Der chemische Pflanzenschutz steht unter der besonderen gesellschaftlichen Kritik, einen hohen negativen Einfluss auf Agrobiozönosen zu haben. Selbst neue insektizide Wirkstoffe, die beispielsweise Neonicotinoide ersetzen, beeinflussen nützliche Organismen negativ (z. B. Übersichtsbeitrag von Siviter und Muth 2020). Demgegenüber belegten jedoch schon frühere wissenschaftliche Untersuchungen, dass z. B. bei Anwendung von Insektiziden nach einer Reduzierung der nützlichen Laufkäfer (Carabidea) und Kurzflügelkäfer (Staphylinidae) eine schnelle Wiederbesiedlung der behandelten Parzellen erfolgte (Goos et al. 1974). Auch Organismen, die an der Erhaltung der Bodenfruchtbarkeit beteiligt sind, wurden nach Domsch (1974) nicht negativ durch Pflanzenschutzmittel beeinflusst. Dies bestätigte auch Wainwright (1978) in seinem Übersichtsartikel, dass mit Ausnahme breit wirksamer Fungizide und Begasungsmittel nur eine geringe Beeinflussung der Mikroben im Boden zu beobachten war. Im Sinne der Prinzipien eines integrierten Pflanzenschutzes sollte der Einsatz chemischer Substanzen jedoch auf ein notwendiges Maß reduziert werden und nur dann erfolgen, wenn andere Maßnahmen gegen den jeweiligen Schaderreger nicht wirksam sind. Dies ist nicht nur aus ökonomischer und ökologischer, sondern auch aus Sicht der toxikologischen Wirkung auf die Kulturpflanze selbst von Bedeutung. So beschreiben Arlt und Feyerabend (1972) in fast der Hälfte ihres Buches zahlreiche Schadwirkungen durch Herbizide an Kulturpflanzen, die meist durch unsachgemäße Anwendung bzw. dem Zusammenwirken ungünstiger Witterungsbedingungen verursacht wurden.

Im Sinne der Notwendigkeit einer chemischen Pflanzenschutzmaßnahme ist das Ziel eines präzisen Pflanzenschutzes, nur die Feldbereiche bzw. Pflanzen zu behandeln, wo ein Vorkommen des jeweiligen Schaderregers sicher nachgewiesen wurde. Beispielsweise fliegen Schadinsekten zunächst in die Randbereiche der Kulturpflanzenfelder ein. Schon vor etwa 50 Jahren erkannten daher u. a. Wetzel (1974) bei Getreideblattläusen, Kühne (1970) beim Rapsglanzkäfer (Meligethes aeneus F.) und bei der Kohlschotengallmücke (Dasneura brassicae Winn.) sowie Nussbaum und Dann (1974) beim Erbsenwickler (Cydia nigricana F.), dass Feldrand- und Teilflächenbehandlungen neben ökonomischen Vorteilen der Kostensenkung auch zu einer Reduzierung der toxikologischen Belastung der Agrobiozönose durch den Erhalt unbehandelter Feldbereiche zur Folge hatte.

Diese heute auch als teilflächenspezifischer Pflanzenschutz bezeichnete Strategie der Feldbewirtschaftung kann zukünftig dazu beitragen, biologische Zusammenhänge zwischen Schaderregern, Kulturpflanzen und Nützlingen zu nutzen, um die Anzahl chemischer Behandlungen in einem Feld zu reduzieren. Mit dem derzeitigen Trend zu verstärkter Frühjahrs- und Sommertrockenheit nehmen beispielsweise Unterschiede im Abreifezeitpunkt in Getreidefeldern mit heterogenen Bodenbedingungen zu. Auf ärmeren Boden kommt es immer häufiger zur Nottreife. Innerhalb eines Winterweizenfeldes war ein Reifeunterschied bis zu 1 Monat zu beobachten (Dammer 2005). So ist ein Blattlausbefall in zeitig abreifenden, ertragsschwachen Teilflächen nahezu nicht ertragsreduzierend im Vergleich zu den später abreifenden, noch grünen, ertragsstarken Feldbereichen. Durch eine sensorgesteuerte Anpassung der insektiziden Spritzbrühemenge bei der Bekämpfung der Großen Getreidelaus (Sitobion avenae (Fabr.), syn. Macrosiphon avenae (Fabr.)) an die Biomasse konnten beispielsweise in einem Winterweizenfeld der Siebenpunkt-Marienkäfer (Coccinella septempunctata L.) als deren Prädator (Fressfeind) gezielt geschützt werden (Dammer und Adamek 2012). Durch derartige Bekämpfungsstrategien könnten eventuelle Folgebehandlungen vermieden werden.

