Etwa 25–40 % der Patienten mit Epilepsie leiden unter medikamentös refraktären Anfällen. Dies kann zu kognitiven Beeinträchtigungen, neuropsychologischen Folgeerscheinungen, verminderter Lebensqualität und erhöhter Mortalität führen [2, 25, 38, 43]. Die chirurgische Therapie ist eine sichere und anerkannte Behandlungsoption für Patienten mit fokaler, therapierefraktärer Epilepsie mit guten Erfolgsraten, die höchste Evidenz besteht für temporomesiale Epilepsien [44].

Die Frontallappenepilepsie ist nach der Temporallappenepilepsie die zweithäufigste fokale Epilepsieform. Sie stellt mit 20–40 % aller fokalen Epilepsien gleichzeitig das häufigste extratemporale Epilepsiesyndrom dar [39].

Die Frontallappenepilepsien werden entsprechend der Lokalisation der epileptogenen Zone in laterale, mesiale und basale Frontallappenepilepsien eingeteilt. Die lateralen frontalen Bereiche werden in einen präfrontalen, prämotorischen und zentralen (rolandischen) Bereich unterteilt, welche 3 funktionell wichtige Bereiche enthalten – 1) beidseitig den primären motorischen Kortex, und 2) das supplementäre motorische Areal (SMA) sowie 3) die Broca-Sprachregion der dominanten Hemisphäre. Entsprechend dieser funktionellen Anatomie zeigen epileptische Anfälle, die im zentralen Frontallappen ihren Ursprung haben, charakteristische somatosensorische Auren oder fokale motorische Entäußerungen mit tonischen, klonischen oder komplexen motorischen Symptomen. Wenn die Broca-Sprachregion involviert ist, können epileptische Anfälle typischerweise mit einer Aphasie oder Dysphasie einhergehen [17]. Hypermotorische Anfälle sind ebenfalls typische im Frontallappen entstehende Anfälle, die aus dem prämotorischen und präfrontalen Kortex entstehen [21]. Typische in der SMA entstehende Anfälle sind z. B. bilaterale asymmetrische tonische Anfälle mit einem raschen Begin mit tonischer Körperhaltung, Abduktion und Beugung der oberen Extremitäten sowie Abduktion und Halbbeugung der unteren Extremitäten [5].

Die semiologische Charakterisierung der Anfälle mit Ursprung im basalen Frontallappen stellt eine der größten Herausforderungen im Rahmen der Epilepsiediagnostik dar. Der basale Frontallappen bleibt während des Anfallsbeginns erfahrungsgemäß klinisch stumm [36], und die klinische Präsentation des Anfalls entspricht somit einer Reizung anderer funktioneller Areale [31]. Dazu noch ist der basale Frontallappen über mehrere subkortikale Projektionen mit dem lateralen Frontallappen, dem insulären Kortex und über den Uncus auch mit dem Temporallappen verbunden. Dementsprechend können diese Kortexareale semiologisch über eine schnelle Propagation an der Anfallssemiologie beteiligt sein [16]. Zusammenfassend ist die Semiologie der Frontallappenepilepsie vielfältig, und somit sind die Bemühungen um eine präzise Lokalisation und Klassifizierung mit großen Herausforderungen verbunden, welche in vielen Fällen nur durch die Anwendung invasiver Diagnostik mit Implantation unterschiedlicher Tiefen- oder subduralen Elektroden gelöst werden können. Die aktuelle Arbeit stellt eine narrative Übersichtsarbeit über die Diagnostik und chirurgische Behandlung der Frontallappenepilepsie dar und versucht unterschiedliche chirurgische Optionen sowie postoperative Ergebnisse zusammenzufassen.

Invasive Diagnostik bei Frontallappenepilepsien

Die prächirurgische Abklärung einer Frontallappenepilepsie stellt häufig eine diagnostische Herausforderung dar. Die Schwierigkeit der genauen Lokalisation eines frontalen Anfallsursprunges schlägt sich in der stark variierenden postoperativen Anfallsfreiheit von 20 % bis zu 70 % nieder. Einer der wichtigsten Gründe dafür ist die hohe Zahl an Patienten, die keine spezifische epileptogene Läsion aufweisen. Unterschiedliche nichtinvasive Verfahren sowie deren Kombinationen können die Lokalisation der epileptogenen Zone in MRT-negativen Patienten verbessern. So konnte die Arbeit von Moeller et al. zeigen, dass die Kombination aus EEG, fMRT, SPECT und PET die Lokalisierung der epileptogenen Zone positiv beeinflussen kann [30]. Auch die Einführung der MAP-Analyse (Morphometric Analysis Programm) hat die Detektionsrate kleiner FCDs erhöht [11, 19]. Trotzdem bleibt eine Vielzahl an Patienten ohne eine wegweisende Läsion und benötigt somit eine weiterführende invasive Abklärung ([4]; Abb. 1).

