Einleitung – Entlaubung … oder Reflexionsfolien

Hagelnetze, abnehmende Tageslänge (Photoperiode), geringere Sonneneinstrahlung und flachere Sonnenstandswinkel im Herbst und warme Nächte sind Gründe für eine schlechtere Ausbildung der sortenspezifischen roten Deckfarbe beim Apfel (Blanke 2015; Bell et al. 2022). Früchte mit geringerer roter Färbung werden in der Wahrnehmung des Verbrauchers häufig als weniger reif und süß eingestuft (King and Cliff 2002) und können nicht in der besseren Handelsklasse I oder bei Clubsorten unter den Markennamen vermarktet werden, die einen hohen Anteil an roter Deckfarbe erfordern (Blanke 2015).

Die rote Deckfarbe wird durch die Sekundärstoffgruppe der Anthozyane hervorgerufen. Diese Farbstoffe bestehen aus aromatischen Verbindungen, die aus Phenlyalanin gebildet werden, wobei das Enzym PAL als Katalysator der Anthozyansynthese fungiert und die Synthese einleitet. Über mehrere Syntheseschritte entsteht mit Hilfe eines weiteren Schlüsselenzyms – UFGT/FGT – das rotfärbende Cyanidin (Takos et al. 2006; Wu et al. 2017). Die Aktivität beider Enzyme wird durch Lichtintensität, photosynthetisch aktive Strahlung (PAR), UVB-Strahlung und Kälte positiv beeinflusst (Xie et al. 2012), was auf genetischer Ebene bei PAR und UVB-Strahlung auf das Gen MYB1 bzw. MYBA (Ban et al. 2007; Lin-Wang et al. 2011) und bei Kälte auf MYB10 (Lin-Wang et al. 2011; Xie et al. 2012) zurückzuführen ist (Abb. 1). Diesen Anthozyanen wird die Eigenschaft zugeschrieben, freie Radikale aufzufangen und dadurch die Entstehung und Vermehrung von Krebszellen zu unterbinden bzw. zu reduzieren und oxidativen Stress in gesunden Zellen zu vermindern. Dadurch könnte eine anschließende Genmutation, also die mögliche Entstehung von Tumorzellen, unterbunden werden. Hinzu kommt, dass Anthozyane die Apoptose, d. h. den programmierten Zelltod von Krebszellen, in vitro induzieren können, indem sie die Caspasen, Enzyme der Apoptose, aktivieren (Lin et al. 2017). Darüber hinaus können Anthozyane das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes und Arthritis senken (Wang und Stoner 2008). Anthozyane aus der Nahrung wie Obst und Gemüse können Krebserkrankungen des Magen-Darm-Trakts sowie äußerlich angewandte Anthozyane die Entwicklung von Hautkrebs hemmen (Wang und Stoner 2008). Zur Förderung der Anthozyansynthese bzw. Deckfarbe können verschiedene Methoden, wie Reflexionsfolien, Biostimulanzien, Pflegemaßnahmen wie der Sommerschnitt angewandt werden. Seit 2017 wird zudem die pneumatische Entlaubung eingesetzt (Andergassen und Pichler 2019, 2022; Obrecht 2020). Die teilweise Entblätterung der Baumreihen geschieht ca. zwei bis drei Wochen vor der Ernte. Dabei werden Blätter durch kurze Luftdruckimpulse zerfetzt, ohne die Apfelfrüchte zu bewegen. Teile der Blätter sind dabei weiterhin photosynthetisch aktiv (Obrecht 2020). Solch eine Entlaubung der Bäume kann 1–2 Pflückgänge einsparen, weil die Früchte dann direkter Sonneneinstrahlung ausgesetzt sind (Andergassen und Pichler 2019; Altherr 2019). Umstritten ist diese Methode jedoch aufgrund der erhöhten Gefahr von Sonnenbrandschäden, eventuellen Druckstellen (Fegeschäden) und der Frage, ob sich der Nährstoffentzug negativ auf die Folgeblüte auswirkt, weil zum Zeitpunkt der Entlaubung die Blätter noch ihren vollen Nährstoffgehalt (Wibbe und Blanke 1995) aufweisen und die Wachstumsperiode zwischen Ernte und Laubfall der entscheidende Zeitpunkt für die Photosynthese und der Blüte im Folgejahr ist (Tartachnyk und Blanke 2001).

