Einleitung

Eine der häufigsten Herzklappenerkrankungen in Europa ist die Aortenklappenstenose, die mit einer Verengung der Aortenklappe und folglich mit einer Reduktion des Blutflusses aus dem Herzen einhergeht [1, 2]. Eine Aortenklappenstenose verläuft lange Zeit symptomlos, doch nach Einsetzen von Symptomen versterben 50 % der Menschen innerhalb von zwei Jahren, wenn nicht interveniert wird [3]. Die Stenose wird in drei Schweregrade, basierend auf der Aortenklappenöffnungsfläche, unterteilt: eine geringe Stenose bei einer Öffnungsfläche von 1,1–1,9 cm2, eine mäßige Stenose bei einer Öffnungsfläche von 0,75–1,0 cm2 und eine schwere Stenose bei einer Öffnungsfläche von <0,75 cm2 [4]. Vor allem PatientInnen im fortgeschrittenen Alter sind von einer Aortenklappenstenose betroffen, zirka 2–9 % der über 65-Jährigen. Ein Anstieg der Fälle ist aufgrund des demografischen Wandels in entwickelten Ländern zu erwarten [5]. Die PatientInnen werden vorrangig in vier Risikogruppen unterteilt. Diese Unterteilung kann entweder mit Hilfe der New York Heart Association (NYHA) Klassifizierung, dem European System for Cardiac Operative Risk Evaluation Score (EuroSCORE) oder dem Society of Thoracic Surgeons (STS)-Score erfolgen (siehe Tab. 1).

Tab. 1 PatientInnenstratifizierung nach New York Heart Klassifizierung und Risikoscores

Den PatientInnen mit schwerer, symptomatischer Aortenklappenstenose standen bisher zwei Therapieoptionen zur Auswahl: die in der Literatur als Standardtherapie bezeichnete medikamentöse Therapie in Kombination mit einer Ballonvalvuloplastie und der chirurgische Aortenklappenersatz. Die Standardtherapie wird meist als Palliativtherapie bei inoperablen PatientInnen eingesetzt [6]. Der chirurgische Aortenklappenersatz, eine Operation am offenen Herzen, stellt bislang den Goldstandard bei operablen PatientInnen dar. Jedoch gerade für ältere PatientInnen ist die Operation am offenen Herzen oftmals zu belastend [6,7,8,9]. So sind aufgrund des erhöhten Operationsrisikos zirka ein Drittel der PatientInnen nicht für den chirurgischen Klappenersatz geeignet [10]. Seit 2007 gibt es den perkutanen Aortenklappenersatz (Transcatheter Aortic Valve Implantation [TAVI]) [1]. Dieser stellt eine schonendere Alternative für jene operablen PatientInnen dar, die für eine Operation normalerweise nicht geeignet wären, sowie für inoperable PatientInnen, die nur palliativ therapiert werden können. TAVI ist insofern schonender, da der Brustkorbs nicht geöffnet werden muss und eine Herz-Lungen-Maschine nicht notwendig ist [11]. Der transfemorale Zugang über ein Leistengefäß und der transapikale Zugang mittels einer kleinen Thorakotomie über die Herzspitze werden am häufigsten unter Verwendung der beiden Herzklappen, Edwards Lifesciences Inc. (Edwards SAPIEN 3) und Medtronic Inc. (Core Valve Evolut R), durchgeführt [6, 12,13,14]. Studien zeigten, dass es bei TAVI mittels der Edwards SAPIEN Klappe seltener zu Komplikationen und zu besseren Mortalitätsraten im Vergleich zur Standardtherapie kommt [15]. Außerdem kommt es mit TAVI, unter Verwendung der Edwards SAPIEN Klappe und im Vergleich zum chirugischen Aortenklappenersatz, zu signifikant wenigeren Blutungen, jedoch vermehrt zu erheblichen, vaskulären Komplikationen [16, 17]. Unter Verwendung der Medtronic Core Klappe und im Vergleich zur Operation, weist TAVI einen besseren Gesundheits- und Überlebensstatus der PatientInnen nach sechs Monaten auf [18].

