Das Akronym FIRES steht für „febrile infection-related epilepsy syndrome“ und ist ein seltenes Epilepsiesyndrom im Kindesalter. Es ist gekennzeichnet durch einen refraktären Status epilepticus, der im Anschluss an einen oft mild verlaufenden, fieberhaften Infekt folgt. Die Akutphase der Erkrankung kann Tage bis Monate dauern. Sie ist dadurch charakterisiert, dass die epileptische Aktivität kaum durch den Einsatz selbst mehrerer anfallssupprimierender Medikamente und Anästhetika zu beeinflussen ist. Das Outcome ist meistens schlecht. Eine Ursache für FIRES konnte bisher nicht gefunden werden [9].

Aufgrund der Seltenheit von FIRES („febrile infection-related epilepsy syndrome“) gibt es bisher wenig gesicherte Erkenntnisse. Die jährliche Inzidenz in Deutschland bei Kindern wird auf 1/1.000.000 geschätzt, die Prävalenz liegt vermutlich bei 1/100.000 mit einer leichten männlichen Dominanz. Eine ethnische Veranlagung oder familiäre Fälle wurden bisher nicht beobachtet. Das mediane Erkrankungsalter beträgt 8 Jahre (Spanne: 2 bis 17 Jahre) und die Letalität in der akuten Phase 11,7 % [10]. Der Verlauf von FIRES wird in 3 Phasen unterteilt. Am Anfang steht die Prodromalphase. Sie ist in der Regel gekennzeichnet durch einen fieberhaften Infekt bei zuvor gesunden Kindern [2, 10]. Die Akutphase beginnt mit dem plötzlichen Auftreten von fokalen oder generalisierten epileptischen Anfällen, die sich meistens im Verlauf zu einem superrefraktären Status epilepticus (SRSE) entwickeln. Die Akutphase kann Tage bis Monate dauern [2]. Bisher existiert für die Behandlung von FIRES keine spezifische Therapie. In den wenigen, bis zum jetzigen Zeitpunkt existierenden Fallserien wurden mehrere therapeutische Ansätze versucht, von denen bisher selten einer zu einer Verbesserung der Prognose geführt hat [5]. Häufig ist die epileptische Aktivität kaum durch den Einsatz vieler verschiedener anfallssupprimierender Medikamente und Anästhetika zu beeinflussen. Dabei kommt es oft zu einem längeren Zeitraum, in dem die Patienten intubiert und beatmet werden müssen. Neben der leitliniengerechten Therapie des Status epilepticus gibt es mehrere alternative Therapieversuche. Hierzu zählen der Einsatz einer ketogenen Diät, eine Therapie mit dem Interleukin-1-Inhibitor Anakinra sowie eine Therapie mit Cannabidiol [1, 6, 8, 11]. In der Regel gelingt es zum Ende der Akutphase, die Anästhetika abzusetzen und die Patienten von der Beatmung zu entwöhnen, möglicherweise jedoch nur, weil die Epileptogenität von allein mit der Zeit abnimmt [5, 7]. Im Anschluss an die Akutphase folgt die chronische Phase. Hier sind die Patienten meistens nicht mehr auf eine mechanische Beatmung angewiesen. Häufig verbleiben jedoch eine refraktäre Epilepsie und eine schwere kognitive Behinderung als Langzeitfolgen [5, 7]. Bei einigen Patienten lassen sich hingegen kaum neurologische Defizite feststellen. Wovon das unterschiedliche Outcome abhängt, ist bisher ungeklärt [2].

Ziel der Arbeit war es, anhand dieser, nach unserem Wissen bisher größten publizierten Fallserie, Faktoren zu identifizieren, die während der Akutphase eine Einschätzung des jeweiligen Outcomes zulassen.

Methoden

Es handelt sich um eine retrospektive explorative Beobachtungsstudie über den Zeitraum von 1994 bis 2020. Die Fallserie enthält 93 Kinder, die im FIRES-Studienzentrum des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein, Campus Kiel gesammelt wurden. Diese wurden sowohl im Rahmen einer deskriptiven Statistik als auch im Rahmen einer Inferenzstatistik untersucht. Für diese Datenanalyse gab es die Zustimmung der Ethikkommission der Medizinischen Fakultät der Christian-Albrechts-Universität (CAU) zu Kiel (Ethikvotum: D 470/20).

Das Outcome der Kinder wurde anhand der „Modified Rankin Scale for Children“ definiert und zum Zeitpunkt des Überganges von der akuten in die chronische Phase erhoben. Die Kategorie 0 beschreibt Kinder ohne verbleibende Symptome. Die Kategorie 1 steht für ein Kind ohne signifikante Behinderung. Die Kategorie 2 beinhaltet Kinder mit einer leichten Behinderung. Die Kategorien 3 und 4 beschreiben Kinder mit mittelschweren Behinderungen, wobei die Kinder in Kategorie 4 im Vergleich zur Kategorie 3 nicht mehr in der Lage sind, ohne Hilfe zu gehen. Die Kategorie 5 beschreibt eine schwere Behinderung, und die Kategorie 6 steht für den Tod des Kindes [4].

