Als Parasomnien werden abnorme oder auffällige Verhaltensweisen während des Schlafes oder an der Schwelle zwischen Wachzustand und Schlaf definiert. Alle parasomnischen Störungen sind in der internationalen Klassifikation für Schlafstörungen (ICDS-3) gelistet. Dabei wird zwischen Non-REM(NREM)-Schlaf und Rapid-Eye-Movement(REM)-Schlaf-Parasomnien unterschieden, wobei zu den NREM-Parasomnien das Schlafwandeln, das „confusional arousal“ und der Nachtschreck, zu den REM-Parasomnien die REM-Schlafverhaltensstörung, die Albtraumstörung und die isolierten Schlafparalysen gehören [1]. Parasomnien sind dabei Ausdruck ungewöhnlicher oder pathologischer zentralnervöser Aktivierungen während des Schlafes oder während des Schlaf-Wach-Übergangs. Dabei kommt es zum Teil zu komplexen Verhaltensauffälligkeiten, die v. a. bei der Non-REM-Parasomnie mit einer Aktivierung des autonomen Nervensystems assoziiert sind. Gleichzeitig besteht ein eingeschränktes oder komplett fehlendes Bewusstsein [2, 3]. Parasomnien sind v. a. im Kindesalter häufig, und können bei ca. 30 % der Kinder in verschiedenen Formen beobachtet werden [4, 5]. Sie können aber auch im Erwachsenenalter auftreten bzw. bis ins Erwachsenenalter persistieren und werden dann als besonders unangenehm empfunden. Etwa 5 % der Erwachsenen geben an, unter Albträumen zu leiden, Schlafwandeln und Pavor nocturnus sind bei Erwachsenen selten (< 1 %) [6, 7]. Semiologisch können Parasomnien mit anderen anfallsartigen Störungen im Schlaf, v. a. nächtlichen epileptischen Anfällen verwechselt werden [2, 3].

Grundlagen des Schlafes

Die Schlafstadien wurden von Rechtsschaffen und Kales 1968 erstmals beschrieben und 2007 von der American Academy of Sleep Society (AASS) vereinfacht und gleichzeitig Kriterien definiert [1]. Als ein Schlafzyklus wird der Durchlauf der verschiedenen Schlafstadien bezeichnet, nach den Kriterien der AASM von 2007 werden ab dem Lebensalter vom 2. bis 3. Lebensmonat 5 verschiedene Schlafstadien inklusive eines Wachzustandes definiert (Abb. 1; Non-REM[NREM]-Schlaf: Schlafstadium N1 – Übergang zwischen Wachen und Schlaf, Schlafstadium N2 – stabiler Schlaf, Schlafstadium N3 – Tiefschlaf, Rapid-Eye-Movement[REM]-Schlaf-Traumschlaf). Die Abfolge der einzelnen Schlafstadien ergibt das Schlafprofil („Hypnogramm“) innerhalb eines Schlafzyklus, der von einem gesunden Schläfer je nach Schlafdauer und interindividueller Varianz 4‑ bis 7‑mal pro Nacht durchlaufen wird. Es treten beim Einschlafen zuerst oberflächlicher Schlaf (N1) und dann in rascher Folge N2–N3 auf. Zuletzt kann REM-Schlaf beobachtet werden, der einen Schlafzyklus abschließt [2].

Abb. 1
figure 1

Schlafstadien des Menschen. W Wachzustand, REM REM-Schlaf, N1–N3 oberflächlicher Schlaf, SWS „slow-wave sleep“. (Mod. nach [8])

Die Schlafstadien verteilen sich dabei auf charakteristische Art und Weise über die Schlafperiode und verändern sich mit dem jeweiligen Alter. Der Schlafzyklus ist bei Säuglingen sehr kurz (ca. 50–60 min), erst ab dem Schulalter besteht eine mit dem Erwachsenen vergleichbare Schlafarchitektur mit einer Zyklusdauer von ca. 90–110 min [2, 9]. Der Anteil der Schlafstadien N1 und N2 am Gesamtschlaf eines gesunden, etwa 30 Jahre alten Schlafenden liegt bei ca. 55–60 %. Der Anteil des Tiefschlafes N3 liegt bei ca. 15–25 %, der Traum- oder auch REM-Schlaf umfasst im Erwachsenenalter in der Regel 20–25 % der gesamten Schlafdauer. Mit der Anzahl der durchlaufenen Schlafzyklen innerhalb einer Schlafperiode nimmt im Verlauf einer Nacht der Anteil des Tiefschlafes (N3) kontinuierlich ab und der Anteil des REM-Schlafes kontinuierlich zu [2]. Während des physiologischen REM-Schlafes besteht beim Gesunden eine REM-Schlafatonie, damit können Träume nicht körperlich ausagiert werden [10].

