Epidemiologie

Unter allen tödlichen motorisierten Verkehrsunfällen in UK wurden in der Autopsie bei ~20 % der Opfer eine rupturierte Aorta gefunden [1]. Für die USA wurde geschätzt, dass von den jährlichen Unfallopfern im Straßenverkehr ~7000–8000 an einer Aortenruptur versterben [2]. Auch bei einem schweren Zugunglück fanden sich unter den Unfallopfern viele mit Thoraxtrauma und einer Aortenverletzung [3]. Die Aortenruptur ist damit nach den Schädel-Hirn-Verletzungen die häufigste aller Todesursachen nach stumpfem Thoraxtrauma bei Verkehrsunfällen [4].

Insgesamt verursachen Verkehrsunfälle bis zu 90 % der traumatischen Aortenrupturen [5]. Davon sind sämtliche Verkehrsteilnehmer und auch Fußgänger betroffen [6]. Während in selteneren Fällen die Aorta ascendens betroffen ist (meist schwerer Frontalzusammenstoß ohne Gurt), rupturiert sonst fast immer die proximale Aorta descensens unmittelbar nach Abgang der A. subclavia [7]. Der Aairbag kann davor keinen vollständigen Schutz bieten [8,9,10,11,12]. Unter den weiteren ursächlichen Unfällen ist der Sturz aus größerer Höhe (ab ca. 2. Stockwerk, Alpinunfall etc.) zu nennen.

Bis zu 90 % der Unfallopfer mit Aortenruptur versterben noch am Unfallort [6, 8, 13]. Nur etwa 5–14 % der Betroffenen überleben zunächst am Unfallort und könnten potentiell ein Krankenhaus erreichen [4, 8, 13]. Die Gesamtletalität ist mit 94–98 % besonders hoch [6, 8, 13, 14]. Da es sich zumeist nicht um isolierte Aortenverletzungen, sondern um Polytraumen handelt, sind die schnelle Diagnose und die optimale Behandlungsstrategie von größter Wichtigkeit.

Pathomechanismus

In den meisten Fällen der Verkehrstoten mit Aortenruptur (loco typico) handelt es sich um ein stumpfes Thoraxtrauma mit seitlicher Gewalteinwirkung [8, 13,14,15,16]. Noch präziser könnte die Kraft von ventral oder ventro-caudal auf den Thorax einwirken [14, 16]. Diese plötzliche Dezeleration führt zu einer starken intrathorakalen Kompression mit kranialer Verschiebung des Mediastinums [8, 13, 17]. Die dabei an der Aorta auftretenden Dreh- und Scherkräfte können zu einer transversen Lazeration mit Ruptur führen [5]. Je abrupter und stärker das Dezelerationstrauma beim Unfall einwirkt, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit für eine Ruptur. Mehr als 2/3 der Autoinsassen, 90 % der Motorradfahrer und 70 % der Fußgänger und Radfahrer mit Aortenruptur erlebten ein ∆v (Geschwindigkeitsdifferenz des Dezelerationstraumas, Aufprallgeschwindigkeit) >50 km/h. Bei einem ∆v < 50 km/h erlitten 70 % der Motorradfahrer keine Aortenruptur [14]. In diesem Geschwindigkeitsbereich könnte also eine kritische Wirkungskraft liegen.

Die häufigste Lokalisation der traumatischen Ruptur ist mit ~90 % der (immobile) Aortenisthmus („loco typico“) im proximalen Abschnitt der Aorta thoracica descendens distal der linken Arteria subclavia und mit einem charakteristischen queren Einriss [8, 13, 17]. Alle Hypothesen zur traumatischen Aortenruptur gehen von einem weitgehenden Zusammenwirken 1) der mechanischen Deformation, 2) einem intraluminalem Hochdruck, und 3) biomechanischer Eigenschaften der Aortenwand aus [18].

  1. 1.

    Die Deformation der Aorta (Scherkräfte, Zug, Spannung, Verdrehung, Verwindung, Biegung) kann dadurch verursacht werden, dass bei der plötzlichen Dezeleration die mehr flexiblen Anteile der proximalen Aorta und des Aortenbogens nach kranial ausweichen können, während die proximale Aorta descendens aber mit dem Isthmus an der Wirbelsäule fixiert ist und belastet wird [19].

Nach einer anderen Hypothese verhält sich die proximale Aorta unter lateraler Krafteinwirkung wie der lange Arm eines steifen Hebels mit der A. subclavia als Drehpunkt [20]. Dem kurzen Arm mit größerer Krafteinwirkung würde der Isthmus entsprechen.

Nach der „osseous pinch-Hypothese“ kommt es beim stumpfen Thoraxtrauma durch den Einschluss der Aorta zwischen Manubrium, erster Rippe, Klavicula und den Wirbelkörpern zu einer mechanischen Krafteinwirkung auf den Isthmus [21].

