Unter akut symptomatischen Anfällen (ASA) versteht man epileptische Anfälle, die zeitnah zu einem auslösenden Ereignis auftreten. ASA sind also situations- und zeitgebunden [1]. Der zeitliche Zusammenhang zwischen dem Anfall und dem zugrunde liegenden Ereignis variiert entsprechend der Genese [1]. Die Ursachen der ASA sind mannigfaltig und reichen von vaskulären Ereignissen über Infektionen bis zu metabolisch/toxischen Ursachen [2]. Bei metabolischen/toxischen Ursachen liegt die Latenzzeit meist innerhalb der ersten 24–48 h nach dem Ereignis [1, 2]. Entsprechende Labordiagnostik sollte immer zeitnah (innerhalb von 24 h) zum Anfall erfolgen [3].

Die Inzidenz von ASA liegt bei 29–39 %/100.000 Personen pro Jahr mit einem kumulativen Risiko von 3,6 % [4]. Etwa 40 % aller erstmalig aufgetretenen Anfälle und 50–70 % der erstmaligen Status epileptici sind akut symptomatischer Genese.

Es gibt unterschiedliche Konzepte, welche ASA zugrunde liegen können [1]: das Akkumulieren von mehreren akuten Ereignissen [2], Exazerbation einer chronischen Erkrankung [3], genetische Prädisposition und [4] das Eintreten eines einzelnen Ereignisses (z. B. Schlaganfall, Schädel-Hirn-Trauma, ausgeprägte Hyponatriämie, Hypoglykämie, Intoxikation u. v. m.) [2, 5].

Dieser Artikel fokussiert auf internistische Erkrankungen die zu akut symptomatischen epileptischen Anfällen führen. Aufgrund des Umfanges des Themas und da es in vielen Fällen einen fließenden Übergang zwischen akut symptomatischen Anfällen und nicht provozierten Anfällen gibt, werden nur die häufigsten ursächlichen internistischen Erkrankungen erwähnt.

Elektrolytentgleisungen

Elektrolytentgleisungen beeinflussen neben anderen Organen und Strukturen auch direkt das Gehirn. Vor allem akut auftretende und schwere Elektrolytentgleisungen können ASA zugrunde liegen [6]. Eine rasche Diagnosestellung und konsequente Behandlung der Elektrolytentgleisung stehen im Vordergrund, da es bei Nichtbehandlung auch zu schweren Komplikationen kommen kann.

In weiterer Folge gehen wir auf die häufigste Elektrolytentgleisungen ein, welche mit epileptischen Anfällen einhergehen [6].

Vonseiten der Internationalen Liga gegen Epilepsie (ILAE) wurden für die unterschiedlichen Elektrolytstörungen Grenzwerte angegeben. Diese sind bei fehlender wissenschaftlicher Grundlage willkürlich gesetzt. Dabei wurden diese so gewählt, dass eher eine hohe Spezifität als Sensitivität vorliegt. Sollten diese Grenzwerte bei ASA nicht unter-/überschritten werden, sollte die Anfallsätiologie als unklar eingestuft werden, was explizit nicht einem unprovozierten Anfall entspricht. In Zukunft wäre wünschenswert, diese Grenzwerte wissenschaftlich zu evaluieren (Tab. 1; [1]).

Tab. 1 Referenzwerte bei häufigen Stoffwechselerkrankungen, die mit dem Auftreten eines akut symptomatischen Anfalls verbunden sind [1, 21]

Hyponatriämie

Eine Vielzahl von internistischen Erkrankungen und Störungen führt zu einer Hyponatriämie. Die häufigsten Ursachen sind dabei eine Verdünnungshyponatriämie oder eine übermäßige Wasseraufnahme [7]. Einer Verdünnungshyponatriämie können unterschiedliche internistische Ursachen zugrunde liegen, wie z. B. eine gestörte renale Wasserausscheidung, diuretische Therapien, Nebenniereninsuffizienz, Hypothyreose, Diarrhö, Herzinsuffizienz, Zirrhose, Nierenfunktionseinschränkung, SIADH („syndrome of inappropriate secretion of antidiuretic hormone“). Auch antikonvulsive Therapien wie Carbamazepin und dessen Analoga Oxcarbazepin und Eslicarbazepin führen zu Hyponatriämie, wobei diese meist asymptomatisch verläuft [6]. Allerdings ist bei 20–25 % der Patienten mit schwerer Hyponatriämie (≤ 128 mmol/l) unter Carbamazepin und Oxcarbazepin eine Anfallszunahme beschrieben [8, 9].

