Kein klinisches Feld in der Inneren Medizin hat sich in den letzten Jahren so dynamisch entwickelt wie die pulmonale Hypertonie. Es gibt eine kaum noch überschaubare Flut an wissenschaftlichen Publikationen, an nationalen und internationalen Leitlinien mit diagnostischen und therapeutischen Empfehlungen und neu zugelassenen Medikamenten. Selbst Experten fällt es schwer, die Übersicht zu behalten. Wir haben uns bemüht, Ihnen mit diesem Sonderheft einen schnellen Überblick über das Feld der pulmonalen Hypertonie zu verschaffen.

Seit der bahnbrechenden Beschreibung von Euler und Liljestrand [1] über die Regulation des Vasotonus in der Lunge gibt es eine Vielzahl von Befunden, welche die Beobachtung der hypoxischen pulmonalen Vasokonstriktion bestätigen und darüber hinaus molekulare Mechanismen aufzeigen, die das Phänomen erklären. Eine endgültige Aufklärung ist allerdings bis heute nicht gelungen. Viele eng damit zusammenhängende Mechanismen haben aber durchaus schon therapeutische Relevanz erlangt, etwa die Störung im Prostazyklin-, im Endothelin- und im NO-System. Daraus sind auch schon sehr wesentliche therapeutische Konsequenzen in der Praxis angekommen. Viele weitere molekulare Mechanismen konnten aber mittlerweile identifiziert werden und es bleibt abzuwarten, ob auch sie den Weg in die klinische Medizin finden werden.

Die aktuelle Klassifikation der pulmonalen Hypertonie wurde in den alle 5 Jahre stattfindenden Weltkonferenzen immer weiter verfeinert und zeigte in den letzten Jahren glücklicherweise keine gravierenden Änderungen mehr. Es bleibt offensichtlich dauerhaft bei den 5 Klassen der pulmonalen Hypertonie, wobei nur für die Klasse 1 (PAH, pulmonal-arterielle Hypertonie) und für die Klasse 4 (nichtoperable chronisch thromboembolische pulmonale Hypertonie, CTEPH) derzeit zugelassene medikamentöse Therapien zur Verfügung stehen. Weitere Details zur Pathologie und Pathophysiologie finden Sie in dem Beitrag von Kwapiszewska et al. in dieser Ausgabe.

Goldstandard für die Diagnostik ist weiterhin der Rechtsherzkatheter

Bei der Diagnostik der pulmonalen Hypertonie scheint es auf den ersten Blick nicht viel Neues zu geben. Der Rechtsherzkatheter bleibt der Goldstandard für die Diagnostik der pulmonalen Hypertonie und ist vor Einleitung einer gezielten medikamentösen Therapie zwingend erforderlich. Neue Aspekte ergeben sich durch die Weltkonferenz für pulmonale Hypertonie, auf der empfohlen wurde, den Nullpunkt für die Messung auf die mittlere Thoraxhöhe zu legen und alle anderen Methoden zur Nullpunktfestlegung (10 cm über Tisch, 2/3 Thoraxhöhe, mittlere oder vordere Axillarlinie) nicht mehr zu verwenden. Außerdem wurde empfohlen, auf unsere gewohnten Einheiten des pulmonalvaskulären Widerstands in dyn s cm-5 zu verzichten und stattdessen die einfachen „Wood Units“ zu verwenden. Bei der nichtinvasiven Diagnostik gab es viele neue Entwicklungen. Neben der normalen Echokardiographie etabliert sich zunehmend die Stressechokardiographie. Bildgebende Verfahren wie CT und MRI spielen eine zunehmende Rolle in der Diagnostik der pulmonalen Hypertonie. Bei der Suche nach Patienten mit pulmonaler Hypertonie in Risikopopulationen hat sich herausgestellt, dass man sich nicht allein auf die Echokardiographie verlassen kann. Die CO-Diffusionskapazität gehört zu den vielen neuen Parametern, die für die Suche nach solchen Patienten Bedeutung erlangt haben. Hier hat sich ein ganz neues Forschungsfeld eröffnet, worüber Kovacs et al. in ihrem Beitrag berichten.