Die erste Nachthälfte enthält vermehrt Tiefschlafanteile, sodass dadurch das gehäufte Auftreten von NREM-Parasomnien in dieser Schlafphase, z. B. Pavor nocturnus oder Schlafwandeln, in den ersten Stunden nach dem Einschlafen zu erklären ist. Im Gegensatz dazu werden üblicherweise in der zweiten Nachthälfte mehr REM-Parasomnien beobachtet, Albträume treten daher häufiger gegen Morgen auf [2].

Der Anteil einzelner Schlafstadien zeigt altersabhängige Abweichungen. Der REM-Schlaf nimmt über die gesamte Lebensspanne deutlich ab. Der REM-Phasen-Anteil bei Neugeborenen ist mit ca. 50 % beträchtlich, ab dem 20. Lebensjahr 24 % und nimmt mit dem Alter noch weiter ab. Der Tiefschlaf (N3) erreicht seinen Gipfel beim jungen Erwachsenen und nimmt wie der Traumschlaf kontinuierlich zugunsten der anderen Schlafstadien mit zunehmendem Alter ab [2].

NREM- und REM-Parasomnien [1, 12, 13]

NREM-Parasomnien

Arousalstörungen

Zu den Arousalstörungen gehören das „confusional arousal“, der Pavor nocturnus und der Somnambulismus. Arousalreaktionen treten meist aus dem Schlafstadium N3 auf, können aber auch aus dem Schlafstadium N2 heraus auftreten. Nicht immer ist danach ein vollständiges Erwachen zu beobachten [14]. Allen gemeinsam ist ein dissoziierter Verhaltenszustand des Gehirns. Hierbei kann eine Zuordnung der aktivierten und deaktivierten Gehirnareale und Netzwerke zu den klinischen Verhaltenssymptomen erfolgen. Die Aktivierung der amygdatemporoinsulären Bereiche, abgekoppelt vom präfrontalen Kortex, führt zur emotionalen Aktivierung (z. B. Angst), die Deaktivierung des hippocampalen und frontalen Kontrollkortex zur Amnesie für das Ereignis [15]. Es besteht eine abrupte Weckreaktion (Elektroenzephalographie (EEG): Alpha und Beta-Aktivität) im motorischen Cortex und limbischen System des Gyrus cinguli bei gleichzeitigem anhaltendem NREM-Schlaf N3 (EEG: Delta-Aktivität) im frontoparietalen assoziativen Kortex [16]. Pathophysiologisch liegt eine dissoziierte Aktivation thalamocingulärer Bahnen bei weiter deaktiviertem thalamokortikalem Wecksystem vor. Ursächlich wird eine Instabilität des NREM-Schlafes oder eine mögliche Mischung zwischen NREM- und REM-Schlaf diskutiert [17, 18]. Es besteht somit eine Dissoziation von Wach und Schlaf, was auch als lokalisierter Schlaf bezeichnet werden kann. Während kortikale Areale sich weiterhin im Tiefschlaf befinden, sind andere Areale des Gehirns aktiv [19].

NREM-Parasomnien treten im Kindesalter mit einer Prävalenz von 6–15 % auf („confusional arousal“ 17 %, „sleep terror“ 6 %, Schlafwandeln 15 % 1‑mal/Woche, 1–6 % 1‑ bis 4‑mal/Woche). Es besteht eine familiäre Häufung, bei erstgradiger Verwandtschaft besteht ein 10-fach erhöhtes Risiko für späteres Schlafwandeln [20, 21].

Arousalstörungen beginnen typischerweise mit einem abrupten Aufschrecken (Augen reiben, Aufsitzen, in der Umgebung umherschauen etc.). Dann beginnen eine hypermotorische Entäußerung sowie ein potenziell agitierter Zustand mit Weinen/Schluchzen bei körperlicher und verbaler Interaktion mit der Umgebung. Die Betroffenen weisen häufig eine Tachykardie, Tachypnoe und Schwitzen auf. Die Symptome variieren innerhalb des Ereignisses und bei Wiederholung. Für alle Formen besteht eine zumindest partielle, meist komplette retrograde Amnesie. Alle Formen der Arousalstörung müssen voneinander differenziert und von schlafgebundenen nächtlichen fokalen Anfällen abgegrenzt werden [3, 15, 22].

