Hintergrund

Anfälle beim Neugeborenen sind in den allermeisten Fällen Symptom einer zugrunde liegenden neurologischen Störung im Sinne von „akut symptomatischen Anfällen“. Im Jahr 2021 hat die ILAE (International League Against Epilepsy) eine neue Klassifikation von zerebralen Anfällen beim Neugeborenen vorgestellt [18], die die Rolle der Elektroenzephalographie zur Diagnose von Anfällen in dieser Altersgruppe unterstreicht. Die Definition von Anfällen erfolgt hierbei nur über die Elektroenzephalographie (EEG), und erst danach wird beschrieben, ob die Anfälle von klinischen Symptomen begleitet werden oder nicht (dann werden sie als „rein elektrographische Anfälle“ bezeichnet). Somit ist eine nur auf der Klinik basierende Diagnose von zerebralen Anfällen beim Neugeborenen nicht mehr empfohlen, da dies auf der einen Seite zur Überdiagnose bzw. Übertherapie, andererseits zum verminderten Erfassen von Anfällen führen kann [20]. Da angenommen wird, dass eine fehlende Behandlung bzw. ein Nichterkennen von Anfällen zum Triggern („kindling“) von weiteren Anfällen und zur Verschlechterung einer vorliegenden Hirnschädigung führen kann [30], ist eine möglichst genaue Anfallserkennung (inklusive genaue Dauer) beim Neugeborenen anzustreben. Auf der anderen Seite kann eine Überbehandlung durch eine unnötige medikamentöse Therapie mit an sich neurotoxischen Medikamenten zu einer Verlängerung des intensivmedizinischen Aufenthaltes und möglicher zusätzlicher Schädigung des Gehirnes führen [20]. Anhand einer Studie von Murray et al. konnte gezeigt werden, wie wenig klinische Symptome und elektrographische Anfallsaktivität beim Neugeborenen miteinander korrelieren [16]. Insbesondere sobald eine antikonvulsive Therapie begonnen wurde, entwickeln bis zu 58 % der betroffenen Neugeborenen ein elektroklinisches „uncoupling“, bei dem elektrographische Anfallstätigkeit weiterbesteht, obwohl sich die klinische Symptomatik bessert bzw. verschwindet [23].

Die häufigsten Ursachen von zerebralen Anfällen beim Neugeborenen sind hypoxisch-ischämische Läsionen (mit fast 70 %) inklusive neonataler arterieller und venöser Infarkte, gefolgt von intrakraniellen Blutungen (intraventrikuläre Blutungen [IVH] beim Frühgeborenen, Subarachnoidalblutung beim reifen Neugeborenen), Infektionen und Stoffwechselveränderungen (von einfacher Hypoglykämie bis zur komplexen angeborenen Stoffwechselerkrankung). Auch angeborene zerebrale Fehlbildungen, genetische Syndrome oder Drogen/Medikamente können beim Neugeborenen Anfälle auslösen. Die Diagnostik von Anfällen beim Neugeborenen und Frühgeborenen ist schwierig und eine kontinuierliche neurophysiologische Überwachung ist dabei unabdingbar. In nur wenigen, sehr spezialisierten Abteilungen ist eine kontinuierliche bzw. langfristigere Überwachung mittels konventionellen, mehrkanaligen EEGs inklusive Videoüberwachung möglich, auch wenn dies die anzustrebende bzw. wünschenswerte Methodik darstellt. Somit hat sich in den letzten Jahren die vereinfachte Methode des amplitudenintegrierten EEGs (aEEG) als zeitkomprimierte, direkt am Krankenbett interpretierbare Methode als hilfreich erwiesen und stellt nicht nur eine „kompensatorische Maßnahme“ bis zur Verfügbarkeit eines konventionellen EEGs dar [4]. Bereits in den 60er-Jahren von Maynard et al. entwickelt [15], wurde das amplitudenintegrierte EEG initial zur Überwachung nach Trauma, Operation oder ischämischem Insult auf der Intensivstation von Erwachsenen angewandt, hat aber seit den 80er-Jahren v. a. auf neonatologischen Intensivstationen Verbreitung gefunden. Heutzutage werden digitale, mehrkanalige Varianten verwendet (meist P3-P4, C3-P3, C4-P4, gemeinsam mit dem zugrunde liegenden Roh-EEG und der kontinuierlich aufgezeichneten Elektrodenimpedanz). Moderne aEEG-Monitore verfügen auch über einen automatischen Seizure-detection-Algorithmus zur weiteren Vereinfachung, wobei aber eine klinische, visuelle Überprüfung der markierten Episoden immer empfohlen ist [14]. Aufgrund der in Zeit und Region komprimierten Darstellung ist eine – im Vergleich zum konventionellen EEG – reduzierte Möglichkeit der Anfallserkennung zu erwarten. Eine Schulung in der aEEG-Interpretation ist empfohlen, und eine Differenzierung von Artefakten kann schwierig sein.