Abb. 1
figure 1

Visualisierung der Anthozyansynthese beim Apfel (nach Hess und Blanke 2021)

Die Nutzung von Reflexionsfolien zur Förderung der Deckfarbe hat sich insbesondere für Früchte in der unteren Baumkrone bewährt (Hess und Blanke 2021). Bisher fehlte jedoch ein Vergleich mit den anderen Methoden zur Farbförderung. Ziel der vorliegenden Arbeit war es daher, vier Methoden zur Verbesserung der Fruchtfarbe in einem Jahr mit relativ guter Ausfärbung physiologisch, ökologisch und ökonomisch zu untersuchen.

Material und Methoden

Standort und Versuchsbäume

Für den Versuch wurden ca. 80 neunjährige Apfelbäume der Sorte ‚Braeburn Hillwell‘ auf M9 mit einem Abstand von 3.5 m × 1 m unter grauem Hagelnetz auf dem Campus Klein-Altendorf (CKA) der Universität Bonn (50° N) ausgewählt. Der mittlere Jahresniederschlag am CKA beträgt 606 mm und die Tagesmitteltemperatur 9,5 °C.

Versuchsaufbau und Zeitplan der Behandlungen

Als Reflexionsfolie wurde Lumilys® sechs Wochen vor der Ernte in den Fahrgassen ausgelegt (Abb. 2), eine gewebte, weiße, wasser- und luftdurchlässige Mulchfolie (100 g/m2) aus Polypropylen – nach Herstellerangaben mit einer Haltbarkeit von 7–10 Jahren. Als Biostimulanz wurde Stimplex® als Extrakt aus der Braunalge Ascophyllum nodosum von der atlantischen Ostküste Kanadas verwendet und enthält u. a. Cytokinine. Die Biostimulanz Stimplex® wurde ca. vier und zwei Wochen vor der Ernte mit jeweils 4 L/ha nach Herstellerempfehlung appliziert (Tab. 1). Unbehandelte Bäume dienten als Kontrolle. Trennbäume grenzten die Stimplex®- und Lumilys®-Parzellen ab.

Abb. 2
figure 2

Lumilys® Reflexionsfolie mit Sandsäcken beschwert in den Fahrgassen unter grauem Hagelnetz in Klein-Altendorf

Tab. 1 Zeitplan des Versuchs zur Farbverbesserung beim Apfel in Klein-Altendorf 2020

Tab. 1 zeigt den zeitlichen Ablauf des Versuchs zur Farbverbesserung. Die Entlaubung erfolgte von Hand, einmal mit (Abb. 3a), einmal ohne Erhaltung der Blätter an den Triebspitzen (Abb. 3b) – Letztere entspricht etwa der Wirkung der pneumatischen Entlaubungsmaschinen. Bei dem relativ schwachen, späten Sommerschnitt (ca. 30 h/ha) wurden auf die Früchte Schatten werfenden Triebe vornehmlich im mittleren Baumbereich bis 1,8 m vom Boden entfernt (Abb. 3c).

Abb. 3
figure 3

Entlaubung der Apfelbäume im unteren Bereich der Baumkrone bis 1,80 m mit (a) bzw. ohne (b) Erhalt der Triebspitze sowie (c) Sommerschnitt

Farbmessungen und Bestimmung der Fruchtqualität

Die Farbmessungen erfolgten bei der Qualitätssortierung mittels einer optischen Sortiermaschine vom Typ MSE 2000 (Greefa, Geldermalsen, Niederlande) und dreimal in wöchentlichem Abstand vor der Ernte an den gleichen markierten (Abb. 4) 120 Früchten (20 Früchte pro Behandlung: 5 Früchte unten bis 1,0 m vom Boden auf der West- und Ostseite und 5 in der Baummitte 1,0–1,8 m auf der West- und Ostseite). Die Farbmessungen am Baum bzw. im Feld erfolgten mit einem tragbaren i1Pro Spektrometer (X-rite, Michigan, USA). Die 5 Farbwerte pro Apfel, d. h. 4 an der Außen- und Innenseite am Fruchtäquator (alle 90°) sowie an der Unterseite (Abb. 4) wurden gemittelt dargestellt (Abb. 6). Im Rahmen der Bestimmung des Streif-Index wurden Fruchtfleischfestigkeit, Zuckergehalt und Stärkeabbau als Reifeparameter nach Standardmethoden erfasst (Funke und Blanke 2006).

