Stellenwert der geburtshilflichen Anästhesie

Innerhalb der Disziplin „Anästhesiologie und Intensivmedizin“ nimmt die geburtshilfliche Anästhesie und Schmerztherapie eine überaus wichtige, im deutschsprachigen Raum jedoch häufig unterschätzte Rolle ein. Demgegenüber wird der „Obstetric Anesthesia“ in angloamerikanischen Ländern seit Jahrzehnten bedeutender Stellenwert zugewiesen. Aufgrund gesellschaftlicher Veränderungen sowie den Fortschritten in der Reproduktionsmedizin werden zunehmend ältere und teilweise vorerkrankte Frauen schwanger. Wenngleich geburtshilfliche maternale Morbidität und Mortalität weltweit sinken, ist bei zunehmender Anzahl kardiovaskulärer Risikopatientinnen ein relativer Anstieg der indirekten maternalen Morbidität in den Industrieländern zu verzeichnen. Auf jeden Fall steigen die Anforderungen an die geburtshilfliche Anästhesie und Schmerztherapie insbesondere in Zentren der Maximalversorgung. Immer häufiger suchen kritisch erkrankte Schwangere anstatt einer Notaufnahme den Kreißsaal auf und profitieren von der kompetenten Versorgung durch einen Anästhesisten als „Intensivmediziner im Kreissaal“. Hierfür sind besondere Kenntnisse im Bereich der Notfall- und Intensivmedizin sowie eine gute interdisziplinäre Zusammenarbeit notwendig. Auch eine hohe soziale Kompetenz sowie ein Grundverständnis für die besondere Situation beider Elternteile sind essentiell und erfordern eine große Rücksicht- und Anteilnahme.

Practice Guidelines for Obstetric Anesthesia

Die folgende Zusammenfassung der „Practice Guidelines for Obstetric Anesthesia“ der American Society of Anesthesiologists (ASA) aus dem Jahr 2016 gibt einen Überblick zur klinischen Evidenz und Expertenmeinung zu zentralen Themen der geburtshilflichen Anästhesie [1]. Die aus dem Englischen übersetzten Richtlinien stellen allgemeine Empfehlungen für die tägliche Arbeit im Kreissaal dar. Die Richtlinien wurden auf Basis einer Kombination aus Literaturrecherche und Expertenmeinung erstellt. Zusätzlich werden im folgenden Artikel von den Autoren persönliche Anmerkungen (als Anmerkung der Autoren gekennzeichnet) zum besseren Verständnis und als weiterführende Information hinzugefügt. Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird auf die gleichzeitige Verwendung männlicher und weiblicher Sprachformen verzichtet.

Anamnese und klinische Untersuchung

Die aktuelle Studienlage zur Anamnese und klinischen Untersuchung von Gebärenden und Patientinnen zur Schnittentbindung (Sectio) ist dürftig. Klinische Daten belegen, dass beim Vorliegen schwangerschaftsassoziierter Erkrankungen das Risiko für geburtshilfliche und anästhesiologische Komplikationen generell erhöht ist [2,3,4,5,6,7,8,9,10,11,12,13]. Das Expertenkomitee empfiehlt deshalb eine fokussierte Anamneseerhebung und klinische Untersuchung, wobei Umfang sowie Ausmaß vom individuellen Risiko der Schwangeren abhängen. Zusätzlich wird eine Etablierung beziehungsweise Optimierung spezieller Kommunikationswege zwischen den unterschiedlichen Fachdisziplinen gefordert, um Risiken und Probleme frühzeitig erkennen und gegebenenfalls adäquat handeln zu können.

Empfehlung

  • Fokussierte Anamnese und klinische Untersuchung vor der Durchführung anästhesiologischer Maßnahmen.

    • Mütterliche Gesundheit, Schwangerschaftsverlauf, Allergien, Narkosekomplikationen bei Voroperationen, Blutdruckmessung und klinische Untersuchung von Herz, Lunge und Atemweg.

    • Bei Planung eines neuroaxialen Narkoseverfahrens Inspektion des Rückens.

    • Beim Auftreten spezifischer Probleme ist frühzeitig die Geburtshilfe zu informieren.

  • Etablierung eines Kommunikationssystems zur Detektion und Minimierung von Risiken.

Anmerkung der Autoren: Idealerweise sollte jede Patientin, die im Kreißsaal aufgenommen wird, durch einen Anästhesisten gesehen werden. Gerade bei Schwangeren sind sorgfältige Anamnese und klinische Untersuchung besonders wichtig. Neben Fragen nach Allergien haben insbesondere eine sorgfältige Blutungsanamnese sowie die Beurteilung des Atemweges hohen klinischen Stellenwert. Das Vorliegen eines möglicherweise schwierigen Atemweges sollte den Geburtshelfern mitgeteilt und in der Patientenakte dokumentiert werden, da eine Notsectio mit Blitzintubation ein hohes Risikopotential birgt. Prinzipiell ist eine rückenmarksnahe Regionalanästhesie aufgrund eines besseren Nutzen-Risiko-Verhältnisses bei Schwangeren vorteilhaft. Gebärende im Kreißsaal sollten auch frühzeitig hinsichtlich ihrer Erwartungshaltung an eine Schmerztherapie evaluiert werden.

Geburtshilfliche Patientinnen mit unauffälliger Allgemeinanamnese benötigen zur Vorbereitung eines geplanten Kaiserschnittes keine internistische Freigabe. Bei der Aufklärung wird das Verfahren erklärt sowie das individuelle Komplikationsrisiko erläutert. Um eine optimale anästhesiologische Betreuung der Schwangeren zu gewährleisten, ist eine enge interdisziplinäre Zusammenarbeit mit Geburtshilfe, Hebammendiensten, Neonatologie, Innere Medizin, Neurologie u. a. eine conditio sine qua non. Idealerweise sollte diese Kooperation in hauseigenen Algorithmen bzw. einem geburtshilflichen „Boardmeeting“ für spezielle Risikopatientinnen eine Berücksichtigung finden.

Thrombozytenzahl

Die derzeitige Studienlage ist unzureichend, um eine Aussage über die Notwendigkeit einer routinemäßigen Bestimmung der Thrombozytenzahl bei unkompliziertem Schwangerschaftsverlauf treffen zu können. In einer Studie konnte eine Korrelation zwischen Thrombozytenzahl, Fibrinogenspiegel und der Wahrscheinlichkeit für eine postpartale Blutung (PPH) gezeigt werden [14]. Die Expertenkommission sieht die Indikation zur Thrombozytenzahl-Bestimmung als individuelle Entscheidung, die abhängig von der Anamnese (Blutungsanamnese) und der klinischen Untersuchung getroffen werden muss.