  1. 2.

    Eine intraluminale Druckerhöhung könnte ebenso an der Ruptur beteiligt sein. Am einfachsten ist die Vorstellung einer durch äußere Thoraxkompression erzeugten intravasalen Druckspitze. Unter experimentellen Bedingungen sind aber die für eine Ruptur notwendigen extremen Drücke alleine kaum erreichbar [18].

Die „water hammer-Hypothese“ besagt, dass ein stumpfes Thoraxtrauma zu einer Verengung der diaphragmalen Aortenöffnung führt und eine dadurch verursachte reflektorische Druckwelle am Bogen maximal einwirkt, gegebenfalls noch verstärkt durch die mediastinale Verschiebung [22]. Letztlich könnte eine plötzliche Blutdruckspitze auch durch eine stressbedingte Katecholaminfreisetzung beim Unfallhergang begünstigt sein [23].

  1. 3.

    Die Aorta hat anisotropische Eigenschaften mit einer vorwiegend zirkumferenten Steifigkeit [24]. Die biomechanische Zugfestigkeit in der transversen Richtung ist etwa doppelt so groß wie longitudinal und kann bei zusätzlicher Deformation zu querer Rissbildung führen [25]. Außerdem besitzen Media und Adventitia eine größere Elastizität als die endothelseitigen Wandanteile, weshalb diese steifere Struktur bei Druckspitzen von größerem Stress betroffen ist [19, 26].

Diagnostik

Klinische Diagnostik und Klassifikationen

Bei einer Ruptur im Isthmusbereich kann die Klinik ähnlich der einer Coarctatio sein, mit höherem Blutdruck am Arm im Vergleich zum Bein, einer Pulswellenverzögerung zwischen A. radialis und A. femoralis und einem scharfen rauen interskapulären Geräusch [13].

Meistens handelt es sich aber um polytraumatisierte Patienten, bei denen unter Umständen auch eine Aortenruptur vermutet werden muss [27]. Die häufigsten Begleitverletzungen sind Frakturen (~70 %), Thoraxverletzungen (~50 %), abdominale Verletzungen (~40 %) und Kopfverletzungen (~37 %) [13]. Um die Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen einer Aortenruptur besser einschätzen zu können, wurde bei Traumapatienten mit einem injury severity score (ISS) > 15 der „traumatic aortic injury score“ (TRAINS) entwickelt und verschiedene prädiktive Kriterien für das Vorliegen einer Aortenruptur identifiziert:

  • Erweitertes MediastinumFootnote 1: 4 Punkte

  • Hypotension (<90 mm Hg)Footnote 2: 2 Punkte

  • Fraktur proximaler langer Knochen: 2 Punkte

  • Lungenkontusion: 1 Punkt

  • Fraktur der linken Skapula: 1 Punkt

  • Hämothorax: 1 Punkt

  • Beckenfraktur – Deformität: 1 Punkt

Ab einem Score von ≥4 Punkten liegt ein erhöhtes Risiko für eine Aortenruptur vor und erfordert eine sofortige CT-Untersuchung [28].

Zusätzliche Klassifikationen beziehen sich auf den Schweregrad der Aortenverletzung und können bei der Planung des weiteren Vorgehens hilfreich sein [29]:

  • Typ I: Intimaeinriss

  • Typ II: Intramurales Hämatom (IMH)

  • Typ III: Pseudoaneurysma

  • Typ IV: Ruptur

Höhere Schweregrade der Aortenruptur sind mit einem ausgeprägteren Gesamtverletzungsbild assoziiert. Bei einem Intimariss <1 cm Länge war der mittlere ISS-Score 36,5, bei einem größeren Intimariss (>1 cm) von 36,6, bei einem Pseudoaneurysma bzw. einer gedeckter Ruptur 40,4 und bei einer freien Ruptur 55,6. [30].

Weil der Erkrankungsverlauf eine deutliche Abhängigkeit vom radiologischen Schweregrad der Aortenruptur zeigt, wurde eine weitere Klassifikation von der Society of Vascular Surgery vorgeschlagen [30]:

  • Grad 1: Intimariss oder assoziierter Thrombus <1 cm

  • Grad 2: Intimariss oder assoziierter Thrombus >1 cm

  • Grad 3: Konturverlust der Aorta, gedeckte Ruptur

  • Grad 4: Konturverlust der Aorta, freie Ruptur (i.e. Kontrastmittelaustritt)

Nur in seltenen Fällen wird die Ruptur überlebt. Die Läsion kann dann sogar lange unbemerkt bleiben, und es kann sich in bis zu Jahren später ein falsches Aneurysma bilden.