Abb. 4
figure 4

Markierungen am Apfel für die Farbmessungen in der Obstanlage

Kohlenhydrate und Blüte im Folgejahr

Bei beiden Entlaubungsvarianten (mit und ohne Triebspitze) wie auch beim moderaten Sommerschnitt (Abb. 3c) wurden Blätter am 17. September entfernt (Tab. 2) – vor der Verlagerung ihrer wertvollen Inhaltsstoffe. Die damit entfernten Kohlenhydrate der Blätter wurden – nach vergleichbaren Werten früherer enzymatischer Kohlenhydratanalysen – nach Wibbe und Blanke (1995) berechnet. Die Werte wurden dann ins Verhältnis gesetzt zu den Kohlenhydraten aller Blätter am Baum vor der Entlaubung (= 100 %). Die Blühstärke (Abb. 5) wurde im April 2021 nach der Blühskala von 1–9 (Weißblüte) bonitiert (Peifer et al. 2018).

Tab. 2 Bei der Entlaubung entfernte Blätter in Gramm Frisch- und Trockenmasse
Abb. 5
figure 5

Apfelblüte der ‚Braeburn Hillwell‘ Baumreihe im Folgejahr 2021 in Klein-Altendorf

Statistik

Die °hue-Werte, Reifeparameter und Sortierergebnisse wurden mittels SPSS (IBM Statistics Version 27, 2020) statistisch ausgewertet. Nach Überprüfung der Daten hinsichtlich ihrer Normalverteilung und Varianzhomogenität erfolgten eine einfaktorielle Varianzanalyse ANOVA mit einer Irrtumswahrscheinlichkeit von 5 % und der Tukey-Test als Post-hoc-Test. Für normalverteilte Datensätze (Streif-Index, Fruchtfarbe, Sortierung) ohne Varianzhomogenität wurde auf den Welch-Test zurückgegriffen mit anschließendem Games-Howell-Test. Lag keine Normalverteilung vor, konnte der nichtparametrische Kruskal-Wallis-Test zur paarweisen Überprüfung der Signifikanzen herangezogen werden.

Ergebnisse

Farbwerte aus den Feldmessungen

Farbförderung in den unteren und mittleren Kronenbereichen

Im unteren Bereich der Baumkrone bis 1 m vom Boden – sowohl an der Ost- als auch Westseite – wiesen die Äpfel – außer bei Lumilys® – die geringste Fruchtfärbung auf; dagegen zeigte sich die gezielte positive selektive Wirkung der Reflexionsfolie Lumilys® auf diese Äpfel im unteren Kronenbereich (Abb. 6). Sowohl auf der Ost- als auch der Westseite war die Farbdifferenz zwischen der Kontrolle und der Reflexionsfolie mit ca. 13°hue signifikant (α = 0,047), wobei im unteren Kronenbereich der niedrigste bzw. beste Farbwinkel mit 43°hue (Ost) und 45°hue (West) bei der Reflexionsfolie erzielt wurde (Abb. 6 Balken Ost unten); zwischen der Teilentlaubung inklusive Triebspitzen und der Reflexionsfolie bestand ein statistisch signifikanter Unterschied (α = 0,022) von 12°hue (Tab. 3).

Abb. 6
figure 6

Fruchtfarbe als °hue Farbwinkel bei der letzten Feldmessung vor der Ernte (14. Oktober 2020) – Mittelwerte aus fünf Positionen an jeder Frucht (n = 5 Früchte pro Variante, plus SE) im unteren und mittleren Teil auf der Ost- und Westseite der Apfelbäume

Tab. 3 Farbwinkel in °hue der Äpfel aus der Ost- und Westseite der Baumkrone am 14. Oktober 2020 vor der Ernte

Im mittleren Kronenbereich ab 1 m Höhe vom Boden färbten sich die Äpfel nach Entlaubung der unteren und mittleren Baumkrone mit 38–43°hue am besten (Abb. 6) – generell war die Ausfärbung in der Kronenmitte besser als im unteren Kronenbereich (Abb. 7). Der späte Sommerschnitt förderte die Deckfarbe am stärksten auf der Westseite der Baumreihe, d. h. an der Stelle mit der intensivsten Sonneneinstrahlung. Die Biostimulanz Stimplex® verbesserte die Farbausprägung um ca. 5°hue in allen Bereichen der Baumkrone (Abb. 6). Sowohl auf der Ost- als auch der Westseite im mittleren Kronenbereich lagen die Farbwinkel bei 39–49°hue (Ost) bzw. 38–48°hue (West) und unterschieden sich statistisch nicht signifikant von der unbehandelten Kontrolle (48°hue Abb. 6).