Empfehlung

  • Von (Blutungs‑) Anamnese und klinischer Untersuchung abhängige Entscheidung.

  • Bei gesunder Patientin ohne Blutungsrisiko und unauffälligem Schwangerschaftsverlauf nicht unbedingt notwendig.

Anmerkung der Autoren: In der Regel wird im Verlauf der Schwangerschaft ein Blutbild abgenommen und die Thrombozytenzahl bestimmt. Nach Expertenmeinung kann die Anlage einer Spinalanästhesie (SpA) oder Periduralanalgesie (PDA) ab einem Thrombozytenwert zwischen 50.000/ml und 75.000/ml von einem erfahrenen Anwender erwogen werden. Entscheidend ist nicht die absolute Thrombozytenzahl, sondern Funktion und Abfall der Thrombozyten über die Zeit sowie klinische Blutungsanamnese und -symptomatik. Die SpA sollte mit einer dünnen Spinalnadel angelegt werden. Unter einem Thrombozyten-Wert von 50.000/ml besteht eine Kontraindikation für die Anlage einer SpA bzw. PDA.

Blutgruppenbestimmung

Die Literatur vermittelt unzureichende klinische Evidenz, ob eine Blutgruppenbestimmung und Kreuzprobenuntersuchung routinemäßig durchgeführt werden sollten. Es ist nicht notwendig bei einer gesunden Patientin mit unauffälligem Schwangerschaftsverlauf routinemäßig eine Kreuzblutuntersuchung anzufordern. Die Entscheidung, ob Blutgruppe und/oder Kreuzbefund bestimmt werden sollten, sollte individuell erfolgen.

Empfehlung

  • Abhängig von Anamnese und klinischer Untersuchung ist eine Blutgruppenbestimmung und Kreuzblutprobe notwendig durchzuführen.

Anmerkung der Autoren: Im Rahmen der Schwangerschaft sollte eine Blutgruppenbestimmung erfolgen. Die Auskreuzung von Erythrozytenkonzentraten ist definiert und richtet sich nach den Empfehlungen der Querschnittsleitlinien zur Therapie mit Blutkomponenten und Plasmaderivaten. Ein besonderes Blutungsrisiko („Post Partum Haemorrhage“, PPH) zeigen Patientinnen mit Makrosomie, Multipara, fortgeschrittenem maternalem Alter, Zustand nach PPH, erhöhtem „Body Mass Index“, Polyhydramnion, Mehrlingsschwangerschaft, Chorioamnionitis, Frühgeburten, Risiko für Plazenta accreta/increta/percreta, Uterus myomatosus und Zustand nach rezenter Curettage.

CTG-Überwachung

Klinische Studien zeigen, dass sich die fetalen Herztöne unter neuroaxialen Narkoseverfahren ändern können. Daher empfiehlt das Expertengremium eine Cardiotokogramm (CTG-) Kontrolle vor und nach der Applikation neuroaxial wirksamer Medikamente [15,16,17,18,19,20,21,22]. Die Durchführung der CTG-Kontrolle muss durch qualifiziertes Personal erfolgen.

Empfehlung

  • Eine CTG-Kontrolle ist vor und nach Gabe neuroaxialer Medikamente empfohlen.

  • Eine kontinuierliche CTG-Aufzeichnung ist nicht immer notwendig.

Anmerkung der Autoren: Die simultane Aufzeichnung der fetalen Herztöne und der Wehentätigkeit ist seit Veröffentlichung der Empfehlungen zur Verwendung des fetalen Monitorings von der Federation Internationale de Gynecologie et d’Obstetrique (FIGO) aus dem Jahr 1985 aus der Geburtshilfe nicht mehr weg zu denken. Mit Blick auf eine gute interdisziplinäre Zusammenarbeit ist daher auch für den geburtshilflich tätigen Anästhesisten ein Mindestmaß an Kenntnissen zum CTG und seiner Interpretation (FIGO-Klassifikation) hilfreich [23]. Bei PDA-Anlage in Seitenlage kann das CTG belassen werden. Die Erfassung des CTGs auch während des Transports kann sinnvoll sein, um fetale Herztonänderungen frühzeitig zu erfassen und um entsprechend reagieren zu können (z. B. Not-Sectio), weshalb ein portables System sinnvoll ist.

Aspirationsprophylaxe

Klare Flüssigkeiten (Wasser, Tee): Die Literatur liefert unzureichende Evidenz bezüglich des Zusammenhanges klarer Flüssigkeiten und dem Reflux- bzw. pulmonalen Aspirationsrisiko während Geburt. Keine Daten sprechen gegen eine moderate Flüssigkeitsaufnahme bei gesunden Gebärenden. Eine Flüssigkeitskarenz bis 2 h vor Sectio caesarea ist ausreichend.

Empfehlung

  • Bei gesunden Gebärenden spricht nichts gegen eine moderate Flüssigkeitsaufnahme.

  • Bei elektiver Sectio ist eine Flüssigkeitskarenz von 2 h ausreichend.

  • Bei Gebärenden mit zusätzlichen Risiken für eine Aspiration oder mit erhöhter Wahrscheinlichkeit einer chirurgischen Intervention sollten längere Karenzzeiten für Flüssigkeiten herangezogen werden.

Feste Nahrung: Es konnte keine spezifische Fastenzeit in der Literatur ermittelt werden, die für maternale Anästhesiekomplikationen prädiktiv ist, daher gilt die allgemeingültige Empfehlung zur perioperativen Nahrungskarenz vor Operationen und Eingriffen.

Empfehlung

  • Feste Nahrung sollte von Gebärenden vermieden werden.

  • Bei geplanten Operationen sollte eine Nüchternheit von 6–8 h bestehen.

Anmerkung der Autoren: Insbesondere der schwere Reflux mit Regurgitation ist klinisch von Bedeutung und sollte anamnestisch erfragt werden. Im Kreißsaal werden Gebärenden zur oralen Flüssigkeitsaufnahme häufig Wasser, (gezuckerter) Tee, Sport- und Kohlhydratgetränke angeboten. Ein „Preloading“ mit intravenöser Flüssigkeit sollte nur durchgeführt werden, wenn Schwangere beispielsweise aufgrund einer langen Wartezeit bereits Zeichen einer Exsikose zeigen. Vorteilhaft ist ein „Coloading“ mit intravenöser Flüssigkeit während der Anlage einer SpA, PDA bzw. vor Allgemeinanästhesie. Eine Opiatzugabe bei PDA kann zu Störungen der Motilität des Magen-Darm-Traktes führen und sollte klinisch berücksichtigt werden.