„Confusional arousal“ [12, 23].

Diese Form der NREM-Parasomnie tritt im Kindesalter mit einem Maximum im Alter von 2 bis 10 Jahren auf. Hierbei sprechen die Kinder bei den häufig in der ersten Nachthälfte auftretenden Attacken nach dem partiellen Aufwachen unverständliche Worte, murmeln oder jammern für die Dauer von bis zu 10 min (bis < 1 min), nur selten dauert eine Attacke bis zu 10–30 min. Die Kinder verlassen dabei das Bett nicht, sind dabei von den Angehörigen untröstbar und haben eine retrograde Amnesie für das Ereignis [15].

Pavor nocturnus [23].

Synonym: „sleep terror“, „night terror“, Nachtschreck, Nachtangst, nächtliches Hochschrecken aus dem Schlaf, Nachtmahr, Incubus, massive autonome Erregung.

Es kommt dabei ca. 1–2 h nach dem Einschlafen zu einem nächtlichen Aufschrecken aus dem NREM-Schlaf mit betonter Angstreaktion (mit lautem, angstbesetztem Schrei, ungerichtete Angst bis hin zur Panikreaktion). Ein Traumerlebnis wird dabei nicht erinnert [2]. Das Kind nimmt die Umgebung nicht wahr, erkennt auch seine eigenen Eltern nicht und weist diese zurück. Die Augen sind aufgerissen, der Gesichtsausdruck spricht für Angst, Zorn und Verwirrung, es ist dabei nicht weckbar. Durch die Angstreaktion kommt es meist zu einer Gesichtsröte, Schwitzen, eine Tachykardie oder -pnoe sind möglich. Die Dauer des Ereignisses wird mit 5–15 min angegeben. Das Kind schläft typischerweise wieder abrupt und plötzlich ein und kann sich am nächsten Morgen nicht daran erinnern (Amnesie).

Der Gipfel des Auftretens wurde bisher zwischen 4 und 7 Jahren beschrieben [7]. Während in diesem Alter bei Kindern laut bisheriger Literatur ca. 17 % davon betroffen sind, zeigte sich bei der Analyse von Kindern im Alter von 1,5 Jahre durch Petit et al. eine höhere Inzidenzrate von 34,4 % aller Kinder v. a. in diesem frühen Alter [9]. Im Gegensatz dazu ist das Phänomen bei Erwachsenen meist nur in < 1 % (maximal 2,3–2,6 %) zu beobachten [2, 3]. Für Erwachsene gilt, dass sie auch bei seltenem Auftreten einem hohen Leidensdruck ausgesetzt sind, da sie Angst haben, dass eine solche Attacke auch bei Auswärtsübernachtungen auftreten könnte [7]. In 30–50 % der Fälle kann nach dem Ereignis Schlafwandeln auftreten, die beiden Störungen sind ätiologisch sehr eng verbunden [7]. Die starke Abnahme der Frequenz der Pavor-nocturnus-Attacken ab dem 4. Lebensjahr lässt vermuten, dass Hirnreifungsprozesse bei der Entstehung eine Rolle spielen. Der genaue Mechanismus ist aber noch nicht geklärt. Nach bisherigen wissenschaftlichen Arbeiten kann man von einem Veranlagungs-Stress-Modell ausgehen. Neuesten Erkenntnissen zufolge besteht ein enger Zusammenhang insbesondere mit dem Somnambulismus, was die Theorie einer gemeinsamen genetischen Grundlage unterstützt [11].

Diagnostische Kriterien des Pavor nocturnus gemäß AASM/ICSD-3 2014 [1].

  • Episoden von plötzlichem Erwachen aus dem Schlaf, die üblicherweise von einem lauten Schluchzen oder einem lauten Schrei eingeleitet werden. Das Erwachen wird von einer starken vegetativen Reaktion begleitet, und der Betroffene zeigt ein Verhalten, das auf einen ausgeprägten Angstzustand hindeutet.

  • Es tritt mindestens eines der folgenden weiteren Symptome auf:

    • Schwierigkeiten, die betroffene Person zu erwecken,

    • Verwirrung nach erfolgtem Erwecken,

    • komplette oder partielle Amnesie bezüglich der Episode,

    • gefährliches oder potenziell gefährliches Verhalten während des Ereignisses.

