Gestörte Bewusstseinszustände sind Ausdruck einer beeinträchtigten Hirnfunktion und stellen eine große Herausforderung dar. Eine rasche Diagnostik ist essenziell, um behandelbare Ätiologien zu identifizieren und neurologische Folgeschäden möglichst zu minimieren. In diesem Überblick stellen wir einen strukturierten Ansatz zur klinischen Untersuchung und Diagnostik akuter kindlicher Bewusstseinsstörungen jenseits des Neonatalalters dar. Der Status epilepticus wird nicht in diesem Artikel behandelt. Die Leitlinien der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) „Akute Bewusstseinsstörung jenseits der Neugeborenenperiode“ [1] und „Das Schädel-Hirn-Trauma im Kindes- und Jugendalter“ [2] sind zur Vertiefung des Themas sehr empfehlenswert.

Ätiologie

Die Differenzialdiagnose ist umfangreich. Die wichtigsten Differenzialdiagnosen sind im Folgenden aufgelistet und lassen sich unter dem Akronym I WATCH DEATH [3] zusammenfassen:

  • Infection: Meningitis/Enzephalitis, Sepsis, Abszess

  • Withdrawal (Entzug): Barbiturate, Benzodiazepine, Sedativa, Hypnotika, Alkohol

  • Acute metabolic: Leberschädigung, Nierenschädigung, Elektrolytstörungen, Stoffwechselstörung

  • Trauma: intrakranielle Verletzung, postoperatives Delir, Hitzschlag

  • CNS Pathology: ZNS-Inflammation (akute disseminierte Enzephalomyelitis [ADEM], antikörpervermittelte Enzephalitiden), iktal/postiktal, Hydrozephalus, Tumoren

  • Hypoxia: pulmonales/kardiales Versagen, Ertrinkungsunfall

  • Deficiencies (Mangelzustände): Vitamin B12, Thiamin

  • Endocrinopathies: Hypo‑/Hyperglykämie, diabetische Ketoazidose, Hypothyreose,

  • Acute vascular: Schlaganfall inklusive Sinusvenenthrombose, Blutung, Vaskulitis, posteriores reversibles hypertensives Enzephalopathiesyndrom (PRES)

  • Toxins or drugs: Drogen: Medikamente, Drogen, CO-Intoxikation (z. B. nach Shisha-Konsum)

  • Heavy metals (Schwermetalle): Blei, Mangan, Quecksilber

Klinische Untersuchung

Bei jedem Kind mit Bewusstseinsstörung hat die Erhaltung der Vitalfunktionen gemäß ABC-Richtlinien („airways, breathing, circulation“) absoluten Vorrang. Diagnostik und Therapie müssen gleichzeitig ablaufen. Die Bewusstseinsstörung muss rasch quantitativ eingeschätzt werden. Das Standardinstrument dafür ist die Glasgow Coma Scale (GCS) [4]. Sie wird mit Werten zwischen 3 und 15 bewertet, wobei 3 die schlechteste und 15 die beste Bewertung darstellt. Sie setzt sich aus 3 Parametern zusammen: beste Augenreaktion (A), beste verbale Reaktion (V) und beste motorische Reaktion (M). Die Komponenten des GCS sollten einzeln erfasst werden; so ergibt beispielsweise A4V3M3 einen GCS-Wert von 10. Die pädiatrische Glasgow-Koma-Skala (PGCS) wurde bei Kindern unter 2 Lebensjahren validiert ([5]; Tab. 1). Hirnstammreflexe werden in der GCS nicht berücksichtigt.

Tab. 1 Pädiatrische Glasgow-Koma-Skala

Neurologischer Kurzbefund

Der neurologische Kurzbefund umfasst die Prüfung der Augen, der Motorik und das Vorliegen eines Meningismus.

Augen.

Der Kurzbefund schließt die Prüfung der Bulbusstellung und der Pupillomotorik ein. Ein nicht konvulsiver Status epilepticus sollte nicht übersehen werden. Offene Augen mit Blickdeviation zur Seite sind sehr suggestiv für einen iktalen Zustand. Die Pupillen sind dabei meistens weit.

Die einseitig lichtstarre Pupille weist auf eine transtentorielle Herniation bei supratentorieller Raumforderung oder erhöhten Hirndruck hin.

Bilateral weite lichtstarre Pupillen finden sich bei einer zerebralen Anoxie oder Ischämie. Ein ähnlicher Pupillenbefund kann aber durch Katecholamin-Gabe bzw. Intoxikation durch Anticholinergika, Amphetamine, Kokain und Kohlenmonoxid vorgetäuscht werden. Bei engen, seitengleichen Pupillen ist eine Intoxikation durch Cholinergika, Barbiturate oder Opiate möglich.