Im Hinblick auf eine vereinfachte Interpretation des Outcomes wurde die Punkteverteilung der Modified Rankin Scale in folgende 2 Kategorien zusammengefügt: gutes Outcome vs. schlechtes Outcome. Hierfür wurde eine Einteilung aus einer Studie von Lam et al. benutzt. Sie definierten ein gutes Outcome als ein Outcome zwischen 0 und 3 Punkten auf der Modified Rankin Scale. Ein schlechtes Outcome wurde definiert als ein Outcome zwischen 4 und 6 Punkten auf der Modified Rankin Scale [3].

Für die Inferenzstatistik wurden 12 Parameter ausgewählt und deren Einfluss auf das individuelle Outcome eines Kindes explorativ untersucht. Die Anzahl von 12 Parametern wurde als Kompromiss zwischen einer möglichst breiten Suche nach Zusammenhängen und einer möglichst hohen statistischen Aussagekraft gewählt. Neben den demografischen Parametern Alter und Geschlecht wurden die Gabe von Antipyretika, die Therapie mit Phenobarbital, Thiopental, Anakinra und Cannabidiol, der Einsatz einer ketogenen Diät, die Anzahl der anfallssupprimierenden Medikamente, die Anzahl der Komamedikamente, die Dauer der Komatherapie und die Tiefe der Komatherapie als unabhängige Variable gewählt. Letzteres wurde anhand von EEG(Elektroenzephalogramm)-Mustern ermittelt. Die EEG-Muster wurden hierbei auf das Vorliegen eines Burst-Suppression-Musters untersucht, da dieses das EEG-Korrelat einer tiefen Narkose ist [7].

Die Auswertung erfolgte mit der Statistik Software IBM SPSS Statistics (IBM, New York). Für die explorative Interferenzstatistik wurde das statistische Verfahren der multiplen linearen Regression gewählt. Diese beinhaltet zunächst eine jeweilige einfache lineare Regression. Hierbei wurde getestet, ob eine beobachtete abhängige Variable (Outcome) durch eine unabhängige Variable (Prädiktor) zu erklären ist. Ein p-Wert von < 0,05 wurde in dieser explorativen Analyse als signifikant definiert. Die unabhängigen Variablen, die einzeln betrachtet als signifikante Einflussgröße auf die abhängige Variable ermittelt wurden, wurden anschließend noch einmal als parallel wirkende Einflussgrößen auf die abhängige Variable getestet. Dabei wurde ermittelt, ob eine signifikante Abhängigkeit besteht. Bei diesem Modell wurde die Backward-Elimination benutzt. Zunächst wurde die Testung mit allen zuvor einzeln ermittelten signifikanten unabhängigen Variablen begonnen. Solange kein gemeinsamer signifikanter Einfluss erreicht wurde, wurde stufenweise jeweils die Variable mit dem geringsten Einfluss aus dem Modell entfernt. Anschließend fand eine erneute Testung statt. Dieses geschah so lange bis nur noch die Variablen übrig waren, die zusammen einen signifikanten Einfluss auf die abhängige Variable haben.

Ergebnisse

Das Manifestationsalter in dieser Studie betrug im Median 7 (1 bis 17) Jahre. Dabei waren 56 (62,2 %) der Kinder männlich und 34 (37,8 %) weiblich. Bei 3 Kindern wurde kein Geschlecht dokumentiert.

Anhand der Informationen aus den Entlassungsbriefen wurde zur Definition des Outcomes bei 75 Kindern (80,7 %) die Modified Rankin Scale erhoben. Bei 18 Kindern (19,4 %) reichten die Informationen nicht aus, um ein Outcome anhand der Skalen zu definieren. Die Verteilungen des Outcomes sind in Abb. 1 dargestellt.

Abb. 1
figure 1

Verteilungen des Outcomes

Im Rahmen der Inferenzstatistik wurde eine Abhängigkeit des Outcomes durch die ausgewählten unabhängigen Variablen getestet. Dazu wurden zunächst mehrere einfache lineare Regressionen zwischen der jeweilig einzelnen unabhängigen Variable und der abhängigen Variable des Outcomes durchgeführt. Dabei zeigte sich, dass folgende Variablen, einzeln betrachtet, einen signifikanten Einfluss auf die Modified Rankin Scale hatten: Thiopental-Therapie, ketogene Diät, Cannabidiol-Therapie, Anzahl der anfallssupprimierenden Medikamente, Anzahl der Komamedikamente, Dauer der Intubation und die Tiefe der Komatherapie. Die detaillierten Ergebnisse dieser jeweiligen einfachen Testung sind in Tab. 1 dargestellt.