  • Die Störung kann nicht besser durch eine andere Schlafstörung, internistische oder neurologische Erkrankung, psychische Erkrankung oder durch Medikamenteneinnahme oder Drogenmissbrauch erklärt werden.

Somnambulismus.

Synonym: Schlafwandeln, scheinbar zweckgerichtete Automatismen, nichtepileptische Amnesie.

Diese Form der Arousalstörung tritt v. a. im Grundschulalter mit einem Altersgipfel vom 4. bis 7. Lebensjahr auf, nach der Pubertät wird das Phänomen deutlich seltener beobachtet. Mit 10 Jahren bieten laut aktueller Studie von Petit et al. ca. 13,4 % aller Kinder diese Phänomen [9]. Etwa 30 % aller Kinder sind schon mindestens 1‑mal in ihrem Leben schlafgewandelt, 3–6 % mehrfach, 30–50 % der Patienten mit Pavor nocturnus präsentieren sich später mit Schlafwandeln [9]. Bei anamnestischer Belastung mit Schlafwandeln eines Elternteils erhöht sich die Prävalenz für Kinder mit einem betroffenen Elternteil von 22,5 % auf 47,5 %, bei 2 betroffenen Elternteilen auf 61,4 % [9]. Die Prävalenz des Schlafwandelns wird für den Erwachsenen auf < 1 % (maximal 4 %) geschätzt [2, 3, 7], dabei überwiegt das männliche Geschlecht ab der Adoleszenz [2]. Der Leidensdruck der wenigen Erwachsenen ist hoch, da sie unkontrollierbare nächtliche Aktivitäten als unangenehm erleben [7, 24]. Neuesten Erkenntnissen zufolge besteht ein enger Zusammenhang insbesondere mit dem Pavor nocturnus, was die Theorie einer gemeinsamen genetischen Grundlage unterstützt [11].

Meist treten die Aktivtäten in der Nachtmitte und/oder gegen Ende der Nacht auf [7, 23]. Für die Dauer von typischerweise Sekunden bis einige Minuten steht der Patient ruhig auf und wandelt herum, zeigt automatisierte Handlungen (z. B. sich anziehen, ins Wohnzimmer laufen, Fenster öffnen oder anderes). Die Augen sind dabei offen, die Personen sind aber nicht im Vollbesitz ihrer geistigen Fähigkeiten und können sich auch nicht an das Geschehene erinnern, wenn sie danach wieder ins Bett zurückkehren und weiterschlafen. Die Reaktionsbereitschaft auf äußere Reize, z. B. Ansprechen, ist reduziert [7].

Diagnostische Kriterien des Schlafwandelns gemäß der AASM/ICSD-3 2014 [1].

Das Wandeln bzw. die Verhaltensweisen treten während des Schlafes auf.

  • Das Fortdauern des Schlafes bzw. der Zustand uneingeschränkter Bewusstseinslage oder Urteilsfähigkeit während des Wandelns bzw. während der Verhaltensweise wird durch mindestens einen der folgenden Faktoren dokumentiert:

    • Schwierigkeiten, die betroffene Person zu erwecken,

    • Verwirrung nach erfolgtem Erwecken,

    • komplette oder partielle Amnesie bezüglich der Episode,

    • Durchführung automatisierter Verhaltensweise zu einer unangemessenen Zeit,

    • unangemessenes oder unsinniges Verhalten,

    • gefährliches oder potenziell gefährliches Verhalten.

  • Die Störung kann nicht besser durch eine andere Schlafstörung, internistische oder neurologische Erkrankung, psychische Erkrankung oder durch Medikamenteneinnahme oder Drogenmissbrauch erklärt werden.

REM-Parasomnien

Allen Formen der REM-Parasomnien ist gemein, dass sie vorwiegend in der 2. Nachthälfte und gegen die früheren Morgenstunden während des REM-Schlafes auftreten. Diese Form der Parasomnien müssen einerseits von den NREM-Parasomnien, andererseits von epileptischen nächtlichen (schlafgebundenen) fokalen Anfällen unterschieden werden [3, 24].

Albträume

Synonym: Angstträume, Nightmare, Alptraum, Angsttraumattacke, REM-Albtraum.