Bei Bewusstseinsstörung mit unilateral/bilateral weiter lichtstarrer Pupille muss ein Notfall-CT des Schädels vor weiterführender Diagnostik durchgeführt werden [1, 2].

Motorik.

Die häufigste Ursache von akuten Hemiparesen bei Kindern ist die postiktale Parese (Todd-Parese), aber ein Stroke bzw. eine Enzephalitis ist auch möglich. Symmetrische Beuge- bzw. Strecksynergismen deuten auf eine Hirnstammfunktionsstörung hin (Einklemmung, Trauma, Blutung).

Bei Meningismus im Kindesalter ist v. a. an eine Meningitis zu denken, eine Subarachnoidalblutung ist viel seltener. Bei jungen Kindern ist Meningismus bei Meningitis nicht obligat. Es sollte auf die Spannung bzw. Vorwölbung der Fontanelle geachtet werden.

Körperliche Untersuchung

Insbesondere muss auf Atemmuster, Hautbefund, Foetor ex ore sowie Hinweise auf ein Trauma geachtet werden. Hämatome an atypischen Stellen finden sich bei der Kindesmisshandlung.

Eine Kussmaul-Atmung ist hinweisend auf eine (diabetische) Ketoazidose, eine periodische (Cheyne-Stokes) bzw. apnoische Atmung auf Dienzephalon- oder Hirnstammbeteiligung. Die Kombination von Bradypnoe, arterieller Hypertension und Bradykardie wird als Cushing-Trias bezeichnet. Sie ist ein spätes Zeichen eines erhöhten Hirndrucks und meistens Hinweis für eine drohende Einklemmung der Medulla oblongata.

Eine verlängerte Rekapillarisationszeit > 3 s, Petechien bzw. Exantheme sind suggestiv für eine Infektion- bzw. Schock. Ein ikterisches Hautkolorit jenseits des Neugeborenenalters lässt an ein Leberversagen denken.

Labor

Die Blutglukose muss rasch bestimmt werden. Eine Hypoglykämie ist definiert als Blutglukose ≤ 50 mg/dl (2,8 mmol/l). Bei Hypoglykämie sollte neben der Blutzuckerbestimmung ein „critical sample“ abgenommen werden vor der Gabe von Glukose 2 ml/kg 10 % ml/kgKG intravenös mit anschließender Dauerinfusion (cave: Rebound-Hypoglykämie) [6].

Bei unklarer Bewusstseinsstörung sollte Labordiagnostik im Hinblick auf Infektionen, Organdysfunktionen, Elektrolytentgleisungen, Stoffwechselstörungen und Intoxikationen durchgeführt werden:

  • Blutbild, BSG, CRP, Blutgasanalyse (mit Säure-Basen-Haushalt, Elektrolyten inklusive Calcium und Magnesium, Glukose und Laktat), Gerinnung inklusive D‑Dimere, ALAT, ASAT, γGT, Ammoniak, Kreatinin, Harnstoff, TSH, fT3, fT4, CK,

  • Toxikologisches Screening inklusive Ethanol, ggf. Medikamente und Schwermetalle, bei Brand Carboxyhämoglobin,

  • Bei Verdacht auf Infektion: Virusserologie, bei Fieber Blutkultur,

  • Stoffwechselscreening: Acylcarnitinprofil, Aminosäuren im Plasma, Ketonkörper und organische Säuren im Urin,

  • Cortisol bei Verdacht auf Addison-Krise.

Lumbale Liquorpunktion (LP)

Die LP soll bei Verdacht auf eine ZNS-Infektion rasch erfolgen. Bei Patienten mit unklarer Bewusstseinsstörung sollte man vor der LP eine Bildgebung durchführen, insbesondere bei fokaler Neurologie oder Hinweise auf erhöhten Hirndruck (s. „Neurologischer Kurzbefund“ oben). Die LP ist bei Verdacht auf Sepsis mit Gerinnungsstörung, instabilen Patienten, Vollheparinisierung und schwerer Thrombozytopenie kontraindiziert. Dabei ist die Thrombozytengrenze unklar. In einer Studie bei Patienten mit akuter lymphoblastischer Leukämie traten unabhängig von der Thrombozytenzahl keine schweren Komplikationen auf. Bei Patienten mit Thrombozyten < 10.000/μl wird vor der LP eine Thrombozytentransfusion empfohlen, zumal die geringe Anzahl an Patienten keine Aussage für diese Subgruppe ermöglichte [7]. Folgende Werte sollten gemessen werden:

  • Liquoreröffnungsdruck,

  • Zellzahl, Glukose, Laktat, Protein,

  • bakteriologische Kultur, Gram-Färbung, Virus-PCR: Herpes simplex 1 und 2, Varicella-Zoster-Virus, Enteroviren, bei Säuglingen ggf. humanes Parechovirus (hPeV) [8],

  • ggf. Borrelien-IgG/IgM, Mykoplasmen-IgA/IgG/IgM jeweils aus Liquor und Serum,

  • ggf. Bestimmung intrathekaler Antikörper, oligoklonale Banden.