Wie sich in letzter Zeit zunehmend herausstellt, ist die genaue Erfassung der „seizure burden“ (genaue Dauer von Anfallsaktivität in einem definierten Zeitraum) für die Prognose wichtig, und auch Therapien lassen sich mit einer kontinuierlichen Überwachung genauer steuern. Erste Daten zeigen, dass die exakte „seizure burden“ mit dem Langzeitoutcome und der Läsionsschwere im MRT korreliert [26]. Daher empfehlen internationale Guidelines [6, 24] eine kontinuierliche elektrophysiologische Überwachung an der neonatologischen Intensivstation, jedoch fehlen klare Empfehlungen, wie konventionelle EEG und aEEG-Ableitungen im klinischen Setting kombiniert werden sollen. Als Goldstandard zur Anfallsdiagnostik wird das konventionelle EEG inklusive Videoüberwachung angestrebt, aber es wird empfohlen, dies mit einer bihemisphärischen aEEG-Trendüberwachung zu ergänzen.

Indikationen zum kontinuierlichen Monitoring

Neugeborene, die ein besonders hohes Risiko für eine akute Schädigung des Gehirns haben, haben auch ein besonders hohes Risiko, Anfälle zu entwickeln, und sollten somit möglichst kontinuierlich überwacht werden. Es handelt sich dabei um Kinder mit angeborenen Herzfehlern, an der extrakorporalen Membranoxygenierung oder schwerer respiratorischer Problematik (persistierende pulmonale Hypertension des Neugeborenen, Mekoniumaspirationssyndrom, schweres Respiratory-distress-Syndrom, mit Infektionen des Zentralnervensystems oder angeborenen Stoffwechseldefekten, extrem unreife bzw. instabile Frühgeborene) oder Kinder, die bereits eine cerebrale Schädigung aufweisen (Kinder mit hypoxisch-ischämischer Enzephalopathie [HIE]/Asphyxie, ischämischem oder hämorrhagischem Insult, Trauma, intrakranieller/intraventrikulärer Blutung oder einer das Gehirn mitbetreffenden genetischen Erkrankung) [24]. Auch der Erfolg einer Therapie bzw. ein Ausschleichen einer Therapie sollte, wenn möglich, kontinuierlich überwacht werden [24].

Einsatz des aEEG bei neonatalen Anfällen

Anfälle beim Neugeborenen sind meist mit einer Dauer von mehr als 10 s definiert, entstehen sehr häufig zentrotemporal bzw. zeigen eine regionale Ausbreitung in diesem Bereich. Nur das Auftreten von klinischen Symptomen (seien sie motorisch oder nichtmotorisch) unterscheiden rein elektrographische Anfälle von klinisch manifesten Anfällen.

Im aEEG zeigen sich Anfälle durch einen abrupten Anstieg der Ableitungskurve (Ober- und Unterrand) mit nachfolgendem Abfall. Somit zeigt sich ein „sägezahnartiges Muster“ („saw-tooth-pattern“) bei wiederholten Anfällen (Abb. 12 und 3).

Abb. 1
figure 1

Ableitung eines ehemaligen Frühgeborenen der 24 + 3 SSW im korrigierten Alter von 35 + 2 SSW nach dem Auftreten von Anfällen im Rahmen einer Hypoglykämie. Grundaktivität: kontinuierliches Grundmuster mit altersentsprechender Amplitudenhöhe, im ruhigen Schlaf noch diskontinuierliches Hintergrundmuster (dies dem korrigierten Alter entsprechend), erkennbare Schlaf-Wach-Zyklen und repetitive Anfälle (speziell zwischen 9:30–10:20 und 11:50–12:20 sogar im Sinne eines Status epilepticus). Im Roh-EEG (zum Zeitpunkt der roten Markierung) rhythmische Sharp-wave-Aktivität; aEEG Ableitung, Messgerät und Software (Viewer) Olympic CFM 6000, Natus Medical Incorporated, Pleasanton, CA, USA. Im unteren Bild das konventionelle EEG desselben Patienten im Rahmen eines weiteren Anfalls. Die obere Kurve zeigt das amplitudenintegrierte EEG (des P3/P4-Kanals) mit einer x‑Achse 1 cm = 10 min und einer Y‑Achse in μV und linear bis 10 μV und darüber semilogarithmischer Aufzeichnung. Die untere Kurve zeigt das Roh-EEG (des P3/P4-Kanals) mit einer x‑Achse 1 cm = 1 s und einer Y‑Achse in μV (linear) (so wie auch im darunter liegenden konventionellen EEG-Bild mit 8 Kanälen); BrainQuick EEG-Software and viewer, Micromed Group, Treviso, Italien