Nächtliche Albträume sind ein universelles Phänomen, an einen Albtraum erinnert sich fast jeder Mensch, die Lebenszeitprävalenz beträgt nahezu 100 % [3]; 5 % der Kinder haben regelmäßig 1‑mal wöchentlich einen Albtraum, 2–8 % der Erwachsenen [2, 3]; 50 % der Kinder und Erwachsenen geben an, gelegentlich einen Albtraum zu erleben. Frauen sind häufiger davon betroffen als Männer. Die Häufigkeit nimmt in Querschnittstudien mit dem Alter ab, daher berichten junge Erwachsene am häufigsten über Albträume [2, 7]. Am häufigsten werden sie im Alter vom 3. bis 10. Lebensjahr beobachtet, der Gipfel des Auftretens liegt zwischen 6. und 10. Lebensjahr [7]. Auch hierbei geht man von einem Veranlagungs-Stress-Modell aus [2, 7]. REM-Albträume sind negativ getönte Träume, die zum Erwachen führen [7]. Sie sind assoziiert mit Zeichen intensiver Furcht, Angst oder dem Gefühl der drohenden Gefahr, aber es kommt nicht zu einer Panik [2]. Typische Inhalte bei Kindern und Jugendlichen sind in 50 % Verfolgung, 20 % eigener Tod oder Verletzung, 15 % Tod oder Verletzung anderer, 10 % Fallen ins Bodenlose [7]. Typischerweise erwacht die Person, Kinder weinen und rufen nach den Eltern, nehmen die Eltern sofort wahr und wollen getröstet werden. Die Person schläft meist erst verzögert weiter. Albträume werden sehr gut erinnert, da die Patienten aus dem stark emotionalen Traum heraus aufwachen [2, 7].

Diagnostische Kriterien des Albtraumes gemäß der AASM/ICSD-3 2014 [1].

  • Wiederkehrende Episoden des Erwachens aus dem Schlaf heraus, bei der verstörende Trauminhalte erinnert werden, die üblicherweise mit Furcht und Angst, aber auch mit Wut, Traurigkeit, Abscheu oder anderen unangenehmen Emotionen verknüpft werden.

  • Komplettes Erwachen mit nur geringer Verwirrung oder Desorientierung, die Traumerinnerung ist unmittelbar und deutlich.

  • Mindestens einer der folgenden assoziierten Faktoren liegen vor:

    • verzögertes Wiedereinschlafen nach dem Ereignis,

    • Auftreten der Episoden in der 2. Nachthälfte.

REM-Schlaf-Verhaltensstörungen (RBD)

Synonym: abnormes Traumverhalten, Ausagieren von Träumen, motorische REM-Parasomnie, REM-Schlaf-Parasomnie, REM-Schlaf ohne Atonie, Oneirismus.

Unter einer REM-Schlaf-Verhaltensstörung (RBD) versteht man motorische Aktivitäten durch Aufhebung der für den REM-Schlaf üblichen muskulären Atonie. Üblicherweise werden die ausgehenden Nervensignale des motorischen Kortex im Hirnstamm stark gehemmt, um das Mitbewegen mit den Traumbildern zu unterbinden. Durch die Enthemmung kommt es im Zusammenhang mit REM-Träumen zu komplexer pathologischer motorischer Aktivität. Die fast immer aggressiven Trauminhalte werden im REM-Schlaf exzessiv motorisch ausagiert, z. B. erfolgen Beinbewegungen wie beim Fahrradfahren oder Fußballspielen [2, 10, 25].

Etwa 80–90 % der Betroffenen sind über 60 Jahre alt, 90 % davon sind männlich [3, 7]. Es besteht eine niedrige allgemeine Prävalenz von 0,38 %, die in der älteren Bevölkerung auf bis zu 0,5 % ansteigt [2]. Sie ist stark mit neurodegenerativen Erkrankungen, wie z. B. dem Morbus Parkinson, assoziiert. Daher geht man davon aus, dass es sich um einen besonderen, frühen Symptomenkomplex einer neurodegenerativen Erkrankung handelt, der durch den Untergang des den Muskeltonus hemmenden Areals im Hirnstamm gekennzeichnet ist [7]. Die Häufigkeit des Auftretens wird mit mehrfach pro Woche angegeben. Die Episoden treten im letzten Drittel der Nacht, also der 2. Nachthälfte auf [3].

Diagnosekriterien der REM-Schlaf-Verhaltensstörung nach ICSD-3 2014 [1].