Bildgebung

Bei fokaler Neurologie, anhaltender und progredienter Bewusstseinsstörung, klinischem Verdacht auf eine intrakranielle Druckerhöhung und/oder Hinweisen auf ein Schädel-Hirn-Trauma ist eine zerebrale Notfallbildgebung notwendig, um die Indikation zu einer neurochirurgischen Intervention zu prüfen. Bei instabilem Kind ist für diese konkrete Frage ein CT ausreichend [18].

Bei Säuglingen mit offener Fontanelle verschafft eine Schädelsonographie am Bett eine schnelle Orientierung. Prozesse der hinteren Schädelgrube und kalottennahe Blutungen werden in der Schädelsonographie leider schlecht dargestellt. Die MRT des Schädels weist eine deutlich höhere Aussagekraft auf und sollte angestrebt werden, insbesondere bei Verdacht auf Enzephalitis, Vaskulitis, ischämischen Schlaganfall und Sinusvenenthrombose [9].

EEG

Die wichtigste Indikation ist die Erkennung eines nonkonvulsiven Status epilepticus. Leitbefund im EEG ist der Nachweis rhythmischer Aktivität mit zeitlicher und räumlicher Entwicklung. Epilepsietypische Potenziale können auch nach längerem Verlauf eines Status epilepticus noch darstellbar sein. Der Status epilepticus wird nicht in diesem Artikel behandelt.

Die Abgrenzung zwischen periodischen Mustern wie LPDs („lateralized periodic discharges“) von einem Anfallsmuster kann schwierig sein. Im Zweifel kann in beiden Fällen ein Therapieversuch mit Antiepileptika erfolgen. LPDs kommen bei Herpes-Enzephalitis und Schlaganfall vor, aber auch bei Tumoren oder Anoxie. Die Herpesenzephalitis hat eine Prädilektion für den Temporallappen, wo sich in frühen Stadien ein Verlangsamungsherd findet ([10]; Abb. 1).

Abb. 1
figure 1

EEG von einem 15-jährigen Jungen mit Herpesenzephalitis: Verlangsamungsherd rechtshemisphärisch frontotemporal betont

Nichtepileptiforme EEG-Auffälligkeiten sind selten suggestiv für eine Ätiologie. So sind Radermercker-Komplexe sehr hinweisend auf die subakute sklerosierende Panenzephalitis. Es handelt sich um repetitive, generalisierte, bilaterale, polymorphe Komplexe von vorwiegend 0,5–2 s Dauer, die in Abständen von 4–14 s auftreten. Beim selben Patienten ist zumindest für die Dauer des EEGs die Wiederholungsfrequenz relativ konstant [6]. Nichtepileptiforme EEG-Auffälligkeiten sind in anderen Fällen unspezifischer, zum Teil hinweisend auf eine Ursache, ohne dass es zur Diagnosestellung der jeweiligen Erkrankung ausreicht: z. B. „extreme delta brushes“ bei der Anti-NMDA-Rezeptor-Enzephalitis [11] und triphasische Wellen bei der metabolischen Enzephalopathie [8, 12]. Triphasische Wellen finden sich selten bei Kindern [13].

Das EEG-Muster liefert selten Hinweise auf die Ursache des Komas. Es dient v. a. dazu, ein objektives Maß für den Schweregrad der Enzephalopathie, die Prognose und die Wirksamkeit der Therapie zu finden. Bei mild ausgeprägter Enzephalopathie zeigt sich eine generalisierte Verlangsamung. In schwereren Verläufen wird dann ein Burst-Suppression-Muster bis hin zu einer Nulllinie (entsprechend elektrozerebraler Inaktivität) beobachtet. Eine Reihe von verschiedenen EEG-Mustern wurde mit Koma in Verbindung gebracht: Alpha-Koma, Beta-Koma, Spindel-Koma, Theta-Delta-Koma. Im Unterschied zu physiologischen EEG-Mustern wie Alpha-EEG fehlt bei diesen Komaformen die Reagibilität auf externe Reize, wie z. B. (passives) Augenöffnen. Die Prognose ist unterschiedlich: besser beim Spindel- als beim Alpha-Koma. Fehlende Reagibilität und Variabilität sind negative prognostische Faktoren [14].