Beghi et al. [1] definierten einen Natriumwert < 115 mg/dl als Grenzwert, ab dem sich das Risiko für ASA deutlich erhöht. Im Jahr 2011 reevaluierte eine schwedische Arbeitsgruppe [10] im Rahmen einer retrospektiven Studie das Risiko unterschiedlicher Natriumwerte und den von Beghi et al. [1] angegebenen Grenzwerten [10]. Hierfür wurden alle Patienten zwischen März 2003 und August 2006, welche aufgrund einer Hyponatriämie mit einem Wert unter 125 mmol/l vorstellig wurden, bezüglich dem Auftreten von epileptischen Anfällen analysiert. Im Gesamtkollektiv von 363 Patienten konnten nur 11 Patienten mit einem ASA identifiziert werden. Weiteres war es der Studiengruppe möglich, eine Korrelation zwischen der Ausprägung des Natriummangels und dem Anfallsrisiko nachzuweisen. Die Odds Ratio, einen ASA zu erleiden, liegt demnach bei einem Natriumspiegel zwischen 115 und 119 mmol/l bei 3,85, bei einem Spiegel zwischen 110 und 114 mmol/l bei 8,43 und bei einem Spiegel unter 110 mmol/l bei 18,06 [10].

Hypernatriämie

Eine chronische Hypernatriämie verursacht selten neurologische Defizite oder Symptome. Neurologische Komplikationen treten meist nur dann auf, wenn der Natriumwert innerhalb von wenigen Stunden sehr rasch ansteigt [6]. Auch eine zu rasche Korrektur der Hypernatriämie kann durch ein dadurch entstehendes Hirnödem in bis zu 40 % der Patienten zu ASA führen [7]. Die häufigsten Ursachen der Hypernatriämie, außer der iatrogenen durch Substitution, sind exzessiver Wasserverlust durch Diabetes insipidus, Diarrhö oder medikamentös bedingt (z. B. Mannitol) sowie eine intrazelluläre Wassermigration bei konvulsiven Anfällen oder exzessivem körperlichem Training [6]. Ein Natriumwert > 170 mg/dl wird als schwere Hypernatriämie bezeichnet. Wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, im Rahmen einer Hypernatriämie einen ASA zu erleiden, ist nicht bekannt.

Hypokalziämie

Die klassischen klinischen Manifestationen der Hypokalziämie sind Bewusstseinsstörungen und epileptische Anfälle. Grundsätzlich können bilateral tonisch-klonische Anfälle, generalisiert nichtmotorische, atypische Anfälle (atypische Absencen), fokale, bewusst erlebte, motorische Anfälle, nicht bewusst erlebte, nichtmotorische Anfälle bis hin zu non-konvulsiven Status epileptici auftreten [7]. Eine der wohl häufigsten Ursachen der Hypokalziämie ist der Hypoparathyreoidismus, welcher idiopathisch, postoperativ nach Thyreoidektomie oder sekundär im Rahmen eines Nierenversagens auftreten kann. Im Weiteren führt auch eine reduzierte Vitamin-D-Aufnahme oder eine Störung im Metabolismus von Vitamin D zu erniedrigten Kalziumwerten [11]. Eine Hypokalziämie von < 5 mg/dl wurde als Cut-off-Wert für ASA angesehen [1].

Hypomagnesiämie

Bilateral tonisch klonische Anfälle im Sinne eines ASA können im Rahmen eines ausgeprägten Magnesiummangels entstehen [7]. Der Magnesiummangel entsteht meist durch Diarrhö, Missbrauch von Abführmittel oder durch Medikamente wie Thiaziddiuretika und Cyclosporine [6]. Hier wird ein Grenzwert < 0,8 mg/dl angegeben [1].

