Einleitung

Der Verbraucher erwartet heutzutage, dass Obst im Supermarkt das ganze Jahr über verfügbar ist; Tafeltrauben gehören mit dazu. Nach dem Ende des Winters, einer Zeit, in der noch keine frischen heimischen Früchte zur Verfügung stehen, dominieren indische Tafeltrauben – über 3–4 Monate von Januar bis Mai 2019 und 2020 – den Weltmarkt und neben südafrikanischen das Angebot bei uns im Supermarkt. Südafrika ist als Obstlieferant bekannt, aber der deutsche Konsument ist erstmal überrascht, wenn er Indien als Herkunft der Tafeltrauben liest; mehrere Importeure beliefern zur Zeit den deutschen Markt (Abb. 1 und 2).

Abb. 1
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Tafeltrauben aus Indien bestimmen im Frühling das Traubenangebot in Deutschland

Abb. 2
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Jahreszeitliche Verfügbarkeit von Tafeltrauben in Deutschland – im Frühling dominieren Indien und Südafrika

Deutschland und England sind die größten Verbraucher bzw. Konsumenten von importierten Tafeltrauben weltweit. Der Tafeltraubenanbau in Europa nimmt ab (CBI 2019), während Nachfrage und Konsum durch das zunehmende Gesundheitsbewusstsein leicht ansteigen. Tafeltrauben sind mit 5,3 kg/Kopf/Jahr in Deutschland nach Äpfeln und Bananen die drittbeliebteste Obstart und gerade im Winter neben Äpfeln und Apfelsinen eine Vitamin C-Quelle.

Ziel dieses Beitrages ist es, den Weg der Trauben aus Indien zurückzuverfolgen und seinen CO2-Fußabdruck – im Vergleich zu Trauben vom Western Cape – zu ermitteln und zu bewerten und Ansätze zur ihrer Verminderung (Reduktionspotenziale) zu identifizieren.

Material und Methoden

Stoffflüsse zur Lieferkette von Trauben aus Indien

Indien ist der zweitgrößte Tafeltraubenproduzent weltweit und baute im Jahre 2018 auf 121.000 ha 2,6 Mio. t Tafeltrauben an. Hauptanbaugebiet ist Maharashtra in Mittelindien. Dort werden die Tafeltrauben nach der Ernte in 500 g-Plastik-Schalen aus PET (20 g mit Deckel) abgepackt und auf Transporttemperatur heruntergekühlt. Die Schalen stammen z. B. von der Fa. Santosh in Tasgaon im südlichen Maharashtra und werden per LKW über 200 km angeliefert (Tab. 1, Abb. 3). Die verpackten Trauben werden in 40-Fuß-Kühlcontainer geladen und ca. 400 km von Solapur zum Hafen Mumbai an der Westküste Indiens transportiert, wo der 10-tägige Seetransport auf dem Containerschiff bei 0 °C über ca. 11.700 km (6317 Seemeilen) vom indischen Ozean durch den Suezkanal nach Antwerpen beginnt. LKW und Schiff fahren weiter mit anderer Ladung, so dass keine Leerfahrten bzw. leere Rückfahrten entstehen. In Antwerpen werden die Container entladen und die Tafeltrauben per 40-t-LKW im Frühling über 235 km (Tab. 1) mit geschlossener Kühlkette weiter zu den regionalen Umladestationen, den RDCs (Regional distribution centres) z. B. in Langel bei Köln für REWE oder für EDEKA in Meckenheim bei Bonn gefahren, von wo aus sie an den Lebensmitteleinzelhandel geliefert werden.

Tab. 1 Transportentfernungen, Transportwege und Prozesse mit den entsprechenden Emissionen als CO2-Equivalente während der Lieferkette von 500 g Trauben zum deutschen Konsumenten. (Datengrundlage für den Transport ab Antwerpen nach Denstedt et al. 2010)
Abb. 3
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Stoffflüsse zur Lieferkette (supply chain) Tafeltrauben aus dem Anbaugebiet Maharashtra zum Konsumenten nach Bonn

Während der Coronakrise März–Juni 2020 schloss Indien alle Häfen sowohl für Import als auch für Export, so dass nur noch Trauben auf dem Wasser in Europa entladen wurden und auch die Tafeltrauben aus Südafrika zur Neige gingen.

Der Weinbau in Südafrika konzentriert sich auf die Region Western Cape – von dort werden die Tafeltrauben mit dem LKW über 150 km zur Schiffsverladung in Kapstadt oder Durban gebracht. Der Schiffstransport als Reefer-Container erfolgt über den Pazifik über ca. 11.400 km (6125 Seemeilen; Abb. 4) nach Antwerpen (Blanke und Burdick 2005) – von dort nehmen die südafrikanischen Tafeltrauben denselben Weg wie ihre indischen Counterparts.

Abb. 4
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Nahezu gleiche Entfernung des Seeweges der südafrikanischen (blau) und der indischen Trauben (rot) vom Hafen Mumbai an der Westküste Indiens durch den Suezkanal nach Antwerpen. (Karte verändert nach © https://de.wikipedia.org/wiki/Datei:A_large_blank_world_map_with_oceans_marked_in_blue.gif)

CO2-Fußabdruck nach Standard PAS 2050

Die Berechnung des CO2-Fußabdruckes erfolgte nach der PAS 2050 (BSI 2011) bzw. PAS 2050‑1 (Gartenbau) des internationalen Institutes BSI in London (entsprechend unserem DIN-Institut), bei dem alle Prozesse berücksichtigt werden und in der Lebensmittelbranche Anwendung findet, z. B. beim Vergleich von beheiztem zu importiertem Spargel (Schäfer und Blanke 2014) oder beim Vergleich von Hokkaido-Kürbissen aus IP und Bioanbau (Schäfer und Blanke 2012). Die Schiffsentfernungen für Südafrika stammten aus der Apfelstudie (Blanke und Burdick 2005) bzw. für Indien aus der Studie zum Apfelexport (Golombek und Blanke 2019) bzw. Apfelanbau (Golombek und Blanke 2021), die Emissionsfaktoren für PET und PE aus der Studie mit REWE und Thema 1 zu importierten Früherdbeeren aus Huelva (Denstedt et al. 2010). Als Maßeinheit bzw. ‘funktionelle Einheit‘ wird eine Verkaufspackung von 500 g Tafeltrauben bzw. bei Denstedt et al. (2010) eine 500 g Schale Erdbeeren angesetzt.