Bei Grad I und II (ohne äußere Konturveränderung) treten kaum frühe Todesfälle auf, und es wurde in einigen Zentren auch primär konservativ behandelt [30, 31]. Bei etwa der Hälfte der Patienten kann sogar eine Befundbesserung bzw. eine komplette Auflösung des radiologischen Befundes erwartet werden. Bei 40 % der Patienten stabilisiert sich der Befund, und nur bei ca. 5 % kam es zu einer Befundprogression [31].

Für Patienten mit Grad III (gedeckte Ruptur) und IV (freie Ruptur) besteht aufgrund der hohen Komplikationsrate und schlechten Prognose die Indikation zur raschestmöglichen chirurgischen oder endovaskulären Therapie [30]. Zusätzliche Indikationen sind ein periaortales Hämatom >15 mm und eine Progression des Schweregrades [30].

Bildgebende Diagnostik

Die lange gebräuchliche Aortographie ist inzwischen vollständig von der Ganzkörper-Computer-Tomographie (CT) abgelöst worden. Bei einem polytraumatisierten Patienten wird nach dem bereits genannten TRAINS-Score eine Sensitivität von 93 % und eine Spezifität von 86 % zur Diagnose einer Aortenruptur erreicht [28]. Das Ganzkörper-CT erlaubt die schnelle Diagnose und Schweregradeinteilung der Aortenruptur [32] sowie die Beurteilung sämtlicher anderer Organe für eine Triagierung des weiteren Vorgehens. Weitere häufige relevante Befunde sind mediastinales Hämatom, Hämatothorax, Pseudoaneurysma, Intimariss und Thrombusformation. Schließlich kann sofort eine 3D-Rekonstruktion durchgeführt werden, um eine endovaskuläre Behandlung mit TEVAR planen zu können.

Ein alleiniges Röntgenbild vom Thorax ist für eine Diagnose völlig unzureichend und kann bestenfalls, jedoch mit häufigen falsch-positiven Befundungen, einen indirekten Hinweis auf eine Mediastinumverbreiterung liefern [8, 33, 34].

Als wichtige Ergänzung zum CT ist die transösophageale Echokardiographie (TEE) von großer Bedeutung. Für den Nachweis einer Aortenverletzung wurde eine Sensitivität von 91–100 % und Spezifität bis 98–100 % angegeben, aber die Notfallsituation beim polytraumatisierten Patienten lässt die Untersuchung nicht immer zu [35, 36]. Abdominelle Begleitverletzungen können nicht gleichzeitig untersucht werden. Dafür wichtig zum Monitoring bei drohender Perikardtamponade und begleitenden Intimaflaps und Dissektionen [37].

Realistischerweise hängt die Untersuchungsmöglichkeit aber oft vom Zustand und der Stabilität des Patienten ab, sowie von den Dringlichkeit, Begleitverletzungen zu erfassen.

Behandlung

Der Spontanverlauf der traumatischen Aortenruptur ist einerseits vom Ausmaß der Begleitverletzungen abhängig, und andererseits vom Typ und Schweregrad der Aortenruptur. Diese bestimmen auch grundsätzlich den Interventionszeitpunkt. Unter Umständen kann die Intervention auch bis zu 24 h aufgeschoben werden, um den Patienten zunächst in einen hämodynamisch stabilen Zustand für die Aortenintervention zu bringen.

Bei Patienten mit relativ geringem Verletzungsausmaß (Grad I und II) kann, unter engmaschigen CT-Kontrollen, in individueller Abwägung initial konservativ vorgegangen werden. Die Entscheidung zur zweitrangigen oder aufgeschobenen Versorgung der Aortenruptur ist hier beim polytraumatisierten Patienten unter Einbezug der Begleitverletzungen individuell zu treffen. Andere lebensbedrohliche und akut blutende Verletzungen sind unter Umständen vorrangig zu behandeln. In Studien blieben darunter die meisten dieser Läsionen entweder stabil und oder waren regredient. Nur ein kleiner Teil (~5 %) zeigte in den Kontrollen eine Progredienz [31, 38, 39]. Wenn eine höhergradige Aortenverletzung (>Grad 2; Zeichen der gedeckten oder freien Ruptur oder periaortales Hämatom) vorliegt, eine Konturveränderung der Aorta oder Komplikationen wie bspw. ein Hämatothorax auftreten, müssen die Patienten als Notfall sofort behandelt werden. Die Behandlung erster Wahl ist die Stentgraft-Implantation zur endovaskulären Abdeckung der rupturierten Aortenstelle.

Etwa 2/3 der Patienten mit traumatischer Aortenruptur haben auch noch weitere Begleitverletzungen (thorakal, abdominell oder kranial). Diese beeinflussen wesentlich die Überlebensprognose und erfordern einen individuell angepassten Behandlungsplan. Beispielsweise erscheint es in der Behandlungspriorität günstiger zu sein, die Aortenruptur bei gleichzeitigem Schädel-Hirn-Trauma erst verzögert (>24 h) zu behandeln. Der Grund dafür ist, dass sich ansonsten das Hirntrauma verschlechtern kann [40].