Voraussetzung für eine zielgenaue Anwendung von Pflanzenschutzmitteln sind neben entsprechender Applikationstechnik ein sensorgestütztes Schaderregermonitoring des gesamten Feldes, was durch visuelle Bonituren nicht zu realisieren ist. Nicht nur Ort und Auftreten von Schaderregern sind möglichst in Bruchteilen von Sekunden während des Spritzvorgangs zu erfassen. Auch ist zur Beurteilung der Sinnhaftigkeit einer chemischen Behandlung die Ermittlung des zu erwartenden Schadens durch eine zahlenmäßige Erfassung des jeweiligen Schaderregers von Nutzen (z. B. Individuen pro Pflanze oder Individuen pro m2, % befallene Blattfläche oder % befallene Pflanzen). Besonders in Feldern mit heterogener Biomasse variieren die ökonomischen Schadensschwellen zeitlich und räumlich. Dabei ist zu bedenken, dass eine Totalvernichtung des jeweiligen Schaderregers nicht nur aus ökologischer Sicht nicht immer sinnvoll ist. Ökonomisch wirkte sich beispielsweise in Exaktversuchen ein schwacher Befall durch die Großen Getreidelaus von bis zu 9 Individuen je Ähre im Winterweizen sogar ertragssteigernd aus (Jahn und Mehrbach 1984).

Innerhalb eines präzisen, zielorientierten Pflanzenschutzes ist die sensorbasierte Erkennung von Unkräutern in Kulturpflanzenfeldern in der Forschung am weitesten vorangeschritten. Übersichtsbeiträge z. B. zur sensorbasierten Erkennung von Unkräutern geben Peteinatos et al. (2014), von Pflanzenkrankheiten Sankaran et al. (2010) und von Schadinsekten Bieganowski et al. (2021). Inhalt einer vom Bundesministerium für Bildung und Forschung finanzierten (FKZ: 01DK20084) Arbeitstagung (11. und 12. Mai 2022) am Leibniz-Institut für Agrartechnik und Bioökonomie in Potsdam war die sensorbasierte Erkennung von Schaderregern in Freilandkulturen.

Die Beiträge beschäftigten sich vor allem mit kameragestützten Methoden, die sowohl ein Monitoring ober- sowie unterhalb der Pflanzenoberfläche erlauben. Im Folgenden werden die Langfassungen ausgewählter Beiträge dieser Arbeitstagung vorgestellt. Besonders ein zeitiger Nachweis des jeweiligen Schaderregers zu Beginn einer Massenvermehrung ist bezüglich des Schutzes der Antagonisten in der Agrobiozönose wichtig. Prädatoren von Schadinsekten sind beispielsweise bei einer frühen Insektizidspritzung meist noch gar nicht im Feld vorhanden und können somit nicht geschädigt werden. Steht bei den vorgestellten Methoden die Erkennung von Schaderregern im Vordergrund, könnten diese zukünftig auch für das Monitoring von Nützlingen in Agrobiozönosen Anwendung finden, um diese zukünftig stärker bei deren Regulierung einzubeziehen.

FormalPara Schlüsselwörter

Agrobiozönose ⋅ Bildverarbeitung ⋅ Erkennung Schaderreger ⋅ Kamerasensoren ⋅ Monitoring ⋅ Präziser Pflanzenschutz

Workshop “Sensor-based recognition of harmful organisms in outdoor cultivars” at the Leibniz-Institute for Agricultural Engineering and Bioeconomy Potsdam-Bornim (ATB), 11 and 12 May 2022

Chemical crop protection is in the critical focus of the society to have a negative impact on the agrobiocoenosis. At present, also novel insecticide substances, which replace neonicotinoids, influenced predatory insects as enemies of insect pests negatively (e.g., review paper of Siviter and Muth 2020). However, early scientific research showed that after insecticide spraying and a reduction of beneficial ground beetles (Carabidae) and rove beetles (Staphylinidae) a fast recolonization of the sprayed plots occurred (Goos et al. 1974). Pesticides had no substantial impact regarding organisms, which are responsible for the soil fertility (Domsch 1974). Wainwright (1978) also confirmed these findings in his review paper. He concluded that with the exception of fumigants and some broad-spectrum fungicides, pesticides had only a little deleterious influence on microbes and the soil processes. Nevertheless, in terms of an integrated crop protection the use of chemical substances should be reduced to a necessary minimum and should be limited, if other measures are not effective against the particular pest. Beside the economic and ecological importance, the toxicological impact of pesticides on the crop itself should not be ignored. Regarding herbicides, Arlt und Feyerabend (1972) devoted almost one half of their book for a multitude of crop damages mostly caused by their faulty use and unfavourable weather conditions at the time of spraying.