Individuelle Faktoren spielen eine große Rolle bei der Auswahl der Therapie

Die medikamentöse Therapie der pulmonal arteriellen Hypertonie wird sehr wesentlich bestimmt von den Therapiealgorithmen, wie sie bei den Weltkonferenzen immer wieder neu festgelegt werden. Alle dort empfohlenen Therapien beziehen sich auf hervorragende Evidenz aus großen kontrollierten Studien. Dennoch spielen individuelle Faktoren eine große Rolle bei der Auswahl der einzelnen Medikamente und der Eskalationsstrategie. Hierfür sind Therapieziele von besonderer Bedeutung, welche letztlich gemeinsam mit dem Patienten auszuformulieren sind, wie Harbaum et al. in ihrem Beitrag darstellen.

Unter einer nichtmedikamentösen Therapie bei pulmonaler Hypertonie kann man zwei ganz verschiedene Dinge verstehen. Einerseits ist damit die operative Therapie gemeint, welche bei der CTEPH zum Tragen kommt sowie die Lungentransplantation, die nach wie vor eine sehr wichtige Therapieoption für Patienten mit einer therapierefraktären pulmonalen Hypertonie ist. Andererseits sind damit die supportiven Therapiemaßnahmen wie Sauerstoff, Antikoagulation, psychosoziale Unterstützung, antidepressive Therapien, Kontrazeption und letztlich körperliches Training gemeint.

Körperliches Training verbessert die Situation und wird dringend empfohlen

Beim körperlichen Training sind gerade in Deutschland besonders gute wissenschaftliche Erfolge zu verzeichnen. Hier hatte eine randomisierte Studie gezeigt, dass Patienten mit schwerer pulmonaler Hypertonie, die ein Training absolvieren, eine sehr viel bessere körperliche Belastbarkeit entwickeln als solche, die nicht trainieren. Das Zentrum dieser Bemühungen liegt in Heidelberg, wo die Patienten im Rahmen ihres Trainings wissenschaftlich untersucht wurden und werden. Die wissenschaftlichen Projekte haben darin gemündet, dass ein kontrolliertes körperliches Training von der letzten Weltkonferenz in Nizza mit dem höchsten möglichen Evidenzgrad und dem höchsten möglichen Empfehlungsgrad versehen wurde. Über all diese Dinge berichtet der Beitrag von Guth und Ehlken et al..

Wenn man die Gesamtzahl aller pulmonalen Hypertoniefälle betrachtet, so sind die meisten verursacht durch eine Herz- oder Lungenkrankheit. Bei den Herzkrankheiten unterscheiden wir die systolischen und die isolierten diastolischen Funktionsstörungen des linken Ventrikels und die Klappenvitien. Während das kardiale Problem bei den systolischen Funktionsstörungen und den Klappenvitien relativ rasch klar wird, kann es bei den diastolischen Funktionsstörungen sehr schwierig sein, die richtige Diagnose festzustellen. Durchschnittlich haben solche Patienten bei der Katheteruntersuchung einen Wedge-Druck von etwa 15 mmHg. Somit liegt die Hälfte der Patienten zu diesem Zeitpunkt unter 15 mmHg. Solche Patienten können dann leicht als idiopathische PAH fehlklassifiziert werden.

Bei den chronischen Lungenkrankheiten dominieren Patienten mit COPD. Allerdings ist hier die pulmonale Hypertonie meistens relativ gering ausgeprägt und hier gibt es keine Evidenz für die Wirksamkeit von PAH-Medikamenten. Bei interstitiellen Lungenkrankheiten und bei kombinierten Lungenkrankheiten mit chronischer pulmonaler Fibrose und Emphysem (CPFE) kommt häufiger auch eine schwere pulmonale Hypertonie vor. Bei solchen Patienten kann im Einzelfall von Expertenzentren eine PAH-Therapie erwogen werden. Auch hierzu hat die Weltkonferenz von Nizza klar Stellung bezogen. Diese Überlegungen finden Sie zusammengefasst in dem Beitrag von Held et al. in dieser Ausgabe.

Ich hoffe, dass Ihnen die kompakte Information in diesem Heft eine rasche Orientierung über das umfangreiche Feld der pulmonalen Hypertonie bietet und wünsche Ihnen viel Spaß bei der Lektüre.

Prof. Dr. Horst Olschewski