  1. A.

    Der Patient leidet unter aggressiven oder selbstverletzenden Verhaltensweisen während des Schlafes.

  2. B.

    Extremitäten oder Körperbewegungen sind verbunden mit Traumerleben.

  3. C.

    Mindestens eine der folgenden Besonderheiten tritt auf:

    • verletzendes oder potenziell verletzendes schlafgebundenes Verhalten,

    • Träume scheinen ausagiert zu werden,

    • die Verhaltensweisen im Schlaf stören die Schlafkontinuität.

  4. D.

    Polysomnographische Untersuchungen zeigen mindestens eines der folgenden elektrophysiologischen Merkmale während des REM-Schlafes:

    • ausgeprägte Erhöhung des Kinn-EMG-Tonus,

    • ausgeprägte phasische Kinn- oder Extremitäten-EMG-Aktivität, unabhängig von der tonischen Kinn-EMG-Aktivität und einem oder mehreren der folgenden klinischen Merkmale während des REM-Schlafes:

      • ausgeprägte Extremitäten- oder Körperbewegungen,

      • komplexe, gefährliche oder aggressive Verhaltensweisen,

      • Fehlen von epilepsietypischer Aktivität in Verbindung mit den Ereignissen.

  5. E.

    Die Symptome sind nicht verbunden mit einer psychischen Störung, können aber mit neurologischen Erkrankungen assoziiert sein.

  6. F.

    Andere Schlafstörungen (z. B. Pavor nocturnus oder Schlafwandeln) können vorkommen, sind aber nicht Ursache der Verhaltensweise.

    Minimalkriterien B und C

Differenzialdiagnose nichtläsionelle fokale Epilepsien

Nächtliche Verhaltensauffälligkeiten betreffen ca. 30 % der Kinder und 4 % aller Erwachsenen [6, 26]. Das Auftreten von nächtlichen Anfällen (7–30 % aller Anfälle) ist insbesondere bei fokalen Epilepsien häufig, daher ist die Abgrenzung von schlafgebundenen epileptischen Anfällen gegenüber Parasomnien für den klinischen Alltag bedeutsam [27]. Anamnestisch sind nächtliche anfallsverdächtige Ereignisse häufig schwer klassifizierbar, da detaillierte Beschreibungen dazu oft nicht erhältlich und die Beschreibung der Ereignisse durch den Patienten selten verwertbar sind. Um einen Behandlungsfehler zu vermeiden, ist eine exakte Diagnose unablässig. Die ausführliche Anamnese und eine klinisch-neurologische Untersuchung sollten durch ein Schlafprotokoll und Videoaufnahmen des Ereignisses ergänzt werden. Zur Abklärung von nächtlichen anfallsverdächtigen Phänomenen ist die alleinige Durchführung einer Elektroenzephalographie (EEG) im Wachen nicht konklusiv. Zur weiteren Unterscheidung ist eine Videoaufzeichnung von Angehörigen hilfreich, der Goldstandard für die Diagnose ist die Video-EEG-Aufzeichnung typischer Attacken [6, 28, 29], wie sie am ehesten bei einem Langzeit-Video-EEG-Monitoring gewonnen werden können. Bei Patienten mit anhaltend unklaren Verhaltensauffälligkeiten während des Schlafes ist eine enge Zusammenarbeit zwischen Epileptologie und Schlafmedizin unabdingbar.

Grundsätzlich können Parasomnien von epileptischen Anfällen darin unterschieden werden, dass die Ereignisse zu unterschiedlichen Zeitpunkten beobachtet werden. Während die NREM-Parasomnien des Kindesalters eher in der 1. Nachthälfte auftreten, werden REM-Verhaltensstörungen überwiegend in der 2. Nachthälfte mit Zunahme des REM-Schlafes registriert [14]. Die Frequenz des Auftretens von nächtlichen epileptischen Anfällen ist deutlich höher (1 bis 10 epileptische Anfälle pro Nacht vs. 1 bis 2 Parasomnien pro Nacht), die motorischen Muster bei der Parasomnie sind variabel, im Gegensatz dazu bei epileptischen Anfällen stereotyp [6, 29, 30]. Eine weitere hilfreiche anamnestische Unterscheidungsmöglichkeit ist die Angabe zur Dauer des Ereignisses, epileptische Frontallappenanfälle sind kurz (unter 1 min), Parasomnien dauern länger (teils mehrere Minuten). Die Reorientierung bei einer Parasomnie z. B. nach Wecken des Betroffenen erfolgt langsamer und ist häufig von einer Phase von Verwirrtheit und Ratlosigkeit gekennzeichnet, während die Reorientierung bei nächtlichen epileptischen Anfällen typischerweise sehr rasch bis unmittelbar erfolgt, v. a. wenn diese einen frontalen Ursprung haben ([14]; Tab. 1).