Antazida, H2-Rezeptor-Antagonisten und Metoclopramid

Klinische Studien konnten zeigen, dass Antazida den pH-Wert des Magens in der peripartalen Phase erhöhen [24,25,26,27], erlauben jedoch keine Aussage zur Änderung des Magenvolumens [24, 25]. Eine analoge Feststellung gilt für H2-Rezeptor-Antagonisten [28,29,30]. Die Metoclopramid-Gabe ist mit einer geringeren Häufigkeit von Übelkeit und Erbrechen vergesellschaftet [31,32,33,34,35]. Die Literatur vermittelt keine Daten über den Zusammenhang von pH-Erhöhung und der Häufigkeit von pulmonaler Aspiration, Übelkeit, Morbidität oder Mortalität von geburtshilflichen Patientinnen nach Aspiration von Mageninhalt.

Empfehlung

  • Vor einer Operation sollte an eine zeitgerechte Gabe von Antazida, H2-Rezeptor-Antagonisten und/oder Metoclopramid zur Aspirationsprophylaxe gedacht werden.

Anmerkung der Autoren: Üblicherweise werden 40 ml Natriumcitrat p. o. unmittelbar vor der Operation sowie Ranitidin 150 mg und/oder 20 mg Paspertin i. v. entsprechend der Pharmakokinetik (z. B. 15–30 min) vor der Operation verabreicht.

Optimaler Zeitpunkt des neuroaxialen Verfahrens

Metaanalysen randomisiert-kontrollierter Studien zeigen unklare Ergebnisse für spontane, instrumentelle Entbindungen und Sectiones beim Vergleich von frühzeitiger (Muttermund < 4–5 cm) und später (Muttermund > 4–5 cm) Anlage einer PDA [36,37,38,39,40]. Auch eine Studie, die sich mit dem Vergleich von früher und später Anlage einer kombinierten Spinal-Periduralanalgesie (CSE) beschäftigte, konnte keine schlüssigen Ergebnisse liefern [41, 42]. Nach Expertenmeinung sollte bereits frühzeitig (<5 cm) ein neuroaxiales Analgesieverfahren angeboten werden. Die Entscheidung über den Anlagezeitpunkt sollte individuell gemeinsam mit der Gebärenden erfolgen und generell nicht von der Muttermund-Öffnung abhängig gemacht werden.

Empfehlung

  • Der Gebärenden sollte frühzeitig die Möglichkeit eines neuroaxialen Analgesieverfahrens zur Reduktion von Geburtsschmerzen angeboten werden.

  • Der Zeitpunkt für eine neuroaxiale Analgesie sollte individuell und unabhängig von der Muttermund-Öffnung bestimmt werden.

  • Die Gebärende sollte frühzeitig darüber aufgeklärt werden, dass durch ein neuroaxiales Narkoseverfahren die Wahrscheinlichkeit einer Sectio nicht zunimmt.

Anmerkung der Autoren: Der Anästhesist sollte frühzeitig in die geburtshilfliche Schmerztherapie einbezogen werden, wobei ein multidisziplinäres und individuelles Konzept zur Schmerztherapie mit der Gebärenden erarbeitet werden sollte. Die PDA-Anlage sollte ab dem Zeitpunkt des Beginns der Geburt (regelmäßige Wehen) angeboten werden, wobei die PDA über mehrere Tage liegen bleiben kann. Definitiv ist die Indikation zur PDA-Anlage völlig unabhängig von der Weite des Muttermundes (von 0 bis 10 cm) und sollte rein aus klinischer Sicht erfolgen. Die Wahrscheinlichkeit einer Sectio nimmt durch die Anlage einer PDA nicht zu. Im Gegenteil, eine PDA geht mit einer Entspannung der Gebärenden und Optimierung des fetalen Sauerstoffangebotes einher und führt deshalb häufig zum Geburtsfortschritt.

Vaginale Entbindung nach vorheriger Sectio

Die klinische Evidenz erlaubt keine eindeutige Aussage über Entbindungsmodus, Zeitpunkt der Entbindung und über die Auswirkungen eines neuroaxialen Narkoseverfahrens bei Schwangeren, die nach vorhergegangener Sectio caesarea eine vaginale Entbindung wünschten [43,44,45,46,47]. Nach Expertenmeinung sollte die PDA-Anlage frühzeitig erfolgen, um auf die Eventualität einer Sectio vorbereitet zu sein.

Empfehlung

  • Bei Gebärenden, die nach Sectio vaginal entbinden wollen, sollte frühzeitig ein neuroaxiales Analgesieverfahren etabliert werden.

  • Die Narkose sollte als Katheter-Verfahren durchgeführt werden, um auf die Eventualität einer Sectio caesarea vorbereitet zu sein.

Anmerkung der Autoren: Im Falle einer vaginalen Entbindung nach vorheriger Sectio caesarea besteht ein nur minimal erhöhtes Risiko für eine Uterusruptur unter Geburt. Plötzlich einsetzende extreme Schmerzen trotz PDA können ein Hinweis für eine Uterusruptur unter Geburt darstellen.

Spezielle Techniken zur Analgesie und Anästhesie

In der Literatur existieren keine eindeutigen Ergebnisse darüber, ob durch eine frühzeitige Anlage eines neuroaxialen Katheters das maternale oder fetale Langzeitergebnis (Outcome) bei schwieriger Geburt verbessert werden kann. Die Expertenkommission empfiehlt die frühzeitige Anlage eines neuroaxialen Katheters, wenn geburtshilfliche oder anästhesiologische Risiken bestehen, um die Notwendigkeit einer Vollnarkose im Rahmen eines Notfalls zu umgehen.

Empfehlung

  • An die frühzeitige Anlage eines neuroaxialen Katheters sollte bei geburtshilflichen oder anästhesiologischen Risiken gedacht werden, um in einer Notfallsituation auf eine Vollnarkose verzichten zu können.

Anmerkung der Autoren: Eine frühzeitige und großzügige PDA-Anlage erfolgt vor allem bei Nullipara, Multipara, Adipositas, Frühgeburt oder Risikogeburt, da die Geburt häufig erleichtert wird und gegebenfalls leicht ein Aufspritzen der PDA erfolgen kann. Bei kardiovaskulären Risikopatientinnen zur elektiven Sectio kann eine elektive PDA oder low-dose CSE erfolgen, wobei mittels bolusweiser Titration des Lokalanästhetikums langsam ein optimales Anästhesieniveau erreicht wird.