Abb. 7
figure 7

Farbentwicklung an den Äpfeln im mittleren (a,b) und unteren (a, c) und mittleren (b, d) Kronenbereich der West- und Ostseite der Baumreihe in Klein-Altendorf 2020 (Durchschnitt aus 5 Äpfeln je Kronenbereich, n = 25 pro Wert)

Farbförderung auf der Schatten‑, Sonnen- und Unterseite des Apfels

Während sich die Farbwerte für die Sonnenseite der Äpfel zwischen 24° und 37°hue (tiefrot bis rot) bewegten, lag dieser Farbwinkel auf der Schattenseite der Früchte zwischen 35°und 75°hue (rot bis hellorange-gelb). Die Abb. 8 zeigt die stärkere Wirkung der Reflexionsfolie Lumilys® sowohl auf der Schatten- und Unterseite als auf die Sonnenseite der Früchte im unteren Kronenbereich; das Gleiche trifft für die Biostimulanz Stimplex® zu. Insgesamt ergab der Vergleich unter allen Parzellen bezüglich der sonnenexponierten Fruchtseite nur einen signifikanten Unterschied zwischen der Kontrolle und Sommerschnitt im unteren Kronenbereich der Westseite. Die beste Farbausprägung mit 53–58°hue auf der Fruchtunterseite erzielte die Reflexionsfolie Lumilys® WH110 (Abb. 8c) und trug damit wesentlich zur besseren Farbeinstufung der gesamten Früchte bei, wobei die Fruchtunterseite teilweise sonnenexponiert war.

Abb. 8
figure 8

Rotfärbung der Äpfel als Farbwinkel (°hue) der Sorte ‚Braeburn Hillwell‘ zur Ernte auf der (a), Sonnen- (a), Schatten- (b) und Unterseite (c) der Frucht (5 Äpfel/Position n = 5 pro Wert plus SE)

Reife – Streif-Index

Die Fruchtreife wurde an den 10 markierten Äpfeln pro Variante aus den mittleren Kronenbereichen auf der Ost- und Westseite bestimmt. Dabei bestanden weder bei der Fruchtfestigkeit noch beim Zuckergehalt und Stärkeabbau statistisch signifikante Unterschiede (Tab. 4 und Abb. 8), mit einer etwas geringeren Fruchtfestigkeit bei der Biostimulanz und einem etwas geringeren Zuckergehalt bei Lumilys®. Die Äpfel mit der Biostimulanz waren der Tendenz nach etwas früher reif (Streif-Index 0,15), im Vergleich zur Kontrolle (Streif-Index 0,18). Dagegen reiften die Früchte mit der Reflexionsfolie Lumilys® statistisch signifikant später (Streif-Index 0,29) (Tab. 4), wobei zu beachten ist, dass die Reife der Früchte im mittleren und nicht im unteren Kronenbereich – gemessen wurde.

Tab. 4 Reifeparameter der Äpfel aus dem mittleren Kronenbereich und Streif-Index am 16. Oktober 2020 zur Ernte sowie minimale und maximale Sollwerte für das Erntefenster

Förderung der Fruchtfarbe – Sortiermaschine

Die Sortierung der Äpfel aller Versuchsparzellen erfolgte baumweise zwei Tage nach der Ernte am 19. Oktober 2020. Die Farbsortierung erfolgte nach einem Anteil an Äpfeln in Stufen von 25 % Rotanteil (Abb. 9).

Abb. 9
figure 9

Reifeverlauf der Früchte (als Streif-Index) in Abhängigkeit von den farbfördernden Behandlungen in Klein-Altendorf 2020 (n = 10 Früchte pro Wert plus SE)

Alle Behandlungen verbesserten statistisch signifikant sowohl den Anteil Äpfel mit Deckfarbe > 50 % bzw. > 75 % roter Schalenanteil im Vergleich zur Kontrolle (Abb. 10). Sowohl die Reflexionsfolie Lumilys® WH110 als auch die Biostimulanz Stimplex® bewirkten den größten Anteil an Früchten mit guter (> 50 %) und sehr guter (> 75 %) Deckfarbe. Ebenso erzielte die Entlaubung sowohl mit als auch ohne Triebspitzen (simulierte Maschinenentlaubung) eine gute Ausfärbung der Früchte mit über 50 % Deckfarbe (Abb. 10).