Tab. 1 Typische Charakteristika von Anfällen einer autosomal-dominanten nächtlichen Frontallappenepilepsie (ADNFLE), schlafgebundenen epileptischen Anfällen bei spezifischen fokalen Epilepsien im Kindesalter, NREM-Parasomnie und REM-Parasomnie

Schlafassoziierte hypermotorische Epilepsie („sleep-related hypermotor epilepsy“ [SHE]) wurde als Überbegriff für schlafassoziierte, nächtliche epileptische Anfälle genetischer und struktureller Ätiologie gewählt [30]. Wegweisend für das Vorliegen einer autosomal-dominanten nächtlichen Frontallappenepilepsie (ADNFLE) im Erwachsenenalter ist einerseits die Familienanamnese und die für diese Form typische Anfallssemiologie ([4, 28, 31,32,33,34]; Infobox 1). Als erste monogenetisch vererbte Epilepsie wurde 1995 die autosomal-dominante nächtliche Frontallappenepilepsie (ADNFLE) infolge einer Mutation der nikotinischen Acetylcholinrezeptor-Untereinheit A4 (CHRNA4) identifiziert. Inzwischen wurden auch weitere Mutationen des Acetylcholinrezeptors (CHRNA2, CHRNB2), eine Mutation in einem Na-gesteuerten Kaliumkanal-Gen (KCNT1) sowie Mutationen des Gens DEPDC5, das für einen Repressor des mTOR-Signalwegs kodiert, als Ursache einer familiären Frontallappenepilepsie beschrieben [6]. Die Semiologie von läsionellen Frontallappenanfällen ist prinzipiell abhängig von der Anfallsursprungszone im Frontallappen. Der höchste diagnostische Wert kommt dabei den ersten klinischen Zeichen eines Anfalls zu (typische Lateralisationszeichen eines fokalen Anfalls) [35]. Die Anfälle treten hier typischerweise oft als Cluster aus dem Schlaf heraus auf [6]. Anhand eines diagnostischen Algorithmus nächtlicher Ereignisse konnten Derry et al. 2009 94 % der 120 nächtlichen Ereignisse korrekt bestimmen. Entscheidend hierfür waren die exakte Angabe, ob der Patient anschließend vollständig erwacht, sowie das Auftreten einer Versivhaltung und Beurteilung der Reorientierungsphase bzw. eines postiktalen Zustands des Patienten [14]. Des Weiteren wurden in der Arbeit von Derry et al. 2009 Charakteristika herausgearbeitet, die das Vorliegen einer Parasomnie stark bzw. mäßig unterscheiden lassen, oder solche, die nicht zur Unterscheidung beitragen. Auch hier sprachen insbesondere eine ausgeprägt lange Dauer, fehlendes Erwachen nach der Episode und eine sehr variable Semiologie für Parasomnien ([14]; Infobox 2).

Epileptische Anfälle bei schlafgebundenen epileptischen Anfällen bei spezifischen fokalen Epilepsien im Kindesalter weisen eine sehr charakteristische Anfallssemiologie auf, die anamnestisch zu erheben ist (benigne Epilepsie mit zentrotemporalen Spikes [BECTS], benigne Epilepsie mit okzipitalen Paroxysmen vom Typ Panayiotopoulos – oder Gastaut-Syndrom, Landau-Kleffner-Syndrom und Epilepsie mit kontinuierlichen „sharp waves“ während des „slow-waves sleep“ [CSWS/ESES]). Der NREM-Schlaf mit 75–80 % Anteil am Schlafzyklus ist prinzipiell mit einem prokonvulsiven Effekt assoziiert, im Gegensatz dazu ist der REM-Schlaf mit nur 20–25 % Anteil am Schlafzyklus mit einem antikonvulsiven Effekt assoziiert. Anfälle bei nichtläsionellen fokalen Epilepsien im Kindesalter treten bevorzugt kurz im NREM-Schlaf nach dem Einschlafen und vor dem Aufwachen morgens auf [6, 36, 37]. Zur charakteristischen Anamnese sind epilepsietypische Potenziale im EEG oder der Übergang des anfallsverdächtigen Ereignisses in einen bilateral tonisch-klonischen Anfall letztendlich beweisend für das Vorliegen einer Epilepsie (Tab. 1).