Abb. 1
figure 1

Beispielhafte schematische Darstellung der Möglichkeit einer invasiven Abklärung des Frontallappens. a MRT-negative Epilepsie, die Abklärung beinhaltet 3 orthogonale Elektroden, welche F1, F2, Frontobasis und Insel ableiten, sowie mehrere Elektroden von lateral, welche F2 und F3 ableiten. b Implantation von nur 2 Elektroden nach multimodaler bildgebender Diagnostik, welche die epileptogene Zone möglichst genau lokalisiert hat. Die invasive Ableitung hat hier primär das Ziel, die mutmaßliche epileptogene Zone zu bestätigen oder zu verwerfen

Grundsätzlich existieren 2 Hauptstrategien, um die Planung und Implantation von Elektroden zur invasiven Abklärung des Frontallappens durchzuführen. Die erste Möglichkeit ist eine umfangreiche invasive Diagnostik mit mehreren Tiefen- oder subduralen Elektroden, welche das Ziel haben, die vermutete epileptogene Zone zu charakterisieren. Die zweite Option ist die Anwendung weniger Elektroden, welche eine bereits lokalisierte epileptogene Zone nur bestätigen oder verwerfen sollen. Die zweite Strategie entspricht dem sog. „Go/No-Go“-Prinzip, bei dem die von den Elektroden gelieferten Informationen eine resektive Operation nur triggern oder verwerfen sollen. Dies erfordert allerdings eine bereits präzise Hypothese aus einer umfangreichen nichtinvasiven Diagnostik, welche alle bildgebenden, klinischen und elektrophysiologischen Aspekte kombiniert, um die vermutete epileptogene Zone möglichst genau zu lokalisieren [11].

Der Trend zur Implantation von Tiefenelektroden setzt sich fort, obwohl subdurale Grids und Streifen bei der invasiven Abklärung von Frontallappenepilepsien nach wie vor nützlich sein können. Insbesondere bei Patienten mit frontomesialer Epilepsie stellen die interhemisphärischen subduralen Streifenelektroden eine gute Möglichkeit zum Nachweis einer epileptogenen Zone dar [12]. Subdurale Elektroden können große kortikale Bereiche abdecken und sind insbesondere bei der Kartierung von Hirnarealen mit hoher Funktionalität sehr nützlich. In jüngster Zeit wurden jedoch erste Ergebnisse der kortikalen Kartierung durch direkte kortikale Stimulation unter Verwendung von Tiefenelektroden sowohl für die Motorik als auch für die Sprachfunktion veröffentlicht [1, 10, 18].

Chirurgische Behandlung von Frontallappenepilepsien

Frontallappenresektionen unterscheiden sich in mehreren Aspekten von den chirurgisch klar definierten temporomesialen oder temporalen Resektionen v. a. durch die Tatsache, dass die epileptogene Zone unterschiedliche Kortexregionen betreffen kann. Deshalb ist die Formulierung einer Operationsstrategie oft deutlich schwieriger als bei den weitgehend standardisierten temporalen Resektionen [35] insbesondere für Patienten, die in der bildgebenden Diagnostik keine sichtbare Läsion aufweisen [3] und keine eindeutig lokalisierenden elektroenzephalographischen Befunde haben. Eine weitere große Herausforderung ergibt sich zusätzlich durch die häufig enge Beziehung des epileptogenen Areals zu eloquenten Kortexarealen (z. B. Motorik oder Sprache). Sind diese Areale Teil des vermuteten epileptogenen Areals, ist die chirurgische Behandlungsoption einschränkt, aber nicht per se ausgeschlossen.

Frontallappenresektionen umfassen komplette Lobektomien, erweiterte Läsionektomien und diskonnektive Operationen. Darüber hinaus können neuromodulative Verfahren wie die tiefe Hirnstimulation eine gute und langfristige Anfallsreduktion bei Patienten, welche nicht infrage für eine resektive Operation kommen, zeigen [37].