Auf der anderen Seite ist TAVI sehr kostenintensiv, bedingt durch eine speziell notwendige Infrastruktur (z. B. hybrider Operationssaal, Herzteam) und die hohen Kosten der TAVI-Klappen selbst [19]. Die hohen Kosten sowie die Zunahme an durchgeführten TAVI-Prozeduren haben wesentliche Auswirkungen auf das Gesundheitsbudget. Die Daten des österreichischen TAVI-Registers zeigen, dass es von 2011 bis 2015 zu einem Anstieg an TAVI-Prozeduren von zirka 60 % gekommen war [20]. Aus diesem Grund wird Evidenz zur Kosteneffektivität von TAVI vermehrt von den Entscheidungsträgern nachgefragt [19]. Als Entscheidungshilfe können unterschiedliche gesundheitsökonomische Modelle herangezogen werden. In jedem Modell werden die Kosten in Relation zu den jeweiligen Effekten dargestellt, wobei die Effekte je nach Studientyp unterschiedlich bewertet werden [19, 21].

Ziel der vorliegenden systematischen Übersichtsarbeit war es, die Ergebnisse gesundheitsökonomischer Evaluationen zu TAVI im Vergleich a) zur Standardtherapie bei inoperablen PatientInnen und b) zum chirurgischen Aortenklappenersatz bei operablen PatientInnen mit hohem oder intermediärem Operationsrisiko zu untersuchen.

Methode

Suche

In den Datenbanken EconLit, Cochrane, NHS Economic Evaluation, Embase und Medline wurde nach gesundheitsökonomischen Evaluationen (Kosteneffektivitäts-, Kostennutzwert‑, Kostennutzenanalysen) zu TAVI in englischer und deutscher Sprache für die Jahrgänge 2007 bis 2017 gesucht. Die systematische Suche wurde im Mai und Juni 2017 durchgeführt und durch eine zusätzliche Handsuche mittels Google ergänzt.

Einschlusskriterien

In die vorliegende Übersichtsarbeit wurden Publikationen zu TAVI (unabhängig von der Zugangsart und vom Klappentyp) im Vergleich zur Standardtherapie (umfasst medikamentöse Therapie in Kombination mit möglicher Ballonvalvuloplastie) bei inoperablen PatientInnen oder im Vergleich zum chirurgischen Aortenklappenersatz bei operablen PatientInnen mit hohem oder intermediärem Operationsrisiko mit schwerer, symptomatischer Aortenklappenstenose eingeschlossen. Die eingeschlossenen Studien mussten einen der Ergebnisparameter, gewonnene Lebensjahre [LYs] und/oder qualitätsadjustierte Lebensjahre [QALYs], sowie einen der Inputparameter, direkte bzw. indirekte Kosten, und das inkrementelle Kosteneffektivitätsverhältnis (incremental cost-effectiveness ratio [ICER]) erfassen. Es wurden ausschließlich Einzelstudien in Form von Kosteneffektivitäts‑, Kostennutzwert‑, Kostennutzenanalysen aus peer-reviewed Zeitschriftenartikeln berücksichtigt.

Ausschlusskriterien

Ausgeschlossen wurden Publikationen zu PatientInnen mit niedrigem Operationsrisiko, Kostenkonsequenzanalysen, Kostenminimierungsanalysen und reine Kostenanalysen, sowie Publikationen in Form von Postern, Abstracts, Kommentaren, Briefen, Editorials und Büchern. Die Daten des österreichischen TAVI-Registers wurden in der vorliegenden Arbeit nicht berücksichtigt, da es nicht das Ziel war, einzelne Registerdaten zu evaluieren, sondern vielmehr die Ergebnisse von vorhandenen gesundheitsökonomischen Analysen zusammenzufassen.

Studienauswahl

Die Literatur wurde von zwei Personen (SW und SF), unabhängig voneinander, in einem zweistufigen Prozess begutachtet (d. h. zunächst wurden die Publikationen auf Abstract-Basis gesichtet und im Anschluss auf Volltext-Basis). Differenzen wurden durch Diskussion und Konsens gelöst. Nach Entfernung der Duplikate standen insgesamt 390 Treffer für die Literaturauswahl zu Verfügung. Nach Anwendung der o. g. Einschlusskriterien wurden 42 Volltexte ausgewählt. Davon wurden 27 Volltexte ausgeschlossen. Letztlich wurden 15 Studien in die vorliegende Übersichtsarbeit eingeschlossen. Abb. 1 gibt einen Überblick über den Auswahlprozess der Literatur.