Infobox 1 Typische klinische Merkmale einer ADNFLE. (Nach [27, 28])

  • Cluster nächtlicher motorischer Anfälle

  • stereotype Anfallssymptomatik

  • Arousal aus dem Schlaf bis zu dramatischen bizarren hyperkinetischen Phänomenen

  • Tonische/dystone Bewegungsmuster

  • Häufig erhaltenes Bewusstsein

  • Auren möglich (Angst, Vertigo, unspezifisch, Gefühl zu fallen …)

  • Anfallscluster in allen Schlafstadien

  • Meist aus NREM-Schlaf (Stadium 2)

  • Dauer 5 s bis 5 min

  • Seltene Anfälle tagsüber

  • Rasches Einschlafen nach dem Anfall

  • Bewusstseinsklarheit im Anfall

  • Angst, erneut einzuschlafen

Infobox 2 Klinische Phänomene einer Parasomnie. (Nach [13])

Klinische Phänomene, die eine Parasomnie sehr wahrscheinlich machen:

Gähnen, Kratzen und auffälliges Nasenreiben, Umherrollen im Bett, interne oder externe Auslöser (Geräusche, Husten, Schnarchen), variable klinische Symptomatik, körperliche und verbale Interaktionen, emotionales Verhalten, unklares Ende, kein vollständiges Aufwachen nach Ereignis mit anhaltend verändertem Verhalten, Dauer >2min, Diskrepanz zwischen Schwere und Dauer des persönlich erlebten und aufgezeichneten Ereignisses.

Klinische Phänomene, die eine Parasomnie mäßig wahrscheinlich machen:

Tremor/Zittern, myoklonische Zuckungen, Husten, sinnloses Verhalten, Fummeln, Manipulation von Gegenständen in der Nähe, Fehlen von Stereotypie, fehlendes Aufzeichnen eines Ereignisses in der ersten Nacht der Überwachung, Aufzeichnen weniger Ereignisse (weniger als 3)

Klinische Phänomene, die eine Parasomnie unwahrscheinlich machen:

Kurze Episoden, Sitzen, Stehen oder Herumgehen, vorangegangenes „normales“ Aufwachen, kurze Erregungszustände (bis zu 10 s), ängstliches emotionales Verhalten

Fazit für die Praxis

  • Sowohl die NREM-Parasomnie als auch die schlafgebundenen Anfälle bei nichtläsionellen Epilepsien können zu komplexem Verhalten während des Schlafes führen. Die Differenzierung kann gelegentlich schwierig sein.

  • Hilfreiche Fragestellungen zur Klärung nächtlicher Ereignisse:

    Wann im Verlauf der Nacht tritt das Ereignis auf?

    Wie häufig pro Nacht? Pro Woche?

    Wie beginnt es, wie endet es, wie lange dauert es?

    Ist das Kind, die Person wach/weckbar?

    Hat das Kind, die Person eine Erinnerung an das Ereignis?

    Weitere Symptome (Schwitzen, Tachykardie, Tachypnoe, Zittern, Tonuserhöhung)?

    Zeigen andere Familienmitglieder ein ähnliches Verhalten?

  • Nur eine Video-EEG-Analyse der Attacken macht es dem erfahrenen Untersucher möglich, nach semiologischen und EEG-Kriterien eine Differenzierung zwischen schlafgebundenen epileptischen Anfälle und NREM-Parasomnien zu machen.

  • Die Video-EEG-Analyse ist als Goldstandard der Differenzialdiagnostik zu betrachten und sollte immer dann durchgeführt werden, wenn eine sichere Unterscheidung von Parasomnien und schlafgebundenen Anfällen auf Grundlage der Anamnese nicht sicher möglich ist. Sie sollte nicht nur aus diagnostischen Gründen, sondern auch wegen der daraus resultierenden vollkommen unterschiedlichen Therapien von epileptischen Anfällen bzw. Parasomnien vorgenommen werden.

  • Bei Patienten mit anhaltend unklaren Verhaltensauffälligkeiten während des Schlafes ist eine enge Zusammenarbeit zwischen Epileptologie und Schlafmedizin unabdingbar.