Randomisiert-kontrollierte Studien zeigen eine Reduktion von mütterlichen Schmerzen und Unbehagen beim Einsatz einer PDA (intermittierendes Boluskonzept) im Vergleich zu i. v. Bolusgaben von Opiaten [48, 49]. Die Schmerztherapie mittels PDA ist auch stärker wirksam als der Einsatz von i. m. Opiaten [50]. Es kann jedoch keine klare Aussage zu den Effekten auf die Entbindungszeit und Art der Entbindung getroffen werden. Die Expertenkommission sieht in der PDA eine effektive Methode zur geburtshilflichen Schmerztherapie und empfiehlt die epidurale Applikation von Lokalanästhetika und Opiaten bei Verwendung der PDA.

Empfehlung

  • Die PDA kann als effektive geburtshilfliche Schmerztherapie genutzt werden.

  • Die Kombination von epidural applizierten Opiaten und Lokalanästhetika wird empfohlen.

Anmerkung der Autoren: Der Katheter wird mit Naropin 0,125 % (10 ml Naropin 0,2 % plus 7,5 ml NaCl 0,9 %) + 50 μg Fentanyl (1 ml) fraktioniert aufgespritzt, alternativ können je nach Erfahrung auch andere Dosierungen vorgenommen werden. Diese Angaben gelten für die normal große und normal gewichtige Schwangere. Bei sehr kleinen Gebärenden muss vorsichtiger aufgespritzt werden und die Menge des Lokalanästhetikums muss entsprechend adaptiert werden. Nach zwanzig Minuten muss der Anästhesist das Ausmaß der sensorischen und motorischen Blockade sowie Neurologie prüfen sowie evtl. bestehende Kreislaufinstabilität und neurologische Symptome erfragen. Die Schwangere sollte bilateral warme und trockene Beine haben als Zeichen der effektiven Sympathikusblockade. Nach einer Wartezeit von 30 min kann mit dem intermittierenden Bolus-Konzept begonnen werden. Es werden 2 Ampullen Naropin 0,2 % (20 ml) mit 2 Ampullen NaCl 0,9 % (20 ml) plus 100 μg Fentanyl (2 ml Ampulle) aufgezogen. Die Pumpe ist so programmiert, dass pro Stunde z. B. ein Bolus von 8 ml gegeben wird. Alternativ kann ein kontinuierlicher Perfusor mit einer Laufrate von 8 ml/h begonnen werden. Zahlreiche Studien belegen, dass das intermittierende Boluskonzept eine bessere Wirkung bei geringerer muskulärer Blockade zeigt als eine kontinuierliche Gabe mittels Perfusor. Die Gebärende sollte sich immer in Begleitung bewegen und vorher mittels „Kniebeuge“-Versuch in Begleitung prüfen, ob sie genug Kraft in den Beinen hat. Darüber hinaus ist die Gebärende darüber zu informieren, dass die Propriozeption (Gefühl in den Beinen und im Rumpf) durch die PDA verändert sein kann. Eine enge Absprache und Kommunikation mit der Gebärenden und den Hebammendiensten ist notwendig.

Reicht die analgetische Wirkung nicht aus, kann ein zusätzliches Aufspritzen des Katheters zur Wehenschmerzhemmung erfolgen. Dieses wird üblicherweise vorsichtig mit 5–10 ml Naropin 0,1 % vorgenommen, wobei die Wirkung nach 10–20 min zu kontrollieren ist. Es sollte nicht zu einer Störung des Geburtsvorganges mit Beeinträchtigung der Motorik der Beine bzw. Störung der Muskelfunktion während der Austreibephase kommen. Das epidural applizierte Volumen hat in der Regel mehr Einfluss auf die Wirkung als die epidural applizierte Konzentration des Lokalanästhetikums. Im Falle von sehr starken Schmerzen kann auch eine geringe Dosierung (z. B. 25 μg) von Fentanyl hinzugegeben werden. Komplikationen der PDA wie inkomplette Epiduralanalgesie, unilaterale Blockade, lückenhafte Blockade, dislozierter Katheter, Blut im Katheter, intravasale Injektion, Duraperforation, Parästhesien oder radikuläre Schmerzen bei Punktion oder Vorschieben des Katheters, ein subduraler Block, eine totale Spinalanästhesie bis hin zum Kreislaufstillstand sollten allen beteiligten Fachdisziplinen inklusive entsprechender Handlungsalgorithmen bekannt sein.

Eine Metaanalyse randomisiert-kontrollierter Studien zeigte eine bessere analgetische Wirksamkeit bei der Mischung von epidural applizierten Lokalanästhetika mit Opiaten im Vergleich zur alleinigen Gabe von Lokalanästhetika [51,52,53,54,55]. Es konnten keine signifikanten Daten für die Auswirkung auf Spontanentbindungsrate, Hypotension, Pruritus und 1‑Minuten APGAR gezeigt werden [52,53,54,55,56,57,58,59,60,61,62,63]. Ebenso konnte keine Verbesserung der Analgesie-Qualität beim Vergleich von niedrig dosierten Lokalanästhetika mit Opiaten zu einer reinen hochdosierten Lokalanästhetika-Applikation gezeigt werden [64,65,66,67,68,69]. Die Studien zeigten allerdings eine geringere Rate an motorischen Blockaden beim Einsatz niedrig konzentrierter Lokalanästhetika [64,65,66, 68,69,70]. Die Expertenkommission empfiehlt daher den Einsatz von niedrig konzentrierten Lokalanästhetika in Kombination mit Opiaten, um eine möglichst geringe motorische Blockade zu erreichen.

Empfehlung

  • Niedrig konzentrierte Lokalanästhetika in Kombination mit Opiaten sollten für die neuroaxiale Analgesie hinsichtlich einer möglichst geringen motorischen Blockade angewendet werden.