Diabetes mellitus

Ein Diabetes mellitus (DM), unabhängig ob Typ I oder II, ist mit dem Auftreten von epileptischen Anfällen und mit Epilepsien assoziiert. Eine italienische Studie konnte zeigen, dass bei älteren Patienten (> 64 Jahre) mit DM eine höhere kumulative zeitabhängige Inzidenz von epileptischen Anfällen, im Vergleich zu einer gematchten Vergleichsgruppe ohne Diabetes (3,0 % zu 1,9 %) bestand [12]. Dadurch konnte gezeigt werden, dass Patienten mit einem längeren Fortbestehen des Diabetes ein steigendes Risiko haben, Anfälle zu erleiden. Die genaue Genese einer Epilepsie bei Patienten mit Diabetes ist momentan noch nicht geklärt, wobei ein multimodales Erkrankungsmodell angenommen wird. Die vermuteten Pathomechanismen beinhalten mikroangiopathische Veränderungen durch vaskuläre Läsionen, immunologische Störungen und metabolische Störungen [13].

Hyperglykämie

Hyperglykämien führen immer wieder zu akut symptomatischen Anfällen [1]. Eine nennenswerte Sonderform ist hierbei sicher die nichtketotische Hyperglykämie, die sich meist als fokal motorische Anfälle manifestiert [14]. Treten hierbei mehrere ASA oder sogar Anfallscluster auf, sollte in der Akutphase eine adäquate Therapie mit Insulin und ausreichender Flüssigkeitszufuhr eingeleitet werden. Antikonvulsive Therapien sprechen kaum an [15]. Eine Hyperglykämie mit einem Serumglukosewert von > 450 mg/dl wird als Schwellenwert betrachtet [1].

Hypoglykämie

Hypoglykämien sind v. a. bei Neugeborenen und Kindern mit ASA verbunden, wobei hier die Gefahr der Entwicklung einer Epilepsie aufgrund von rezidivierenden neonatalen Hypoglykämien im Vordergrund steht [16, 17]. Wichtige Faktoren, die zu bleibenden Hirnschädigungen und im Weiteren zur Entwicklung einer Epilepsie führen, sind die Dauer der Hypoglykämie, die Häufigkeit der ASA und einhergehende hypoxische Hirnschädigungen [16]. Einzelne Fallberichte assoziieren auch das Auftreten von fokal motorischen Anfällen im Rahmen von Hypoglykämien [18, 19]. Ein richtungsweisender Grenzwert der Serumglukose liegt bei < 36 mg/dl [1]. Dieser Wert gilt für alle Lebensalter.

Schilddrüsenerkrankungen

Schilddrüsenhormone können die Erregungsbereitschaft im Gehirn steigern [20]. Vor allem im Rahmen von thyreotoxischen Zuständen können in seltenen Fällen ASA auftreten. Die Häufigkeit von ASA bei Patienten, die unter einer Hyperthyreose leiden und aufgrund des thyreotoxischen Zustandes den Anfall erlitten, wird in einer Studie von Song et al. [21] mit 0,2 % angegeben. Deutlich höher liegt das Risiko bei der sog. „steroid responsive encephalopathy associated with autoimmune thyroiditis (SREAT)“, welche in 40 % der Fälle mit ASA einhergeht [22]. SREAT ist definiert als eine Enzephalopathie, die mit einer kognitiven Verschlechterung einhergeht und zusätzlich mit entweder einer neuropsychiatrischen Symptomatik wie Halluzinationen oder Paranoia, mit fokal neurologischen Defiziten, mit bilateral tonisch klonischen Anfällen oder mit einem Myoklonus einhergeht. Schilddrüsenantikörper wie Antikörper gegen Thyreoperoxidase und Antikörper gegen Thyreoglobulin müssen bei euthyreoter Stoffwechsellage im Serum nachweisbar sein. Andere Differenzialdiagnosen, wie z. B. Enzephalitiden, Vaskulitiden, Neoplasien u. a., müssen ausgeschlossen werden. Ebenso ist eine vollständige oder nahezu vollständige Rückkehr zum neurologischen Ausgangszustand des Patienten nach einer Kortikosteroidbehandlung erforderlich für die Diagnose [22].