Tab. 1 Ergebnis der einfachen linearen Regression

Anschließend wurden sämtliche unabhängigen Variablen, die einzeln betrachtet einen Einfluss auf das Outcome hatten, im Rahmen einer multiplen linearen Regression erneut getestet. Dabei wurde untersucht, ob diese auch als parallel wirkende Einflussgrößen einen signifikanten Einfluss auf die abhängige Variable des Outcomes hatten. Unter Einbezug der Backward-Elimination stellte sich heraus, dass nur die unabhängige Variable „Dauer der Intubation“ einen signifikanten Einfluss auf das Outcome hatte. Dieser Einfluss war hoch signifikant (Signifikanz = 0,000006). Die detaillierten Ergebnisse sind in Tab. 2 dargestellt.

Tab. 2 Ergebnis der multiplen linearen Regression

Infolge dieser Ergebnisse wurde versucht, einen Cut-off-Wert für die Dauer der Intubation zu definieren. Dafür wurde nach der längsten Dauer einer Intubation, die ein Kind mit einem guten Outcome (Modified Rankin Scale 0 bis 3 Punkte) hatte, gesucht. Diese lag bei 8 Wochen. Jedes Kind, das in dieser Fallserie länger als 8 Wochen intubiert war (insgesamt 10 Kinder), zeigte ein schlechtes Outcome (Modified Rankin Scale von 4 bis 6 Punkten).

Zusätzlich wurden die Daten auf Komplikationen bei intubierten Kindern analysiert. Von den 62 Kindern, die intubiert waren, wurde bei 15 Kindern eine medikamentöse kreislaufunterstützende Therapie dokumentiert. Des Weiteren kam es bei 8 Kindern zu einer Pneumonie, bei 3 Kindern zu einem Hirnödem und bei 2 Kindern zu einer Sepsis.

Diskussion

Die Inferenzstatistik zeigt, dass es eine signifikante Abhängigkeit zwischen einer längeren Dauer einer Intubation und einem schlechteren Outcome gibt. Die Kausalität dieser Abhängigkeit muss kritisch hinterfragt werden. Vermutlich ist nicht die Dauer der Intubation für das schlechte Outcome verantwortlich, sondern sie ist nur ein Indikator für eine schwer verlaufende Akutphase. In dieser war es meistens nicht möglich, den Status epilepticus allein durch anfallssupprimierende Medikamente zu durchbrechen. Im Rahmen der Third-line-Therapie des Status epilepticus wurden die Kinder ins Koma versetzt. Die Beatmungsdauer war hierbei von der notwendigen Sedierungsdauer zur Durchbrechung des Status epilepticus abhängig. Komplikationen wie beispielsweise ein „acute respiratory distress syndrome“ (ARDS) waren in der Regel nicht ursächlich für eine längere Beatmung.

Es ist zu vermuten, dass die Schwere und die Ursache des Status epilepticus für den häufig irreversiblen neuronalen Schaden und das damit verbundene schlechte Outcome verantwortlich sind und nicht die Dauer der Intubation. Es wäre falsch, aus dem Ergebnis der Inferenzstatistik die Konsequenz zu ziehen, dass eine kürzere Intubationsdauer bzw. das Unterlassen einer Intubation zu einem besseren Outcome führt.

Auch wenn in dieser Studie keine neuen Prädiktoren ermittelt werden konnten, liefert sie neue Erkenntnisse, welche die Einschätzung des Outcomes in der Zukunft verbessern könnte. Die Therapie von FIRES kann langwierig und frustran sein. Für das behandelnde Team und die Angehörigen des Patienten stellt sich ab einem Zeitpunkt die Frage, ob noch weitere Therapieversuche unternommen werden sollten. Diese Entscheidung ist nicht leicht zu treffen, da mit dem Einstellen der Therapiemaßnahmen Abstand von der Hoffnung auf ein gutes Outcome genommen wird. Die Ergebnisse dieser Studie können eine Orientierung für diese schwierige Entscheidung geben. In dieser Fallserie zeigten Kinder, die länger als 8 Wochen intubiert und beatmet wurden, ein durchweg schlechtes Outcome. Bei einer Intubationsdauer von bis zu 8 Wochen war ein gutes Outcome noch möglich. Für zukünftige Behandlungen könnten die 8 Wochen bis zum Cut-off-Wert der Zeitraum sein, in dem die Chance auf ein gutes Outcome möglich ist und in dem sämtliche Therapieversuche unternommen werden sollten. Unter der Betrachtung dieser Fallserie ist ab einer Intubationsdauer von über 8 Wochen die Wahrscheinlichkeit auf ein gutes Outcome als sehr gering einzuschätzen, sodass eine Änderung des Therapiezieles auf eine palliative Behandlung in Erwägung zu ziehen ist.

Fazit für die Praxis

  • Lediglich 10,7 % der Kinder erreichten im Verlauf eine vollständige Genesung.

  • Bei 38,7 % der Kinder kam es zu einem schlechten Outcome (Modified Rankin Scale 4 bis 6 Punkte) im Anschluss an die Akutphase.

  • Ein gutes Outcome (Modified Rankin Scale 0 bis 3 Punkte) ist ab einer Intubationsdauer von über 8 Wochen sehr unwahrscheinlich.