Traumatische Rupturen der Aorta ascendens und des Aortenbogens kommen zwar seltener vor, sind aber häufig von zusätzlichen Verletzungen des Herzens begleitet (Herzkontusion, Aortenklappeninsuffizienz, Hämoperikard) und haben eine Hospitalletalität von >50 % [41]. Sie stellen prinzipiell eine herzchirurgische Notfallindikation dar [42].

Der Behandlungspfad der traumatischen Aortenruptur in Abhängigkeit vom Schweregrad der Ruptur ist in Abb. 1 dargestellt.

Abb. 1
figure 1

Behandlungspfad bei traumatischer Aortenruptur

Der „optimale“ Zeitpunkt für die Behandlung der Aortenruptur ist immer noch nicht ganz geklärt und ist sehr individuell zu beurteilen.

Trotz hämodynamischer Stabilität wurde die Notfall-Operation meist durch die innerhalb von 24 h erwartete Ruptur gerechtfertigt. Inzwischen wird die Behandlungspriorität bei Begleitverletzungen differenzierter gesehen und die etwas aufgeschobene Versorgung der Aorta kann in selektierten Fällen im Ergebnis (Letalität- und Paraplegieraten) überlegen sein [43, 44].

Konservative Behandlungsprinzipien

Beim polytraumatisierten Patienten mit Aortenruptur ist ein multidisziplinäres Management mit der richtigen Prioritätensetzung entscheidend. Die initial konservative Behandlung ist für unkomplizierte akute Aortensyndrome der Aorta descendens sicher möglich und etabliert [42]. Als Sonderform ist das bei den milden Formen der traumatischen Aortenruptur ebenfalls möglich. Dabei nimmt eine konsequente Senkung des mittleren arteriellen Blutdrucks (mean arterial pressure; MAP) <80 mm Hg sein, v. a. mit β‑Blockern, einen besonders wichtigen Stellenwert ein. Dadurch gelangen mehr Patienten als früher zu einer (unter Umständen verzögerten) Intervention [45]. Um das Risiko für eine Koagulopathie mit Blutung, Hypertension und Ruptur zu minimieren, sollte mit der Flüssigkeitszufuhr äußerst zurückhaltend verfahren werden [2, 29, 46].

Bei einem primär konservativen Vorgehen (Grad I und II) ist eine Kontroll-CT-Untersuchung innerhalb 48 h, und danach nochmalig nach 48 h indiziert, da in den ersten 72 h eine erhöhte Rupturgefahr besteht. Eine Progression des Schweregrades stellt, insbesonders bei Verlust der äußeren Kontur der Aorta, eine Indikation für eine interventionelle (Stentgraft) oder operative Behandlung dar.

Offene Chirurgie

Der erste Eingriff mit Interposition eines Homografts wurde 1951 durchgeführt [47]. Inzwischen wird das rupturierte Aortensegment mit einer Rohrprothese ersetzt. Früher wurde stets die sofortige Operation angestrebt, inzwischen hat sich aber ein individuelles Vorgehen etabliert. Sämtliche Verletzungen werden in der Behandlungsabfolge triagiert und die Versorgung der Aortenverletzung ggf. verzögert, aber unter möglichst stabilen Bedingungen noch innerhalb von 24 h durchgeführt [43, 44, 48,49,50,51]. Besonders bei jungen Patienten wäre eine definitive Therapie wünschenswert, welche immer noch im prothetischen Ersatz des betroffenen Aortensegments besteht.

Der operative Zugang zum Aortenisthmus führt über eine Thorakotomie im linken 4. Intercostalraum mit rechtsseitiger Lungenventilation. Die Aorta wird proximal der A. subclavia und distal der Ruptur geklemmt und das Segment mit dem Interponat versorgt.

Trotz der zügigen Technik mit „clamp-and-sew“ wurde die Mortalität bei diesem Eingriff mit 5,8–23 %, und die Paraplegierate mit 5–19 % angegeben [51,52,53,54,55]. Die distale Aortenperfusion mit extrakorporaler Zirkulation hat die perioperative Paraplegierate auf 3 % senken können [52, 56]. In zwei Metaanalysen mit insgesamt 2338 Patienten hatte die offene Operation mit EKZ die höchste Mortalität (16,7–18,2 %), gefolgt von einem Shunt (11,4–12,3 %) [51, 52], jeweils ohne Unterschied bei der postoperativen Paralyserate [51, 57]. Als wichtigstes Kriterium für eine erfolgreiche Operation wurde eine möglichst kurze Klemmzeit von <45 min ermittelt [51, 58,59,60,61].