Anmerkung der Autoren: In einigen Häusern werden sogar Konzentrationen von unter 0,1 % Naropin verwendet, allerdings stellt diese Applikation die Ausnahme dar. Eine hochdosierte Lokalanästhetika-Anwendung sollte nur beim Aufspritzen der PDA zur Sectio mit dem Ziel einer vollen sensorischen und motorischen Blockade erfolgen. Nach Aspirationskontrolle am Katheter erfolgt zunächst eine fraktionierte Gabe von z. B. insgesamt 10(–15) ml Ropivacain 0,75 % ± 25(–50) μg Fentanyl. Eine Alternative stellt die fraktionierte Gabe von z. B. insgesamt (15–)20 ml Xylocain 2 % ± (25–)50 μg Fentanyl dar. Diese Mischung wirkt theoretisch geringfügig schneller, jedoch in der Regel auch etwas kürzer. Generell ist beim Aufspritzen der PDA immer auf eine Hypotension (in 85 % innerhalb der ersten 10 min) zu achten und diese ist frühzeitig zu behandeln. In der klinischen Praxis wird die Gesamtdosis häufig auf drei Bolusgaben verteilt, um gebenfalls eine spinale Applikation aufgrund einer Katheterdislokation zu bemerken und eine hohe Spinalanästhesie zu verhindern.

Eine randomisiert-kontrollierte Studie belegt eine längere Analgesie durch spinal applizierte Opiate im Vergleich zu i. v. verabreichten [71]. Die Literatur vermittelt allerdings keine Evidenz, ob die Kombination von spinalen Opiaten mit Lokalanästhetika von Vorteil für die geburtshilfliche Analgesie ist. Die Expertenkommission stimmt überein, dass die spinale Applikation von Opiaten, mit oder ohne Lokalanästhetika, ein effektives, aber zeitlich limitiertes Mittel zur Schmerztherapie im Rahmen einer vaginalen Geburt darstellt. Es wird auch die Zugabe von Lokalanästhetika empfohlen, um die Wirkdauer zu verlängern und die Analgesiequalität zu verbessern.

Empfehlung

  • Die „Single-Shot“ Applikation intrathekaler Opiate, mit oder ohne Lokalanästhetika, kann als effektive, aber zeitlich limitierte Analgesie für die vaginale Geburt genutzt werden.

  • Der Einsatz von Lokalanästhetika kann die Wirkdauer verlängern und die Qualität der Analgesie verbessern.

  • Wenn davon ausgegangen werden kann, dass die Geburt länger dauern wird oder die Möglichkeit einer operativen Entbindung besteht, sollte allerdings ein Katheterverfahren zur geburtshilflichen Analgesie bevorzugt werden.

Anmerkung der Autoren: Zur alleinigen Therapie des Durchbruchschmerzes ganz am Ende der Geburt kann optional auch eine Spinalanästhesie in geringer Dosierung (engl. „low dose spinal“ oder „Single-Shot-spinal“) mit z. B. Naropin 0,1 % 1,5–2 ml ± Fentanyl 20 μg durchgeführt werden.

Studien konnten zeigen, dass der Einsatz von „Pencil-Point“ Spinalnadeln eine deutliche Reduktion der Inzidenz an postpunktionellem Kopfschmerz bewirkt [72,73,74,75,76]. Die Expertenkommission empfiehlt deshalb die Verwendung, um das Risiko eines postpunktionellen Kopfschmerzes zu minimieren.

Empfehlung

  • Für die Anlage einer Spinalanästhesie soll eine dünne „Pencil-Point“ Spinalnadel verwendet werden, um das Risiko des postpunktionellen Kopfschmerzes zu minimieren.

Anmerkung der Autoren: Üblicherweise wird die Spinalanästhesie mit einer „Pencil-Point“ Spinalnadel 25 G durchgeführt, bei Anamnese eines postspinalen Kopfschmerzes können auch dünnere Nadeln erwogen werden. Im Falle einer Duraperforation während der PDA-Anlage sollte die erneute PDA-Anlage durch einen erfahrenen Anästhesisten durchgeführt werden.

Eine Metaanalyse zeigte ein besseres und schnelleres Anschlagen der Analgesie beim Einsatz einer CSE im Vergleich zu einer reinen PDA [77,78,79,80,81,82,83]. Beim Einsatz einer CSE ist die Frequenz motorischer Blockaden allerdings höher [77, 79, 80, 83, 84]. Die Expertenkommission sieht keinen Vorteil für die CSE bei Geburten, die länger als die Wirkung einer Spinalanästhesie andauern könnten. Sollte die Möglichkeit einer chirurgischen Intervention im Rahmen der Geburt bestehen, ist einem Katheterverfahren der Vorzug zu geben.

Empfehlung

  • Wenn die Dauer der Geburt vermutlich länger als die Wirkung der spinalen Medikation oder die Möglichkeit einer chirurgischen Intervention besteht, sollte ein Katheterverfahren bevorzugt werden.

  • Die CSE ermöglicht eine schnell einsetzende und gut wirkende Analgesie.

Anmerkung der Autoren: Per definitionem findet bei der CSE auch immer eine Perforation der Dura statt, was theoretisch zu postspinalem Kopfschmerz führen kann. Allerdings konnte diese Hypothese nicht durch Studien belegt werden.

Eine Metaanalyse zeigte einen geringeren Verbrauch von Analgetika beim Einsatz einer patientengesteuerten PDA („Patient Controlled Epidural Analgesia“, PCEA) im Vergleich zu einer kontinuierlichen PDA bei gleicher analgetischer Wirkung [85,86,87,88,89,90]. Es konnte ein besseres Ergebnis der PCEA gezeigt werden, wenn eine basale epidurale Hintergrundinfusion mit Lokalanästhetika gegeben wurde [91,92,93,94,95]. In Bezug auf motorische Blockade und Art der Entbindung konnten keine eindeutigen Ergebnisse in der Literatur gefunden werden [91,92,93,94,95,96]. Ein neuer Therapieansatz ist die PIEB („Programmed Intermittent Epidural Bolus“, PIEB) und wird als Weiterentwicklung der PCEA gesehen. Im Rahmen einer PIEB wird anstelle einer kontinuierlichen Infusionsrate ein vorab definierter Bolus intermittierend appliziert. Durch die intermittierende Bolusgabe konnte die Zahl an motorischen Blockaden deutlich gesenkt werden [97]. Im Rahmen einer Studie wurden 3 unterschiedliche Bolusgrößen und Zeitintervalle (2,5 ml/15 min vs. 5 ml/30 min vs. 10 ml/60 min) verglichen. Es zeigte sich, dass bei gleicher Analgesie und Patientenzufriedenheit der größte Bolus mit längstem Zeitintervall (10 ml/60 min) zum geringsten Lokalanästhetikaverbrauch führte [98]. Des Weiteren zeigte eine Untersuchung an 270 Gebärenden [89], dass Gesamtverbrauch an Bupivacain in der Bolus-Gruppe (10 ml Bupivacain 0,1 % mit 2 µg/ml Fentanyl alle 20 min abrufbar) signifikant geringer als nach kontinuierlicher epiduraler Infusion (10 ml/h) oder PCEA mit Basalrate war. Das Expertengremium sieht in der PCEA eine effektive und flexible Technik zur geburtshilflichen Schmerztherapie und die PCEA sollte einer CSE vorgezogen werden.