Eine Hypothyreose führt nur bei langfristiger, unbehandelter Unterfunktion oder im Rahmen eines Myxödemkomas zu ASAs [23]. Klinisch zeigen sich v. a. bilateral tonisch klonische Anfälle mit lang andauerndem postiktalem Zustand.

Lebererkrankungen

Akute wie chronische Leberfunktionsstörungen führen oft zu weiteren neurologischen Komplikationen. Allen voran ist hierbei die hepatische Enzephalopathie zu nennen, die einen direkten Einfluss auf das Zerebrum hat. In fulminanten Fällen können Patienten im Rahmen der hepatischen Enzephalopathie akut symptomatische Anfälle, ein Koma und in schweren Fällen auch ein klinisch relevantes Hirnödem entwickeln [24]. Oft ist die Lebertransplantation die einzige Möglichkeit zur Verbesserung der klinischen Symptome. Doch auch bei transplantierten Patienten treten je nach Literatur ASAs bei ca. 15–30 % der Patienten auf [25, 26]. In einer rezenten populationsbasierten Studie wurden Patienten mit Leberzirrhose und solche mit milder, nichtzirrhotischer Lebererkrankung verglichen. Insgesamt erlitten 2,8 % der Patienten im über 4‑jährigen Verlauf einen Anfall und 0,001 % einen Status epilepticus. In der statistischen Auswertung war allerdings nur Leberzirrhose mit einem höheren Risiko für Status epilepticus assoziiert (HR 1,9) [27].

In seltenen Fällen können ASA im Rahmen von Porphyrien (meist akut intermittierende Porphyrie) auftreten [28].

Nierenerkrankung

In der Literatur findet sich kein Hinweis, dass Nierenfunktionseinschränkungen oder Niereninsuffizienzen direkt mit dem Auftreten von ASA zusammenhängen. Ähnlich wie bei den hepatischen Erkrankungen zeigen Fallberichte, dass gerade eine fortgeschrittene chronische Niereninsuffizienz zu einem „posterioren reversiblen Enzephalopathiesyndrom“ (PRES) führen kann oder dessen Entstehung zumindest begünstigt [29, 30]. Ein Kreatinin von > 10 mg/dl wird dabei als Risiko gesehen [1].

Posteriores reversibles Enzephalopathiesyndrom

Das posteriore reversible Enzephalopathiesyndrom (PRES) ist charakterisiert durch neu auftretende epileptische Anfälle, Kopfschmerzen, Sehstörungen und meist bilateral auftretende subkortikal bis kortikal reichende Hyperintensitäten im Posteriorstromgebiet in der T2-Wichtung des cMRTs. Diese Hyperintensitäten stellen ein vasogenes Ödem dar, das ebenfalls in der DWI-Sequenz, z. T. auch im CCT dargestellt werden kann. Insgesamt kommt es bei 70–74 % der Patienten mit PRES zu fokalen und gleichermaßen generalisierten Anfällen [31]. Die radiologischen Alterationen sind genauso wie die klinischen Symptome meist reversibel. Neben Hepatopathien gelten renale Störungen, hypertensive Entgleisungen (insbesondere während der Schwangerschaft bei Präeklampsie [20 %] und Eklampsie [80 %]), Sepsis, zytotoxische Medikation und autoimmunlogische Erkrankungen als ursächlich für die Entstehung eines PRES [26, 31]. Eine antikonvulsive Therapie ist für die Dauer der neurologischen Symptome und der radiologischen Veränderungen indiziert [31].

In bis zu 36 % der Patienten kommt es nach PRES zu neurologischen Sequelae, meist durch Komplikationen. Allerdings liegt der Anteil von Patienten, die eine Epilepsie entwickeln, deutlich niedriger. Hier ist nur auf Fallserien hinzuweisen. Bei einer pädiatrischen Serie mit PRES nach onkologischer Therapie entwickelten 19 % weitere Anfälle, in Erwachsenenserien liegt dieser Anteil eher im unteren einstelligen Bereich [31].