Abb. 10
figure 10

Äpfel der Sorte ‚Braeburn Hillwell‘ mit einem Schalenanteil von > 50 % bzw. > 75 % Deckfarbe aus der Maschinensortierung in Klein-Altendorf 2020 (baumweise Sortierung) in Prozent

Wirtschaftlichkeit – Packout

Der höchste Anteil an Äpfeln mit einem Durchmesser zwischen 65 und 90 mm und mehr als 25 % Deckfarbe (Packout) konnte mit der Biostimulanz Stimplex® (90 %), der Entlaubung ohne Triebspitzen (89 %) (simulierte Maschinenentlaubung) und moderatem Sommerschnitt (89 %) erzielt werden, gefolgt von Entlaubung mit Erhalt der Triebspitzen (88 %) und Lumilys® WH110 (87 %) (Abb. 11 und Tab. 5).

Abb. 11
figure 11

Packout – Äpfel mit mehr als 25 % Deckfarbe und einem Durchmesser zwischen 65–90 mm in Prozent

Tab. 5 Menge geernteter Früchte in kg je Parzelle und absoluter sowie relativer Anteil an Früchten mit > 25 % bzw. 50 % roter Deckfarbe – die Differenzen zur Kontrolle dienen als Berechnungsgrundlage für Tab. 7

Aus dem Mittelwert besser gefärbter Früchte mit einer Deckfarbe > 25 % und > 50 % Rotanteil wurden – im Vergleich zur Kontrolle – die Anteile an Früchten errechnet, die der besseren Klasse-I-Qualität entsprechen. Da Schwankungen sowohl in der Erntemenge als auch im Preis möglich sind, wurden zwischen gut und schlecht gefärbten Früchten mit Preisdifferenzen von 15, 30 und 40 ct/kg bei Erträgen von 30, 40 und 50 t/ha unterschieden (Blanke 2019; Tab. 6 und 7).

Tab. 6 Kostenschätzung (ohne Arbeitszeit für Lumilys® und Stimplex®) pro ha und Jahr
Tab. 7 Einnahmen bzw. Verluste durch besser gefärbte bzw. bezahlte Früchte je nach Preisdifferenz von 15 bis 40 Eurocent zu schlecht gefärbten Äpfeln bei 30 t, 40 t und 50 t Ertrag/ha

Diskussion

Im Vergleich zur unbehandelten Kontrolle wurden mit allen Maßnahmen zur Farbförderung in einem Jahr guter Farbausprägung bei der Apfelsorte ‚Braeburn Hillwell‘ unter grauem Hagelnetz eine bessere Deckfarbe erzielt. Dabei wirkt die Reflexionsfolie Lumilys® WH110 vor allem im unteren Teil der Baumkrone, da die Sonnenstrahlen bis ca. 1,5 m diffus reflektiert werden (Haaf et al. 2022). Für den mittleren Kronenbereich führten die beiden Entblätterungsvarianten (38–44°hue) sowie der Sommerschnitt (40–45°hue) zu einer besseren Deckfarbe der Äpfel, wobei eine maschinelle Entlaubung gegenüber einer händischen nach Heimgartner (2019) 30 AKh/ha pro Durchgang einspart, aber die geeignete Maschine dazu angeschafft oder geliehen werden muss (Andergassen and Pichler 2022). A. Dorigoni ging in seinem Vortrag auf der Interpoma 2018 sogar von 350 AKh/ha für die manuelle Entlaubung gegenüber 3 Akh/ha für die maschinelle und pneumatische Ausdünnung mit dem OLMI-Gerät aus.

Die Biostimulanz Stimplex® wirkte im vorliegenden Versuch wesentlich besser auf die Fruchtfarbe als in früheren Versuchen mit den gleichen Bäumen (Hess and Blanke 2021), wiederum mit einer Reifeverfrühung. Umgekehrt waren die Früchte mit Lumilys® WH110 – anders als bei Hess et al. (2021) – etwas später reif. Dabei muss berücksichtigt werden, dass die Reflexionsfolie im unteren Kronenbereich wirkt, die Äpfel zur Reifemessung aus dem mittleren Kronenbereich entnommen werden.