Ergebnisse

CO2-Fußabdruck indischer Traubenlieferungen und ökologische Hot spots

Die Bereitstellung bzw. Lieferung von Trauben aus Indien verursacht ca. 333 (297–379) g CO2eq/500 g-Schale Trauben. Dabei hat der Schiffstransport von Mumbai bis Antwerpen über ca. 11.700 km (Abb. 4) mit 108 (89–131) g – wie erwartet – den größten Anteil. Überraschend sind die beiden nächsten, etwa gleich großen Komponenten bzw. ‘Hot spots‘, der PET-Schale (mit Anlieferung) mit ca. 66 g CO2eq/Schale und der Einkaufsfahrt und damit Mitverantwortung des Konsumenten von ebenfalls ca. 66 g CO2eq/500 g Trauben (Abb. 5). Die nächsten beiden Treiber des CO2-Fußabdrucks sind jeweils der LKW Transport vom Packhaus zum Hafen Mumbai (400 km) und vom Hafen Antwerpen zum regionalen Verteilungszentrum (235 km).

Abb. 5
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Komponenten des CO2-Fußabdruckes indischer Trauben in der Lieferkette zu uns

Diskussion – Uncertainty Analyse

Abb. 6 zeigt die höchste Unsicherheit/Ungenauigkeit bei dem Schiffstransport durch verschiedene Schiffsrouten und Angaben der Reedereien. Vergleicht man die Lieferkette indischer Trauben mit spanischen Früherdbeeren und kürzerer Entfernung mit 266 g CO2eq (jeweils ohne Anbau), davon 140 g für den LKW-Transport aus Huelva und die gleichen 66 g CO2eq für die PET-Schalen (Denstedt et al. 2010) auf der gleichen Einheit 500 g Schale mit Früchten, so ist der CO2-Fußabdruck der indischen Trauben-Lieferkette etwa 1/3 höher und in der gleichen Größenordnung wie Tafeltrauben aus Südafrika.

Abb. 6
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Anteile und Unsicherheiten bei der Berechnung bei den einzelnen Fraktionen – die Schwankungsbreiten geben vers. Szenarien bzw. Umrechnungsfaktoren an

Drei Ansätze zur Verminderung des CO2-Fußabdruckes – einer für/von jedem Stakeholder

1) Der indische Exporteur kann den ökologischen CO2-Fußabdruck deutlich vermindern, wenn er die Trauben in transparente PE-Tüten statt in PET-Schalen verpackt. Die CO2-Ersparnis sinkt von 66 g CO2eq einer PET-Schale aus frischem Kunststoff auf 8 g CO2eq pro Plastiktüte für 500 g Trauben, d. h. auf ein Achtel. Die Verwendung von recyceltem PET kann in Zukunft den CO2-Fußabdruck weiter mindern (Abb. 7).

Abb. 7
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Der Ersatz der PET-Schalen durch Plastikbeutel würde ihren CO2-Fußabdruck auf ein Achtel reduzieren, d. h. um fast 60 g CO2eq/500 g Trauben, sofern bei der langen Reise sonst keine Druckstellen auftreten

2) Der indische Staat plant eine Verminderung der CO2-Emissionen pro Kilowattstunde Strom, die die CO2-Bilanz für das Vorkühlen und Verpacken verbessern würde, und eine Verpackungsordnung. Ab 2020 gilt in Indien eine strengere Abgasnorm (Bharat VI – ähnlich EURO 6) für neu zugelassene LKWs. Auch die Reedereien arbeiten an Emissionsreduktion für Containerschiffe wie slow steam, Umstellung auf Gas, Hybrid- oder Elektroantrieb.

3) Die deutschen Konsumenten können ökologisch bewusst einkaufen, Trauben statt in PET-Plastikschalen in Tüten (10 % der CO2-Äquivalente der Schalen) oder lose Ware in selbst mitgenommenen Beuteln wählen und den Einkauf mit dem Fahrrad, öffentlichen Verkehrsmitteln oder mit anderen Zielen kombinieren und so einen entscheidenden Beitrag zur Verringerung des CO2-Fußabdruckes leisten; auch tragen Fahrgemeinschaften und weniger Einkäufe, aber dann mit größeren Mengen, zur Verbesserung der CO2-Bilanz von Einkaufsfahrten mit dem privaten PKW mit Verbrennungsmotor bei (Tab. 2).

Tab. 2 Einspar- (Reduktions‑) Potenziale beim ökologischen Fußabdruck

Fazit

Der CO2-Fußabdruck indischer Trauben in deutschen Supermärkten kann auf deutscher Seite vom Konsumenten durch die Wahl folierter Trauben statt solchen in PET-Schalen und Einkauf mit ÖPNV, Fahrrad, Fahrgemeinschaft, oder Hybridfahrzeug entscheidend gesenkt werden.