Lupus erythematodes

ASA treten bei systemischen Lupus erythematodes (SLE) meist im Rahmen einer systemischen Exazerbation. Dies geschieht bei ca. 25 % der Patienten [32]. Eine antikonvulsive Therapie ist meist nicht effektiv. Die Therapie der Wahl stellen in diesem Fall Cortison, Immunsuppressiva oder Immunglobuline dar [33]. Selten kann ein epileptischer Anfall auch das erste Symptom eines SLE sein, die Ursachen sind Blutungen oder Ischämien [33, 34].

Chronisch entzündliche Darmerkrankungen

Im Rahmen entzündlicher Darmerkrankungen wie der Colitis ulcerosa und des Morbus Crohn können unterschiedliche neurologische Symptome entstehen, die sowohl das periphere als auch das zentrale Nervensystem beeinflussen [35]. Die Inzidenz der neurologischen Symptome liegt insgesamt zwischen 0,25 und 47,5 % [36].

ASA werden nur selten und auch nur indirekt durch chronisch entzündliche Darmerkrankungen ausgelöst. Zum einen führen die Darmerkrankungen zu einem bis zu 3‑ bis 4‑fach erhöhten Risiko einer zerebralen Thromboembolie, einer Vaskulitis und einer Verbrauchskoagulopathie [26]. Die dadurch entstehenden zerebralen Ischämien führen zu ASA. Auch multiple Sklerose und demyelinisierende zentralnervöse Prozesse sind ebenfalls mit entzündlichen Darmerkrankungen und teils auch mit den Therapien wie Adalimumab oder Infliximab vergesellschaftet [36]. Diese Läsionen können wiederum selbst zu ASA oder zu einer Epilepsie führen.

Suchtmittel

Alkohol

Sowohl eine akute Alkoholintoxikation als auch der Alkoholentzug führen zu akut symptomatischen Anfällen [1]. Während bei akutem Alkoholmissbrauch eine erhöhte Reagibilität der GABAA-Rezeptoren und eine Hemmung der NMDA-Rezeptoren für die Anfallssuszeptibilität verantwortlich ist, liegen beim chronischen Alkoholabusus eine Reduktion der GABAA- und eine Erhöhung der NMDA-Rezeptorendichte vor [37]. Alkoholassoziierte Anfälle sind für fast jede dritte anfallsbedingte Krankenhausvorstellung verantwortlich. Sie manifestieren sich als bilateral tonisch-klonische Anfälle und treten in den ersten 6–48 h des Alkoholentzugs oder während exzessiven Alkoholkonsums auf. Bei chronischem Alkoholabusus sind sie meist mit anderen Entzugssymptomen wie Tachykardie, Schwitzen oder Tremor assoziiert [1]. Das Management und das weitere Procedere variieren dabei je nach Klinik und regionalen Gegebenheiten [38, 39]. Bei Patienten mit Epilepsie wird nach Alkoholkonsum bei 18 % der Patienten eine Verschlechterung der Anfallssituation angegeben. Bei allen Patienten lag ein Alkoholkonsum von mindestens 7 Standardeinheiten vor, und die Anfälle traten bei 95 % der Fälle in den ersten 12 h nach Beginn der Alkoholkarenz auf [40]. Unabhängige Prädiktoren für alkoholbedingte Anfälle waren generalisierte genetische Epilepsien (OR 5,792) und chronischer höherer Alkoholkonsum (OR 8,955). Moderater Alkoholkonsum scheint für die meisten Patienten mit Epilepsie ohne erhöhtes Anfallsrisiko möglich [40]. Treten bei Patienten mit Epilepsie Anfälle unter klarer kausaler und zeitlicher Assoziation mit/nach hohem Alkoholkonsum oder -entzug auf, sind diese nach Definition ggf. als ASA zu werten [1].