Abb. 1
figure 1

Darstellung des Auswahlprozesses (PRISMA-Flow Diagramm)

Datenextraktion

Die erforderlichen Daten wurden aus den eingeschlossenen gesundheitsökonomischen Evaluationen per Hand von einer Person (SW) extrahiert. Eine zweite Person (SF) überprüfte die Vollständigkeit und Korrektheit der extrahierten Daten. Die Darstellung der Charakteristika und Ergebnisse der eingeschlossenen Studien erfolgte getrennt nach den Vergleichsinterventionen in Extraktionstabellen (siehe Tab. 2, 3 und 4). In Tab. 2 werden die Studiencharakteristika dargestellt, Tab. 3 listet die relevantesten Kostenparameter (Prozedurkosten, Krankenhauskosten, Kosten und Nachbehandlungskosten aufgrund von Komplikationen) sowie die Gesamtkosten der einzelnen Studien auf. Die einzelnen Kostenparameter wurden in der Originalwährung angegeben. In Tab. 4 werden die Kosteneffektivitätsergebnisse – aufgeteilt in inkrementelle Effekte, TAVI-Kosten, Kosten der Kontrollintervention und inkrementelle Kosteneffektivitätsverhältnisse – detailliert dargestellt. Für eine bessere Vergleichbarkeit der Endergebnisse wurden die inkrementellen Kosteneffektivitätsverhältnisse (ICER) mittels des online verfügbaren Kostenkonvertierungstools der „Campbell and Cochrane Economics Methods Group“ (CCEMG) und des „Evidence for Policy and Practice Information and Coordinating Centre“ (EPPI)-Zentrums auf das österreichische Preisniveau inklusive Inflation für das Jahr 2016 konvertiert [22].

Tab. 2 Charakteristika der Studien, die als reliabel bewertet wurden (chronologische Reihenfolge)
Tab. 3 Auflistungen wesentlicher Kostparameter und Gesamtkosten zu TAVI in Originalwährung (chronologische Reihenfolge)
Tab. 4 Überblick der Kosteneffektivitätsergebnisse zu TAVI der Studien, die als reliabel bewertet wurden, sortiert nach Vergleichsinterventionen

Studienbewertung

Die Relevanz und Qualität der eingeschlossenen Evaluationen wurden mit Hilfe der Checkliste „Assessing the Evidence for Health Care Decision Makers“ von den beiden AutorInnen (SW und SF), unabhängig voneinander, bewertet. In der Checkliste werden entscheidende Faktoren zur Studienqualität hervorgehoben, wodurch Mängel in den Studien erkannt und folglich mangelhafte Studien von der Analyse ausgeschlossen werden konnten [23]. Bei der Qualitätsbewertung wurde insbesondere die Qualität der zugrundeliegenden klinischen Studie berücksichtigt, da sich diese wesentlich auf die Qualität der gesundheitsökonomischen Analysen auswirkt. Differenzen bei der Bewertung der Studienqualität wurden durch Diskussion und Konsensbildung gelöst. Detaillierte Informationen zur Studienbewertung können bei den AutorInnen angefragt werden.

Interpretation der gesundheitsökonomischen Ergebnisse

Basierend auf der Tatsache, dass die Interpretation gesundheitsökonomischer Ergebnisse wesentlich vom gewählten Grenzwert der Zahlungsbereitschaft (engl. willingness-to-pay threshold) abhängt und es keinen solchen Grenzwert für Österreich gibt, wurde mit Hilfe der „Choosing Interventions that are Cost-Effective“ (CHOICE)-Grenzwerte der World Health Organization (WHO) der ökonomische Wert eines QALYs für Österreich aufbereitet. Nach CHOICE gilt eine Intervention als sehr kosteneffektiv bzw. kosteneffektiv, wenn die Kosten pro QALY unter dem einfachen bis dreifachen nationalen Bruttoinlandsprodukt (BIP) pro Kopf liegen [24]. Basierend auf dem BIP pro Kopf der österreichischen Wirtschaftskammer von € 36.538 für das Jahr 2016 würde dies den Grenzwerten von € 36.538 pro QALY (sehr kosteneffektiv) bis € 109.614 pro QALY (kosteneffektiv) entsprechen. Mit Hilfe dieser „hypothetischen“ Grenzwerte können die in Tab. 4 dargestellten, internationalen Kosteneffektivitätsergebnisse vereinfacht für Österreich interpretiert werden, auch wenn diese Grenzwerte kein festgeschriebenes Maß darstellen.