Empfehlung

  • Die PIEB bietet eine effektive und flexible Technik zur Behandlung von Wehenschmerzen.

  • Die PIEB sollte der kontinuierlichen PDA mittels Perfusor vorgezogen werden, um die applizierten Lokalanästhetikadosen zu reduzieren.

Anmerkung der Autoren: Idealerweise sollte die PIEB (z. B. 8 ml Naropin 0,1 % + 2 µg/ml Fentanyl alle 60 min) mit Option einer zusätzlichen Bolusgabe (z. B. 5 ml Naropin 0,1 % + 2 µg/ml Fentanyl, Sperrzeit 10 min, 4 Stundenlimit 60 ml) angewendet werden, um eine optimale PDA mit erhaltener Sensibilität und Motorik der Beine („Walking Epidural“) zu ermöglichen.

Räumlichkeiten, Ausrüstung und Personal

Die Literatur ist unschlüssig bezüglich des Ausrüstungsstandards eines Kreißsaal-Operationsraumes (OP). Das Expertenteam empfiehlt, Ausrüstung, Kreißsaal-OP und Personal mit den gleichen Standards wie einen normalen Operationssaal auszustatten. Des Weiteren sollte Material für die Behandlung von geburtshilflichen und anästhesiologischen Komplikationen vorgehalten werden.

Empfehlung

  • Die Ausrüstung eines Kreißsaal-OPs sollte derjenigen eines normalen OPs entsprechen.

  • Spezielle Ausrüstung für geburtshilfliche und anästhesiologische Zwischenfälle sollte vorgehalten werden.

  • Auch für die postoperative Betreuung sollten Räumlichkeiten und Personal verfügbar sein.

Anmerkung der Autoren: Bei der Planung moderner Kreißsäle ist darauf zu achten, dass idealerweise neben dem Kreißsaal-OP und Aufwachraum mindestens eine weitere Möglichkeit zur Durchführung einer (Not‑) Sectio vorhanden sein sollte (inklusive Monitoring, Beatmung, Linksseitenlagerung). Zudem sollte in allen Kreißsaalzimmern idealerweise ein vernetztes Monitoring, eine Absaugung sowie ein Sauerstoff- und Druckluftanschluss vorhanden sein.

Allgemeinanästhesie, PDA, CSE oder Spinalanästhesie

Randomisiert-kontrollierte Studien zeigten bessere 1 und 5 min APGAR-Werte bei PDA im Vergleich zur Intubationsnarkose [99,100,101,102,103] (ITN) und unklare Ergebnisse bei der Betrachtung des umbilicalen pH-Werts [101, 103,104,105]. Der Vergleich von SpA und ITN konnte keine eindeutigen Ergebnisse bei den 1 und 5 min APGAR-Werten und des umbilicalen pH-Werts zeigen [100, 106,107,108,109,110]. Der Vergleich von SpA und PDA zeigte unklare Ergebnisse bei Einleitungs-Entbindungs-Zeit, Hypotensionsrate, umbilicalem pH und APGAR-Wert [100, 111,112,113,114,115,116,117,118,119]. Der Vergleich von CSE und PDA zeigte ebenfalls unklare Ergebnisse von Hypotensionsrate und APGAR-Werten [101, 103, 120,121,122,123,124]. Auch der Vergleich von CSE und SpA zeigte unschlüssige Ergebnisse in Bezug auf Entbindungszeit, Zeit im OP, Hypotension und APGAR-Werte [125,126,127,128]. Laut Expertenkommission sollten für die Entscheidung, welches Narkoseverfahren genutzt werden sollte, die anästhesiologischen, geburtshilflichen und fetalen Risiken, der Patientenwunsch sowie die Einschätzung des Anästhesisten entscheidend sein. Für Sectiones sollte ein neuroaxiales Narkoseverfahren der ITN vorgezogen werden. Bei der Anlage einer SpA sollte unbedingt eine Pencil-Point-Nadel und keine geschliffene Nadel verwendet werden. Bei vorhandener PDA und Indikation zur dringenden Sectio sollte der Katheter aufgespritzt werden. Eine ITN ist in manchen Situationen (z. B. fetale Bradykardie, Uterusruptur, massive Hämorrhagie, ausgeprägte frühzeitige Plazentalösung, Nabelschnurvorfall oder Beckenendlage) das Narkoseverfahren der Wahl.

Empfehlung

  • Die Entscheidung über das Narkoseverfahren ist von anästhesiologischen, geburtshilflichen und fetalen Risiken, dem Patientenwunsch und der Einschätzung des Anästhesisten abhängig.

  • Bei der Anlage einer SpA sollte eine Pencil-Point-Nadel verwendet werden.

  • Für Sectiones sollte ein neuroaxiales Narkoseverfahren der ITN vorgezogen werden.

  • In manchen Situationen (z. B. fetale Bradykardie, Uterusruptur, massive Hämorrhagie, ausgeprägte frühzeitige Plazentalösung, Nabelschnurvorfall oder Beckenendlage) ist die ITN aus Zeitgründen häufig das Anästhesieverfahren der Wahl. Dies trifft vor allem bei drohender Asphyxie des Kindes zu bzw. bei Kontraindikationen zu neuroaxialem Verfahren (schwierige Anatomie, Gerinnungsproblematik).

Anmerkung der Autoren: In gewissen Situationen ist auch ein zweizeitiges Vorgehen anzustreben. Beispielsweise kann bei einer Plazenta accreta/increta/percreta zunächst eine SpA inklusive arteriellem Monitoring angelegt werden und nach Abnabelung des Kindes eine ITN sekundär erfolgen.

I. v. Flüssigkeit

Randomisiert-kontrollierte Studien zeigen keine eindeutigen Ergebnisse zu den Effekten der Inzidenz einer mütterlichen Hypotonie nach „Preloading/Coloading“ im Vergleich zu keinem Flüssigkeitsbolus während der SpA-Anlage [129,130,131,132,133,134,135]. Die Expertenkommission vermutet allerdings, dass durch „Preloading“ eine Hypotension nach Anlage einer SpA reduziert werden kann, wobei keine Zeit durch diese Maßnahme vergeudet werden sollte.