Der hohe Anteil sehr gut gefärbter Äpfel (> 75 % Schalenanteil rot) mit Lumilys® WH110 und Stimplex® ist bei der Reflexionsfolie auf die bessere Färbung der Früchte in der unteren Baumkrone zurückzuführen und bestätigt die Ergebnisse von Hess et al. (2021) und Zoth (2021). Die positive Wirkung der Biostimulanz auf die Rotfärbung der Äpfel konnten Schuhknecht et al. (2017) an den gleichen Bäumen in Versuchen mit anderen Biostimulanzien mit ähnlichen Prozentwerten nachweisen. Bradshaw et al. (2013) jedoch verzeichneten mit der Biostimulanz Stimplex® keine Auswirkungen auf die Fruchtqualität. Im mittleren Kronenbereich erbrachten die Entblätterungsvarianten ähnlich gute Ergebnisse, wie die Biostimulanz und Reflexionsfolie. Obwohl die händische Entblätterung präziser ist, unnötige Blattverluste erspart und die Früchte schont, ist sie im Vergleich zur pneumatischen Entlaubung sehr zeit- und arbeitsaufwändig (Altherr 2019). Eine Kombination von Reflexionsfolie und Entblätterungsvarianten lieferte nach Zoth (2021) bei der Sorte ‚Jonagored‘ einen höheren Anteil sehr gut gefärbter Äpfel von 1,7 kg/Baum.

Im vorliegenden Versuch war die Variante Biostimulanz Stimplex® am wirtschaftlichsten, gefolgt von der Reflexionsfolie, Sommerschnitt und der Entblätterung ohne Triebspitzen (vergleichbar mit maschineller Entlaubung), wobei der Arbeitsaufwand für Stimplex® und Lumilys® WH110 nicht berücksichtigt wurde. Für eine bessere Wirtschaftlichkeit der angewandten Maßnahmen zur Farbförderung bieten Clubsorten mit höheren Erzeugerpreisen mehr Potenzial. Weiterhin könnte die frühere Reife – hervorgerufen durch die Biostimulanz – dazu genutzt werden, Äpfel früher in den Handel zu bringen und somit zu höheren Primeurpreisen zu vermarkten. Insgesamt sind aus wirtschaftlichen Gesichtspunkten die Biostimulanz und Entlaubungsvarianten bei 40 t/ha Ertrag erst bei Preisdifferenzen ab ca. 30 cent/kg bzw. bei höheren Erträgen schon bei geringeren Preisdifferenzen rentabel.

Fazit

Nach Tab. 7 lohnte sich in diesem Jahr mit guter Fruchtausfärbung bei 40 t/ha erst bei einer Preisdifferenz von mindestens 30 Cent/kg zwischen schlecht und gut gefärbten Früchten die Farbförderung mit der Biostimulanz Stimplex® oder Reflexionsfolie bzw. bei höheren Erträgen schon bei geringeren Preisdifferenzen. Für Äpfel im unteren Kronenbereich führte die Reflexionsfolie Lumilys® WH110 zu den besten Farbergebnissen. Früchte in den oberen Baumhöhen ab einer Höhe von 1 m färbten bei den Entblätterungsvarianten und mit der Biostimulanz Stimplex® besonders gut. Die Reifeparameter wiesen für die meisten Varianten einen normalen Reifeverlauf auf mit einer leicht verfrühten Reife mit der Biostimulanz Stimplex® und einer leicht verspäteten Reife mit der Reflexionsfolie Lumilys® WH110 und etwas höheren Zuckergehalten. Die Qualitätssortierung zeigte die höchsten Anteile gut gefärbter Äpfel mit einem Deckfarbenanteil von über 50 und 75 % rot bei Lumilys® WH110 und Stimplex®. Alle diese Maßnahmen sind insbesondere für Clubsorten oder Sorten mit höheren Auszahlungspreisen interessant (Tab. 7).

Durch beide Entblätterungsvarianten und den Sommerschnitt wurden insgesamt 10–20 g CHO/Baum bzw. 10–30 % der Kohlenhydrate der Blätter eines Baums entfernt und hatten erstmal keine Auswirkungen auf die Blüte im Folgejahr, was sich bei mehrjähriger Anwendung ändern kann.