Ergebnisse

Studiencharakteristika

Insgesamt wurden 15 gesundheitsökonomische Studien [25,26,27,28,29,30,31,32,33,34,35,36,37,38,39] in die vorliegende Übersichtsarbeit inkludiert. Davon wurden acht Studien [27, 29, 31,32,33,34, 37, 39] – gemäß dem o. g. Bewertungstool – als ausreichend relevant und qualitativ gut bewertet. Zwei der acht Studien [29, 32] untersuchten beide Vergleichsinterventionen. Bei allen Publikationen handelte es sich um Kosteneffektivitäts-, bzw. Kostennutzwertanalysen, die die Kostenträgerperspektive verfolgten. In allen acht Studien wurde ausschließlich auf drei Wirksamkeitsstudien (PARTNER A Studie, PARTNER B Studie, CoreValve US High Risk Pivotal Studie) zurückgegriffen. Eine detaillierte Auflistung der Basismerkmale der acht zuverlässigen Studien findet sich in Tab. 2.

Studienergebnisse

Im Folgenden werden ausschließlich die Ergebnisse der als qualitativ gut bewerteten Evaluationen präsentiert, um die Ergebnisse darzustellen, die mit einer hohen Zuverlässigkeit einhergehen.

TAVI versus Standardtherapie

Beim Vergleich von TAVI versus der Standardtherapie konnten sechs von acht Studien [27, 29, 31,32,33,34] mit ausreichender Qualität bewertet werden. In zwei Studien [29, 32] wurden Angaben zum Zugewinn der Lebensquantität gemacht (Zugewinn an 0,88 und 0,85 Lebensjahre durch TAVI). Der Zugewinn an QALYs durch TAVI lag zwischen 0,03 und 1,56 QALYs in vier Studien [27, 29, 31, 32]. Zwei Studien [33, 34] gaben keine inkrementellen QALY-Daten an. Bezüglich den Kosten zeigten die Ergebnisse der sechs Studien, dass die TAVI-Prozedurkosten einen der größten Kostentreiber darstellen. Zudem waren große Schwankungen in den Prozedurkosten zwischen den Studien zu erkennen: £ 15.002 [33] bis US$ 63.054 [34]. Ebenso gehörten schwerwiegende Komplikationen wie Schlaganfall, Herzinfarkt und Notwendigkeit eines Herzschrittmachers zu wichtigen Kostentreibern. So lagen beispielsweise die Kosten zur Behandlung eines Schlaganfalles zwischen CAD$ 7994 [32] und CAD$ 15.293 [27]. Im Hinblick auf die inkrementellen Kosteneffektivitätsverhältnisse gilt, aufgrund der Ähnlichkeit zwischen dem belgischen und österreichischen Gesundheitssystem, insbesondere die in Belgien durchgeführte Studie zu akzentuieren [29, 40]. Die Studie kalkulierte einen ICER von € 48.114 pro QALY, wonach TAVI im Vergleich zur Standardtherapie als nicht kosteneffektiv einzustufen war, wenn ein Grenzwert von € 20.000–30.000 pro QALY herangezogen wird. In den weiteren fünf Studien lagen die ICER-Werte zwischen € 20.531 und € 111.136 pro QALY. Insgesamt galt TAVI in nur zwei der sechs Studien [27, 31] als kosteneffektiv. Abb. 2a zeigt, dass die bessere Effektivität durch TAVI mit höheren Kosten verbunden ist. In diesem Fall würde eine Refundierung von TAVI bedeuten, dass in anderen (Gesundheits‑) Bereichen Kosten eingespart werden müssten und somit Opportunitätskosten entstehen würden, was sich wiederum auf andere Gesundheitsbereiche auswirken könnte. Demnach ist eine Refundierung von TAVI von der Zahlungsbereitschaft abhängig. Würden die Resultate der sechs gesundheitsökonomischen Studien mit dem CHOICE-Grenzwert für Österreich in der Höhe von € 36.538 pro QALY (Jahr 2016) bewertet werden, so würde TAVI im Vergleich zur Standardtherapie für Österreich in drei Studien [27, 31, 32] als sehr kosteneffektiv gelten (und in drei nicht).