Empfehlung

  • „Preloading“ und „Coloading“ resultieren wahrscheinlich in weniger Hypotension nach SpA-Anlage.

  • Die SpA-Anlage sollte allerdings durch ein „Preloading“ nicht verzögert werden.

Anmerkung der Autoren: Während und unmittelbar nach Anlage der SpA wird intravenös balancierte Flüssigkeit (z. B. 1500–2000 ml Elomel) zur Erhöhung der kardialen Vorlast und Steigerung von Herz-Zeitvolumen und Blutdruck gegeben.

Ephedrin oder Phenylephrin

Klinische Studien zeigen, dass der Einsatz von i. v. Ephedrin die maternale Hypotensionsrate im Vergleich zu Placebo deutlich senkt [136,137,138,139,140]. Bei einer i. m. Applikation konnte kein eindeutiger Vorteil festgestellt werden [141,142,143]. Beim Einsatz von Phenylephrin konnte nach Anwendung von hohen Dosen eine Reduktion der Hypotensionsrate gezeigt werden [141, 144,145,146]. Im direkten Vergleich von Ephedrin und Phenylephrin zeigte sich eine geringere Hypotensionsrate beim Einsatz von i. v. Phenylephrin [147,148,149,150,151,152]. Die Expertenkommission ist der Meinung, dass beide Substanzen gut zur Therapie der mütterlichen Hypotension nach neuroaxialem Narkoseverfahren genutzt werden können.

Empfehlung

  • Ephedrin und Phenylephrin können zur Therapie einer Hypotension nach SpA-Anlage verwendet werden.

  • Bei fehlender maternaler Bradykardie sollte Phenylephrin bevorzugt werden, was zur Verbesserung des umbilicalen arteriellen pH-Wertes führt.

Anmerkung der Autoren: Da die uterinen Gefäße keine Autoregulation zeigen, ist ein adäquater Blutdruck während SpA und PDA essentiell, wobei immer eine Systole von >100 mm Hg (besser Normalwerte) anzustreben ist. In der klinischen Praxis wird häufig ein Vasopressor bereits bei Anstieg der Herzfrequenz bzw. Änderung der Kurve der Pulspletysmographie vor Beendigung der Blutdruckmessung gegeben, um einen Blutdruckabfall zu verhindern. Direkt nach SpA-Anlage kommt es in 85 % zu einer therapiebedürftigen signifikanten Hypotonie, welche in aller Regel gut durch eine kombinierte Flüssigkeit- und Vasopressorgabe (z. B. 100 µg Phenylephrin i. v. oder 5 mg Ephedrin i. v. als Bolus) beherrschbar ist.

Neuroaxiale Opioide zur postoperativen Schmerztherapie

Randomisiert-kontrollierte Studien konnten belegen, dass epidural applizierte Opiate mit einer verbesserten postoperativen Analgesie assoziiert sind als i. v. oder i. m. verabreichte Opiate [153,154,155,156,157,158,159]. Allerdings konnte eine geringere Rate an Übelkeit, Erbrechen, Juckreiz und Sedierung als Nebenwirkung für epidurale Opiate nicht gezeigt werden [153,154,155,156,157, 159,160,161,162,163,164]. Das Expertengremium ist der Meinung, dass epidural applizierte Opiate Vorteile gegenüber parenteral verabreichten Opiaten aufweisen.

Empfehlung

  • Zur postoperativen Schmerztherapie sollten epidural applizierte Opiate bevorzugt werden.

Anmerkung der Autoren: Nach Sectio caesarea weisen ca. 20 % aller Patientinnen einer numerischen Schmerzscore von ≥7 auf, nach vaginaler Geburt nur etwa 10 % aller Gebärenden. Einen (über 2 Monate) persistierenden Schmerz entwickeln im Durchschnitt 10 % aller geburtshilflichen Patientinnen. Sowohl die intrathekale Applikation von Morphin (z. B. 100–150 µg) im Rahmen der SpA als auch die epidurale Applikation von Morphin (z. B. 3–4 mg) im Rahmen der PDA reduzieren postpartale Schmerzen innerhalb der ersten 24 h. Ein erhöhter Akutschmerz ist assoziiert mit der Inzidenz der postpartalen Depression und persistierenden Schmerzen, weshalb Schmerzen erstgenommen werden sollten. Deshalb sollten auch erweitere schmerztherapeutische Verfahren (z. B. Morphin-Schmerzpumpe, Musculus transversus abdominis (TAP) Blockade [z. B. 20 ml Naropin 0,375 % pro Seite ultraschallgezielt]) angewendet werden .

Postpartale Tubenligatur

In der Literaturrecherche konnte kein Vorteil für ein neuroaxiales Narkoseverfahren im Vergleich zu einer ITN gezeigt werden. Ebenso wenig konnte der ideale Zeitpunkt für die Durchführung der Tubenligatur in Bezug auf das mütterliche Outcome festgestellt werden. Das Expertengremium stimmt überein, dass die Patienten 6–8 h vor der geplanten Tubenligatur keine feste Nahrung mehr zu sich nehmen sollten und die Entscheidung über Zeitpunkt und Narkoseform individuell nach vorhandenen Narkoserisiken und Patientenwünschen getroffen werden muss. Die Mitglieder der Expertenkommission bevorzugen mehrheitlich ein neuroaxiales Narkoseverfahren.

Empfehlung

  • Keine feste Nahrung 6–8 h vor Tubenligatur, an eine Aspirationsprophylaxe denken.

  • Zeitpunkt und Narkoseform müssen nach vorhandenen Narkoserisiken und Patientenwünschen individuell entschieden werden.

  • Neuroaxiale Narkoseverfahren sind der ITN vorzuziehen.

    • Die Magenentleerung kann durch während der Geburt gegebene Opiate verzögert sein.

    • Das Risiko einer PDA-Dislokation steigt mit der Liegedauer des Katheters.

Anmerkung der Autoren: Im Falle eines Kaiserschnittes mit Tubenligatur kann sich die OP-Dauer verlängern, weshalb häufig eine hoch-normale Dosis bei der SpA appliziert wird.

Postpartale Blutung

Sowohl die Literatur als auch die ASA-Mitglieder empfehlen die Vorhaltung von Ressourcen zum Management einer postpartalen Blutung [165,166,167,168,169,170,171,172].

Empfehlung

  • Krankenhäuser, die geburtshilfliche Dienste anbieten, müssen eine postpartale Blutung behandeln können.