Frontallappenabsetzung/Frontallappendiskonnektion

Die komplette Resektion des Frontallappens ist eines der standardisierten Verfahren für die chirurgische Behandlung der Frontallappenepilepsie. Nach festen anatomischen Orientierungspunkten kann eine Frontallappenresektion mit geringer Komplikationsrate durchgeführt werden. Wen et al. haben vor Kurzem eine Arbeit veröffentlicht, in der die einzelnen Schritte während der Operation beschrieben wurden [42]. Sie zeigen die Möglichkeiten auf, die Resektion so durchzuführen, dass die Öffnung des Vorderhorns des Seitenventrikels vermieden wird und die SMA-Region bei Bedarf geschont wird. Obwohl die Resektion der SMA-Region insbesondere in der dominanten Hemisphäre zu länger bestehenden neurologischen Defiziten führen kann, wurde in einer aktuellen Studie von Kasabeh et al. berichtet, dass sich die verschlechterte neurologische Funktion 6 Monate nach der Operation vollständig erholte [24]. Allerdings beinhaltete die Studienpopulation v. a. Kinder (Durchschnittsalter 10 Jahre, n = 23), zumindest in dieser Subgruppe schienen Resektionen der SMA-Region ohne höheres Risiko für schwerwiegende verbleibende neurologische Defizite durchführbar zu sein.

Vor Kurzem wurde eine neue Technik der Frontallappendiskonnektion vorgeschlagen und detailliert beschrieben [8, 23]. Die Idee dieses Verfahrens besteht darin, die Verbindung des Frontallappens zum restlichen Gehirn zu durchtrennen und so typische Komplikationen zu vermeiden, die mit großvolumigen Resektionen verbunden sind. In einer der ersten Serien wurde über 16 Patienten berichtet, die sich diesem Verfahren unterzogen [23]. Eine Anfallsfreiheit konnte bei der Hälfte der Patienten erreicht werden. Neurologische Komplikationen traten bei 18 % der Patienten auf.

Frontale Läsionsektomie und erweiterte Resektionen

Neben den bereits erwähnten großen und ausgedehnten Operationen bestehen die meisten Resektionen bei Frontallappenepilepsie aus erweiterten Läsionektomien der vermuteten epileptogenen Zone. Der oben beschriebenen Anatomie folgend, können Resektionen innerhalb des Frontallappens in 1) polar, 2) lateral/Konvexität, 3) orbitofrontal, 4) mesial frontal/SMA und 5) zentral motorisch eingeteilt werden, wobei der letzte Bereich häufig als „Rolandischer Kortex“ bezeichnet und häufig als Teil der „Zentrallappenepilepsien“ behandelt wird. Diese anatomische Klassifizierung [5] wurde durch eine umfassende anatomisch-elektroklinische Klassifizierung unterstützt und bestätigt. Dafür wurde eine Clusteranalyse von 54 Patienten, die während der präoperativen Untersuchung mittels invasiver EEG untersucht wurden, durchgeführt. Die Autoren fanden 4 verschiedene Cluster mit unterschiedlichen semiologischen und EEG-Merkmalen, was die Heterogenität der Frontallappenepilepsie bestätigt und auf die Bedeutung der maßgeschneiderten Resektionen hinweist. Dies wird noch deutlicher, wenn die verschiedenen anatomischen Regionen in kleinere Unterregionen unterteilt werden, welche eigene elektroklinische Repräsentationen aufweisen können. So unterteilten Unnwongse et al. die mesialen Frontallappen in 4 weitere Unterregionen: a) frontales Cingulum, b) mittleres Cingulum, c) Prä-SMA und d) SMA [40]. Diese Unterteilung scheint insbesondere dann wichtig zu sein, wenn das postoperative epileptologische Outcome herangezogen wird. Operationen innerhalb des Gyrus cinguli führten zu einer Anfallsfreiheit von 43 %, während eine erweiterte supracinguläre Resektion ein deutlich besseres Outcome mit 71 % Anfallsfreiheit zeigte [28]. Für das Outcome nach Resektionen in der SMA-Region berichteten die Autoren von 55 % Anfallsfreiheit bei 22 Patienten [24]. Die orbitofrontale Region scheint nach epilepsiechirurgischen Eingriffen mit 70,4 % Anfallsfreiheit die zufriedenstellendsten Ergebnisse zu liefern [45]. Bei Patienten mit frontaler Epilepsie mit Beteiligung von Gyrus praecentralis sollte grundsätzlich entschieden werden, ob die Resektion den präzentralen Gyrus einschließen sollte, was ein größeres Risiko für dauerhafte neurologische Defizite birgt. Delev et al. berichteten über einen gutes epileptologisches Outcome mit 71 % ILAE 1 nach Resektionen mit Beteiligung des präzentralen Gyrus. Gleichzeitig traten dauerhafte neurologische Ausfälle unterschiedlicher Schweregrade bei immerhin 31 % der Patienten [13] auf.