Abb. 2
figure 2

Hierarchische Matrizen zur Darstellung der Kosteneffektivitätsergebnisse zu TAVI gegenüber der Standardtherapie (a) und dem chirurgischen Aortenklappenersatz (b). Die linke Spalte (Kosten) bildet ab, ob TAVI in höheren (↑), niedrigeren (↓) oder gleichen (↔) Kosten als die Vergleichsintervention resultiert. Gleichzeitig stellt die zweite Spalte (Effektivität) dar, ob TAVI gegenüber der Vergleichsintervention zu besserer (↑), schlechterer (↓) oder gleicher (↔) Effektivität führt. Basierend auf den Kosteneffektivitätsergebnissen wird in der rechten Spalte eine Empfehlung abgegeben. Die dritte Spalte präsentiert die Anzahl der als qualitativ gut bewerteten Studien (*) sowie die jeweiligen Quellen dazu. (Eigene Darstellungen basierend auf [48])

TAVI versus chirurgischen Aortenklappenersatz

Vier von acht Studien [29, 32, 37, 39], die TAVI mit dem chirurgischen Aortenklappenersatz verglichen, wurden mit ausreichender Qualität bewertet. Der Zugewinn an Lebensjahren durch TAVI lag zwischen 0,0128 und 4,36 Lebensjahren [32, 39]. In einer Studie [29] wurden keine Angaben zum Zugewinn der Lebensquantität gemacht. Die Veränderung an erzielten QALYs durch TAVI lag zwischen −0,102 QALYs (Verlust) und 0,324 QALYs (Gewinn) in den vier Studien. Die Prozedurkosten reichten von £ 16.500 [33] bis € 49.799 [29]. Die obengenannten schwerwiegenden Komplikationen (Schlaganfall, Herzinfarkt und Notwendigkeit eines Herzschrittmachers) galten auch beim Vergleich von TAVI vs. chirurgischem Aortenklappenersatz als wesentliche Kostentreiber. Die Kosteneffektivitätsergebnisse der vier Studien waren sehr kontrovers (siehe auch Abb. 2b): die belgische Studie [29] resultierte in einem ICER von € 787.626 pro QALY, demzufolge TAVI, unter Verwendung der Edwards SAPIEN Klappe, nicht kosteneffektiv war. In einer weiteren Studie [39] galt TAVI, unter Verwendung der Medtronic Core Klappe, ebenfalls als nicht kosteneffektiv (Originialwährung). Werden jedoch die berechneten Eurowerte für diese Studie herangezogen, so wäre TAVI bei einem Grenzwert von € 50.000 pro QALY kosteneffektiv. In beiden Studien führte TAVI zu einer besseren Effektivität, jedoch zu höheren Kosten als beim chirurgischen Aortenklappenersatz, wonach die Entscheidung für eine Refundierung aufgrund der entstehenden Opportunitätskosten auch hier von der Zahlungsbereitschaft abhängt (Abb. 2b). In einer dritten Studie [32] war TAVI gegenüber dem chirurgischen Klappenersatz unterlegen, wohingegen TAVI in der vierten Studie [37] dem Klappenersatz überlegen war. Dies ist ebenfalls in Abb. 2b deutlich ersichtlich: in der dritten Studie [32] ist TAVI weniger effektiv jedoch teurer als die Vergleichsintervention, wonach die Operation TAVI vorgezogen werden sollte. Im Gegensatz dazu resultierte TAVI in der vierten Studie [37] in einer besseren Effektivität zu niedrigeren Kosten, verglichen mit dem chirurgischen Aortenklappenersatz, und sollte demnach gegenüber der Vergleichsintervention bevorzugt werden. Die Interpretation der Ergebnisse dieser vier Studien würde unter der Berücksichtigung des WHO CHOICE-Grenzwertes für Österreich in der Höhe von € 36.538 pro QALY (Jahr 2016) gleich ausfallen.

Eine detaillierte Auflistung der wichtigsten Kostenparameter bietet Tab. 3. Die inkrementellen Effekte (Lebensjahre und QALYs), sowie die inkrementellen Kosteneffektivitätsergebnisse sind in Tab. 4 zusammenfassend dargestellt.

