteuern deutlich angehoben und ein fixer Teil davon der Tabakprävention gewidmet werden.