In terms of the necessity for a chemical control measure, the aim of a precise crop protection is to spray only those areas or plants where an occurrence of the particular pest has been reliably detected. For example, pest insects often colonize the border areas of a field at the beginning of an epidemic outbreak. Already 50 years ago, Wetzel (1974) with respect to cereal aphids, Kühne (1970) with respect to the rape pollen beetle (Meligethes aeneus F.) and the brassica pod midge (Dasneura brassicae Winn.) and Nussbaum and Dann (1974) with respect to the pea moth (Cydia nigricana F.) advised spraying of infected borders and sub areas within the field. They found, that this would not only reduce costs but also preserve nontreated areas of the agrobiocoenosis to maintain beneficial organisms and antagonists (forager) of crop pests within an individual field.

Also presently known as site-specific crop protection, this management strategy can help to use interactions between pests, crop, and beneficial organisms more efficiently to reduce the number of chemical control measures. In fields with heterogeneous soil quality, crop growth (biomass) became more heterogeneous in recent years. Climate change, for example, lengthens the period of spring and summer drought in Europe. Hence, differences in the time of maturing in the same field increased. Poor growing areas (low crop density) maturing earlier than well growing areas (high crop density). In winter wheat, a difference of up to one month in maturing was reported (Dammer 2005). For example, crop yield reduction by aphids depends on the timing of the infestation. At early growth stages of the crop, the yield reduction is stronger than in late growth stages. Maturing field areas need no protection at all. For controlling the english grain aphid (Sitobion avenae (Fabr.), syn. Macrosiphon avenae (Fabr.)) a sensor-based adjustment of the insecticide spray volume to green biomass in winter wheat maintained the seven-spot lady beetle (Coccinella septempunctata L.) as predator of aphids (Dammer and Adamek 2012) to avoid re-spraying of the field.

Beside suitable application technologies, a requirement of a target-orientated precise spraying is a sensor-based pest monitoring of the whole field, which could not be realized by visual assessment. Not only presence and location have to be detected by sensors in a fraction of a second. In order to estimate the resulting yield loss due to the respective pest, a numerical pest determination is necessary (e.g., individuals per plant or individuals per m2, % infested leaf area or % infested plants). This can help to make a decision for or against spraying. Especially in heterogeneous fields (different crop growth/biomass), economic damage levels of the particular pest vary in time and space. However, it has to be considered that a total elimination of the respective pest from the agrobiocoenosis is not always meaningful from an ecological but also from an economical point of view. In single plant experiments with winter wheat, a weak infection level of the english grain aphid (up to 9 individuals per ear) resulted even in an increase of the yield (Jahn and Mehrbach 1984).

In terms of a precise, target-orientated crop protection, the sensor-based recognition of weeds has been investigated most intensively. Examples for review papers for the different group of harmful organisms can be found at Peteinatos et al. (2014) for weed detection, at Sankaran et al. (2010) for disease detection and at Bieganowski et al. (2021) for insect detection. On 11 and 12 May 2022 a workshop about sensor-based recognition of harmful organisms in outdoor cultivars were performed at the Leibniz Institute for Agricultural Engineering and Bioeconomy in Potsdam, which was financed by the Federal Ministry of Education and Research (FKZ: 01DK20084). The presentations mainly dealt with camera sensor systems, which provide a monitoring from above and below the crop canopy.

Following this editorial, the full papers of selected contributions of the workshop are presented. Regarding to the antagonistic organisms in the agrobiocoenosis an early detection of the pests at the beginning of their epidemiological outbreak is important. At the time of an early insecticide application, for example predators of harmful insects are usually not yet present in the field. Consequently, they cannot be influenced negatively. In the focus of the presented methods was the recognition of harmful organisms. In future they could be also used for monitoring beneficial organisms within the agrobiocoenosis to strengthen their potential use to control them.

Keywords

Agrobiocoenosis ⋅ Camera sensors ⋅ Image processing ⋅ Monitoring ⋅ Pest detection ⋅ Precise crop protection