Ein weiteres EEG-Muster, das mit einer leichten Form der Enzephalopathie einhergeht, ist das Vorhandensein von Bursts „intermittierender rhythmischer Delta-Aktivität“ (IRDA) überlagert von einer mehr oder weniger normalen Hintergrundaktivität [14].

Ein kontinuierliches EEG-Monitoring wird zur Steuerung der zur Hirndrucktherapie induzierten Sedierung empfohlen [15]. Bei persistierender bzw. fluktuierender Bewusstseinsstörung ist die Indikation für kontinuierliches EEG-Monitoring großzügig zu stellen, um elektroenzephalographische Anfälle zu erkennen; dieses Monitoring sollte mindestens über 24(–48) h durchgeführt werden [16].

Ist das EEG bei einer nach klinischen Kriterien hochgradigen Bewusstseinsstörung unauffällig, macht dies eine Enzephalopathie als Ursache sehr unwahrscheinlich. In diesen Fällen müssen andere Ursachen wie Locked-in-Syndrom (z. B. bei Läsionen im Hirnstamm), akute neuromuskuläre Störungen bei z. B. Botulismus und Guillain-Barré-Syndrom bzw. psychogene Bewusstseinsstörungen (wie z. B. akinetischer Mutismus) mit in die Differenzialdiagnose einbezogen werden [17].

Evozierte Potenziale

Auf der pädiatrischen Intensivstation spielen insbesondere die SEPs (somatosensorisch evozierte Potenziale) und AEPs (akustisch evozierte Potenziale) für die prognostische Einschätzung eine Rolle. Verglichen mit dem EEG sind diese weniger beeinflusst durch sedierende Medikamente und elektrische Störungen [18].

Bei Kindern mit hypoxisch ischämischer Enzephalopathie ist die Kombination von pathologischen Befunden bei der klinischen Untersuchung (Pupillenreaktion und Motorik), SEPs (fehlende N20-Wellen beidseitig), EEG (Nulllinie bzw. Burst-Suppressionsmuster) und MRT (Diffusionseinschränkung im Kortex und in den Basalganglien) sehr prädiktiv für eine schlechte Prognose. Bei entsprechender Pathologie im EEG sollte eine metabolische bzw. medikamentöse Ursache für die Auffälligkeiten ausgeschlossen werden. Diese Untersuchungen sollten 24 h nach dem auslösenden Ereignis durchgeführt werden [19].

Kardiologische Untersuchungen

Bei Hinweisen auf kardiale Genese sollten eine Echokardiographie und ggf. ein EKG durchgeführt werden.

Intrakranielle Druckmessung (ICP)

Die intrakranielle Druckmessung (ICP) ist beim Schädel-Hirn-Trauma bei einem GCS < 9 indiziert [20]. Bei anderen Ätiologien ist die Datenlage zur prognostischen Relevanz nicht nachgewiesen.

Die Sonographie des Sehnervs wurde mit überwiegend guter Korrelation zur ICP zur Erkennung des erhöhten Hirndrucks angewandt [21].

Fazit für die Praxis

Eine rasche Diagnostik ist bei Kindern mit Bewusstseinsstörung essenziell. Die Erhaltung der Vitalfunktionen gemäß ABC-Richtlinien hat absoluten Vorrang. Diagnostik und Therapie müssen gleichzeitig ablaufen. Die Bewusstseinsstörung wird quantitativ mittels pädiatrischer GCS eingeschätzt. Der neurologische Kurzbefund umfasst die Prüfung der Augen, der Motorik und die Prüfung auf Meningismus. Die Labordiagnostik schließt den raschen Ausschluss einer Hypoglykämie und bei Verdacht auf ZNS-Infektion eine LP ein. Bei unilateral/bilateral weiter lichtstarrer Pupille muss ein Notfall-CT des Schädels durchgeführt werden. Die MRT des Schädels sollte ansonsten angestrebt werden, insbesondere bei Verdacht auf Enzephalitis, Vaskulitis, ischämischen Schlaganfall und Sinusvenenthrombose. Das EEG dient v. a. als objektives Maß für den Schweregrad der Enzephalopathie, die Prognose und die Wirksamkeit der Therapie. In seltenen Fällen liefert es Hinweise auf die Ursache des Komas.