Benzodiazepine und andere Substanzen

Eine Vielzahl von meist illegalen Drogen können auch in niedrigen Dosen akut symptomatische Anfälle auslösen. Bei narkotisierenden Substanzen wie Benzodiazepinen, synthetischen Cannabinoiden, γ‑Hydroxy-Butansäure (GHB) oder Opiaten treten diese eher im Entzug auf [41]. Andere Substanzen wie Benzoylecgoninmethylester (Kokain), dessen Konsumform Crack, Methamphetamine, Phenylcyclohexylpiperidin und andere synthetische Stimulanzien haben ein hohes Risiko der Provokation von ASA während des Gebrauchs. Dieser Zusammenhang konnte, nachgewiesen werden, da Spuren der Substanzen bei Patienten mit ASA in Blut und Urinproben detektiert werden konnten [1]. Ein Schwellenwert ist bei den Substanzen nicht bekannt. Heroin und Cannabis sind mit einem niedrig bis nicht erhöhten Risiko für epileptische Anfälle verbunden [1, 41]. Bei fast allen illegalen Drogen können vorwiegend vaskuläre Komplikationen auftreten, sodass eine sorgfältige Abklärung bei Auftreten von ASA erfolgen sollte [42].

Medikamente

Es sind 1,4–14 % der ASA medikamentös-toxischer Genese [2, 43]. Umgekehrt gehen 1,3–5,2 % aller Vergiftungen mit epileptischen Anfällen einher [44,45,46,47]. ASA können im Rahmen einer Überdosierung, aber auch bei Entzug auftreten. Das Risiko hängt vom Medikamententyp, der Dosis und von patientenbezogenen Faktoren (vorbestehende zerebrale Erkrankung, Nieren- und Leberfunktion) ab [48].

Neuroleptika

Neuroleptika und antipsychotische Medikamente sind mit einem vermehrten Auftreten von epileptischen Anfällen verknüpft [48]. Es zeigt sich jedoch, dass das Anfallsrisiko in der Gruppe der antipsychotischen Medikamente unterschiedlich ist. Vor allem bei Neuroleptika der zweiten Generation wie Clozapin ist das Risiko im Vergleich zu anderen antipsychotischen Medikamenten erhöht [49]. Es treten in erster Linie tonisch-klonische Anfälle auf, wobei auch andere Anfallstypen vorkommen können [50]. Insgesamt ist das Risiko von Anfällen unter Clozapin dosisabhängig und bis zu 4,4 % bei ≥ 600 mg Tagesdosis [51]. Um das Anfallsrisiko gering zu halten, sind eine möglichst niedrige Anfangsdosis, ein langsames Steigern der Medikation, regelmäßige Blutspiegelkontrollen und eine möglichst niedrig dosierte Dauertherapie anzustreben [49]. Sollte es zu Anfällen unter Neuroleptika kommen, sollte zunächst, wenn möglich, die Dosis verringert werden oder auf alternative Antipsychotika mit geringer Anfallsrate umgestellt werden [51, 52]. Ist eine Therapieumstellung nicht möglich, sollte eine antikonvulsive Therapie angedacht werden [50].

Antibiotika

Klassische neurologische Nebenwirkungen von Antibiotika reichen von akut symptomatischen Anfällen über das Auftreten einer Enzephalopathie oder einer peripheren Neuropathie bis hin zu einer akuten Verschlechterung einer Myasthenia gravis [53]. Antibiotika sind jedoch wesentlich seltener der Grund für ASA als vermutet [54]. Meistens sind diese Anfälle mit weiteren Risikofaktoren wie einem höheren Lebensalter, einer vorbestehenden Nierenfunktionsstörung oder einer vorbekannten Epilepsie verbunden [53]. Dabei besteht ein erhöhtes Risiko bei Beta-Laktamen (insbesondere Penicillinen), Carbapenemen der 4. Generation (z. B. Meropenem, Imipenem) und Ciprofloxacin in Kombination mit Niereninsuffizienz [53, 54]. Die Antibiotikagruppe der Carbapeneme interagiert zusätzlich mit gleichzeitig verabreichter Valproinsäure (VPA) bei Epilepsiepatienten. Zum einen hemmen die Carbapeneme direkt das Valproinsäure-„recovering“-Enzym β-Glucuronidase, und darüber hinaus hemmen sie die intestinale Aufnahme der Valproinsäure. Dadurch fällt der Serumspiegel der Valproinsäure, und es kann zu einer Zunahme der Anfallsfrequenz kommen [54]. Regelmäßige Valproin-Serumspiegelkontrolle mit entsprechender Dosisanpassung ist empfohlen, falls der Einsatz von Carbapenemen unumgänglich ist. Penicillin hat von allen Antibiotika wahrscheinlich die stärkste prokonvulsive Wirkung, was in die Etablierung eines Tiermodels zur Entstehung von Epilepsien mündete. Das erhöhte Risiko für Anfälle ist dabei auf die direkte Hemmung der GABAA-Rezeptoren zurückzuführen [54]. Es ist allerdings darauf hinzuweisen, dass bei Ampicillin, Amoxycillin und Floxacillin dieser Effekt nicht vorliegt [54].