    • Im Notfall muss „0 negativ“ als Bluttransfusion gegeben werden.

    • Wenn ein „Cellsaver“ vorhanden ist, soll er auch genutzt werden.

Anmerkung der Autoren: Die postpartale Blutung und damit assoziierte Gefahren werden in der Geburtshilfe häufig unterschätzt, weshalb eine genaue Kenntnis der aktuellen Leitlinien zur Behandlung der postpartalen Blutung essentiell ist. Diese Leitlinien sollten in einem krankenhausspezifischen Algorithmus Berücksichtigung finden und die Behandlung sollte in Form von speziellen Simulationstrainings von den behandelnden Disziplinen (Geburtshilfe, Anästhesie, Hebammendienste, u. a.) geübt werden.

Schwieriger Atemweg

Studien zeigen, dass das Vorhandensein der Ausrüstung für den schwierigen Atemweg die maternale, fetale und neonatale Komplikationsrate reduziert [173,174,175,176,177,178,179,180,181]. ASA-Mitglieder sehen es als notwendig an, dass Personal und Ausrüstung für den schwierigen Atemweg vorgehalten wird.

Empfehlungen

  • Die Basisausrüstung für die Atemwegssicherung muss immer verfügbar sein.

  • Die Ausrüstung für den schwierigen Atemweg muss mobil und schnell verfügbar sein.

  • Ein krankenhausinterner Notfallalgorithmus für den schwierigen Atemweg muss vorhanden sein.

  • Bei fehlgeschlagener Intubation muss an eine Larynxmaske oder an Masken-Beutel-Beatmung gedacht werden.

  • Wenn eine Ventilation nicht möglich ist, muss unverzüglich ein chirurgischer Atemweg geschaffen werden.

Anmerkung der Autoren: Schwangere gelten spätestens ab der 20. Woche als nicht-nüchtern. Bei Schwangeren am Termin ist das Risiko schwerwiegender Atemwegskomplikationen gegenüber der Normalbevölkerung um das 20-fache erhöht. Das Risiko für einen schwierigen Atemweg beträgt ca. 1:30, das Risiko für eine unmögliche Intubation beträgt ca. 1:300. Neben der Atemwegssicherung bei Einleitung treten die meisten respiratorischen Komplikationen bei der Ausleitung der Narkose auf. In der Geburtshilfe besteht die Besonderheit, dass im Falle eines Not-Kaiserschnittes ein mögliches Problem sehr schnell gelöst wird, um früh möglichst mit der Operation beginnen zu können (z. B. auch Atemwegssicherung durch Larynxmaske).

Herz-Kreislauf-Stillstand

Die Studienlage ist uneinheitlich für die Evaluierung der Effizienz von Reanimationen in der Geburtshilfe. Es konnte gezeigt werden, dass eine möglichst schnelle Sectio die Situation für die Mutter verbessert. Für das Kind steigt die Überlebenswahrscheinlichkeit ab der 24.–25. Schwangerschaftswoche und einer Sectio binnen 5 min nach mütterlichem Kreislaufstillstand. Das Expertenkonsortium empfiehlt einen sofortigen Beginn mit Basismaßnahmen (Basic Life Support) und erweiterten Reanimationsmaßnahmen (Advanced Life Support) so schnell als möglich. Während der laufenden Reanimation sollte die Mutter in Linksseitenlage gebracht werden und frühzeitig an eine Sectio („Perimortem Sectio Caesarea“) gedacht werden.

Empfehlung

  • Die Ausrüstung für eine Reanimation sollte sofort verfügbar sein.

  • Tritt ein Kreislaufstillstand ein, muss sofort mit der Reanimation begonnen werden.

    • Mutter in Linksseitenlage bringen.

    • Kann kein Spontankreislauf binnen 4 min hergestellt werden, sollte eine Notsectio erfolgen.

Anmerkung der Autoren: Es besteht eine sehr hohe krankenhausspezifische Variabilität (>7fache Unterschiede) der maternalen Mortalität. In einigen Ländern ist diese aufgrund des zunehmenden maternalen Alters und assoziierter Organdysfunktionen sowie weiterer Risikofaktoren wieder steigend. Zu den besonderen Risikofaktoren zählen zerebrale (z. B. Epilepsie), pulmonale (z. B. Mukoviszidose), kardiale (z. B. Klappenersatz, Herzerkrankung), renale (z. B. Nierenerkrankung), metabolische (z. B. Diabetes, Syndrome) Funktionsstörungen, Zustand nach Organersatz (z. B. Leber‑, Nieren‑, Lungentransplantation) sowie ein spezieller Habitus (z. B. Wirbelsäulenerkrankungen, Adipositas).

Laut internationalem Konsensus sollte nach 4 min Reanimation ohne Rückkehr eines Spontankreislaufes eine „Perimortem Sectio Caesarea“ unverzüglich durchgeführt werden („Do it on the spot“). Zur Durchführung dieser ist lediglich ein Skalpell und Geburtshelfer notwendig. Um eine kontinuierliche Herzdruckmassage zu ermöglichen, soll die Patientin nicht extra in einen OP transferiert werden.

Literaturempfehlung

  • Wallenborn J: Analgesie und Anästhesie in der Geburtshilfe. Anästh Intensivmed 2017;58:66–84 [97]

  • Neuhaus S et al. Why mothers die. Anästhesist 2016;65:281–94 [182]

  • Difficult Airway Society: Master Algorithm Obstetric Anesthesia 2016 [183]

  • ASA: Practice Guidelines for Obstetric Anesthesia 2016 [1]

  • ÖGARI: Regionalanästhesie unter gerinnungshemmender Medikation 2016 [184]

  • AWMF Leitlinie: Hygieneempfehlungen für die Regionalanästhesie 2014 [185]

  • AWMF Leitlinie: Peripartale Blutungen, Diagnostik und Therapie 2016 [186]

  • AWMF Leitlinie: Therapie hypertensiver Schwangerschaftserkrankungen 2013 [187]

  • AWMF Leitlinie: Anwendung des CTG während Geburt 2013 [188]

  • AWMF Leitlinie: Frühgeborene an der Grenze zur Lebensfähigkeit 2014 [189]

  • Zur Frage der postoperativen Überwachung von Kaiserschnittpatientinnnen. Anästh Intensiv 2016;57:47–50 [190]

  • Einsatz von Lachgas zur Schmerztherapie unter der Geburt. Anästh Intensiv 2014;55:679–682 [191]