Sensitivitätsanalysen

Insgesamt zeigten die Sensitivitätsanalysen der acht als qualitativ gut bewerteten gesundheitsökonomischen Studien unterschiedliche Resultate, weshalb eine grafische (z. B. Diagramm) bzw. tabellarische Darstellung der Ergebnisse nicht möglich war. Dennoch deuten die Sensitivitätsanalysen darauf hin, dass vor allem schwerwiegende Komplikationen, wie Schlaganfall und Herzinfarkt, und die damit einhergehenden Kosten große Auswirkungen auf die ICER-Resultate hatten [27, 32,33,34]. Die Analysen einer Studie [33] ergaben, dass eine Reduktion der TAVI-Komplikationsraten um 2,5 % zu einem ICER von £ 23.642 (€ 29.963) pro QALY führt und demnach TAVI im Vergleich zur Standardtheapie als kosteneffektiv gelten würde (unter der Berücksichtigung eines Schwellenwertes von £ 20.000–30.000 pro QALY). In einer Studie [37] jedoch schien die Komplikation „Schlaganfall“ keinen Effekt auf das ICER-Ergebnis zu haben. In sechs der acht Studien [27, 31, 32, 34, 37, 39] zeigten die Ergebnisse der Sensitivitätsanalysen zudem, dass die TAVI-Prozedurkosten die ICER-Resultate wesentlich beeinflussen können. In einer Studie [27] resultierten Veränderungen der TAVI-Prozedurkosten in ICER-Werten zwischen C$ 16.197 (€ 12.453) und C$ 48.983 (€ 37.660) pro QALY. In einer weiteren Studie [39] führte die Reduktion der TAVI-Prozedurkosten um $ 1650 zu einem grundlegend anderem Endergebnis – die Kostenreduktion resultierte in einem ICER unter $ 50.000, wonach TAVI gegenüber dem chirurgischen Aortenklappenersatz als kosteneffektiv galt. Darüber hinaus hat auch die Wahl des Zeithorizonts für das ökonomische Model einen Einfluss auf die ICER-Ergebnisse. In der belgischen Studie [29] führte beispielsweise die Verlängerung des Zeithorizonts von einem Jahr auf drei Jahre zu einer beinahen Verdoppelung des ICERs von € 37.400 (€ 40.077) auf € 71.600 (€ 76.725) pro QALY. Die Sensitivitätsanalysen aller acht Studien ergaben somit, dass die Ergebnisse nur wenig robust sind.

Diskussion

Die Aortenklappenstenose gilt in Europa als eine der häufigsten Herzklappenerkrankungen bei Menschen im hohen Alter [1]. Neben einer eher palliativen Standardtherapie besteht die Möglichkeit eines chirurgischen Aortenklappenersatzes, jedoch ist zirka ein Drittel der PatientInnen – aufgrund der Schwere des Eingriffs – dafür nicht geeignet [10]. Daher soll TAVI eine weniger invasive Therapieoption bieten, die jedoch auch mit höheren Kosten assoziiert ist.

In der vorliegenden Arbeit wurde die Kosteneffektivität von TAVI im Vergleich zur Standardtherapie und zum chirurgischen Aortenklappenersatz bei inoperablen bzw. operablen PatientInnen mit hohem Operationsrisiko und mit schwerer, symptomatischer Aortenklappenstenose zusammengefasst. Die Standardtherapie umfasst sowohl eine medikamentöse Therapie als auch eine mögliche Ballonvalvuloplastie und wurde basierend auf der in sechs von acht gesundheitsökonomischen Studien zugrundeliegenden Wirksamkeitsstudie „PARTNER B trial“ als Vergleichsintervention für inoperable PatientInnen herangezogen. In der vorliegenden Arbeit wurden alle am Markt erhältlichen TAVI-Klappen und alle verfügbaren TAVI-Zugänge berücksichtigt.

Die Ergebnisse der als qualitativ gut bewerteten gesundheitsökonomischen Evaluationen zeigten für inoperable PatientInnen, dass TAVI im Vergleich mit der Standardtherapie, nur in zwei von sechs Studien kosteneffektiv war. Für operable HochrisikopatientInnen erzielten die Kalkulationen der Evaluationen von TAVI im Vergleich zum chirurgischen Aortenklappenersatz kontroversielle Ergebnisse.