Antidepressiva

Im Falle einer Überdosierung können Antidepressiva mit ASA einhergehen [55]. Bupropion wird diesbezüglich das höchste Risiko zugeschrieben, gefolgt von Maprotilin, Venlafaxin und Citalopram [55]. In therapeutischer Dosierung gelten Antidepressiva bezüglich der potenziellen Anfallsprovokation als sicher. Im Gegenteil, in Phase-II- und -III-Studien war der Anteil von Anfällen unter Antidepressiva meist geringer als im Placeboarm. Dies kann auf darauf hinweisen, dass eine suffiziente Therapie der Depression die Anfallsrate reduzieren kann [56].

Sonstige Medikamente

Des Weiteren werden ASA bei Anästhetika, Antiarrhythmika, Anticholinergika, Antidiabetika, Antimykotika, antineoplastischen Medikamenten, antiviraler Medikation, Immunsuppressiva und bei Opioiden sowie Theophyllin beschrieben. Für eine ausführliche Aufstellung wird auf das entsprechende Buchkapitel in „Animoffs Neurology and General Medicine“ verwiesen [57].

Therapie von ASA bei internistischen Erkrankungen

Bezüglich der Therapie ist nochmals anzumerken, dass eine dauerhafte antikonvulsive Therapie in den seltensten Fällen indiziert ist [58]. ASA, welche auf internistische Erkrankungen oder externen Noxen zurückzuführen sind, gehen meist nicht in eine chronische, behandlungsbedürftige Epilepsie über. Primär sollte dabei die Grunderkrankung bzw. das zugrunde liegende Ereignis so effektiv wie möglich behandelt bzw. der Einfluss der Noxe beendet werden. Gelingt dies nicht oder ist eine weitere Einnahme der Noxen notwendig, können rezidivierend Anfälle auftreten. In diesen Fällen ist eine antikonvulsive Therapie zu erwägen, um das Anfallsrisiko zu senken. Dabei handelt es sich jedoch um Einzelfallentscheidungen, in deren Rahmen das Nebenwirkungsprofil und die Wechselwirkungen der antikonvulsiven Therapie mit der Therapie der Grunderkrankung oder exogenen Noxe zu beachten sind [58].

Fazit für die Praxis

  • Die Bandbreite der internistischen Ursachen bzw. die Anzahl der Noxen, welche akut symptomatische Anfälle (ASA) auslösen können, ist breit.

  • Bei Auftreten von ASA sollte somit nicht nur an neurologische Ursachen, sondern auch an internistische Erkrankungen gedacht werden.

  • Bestimmte Medikamente, Alkohol und Drogen können ASA verursachen.

  • Dies hat einen direkten Einfluss auf die Therapieentscheidung, da in den meisten Fällen die Behandlung der zugrunde liegenden Erkrankung bzw. des Ereignisses oder das Absetzen der Noxe ausreichend ist.

  • In Einzelfällen ist eine antikonvulsive Behandlung auch bei ASA indiziert, wie z. B. beim posterioren reversiblen Enzephalopathiesyndrom (PRES) oder bei Behandlung mit Antipsychotika, wenn andere Maßnahmen nicht ausreichen. Diese sollte, wenn möglich, zeitlich begrenzt sein (z. B. bei PRES).

  • Zur Erleichterung der klinischen Einschätzung hat die International League against Epilepsy (ILAE) Richtwerte für Elektrolytentgleisungen und weitere metabolische Parameter publiziert.

  • Die Unterscheidung von ASA gegenüber rezidivierend auftretenden unprovozierten Anfällen bei internistischen Erkrankungen ist essenziell, da dies einen direkten Einfluss auf die weitere Therapieentscheidung bezüglich der Etablierung von antikonvulsiven Medikamenten hat.