Outcome und prognostische Faktoren

Die diagnostischen Schwierigkeiten und die Heterogenität der Operationen erklären auch, warum die Anfallsfreiheitsraten nach Resektion bei Frontallappenepilepsie zwischen 20 % und 70 % variieren. Im Jahr 2012 veröffentlichten Englot et al. eine Metaanalyse mit einer Zeitspanne von 20 Jahren über 1199 Patienten, welche aufgrund einer Frontallappenepilepsie operiert wurden [14]. Wichtige prognostische Faktoren, die mit einer Anfallsfreiheit einhergingen, waren läsionelle Epilepsie und Läsionsnachweis in den präoperativen MRT. Darüber hinaus waren präzise und lokalisierte Resektionen (im Vergleich zu großen und „ungezielten“ Lobektomien) und die vollständige Resektion der epileptogenen Läsion ebenfalls mit einem besseren epileptologischen Outcome assoziiert. Die Tab. 1 gibt einen Überblick über Studien und Patientenserien, die nach 2012 veröffentlicht wurden und daher nicht in der Metaanalyse von Englot et al. enthalten sind. Für die Suche wurden die Begriffe „frontal lobe epilepsy surgery, seizure outcome, predictors“ benutzt und die Zeitspanne zwischen 2012 und 2021 erfasst. Eine wichtige und interessante Tatsache ist, dass die meisten dieser Arbeiten über eine Anfallsfreiheit von mehr als 50 % berichteten. In einzelnen Fallserien, bei denen nur spezifische Subgruppen von Frontallappenresektionen untersucht wurden, reicht die Anfallsfreiheit sogar bis zu 70 %. Obwohl sich die prädiktiven Faktoren nicht einheitlich in allen Studien finden, gibt es eine Reihe von ziemlich konsistenten Ergebnissen: Eine sichtbare epileptogene Läsion im MRT, eine kürzere Dauer der Epilepsie und eine vollständige Resektion der epileptogenen Läsion stellen die wichtigsten prognostischen Faktoren dar, die mit einem günstigen Anfallsergebnis nach der Operation assoziiert sind. Neben der Anfallsfreiheit stellt das neuropsychologische Outcome einen der wichtigsten Outcomeparameter dar. Hierzu konnten 2 Übersichtsarbeiten zeigen, dass eine Verschlechterung der kognitiven Funktion durchaus in 42 % der operierten Patienten auftreten kann [6, 29]. Am meisten gefährdet waren die Domäne der Intelligenz und der exekutiven Funktionen. Als Risikofaktoren wurden das hohe Patientenalter, eine fehlende MRT-Läsion und ein schlechtes Anfallsoutcome identifiziert. Bei den restlichen Patienten waren die postoperativen neuropsychologischen Ergebnisse entweder verbessert, unverändert oder zeigten ein Mischbild [29].

Tab. 1 Übersicht über Fallserien mit Frontallappenresektionen

Ausblick

Trotz mittlerweile über 30 Jahren veröffentlichter Erfahrung bleibt die Chirurgie der Frontallappenepilepsie eine Herausforderung. Daher sind aktuelle und künftige Entwicklungen erforderlich, um sowohl das Anfallsgeschehen als auch die funktionellen Ergebnisse zu verbessern. Fortschritte in der Bildgebung und der zunehmende Einsatz von 7 T- oder 9,4 T-Hochfeld-MRT können die Entdeckungsrate epileptogener Läsionen erhöhen [41]. Zusätzlich können weitere bildgebende Verfahren Informationen über das funktionelle und strukturelle Konnektom liefern und dazu beitragen, epileptogene Netzwerke zu identifizieren [7, 15, 26]. Und schließlich werden neuartige Methoden der Neuromodulation und minimal-invasive Ansätze die neurochirurgischen Möglichkeiten bereichern und eine Option für jene Patienten darstellen, die für eine resektive Operation nicht infrage kommen [3, 9, 20, 33, 34].