Die sehr guten Ergebnisse mit Links- und partiellem Rechtsherz-Bypass von 3,5–4 % Mortalität und ohne Fall von Paraplegie dürfte nur von sehr wenigen besonders spezialisierten und erfahrenen Zentren erreicht werden [62,63,64].

Traumatische Rupturen der Aorta ascendens und des Aortenbogens kommen zwar seltener vor, sind aber häufig von zusätzlichen Verletzungen des Herzens begleitet (Herzkontusion, Aortenklappeninsuffizienz, Hämoperikard) und haben eine Hospitalletalität von >50 % [41]. Sie stellen prinzipiell eine herzchirurgische Notfallindikation dar [42].

TEVAR

In den 1990er Jahren wurde eine Technik zur endovaskulären Ausschaltung von Aneurysmen entwickelt. Die erste endovaskuläre Stent-graft Versorgung der Aorta descendens wurde 1987 durchgeführt [65]. Seither wurde die Stentversorgung zunächst lediglich als Überbrückungsmaßnahme bis zur definitiven chirurgischen Versorgung betrachtet; tatsächlich aber kam es zwischenzeitlich zu einem Paradigmenwechsel, und die Intervention mit thoracic endovascular aortic repair (TEVAR) ist zur bevorzugten Behandlungsform der traumatischen Aortenruptur geworden [66, 67]. Im Vergleich mit der offenen Operation haben mehrere Metaanalysen Vorteile für die endovaskuläre Versorgung gezeigt; etwa eine deutlich niedrigere prozedurale und 30-Tage Letalitätsrate mit 9–19 % vs. 19–36 %, Paraplegie 3 % vs. 5,5.–9 %, Nierenversagen 3 % vs. 8 %, Graft-Infektion 3 % vs. 11 %, systemische Infektion 5 % vs. 13 % [43, 44, 68, 69]. Dabei konnte für zerebralen Insult kein Unterschied erkannt werden (jeweils 3–10,2 %).

Diese Daten stammen jedoch fast ausschließlich von nicht-vergleichenden Fallserien, retrospektiven und nicht-randomisierten Studien. Der case mix (Verteilung der Schweregrade), nicht standardisierte Operationsverfahren und Patientenselektion sowie Publikationsbias erklären teilweise sehr unterschiedliche Ergebnisse und erschweren einen detaillierten Vergleich beider Verfahren [43, 64]. Abb. 2 zeigt den typischen Fall einer Grad 3 Ruptur mit endovaskulärer Versorgung.

Abb. 2
figure 2

ab 51 Jahre alter Mann mit traumatischer Aortenruptur loco typico bei Z. n. Motorradunfall mit begleitender Leberruptur und Beckenfraktur. Gedeckte Ruptur mit Pseudoaneurysma und periaortalem Hämatom. cf Typische interdisziplinäre endovaskuläre Versorgung mittels Stentgraft. fg Kontroll-CT nach 6 Monaten ohne Hinweis für Endoleaks

Trotz den Einschränkungen bei den berichteten Daten ist TEVAR aufgrund der deutlich geringeren prozeduralen Letalität meist zum bevorzugten Verfahren geworden [44]. Dennoch müssen bei der Behandlung mittels Stentgraftimplantation zahlreiche Komplikationsmöglichkeiten berücksichtigt werden, und ca. 16 % der Patienten müssen sich meist innerhalb des ersten Jahres einer Re-Intervention unterziehen [69, 70]. Entsprechend den Guidelines der Cardiovascular and Interventional Radiological Society of Europe (CIRSE) wird für die endovaskuläre Versorgung mittels Stentgraft eine proximale Landungszone von 20 mm verlangt, um eine gute Apposition zu erreichen und sowohl Endoleaks als auch eine Migration des Stentgrafts zu verhindern [71]. Eine Distanz von weniger als 20 mm zwischen dem Abgang der linken A. subclavia und der Rupturstelle bedarf einer Überstentung der A. subclavia mit oder ohne chirurgische Revaskularisation mit einem Carotis-Subclavia-Bypass oder Transposition [72].

Die Überstentung ohne Revaskularisation wird in der Regel gut toleriert, kann aber in Einzelfällen zu Durchblutungsstörungen des linken Armes oder neurologischen Komplikation führen [73]. Die Darstellung der linken A. vertebralis kann hierfür hilfreich sein. Bei einem Durchmesser von <3 mm muss mit einer schweren Claudicatio gerechnet werden [32, 74]. Es empfiehlt sich auch in einer CT-Angiographie die Circulus Willisi Durchgängigkeit darzustellen und, davon abhängig, eine Revaskularisierung der A. subclavia durchzuführen.

Weitere Komplikationen sind Endoleak (5–7 %) und Stentkollaps, seltener auch intraoperative Rupturen, Stentpenetration, Verletzungen der A. liaca, und Fistelbildungen zum Ösophagus [43, 50, 68, 69, 75,76,77,78,79].