Insgesamt wurden von den 15 inkludierten gesundheitsökonomischen Evaluationen lediglich acht als ausreichend relevant und qualitativ gut bewertet. Die wesentlichen Gründe für den Ausschluss von sieben Studien waren mangelhafte externe und interne Validität, unzureichende Daten und das Vorliegen von Interessenskonflikten. In keiner der 15 Studien wurden Angaben zu den Nutzwerten für die Berechnung von QALYs gemacht. Aus diesem Grund wurden Veränderungen der Lebensqualität mittels inkrementellen QALYs dargstellt (Tab. 4). Generell galt ein gewählter Zeithorizont von unter zehn Jahren bei den gesundheitsökonomischen Studien als problematisch. Der empfohlene Zeithorizont gesundheitsökonomischer Analysen umfasst die verbleibenden Lebensjahre, um somit langfristige Unterschiede aller PatientInnen bezüglich des Nutzens und der Kosten berücksichtigen zu können und auch „Ausreißer“ – sprich PatientInnen, die durch TAVI mehr Lebensjahre dazugewinnen als der Durchschnitt – eingeschlossen werden [41]. Sechs aller 15 inkludierten Evaluationen wählten jedoch einen Zeithorizont von unter 10 Jahren. Zudem wurde in acht der 15 Analysen ein Interessenskonflikt angegeben, wovon in drei Studien die AutorInnen von den Herstellern Honorare erhielten. In zwei bzw. neun der 15 Studien wurden keine Angaben zu vorliegenden Interessenskonflikten bzw. zum Sponsoring gemacht. Die Qualität der gesundheitsökonomischen Studien wurde durch die genannten Punkte wesentlich beeinflusst. Des Weiteren zeigten Sensitivitätsanalysen, dass die Kosteneffektivitätsergebnisse sehr unsicher waren, da das Ein- und Ausschließen von wichtigen Kostentreibern, wie der TAVI-Prozedur (Verfahren und Klappe), und der Behandlung von Komplikationen, wie Schlaganfall und Herzinfarkt, die Ergebnisse stark beeinflussten bzw. in bestimmten Fällen grundlegend ändern konnten. Daraus könnte resultieren, dass PatientInnengruppen mit erhöhtem Risiko für schwerwiegende Komplikationen, abhängig vom gewählten Grenzwert der Zahlungsbereitschaft, potentiell eher konservativ zu behandeln sind. In den einzelnen Studien ging jedoch nicht hervor, bei welchen PatientInnengruppen es häufiger zu schwerwiegenden Komplikationen kommt. Darüber hinaus waren große Variationen in den Kostenparametern zwischen den verschiedenen Studien zu erkennen. Gründe für diese Schwankungen könnten einerseits nationale Unterschiede, sprich unterschiedliche Gesundheitssysteme, aber auch Preisunterschiede in verschiedenen Ländern und unterschiedliche Kosten der verschiedenen TAVI-Klappen bzw. TAVI-Zugänge sein. Solche Schwankungen (detaillierter Überblick in Tab. 3) spielen insbesondere bei den großen Kostentreibern eine bedeutende Rolle.

Aufgrund der unsicheren Kosteneffektivitätsergebnisse der inkludierten gesundheitsökonomischen Studien sowie den großen Variationen in den Kostenparametern war eine Übertragbarkeit der gesundheitsökonomischen Ergebnisse auf Österreich problembehaftet. Basierend auf den konsistenten Ergebnissen der sechs Studien zu TAVI im Vergleich zur Standardtherapie kann jedoch angenommen werden, dass es für Österreich zu ähnlichen Ergebnissen kommen würde. Abgesehen davon hängt die Interpretation der Kosteneffektivitätsergebnisse stets vom gewählten Grenzwert der Zahlungsbereitschaft ab. In den inkludierten gesundheitsökonomischen Studien reichten die Grenzwerte von 20.000–30.000 britischen Pfund bzw. Euro bis zu 100.000 US- bzw. kanadischen Dollar pro QALY. In Österreich gibt es solche Grenzwerte nicht, was die Übertragbarkeit internationaler Kosteneffektivitätsergebnisse zusätzlich erschwert. Aus diesem Grund wurden, basierend auf der WHO CHOICE-Grenzwertberechnung, „hypothetische“ Grenzwerte unter Berücksichtigung des Bruttoinlandprodukts pro Kopf (2016) für Österreich berechnet und zur besseren Veranschaulichung der internationalen Kosteneffektivitätsergebnisse in der vorliegenden Arbeit herangezogen. Diese Grenzwerte werden jedoch nicht in politischen Entscheidungen berücksichtigt.