Obwohl Guidelines TEVAR für die Behandlung der akuten und chronischen Aortenruptur grundsätzlich empfehlen, wird auf die fehlenden Daten zu Langzeitergebnissen hingewiesen [80]. Jüngere Patienten betrachten sich mitunter nicht als definitiv versorgt und benötigen eine lebenslange Beobachtung mit wiederholten CT-Untersuchungen und entsprechender Strahlen- und Kontrastmittelbelastung [81]. Es ist auch unklar, wie sich die „normale“ Größenzunahme der Aorta über einen längeren Zeitraum auswirken wird. Innerhalb der ersten 10 Jahren ist im Bereich der proximalen Landezone mit einer durchschnittlichen Aortaerweiterung von 3,3 ± 1,5 mm zu rechnen [82].

Weitere Entwicklungen endovaskulärer Techniken mit gebranchten und fenestrierten Stentgrafts bzw. Snorkel, Periscope- oder Chimney-Techniken bleiben vorerst noch abzuwarten [83].

Intensivmedizinisches Management

Das intensivmedizinische Management von Patienten mit Aortenruptur ist abhängig von der vorausgegangenen chirurgischen Behandlung. Eine konservative Behandlung, ein endovaskuläres Verfahren mit Aortenstenting (TEVAR) oder eine offene Operation an der Herz-Lungen-Maschine initiieren teilweise erheblich unterschiedliche postoperative Verläufe. Es können lange oder kürzere Aufenthalte mit mehr oder weniger medizinischem Aufwand auf einer Intensivstation notwendig sein. Erschwerend können auch Begleitverletzungen bei der traumatischen Ätiologie der Aortenruptur eine Rolle spielen.

Grundelemente der intensivmedizinischen Therapie sind das hämodynamische Monitoring, eine adäquate Volumensubstitution, sowie der gezielte Einsatz von vasoaktiven und kardial wirksamen Medikamenten. Beim Zusammenspiel dieser wesentlichen Elemente sind eine ausreichende Gewebsperfusion sowie die Normalisierung des oxidativen Metabolismus das Ziel [1]. Dabei bedingen das intravasale Volumen und die kardiale Pumpfunktion ein ausreichendes Herz-Zeit-Volumen und in weiterer Folge ein ausreichendes Sauerstoff-Angebot im Gewebe.

Die Zielparameter der postoperativen Kreislauftherapie der S3-Leitlinie zur intensivmedizinischen Versorgung herzchirurgischer Patienten entsprechend den Kriterien des Oxford Centre for Evidenced-Based Medicine sind in Tab. 1 dargestellt [1].

Tab. 1 Zielparameter der postoperativen Kreislauftherapie der S3-Leitlinie zur intensivmedizinischen Versorgung herzchirurgischer Patienten

Das Erhalten genannter Parameter im Zielbereich bedarf zumeist multipler Monitoringverfahren. Das postoperative Basismonitoring für Intensivpatienten umfasst die Pulsoxymetrie, die Elektrokardiographie, die invasive Blutdruckmessung, die Messung des zentralen Venendrucks, eine sorgfältige Bilanzierung (Drainagen, Ein- und Ausfuhr), arterielle und zentralvenöse Blutgasanalysen und eine Temperaturmessung. Der „geschulte klinische Blick“ der behandelnden Ärzte ist zugleich von großer Bedeutung.

Ergänzend können nach kritischer klinischer Abwägung und apparativer Verfügbarkeit erweiterte hämodynamische Monitoringverfahren eingesetzt werden. Diese dienen vor allem der Einschätzung des Herzzeitvolumens und der funktionellen Hämodynamik. Dazu zählen unter anderem die Echokardiographie (TTE/TEE), Thermodilutionsverfahren, Pulskontouranalysen, Stroke Volume Variation (SVV), Systolic-Pressure-Variation (SPV), Pulse Pressure Variation (PPV) und klinische Tests wie der passive Beinhebeversuch und Rekapillarisationstest.

Eine Expertise der behandelnden Ärzte in der Echokardiographie hat sich bewährt. Sie ist häufig entscheidend, um Volumenreagibilität und hämodynamischen Unterstützungsbedarf in Anbetracht vielerlei Messparameter abzuschätzen.

Bei der Vielfalt an zur Verfügung stehenden Verfahren ist es schwierig, allgemein gültige Empfehlungen abzugeben. Ausgesprochen sinnvoll und gegebenenfalls sogar prognostisch relevant ist ein individuell ausgerichtetes Monitoring für die patientenbezogene Therapiesteuerung. Diese kann zur sinnvollen Reduktion einer Katecholamintherapie führen, da Katecholamine in Abhängigkeit von Dauer und Dosierung zu adversen kardialen Ereignissen führen [84]. Dabei sollte ein Pulmonaliskatheter beispielsweise nur ausgewählt zur Anwendung kommen, da kein zusätzlicher Nutzen hinsichtlich einer reduzierten Letalität gezeigt werden konnte.