Außerdem wurden keine gesundheitsökonomischen Analysen zu TAVI bei PatientInnen mit intermediärem Operationsrisiko in die Übersichtsarbeit inkludiert, da diese zum Zeitpunkt der Verfassung dieser Arbeit nicht vorlagen. Aufgrund der Tendenz hin zu einer Indikationsausweitung von TAVI auf PatientInnen mit intermediärem und niedrigem Operationsrisiko und den damit verbundenen Auswirkungen auf das Gesundheitsbudget, ist davon auszugehen, dass die Nachfrage nach gesundheitsökonomischen Analysen zu TAVI für jene PatientInnen steigen wird [41]. Aufgrund des Mangels an aktuellen gesundheitsökonomischen Analysen (zum Zeitpunkt der Verfassung dieser Arbeit) stammen sieben von acht inkludierten Analysen aus den Jahren 2012 und 2013. Die Weiterentwicklungen einer TAVI-Prozedur über die letzten Jahre verbesserten jedoch das Sicherheitsprofil der Prozedur. Neuere gesundheitsökonomische Analysen auf Basis von aktuelleren Wirksamkeitsstudien könnten die Ergebnisse dieser Arbeit zur Kosteneffektivität von TAVI daher wesentlich beeinflussen. Darüber hinaus wurden in der vorliegenden Arbeit die Charakteristika der durchführenden TAVI-Zentren nicht berücksichtigt. Die Erfolge einer TAVI-Prozedur hängen jedoch wesentlich von der Erfahrung der durchführenden Ärzte, sowie von der vorhandenen Ausstattung in den Operationssälen ab. Daher kann angenommen werden, dass TAVI-Zentren mit einer hohen Fallzahl eine vergleichsweise niedrigere Komplikationsrate als kleinere Zentren aufweisen.

In der vorliegenden systematischen Übersichtsarbeit wurden, im Gegensatz zu den bereits vorhandenen systematischen Übersichtsarbeiten [42,43,44,45], alle am Markt erhältlichen TAVI-Klappen und TAVI-Zugänge berücksichtigt. Insgesamt waren die Ergebnisse der vorhandenen systematischen Übersichtsarbeiten mit der vorliegenden Arbeit deckungsgleich.

Die Unsicherheiten in den Ergebnissen und die eingeschränkte Übertragbarkeit internationaler Kosteneffektivitätsergebnisse auf Österreich erschwerten eine schlüssige Bewertung der Daten. Eine Verallgemeinerung der in Tab. 4 zusammengefassten Kosteneffektivitätsergebnisse war nicht möglich. Weitere Analysen insbesondere für den nationalen Kontext werden notwendig sein (z. B. in Form von Kosteneffektivitäts- oder Kostennutzwertanalysen). Dabei stellt sich jedoch generell die Frage, in wie weit ökonomische Überlegungen in die Entscheidung einfließen sollen. Letztendlich sind die Ressourcen begrenzt und eine möglichst gerechte Verteilung der Ressourcen sollte angestrebt werden. Es gibt jedoch unterschiedliche Gerechtigkeitskonzepte. Das der ökonomischen Evaluation zugrundeliegende Gerechtigkeitskonzept bezieht sich auf die Nutzenmaximierung. Andere Ansätze verknüpfen beispielsweise Gerechtigkeit stärker mit der Anerkennung von Rechten und Pflichten, wonach jeder Einzelnen/jedem Einzelnen bei Bedarf eine Therapie ermöglicht werden soll. In Österreich werden „TAVI-PatientInnen“ aktuell anhand von klinischen Parametern, wie dem Schweregrad der Aortenklappenstenose, dem Alter, dem Operationsrisiko, der Lebenserwartung und Komorbiditäten, innerhalb eines multidisziplinären Teams ausgewählt. Die Kosteneffektivität spielt derzeit kaum eine Rolle. Das Beispiel TAVI zeigt jedoch auf, dass neben medizinischen, ethischen und organisatorischen Fragen auch ökonomische Gesichtspunkte in die Frage der Leistungsfinanzierung einfließen sollen, da sie mehr Transparenz in die Ressourcenallokation bringen und hohe Opportunitätskosten sichtbar machen.