Der mittlere arterielle Blutdruck, die zentralvenöse Sättigung, der zentrale Venendruck, die Diurese und die Laktatkonzentration sind leicht erfassbare Parameter des Basismonitorings und damit primär messbare Ziele der Kreislauftherapie. Sie bilden die ersten Grundpfeiler zur Vermeidung einer Fehlverteilung des Blutflusses vor allem auf Mikrostrombahnebene. Häufigste Ursache dessen ist eine inadäquate kapilläre Perfusion und damit ein unzureichendes Sauerstoffangebot auf zellulärer Ebene.

Rezente Studien zeigen, dass mikrozirkulatorische Veränderungen im Kreislaufschock teilweise sogar unabhängig von systemischen Variablen sind [85]. Ein Monitoring der peripheren Perfusion kann auf den Effekt neurohumoraler Kompensationsmechanismen infolge von Schock hindeuten und entscheidende und frühe prognostische Hinweise geben [86].

Dennoch kann die unkritische Therapie mit vasoaktiven Substanzen, um den mittleren arteriellen Blutdruck über einen arbiträren Grenzwert anzuheben, zu unvorhersehbaren, negativen Effekten im Bereich der Mikrozirkulation und bei der Organfunktion führen [87]. Die postoperative Laktatkonzentration spielt hier eine entscheidende Rolle. Aber auch ein geschulter „klinischer Blick“, Zeichen wie verlängerte Rekapillarisationszeit (>4,5 s), Hautmarmorierung und kalte Extremitäten, kommen hier ins Spiel. Die Assoziation einer postoperativen Laktatazidose, also ein Zustand mit erhöhten Laktatwerten und einer metabolischen Azidose, hat sich als ein prädiktiver Faktor hinsichtlich einer erhöhten Letalität erwiesen [88, 89].

Das Gerinnungsmanagement und der Transfusionsbedarf richten sich nach der Höhe des Blutverlustes. Je nach Patientenprofil empfiehlt sich, ein Ziel-Hb von 7–9 g/dl durch allogene Bluttransfusion anzustreben [90, 91]. Für das adäquate Funktionieren der Gerinnungskaskade ist das Aufrechterhalten von Normwerten der Thrombozyten >50 Gpt/l, pH > 7, Körpertempertemperatur > 35 °C, Serum-Calcium > 0,8 mmol/l wichtig. Tranexamsäure findet regelhaft Anwendung, da sie das Risiko einer Blutung verringert [92]. Rezente Studien weisen auf vermehrtes Auftreten von Krampfanfällen und thromboembolischen Ereignissen vor allem in höheren Dosierungen hin [93, 94].

Eine Fibrinogenkonzentration von unter 1,5–2 g/l ist mit einem erhöhten Blutungsrisiko vergesellschaftet und sollte nicht unterschritten werden. Fibrinogenkonzentrate sind hier die first-line Therapie [91]. Bei persistierender Blutungsneigung und erniedrigter Faktor XIII-Aktivität (beispielsweise <30 %) sollte dies mittels der Gabe von Faktor-XIII Konzentrat behoben werden [91]. Gefrorenes Frischplasma eignet sich für den gezielten Ersatz von Gerinnungsfaktoren nicht, da eine nicht ausreichend hohe Konzentration von Gerinnungsfaktoren gewährleistet werden kann. Prothrombinkomplexkonzentrate (PPSB) können bei verlängerter INR und Blutungsneigung gegeben werden, wobei die Empfehlungen nur unter Einnahme von Vitamin-K-Antagonisten eindeutig sind [91]. Rekombinanter Faktor VII (rFVIIa) wird nur in ausgewählten, mit anderen Mitteln nicht-beherrschbaren und lebensbedrohlichen Blutungssituationen als off-label use eingesetzt.

Individuell gesteuerte impedanzaggregometrische bzw. thrombelastographische point-of-care Verfahren geben zusätzlich zu den sogenannten Standardgerinnungstests wie partielle Thromboplastinzeit (PTT) und der aktivierten partiellen Thromboplastinzeit (aPTT) Aufschluss über Fibrinogenpolymerisationsstörungen, Heparinwirkung, Hyperfibrinolysen, Faktorenmangelzustände und Thrombozytenfunktionsstörungen. Entscheidend ist die Sicherstellung einer ausreichenden hämostatischen Kapazität. Die definitive Versorgung von Blutungen, eventuell durch eine wiederholte chirurgische Intervention, kann aber auch notwendig sein.

Eine Homöostase der Körpertemperatur ist für eine funktionierende plasmatische Gerinnung sehr wichtig. Patienten, die nach einer offenen Versorgung einer traumatischen Aortenruptur mit oder ohne Einsatz der Herz-Lungen-Maschine postoperativ auf der Intensivstation behandelt werden, sind meist charakteristischerweise zunächst hypotherm. Die Regelmechanismen des homoiothermen Menschen sind gestört oder teilweise außer Kraft gesetzt. Der menschliche Körper benötigt einen Bereich um den Sollwert 37 °C, um Sauerstofftransport, Muskelaktivität und diverse Stoffwechselfunktionen gewährleisten zu können.

Patienten haben in der frühen postoperativen Phase nach Operationen an der Herz-Lungen-Maschine sehr häufig einen relativen oder absoluten Volumenmangel. Eine adäquate Volumentherapie zur Stabilisierung der hämodynamischen Situation stellt eine große Herausforderung für die weitere intensivmedizinische Behandlung dar. Die Wahl des geeigneten Volumenersatzmittels muss nach sorgfältiger Erwägung der Pathophysiologie des Volumenmangels erfolgen. Die mannigfaltigen Ursachen des Volumenmangels können unter anderem ein reaktives kapilläres Leck, ungenügender Ersatz von Blutverlusten, weiterbestehende Blutverluste, Drainageverluste, Temperaturschwankungen oder Nachwirkungen einer vorbestehenden präoperativen Diuretikabehandlung sein. Kristalloide Lösungen verteilen sich überwiegend im Extrazellulärraum, während kolloidale Lösungen eher intravasal verbleiben. Bei einem Volumenmangel ist der intravasale Mangel auszugleichen.

In Abwesenheit pulmonaler und anderer Kontraindikationen und nach Ausgleich des Temperaturhaushaltes sollte eine frühestmögliche Extubation oder Weaning angestrebt werden. Dies kann entscheidend für die Reduktion pulmonaler und anderer Komplikationen, einschließlich eines Delirs, sein [95].

Das Delirrisiko ist nach kardiochirurgischen Eingriffen mit einer Inzidenz von 26–52 % besonders hoch [96]. Mit einem Delir ist auch eine erhöhte Letalität assoziiert. Ein richtig angewendetes Analgesie- und Sedierungsmanagement sowie tägliches Delirscreening mit validem Instrument sind enorm wichtig. Zudem scheinen Fast-track-Konzepte die Inzidenz für ein postoperatives Delir zu reduzieren [97]. Mehrfach wurde auch die sichere Durchführung frühzeitiger Mobilisierung und aktiver Physiotherapie beschrieben [98].

Acute Kidney Injuries (AKI) nach Versorgung von Aortenverletzungen sind häufig und multifaktoriell bedingt. Je nach Ausmaß der AKI ist sie mit einer erhöhten Mortalität vergesellschaftet [99]. Eine Dysbalance zwischen der Perfusion (VO2) der Nierenmedulla und dem Sauerstoffangebot (DO2) kann zu erheblichen Nierenschäden führen. Das renale DO2 kann intra- und postoperativ erheblich variieren und ein auch nur kurz andauerndes insuffizientes DO2 ist signifikant mit einem Auftreten eines AKI assoziiert. Studien haben gezeigt, dass hierbei der MAP-Wert weniger entscheidend ist als eine adäquate renale Perfusion [100]. Ein Sicherstellen eines adäquaten renalen DO2 und gutes hämodynamisches Management sind demzufolge wesentlich [101]. Rezente Kriterien der Kidney Disease Improving Global Outcomes (KDIGO) werden von den aktuellen Richtlinien empfohlen [102]. Diese betonen, dass ein Anstieg des Serumkreatinins bei bereits bestehendem AKI beginnt. Neuere Biomarker wie das Neutrophile Gelatinase-Assoziierte Lipocalin (NGAL) und das Interleukin-18 (IL-18) erscheinen vielversprechend bezüglich der früheren Erkennung, haben sich aber aus mehreren Gründen noch nicht klinisch etabliert. Rivers et al. legten im Rahmen ihrer Studie bei septischen Patienten einen Zielwert der Diurese >0,5 ml/kgKG/h fest [103]. Auf postoperative kardiochirurgische Patienten ist dieser Zielwert übertragbar. Der Diurese-Zielwert von >0,5 ml/kgKG/h ist nur ohne den Einsatz von Diuretika als adäquat zu betrachten. Der Beweis eines wirklichen Benefits von nephroprotektiven pharmakologischen Therapien ist bisher noch nicht erbracht. Es kann versucht werden, das Auftreten einer AKI durch präoperative Identifikation von Risikopatienten, Vermeidung modifizierbarer Risikofaktoren und eine frühzeitige Diagnosestellung zu verhindern.