Abb. 2
figure 2

Status epilepticus im Sinne eines „Sägezahnmusters“ im aEEG und Sharp-wave-Sequenzen im korrespondierenden Roh-EEG. Die obere Kurve zeigt das amplituden-integrierte EEG (des P3/P4-Kanals) mit einer x‑Achse 1 cm = 10 min und einer Y‑Achse in μV und linear bis 10 μV und darüber semilogarithmischer Aufzeichnung. Die untere Kurve zeigt das Roh-EEG (des P3/P4-Kanals) mit einer x‑Achse 1 cm = 1 s und einer Y‑Achse in μV (linear) (so wie auch im darunter liegenden konventionellen EEG-Bild mit 8 Kanälen); aEEG Ableitung, Messgerät und Software (Viewer) Olympic CFM 6000, Natus Medical Incorporated, Pleasanton, CA, USA

Abb. 3
figure 3

Einzelner Anfall (im Bereich der roten Markierung) – sägezahnartige Hebung im aEEG mit korrespondierender Sharp-wave-Sequenz im Roh-EEG – in einer sonst abgeflachten, aber symmetrischen Hintergrundaktivität (diskontinuierliches Muster, Burst-Suppression-Muster); Olympic Brainz Monitor (OBM), Natus Medical Incorporated, Pleasanton, CA, USA

In der Literatur werden verschieden hohe Anfallserkennungsraten für das aEEG angegeben. Die Dauer und Häufigkeit der Anfälle, die Hintergrundaktivität und die Erfahrung des Befunders spielen hierbei eine entscheidende Rolle.

In einer Studie von Shellhaas et al. [25] können 78 % der Anfälle bei Neugeborenen über C3/C4 im konventionellen EEG gesehen werden, nach einer Umwandlung dieses Kanals in ein aEEG konnten 25–60 % dieser Anfälle von Neonatologen erkannt werden. Laut einer Studie von Kadivar et al. [10] können 68–85 % Anfälle mittels aEEG (über zentral/parietal) erkannt werden. Nur sehr kurze oder nicht in der Nähe der aEEG-Elektroden gelegene Anfälle konnten weniger häufig entdeckt werden. Somit wird das aEEG als sehr gutes Werkzeug zur Anfallserkennung beim Neugeborenen angesehen, auch wenn zur finalen Diagnose und zum therapeutischen Management das konventionelle EEG inklusive Video als Goldstandard empfohlen wird.

Daten von Rennie et al. [21] zeigen, dass auch „non-experts“ mittels aEEG 40–60 % der neonatalen Anfälle erkennen. Eine andere prospektive Studie allerdings – zur Anfallserkennung mittels aEEG nach kurzer Einschulung – zeigte nur eine moderate Übereinstimmung eines kurzfristig geschulten Pflegepersonals mit aEEG-Experten [3]. Nach einem kurzen Training zeigte Pflegepersonal in dieser Studie von Du Pont-Thibodeau et al. eine Sensitivität von 77 % in der Erkennung von Anfällen [8]. Rakshasbhuvankara et al. [22] analysierten, dass die „interrater variability“ von aEEG zur Erkennung von neonatalen Anfällen nur „ausreichend“ (kappa 0,37) für das Erkennen jedes einzelnen Anfalls, „mittelmäßig“ (kappa 0,46) für das Erkennen der individuellen Anfallsdauer, aber „beachtlich“ (kappa 0,61) für das Erkennen eines Kindes mit Anfällen war, sodass auch hiermit das Potenzial des aEEGs zur Identifizierung von Kindern mit Anfällen bzw. von Kinder, die von einer längeren Video-EEG-Überwachung profitieren, unterstrichen werden kann. In einer weiteren Analyse derselben Arbeitsgruppe wurde allerdings gezeigt, dass eine medikamentöse Therapie von neonatalen Anfällen, die sich nur auf eine klinische Beobachtung oder Diagnostik mit aEEG stützt, häufig zu einer inadäquaten oder unnötigen Behandlung mit antikonvulsiver Medikation führt [19]. Entgegen initialer Befürchtungen konnten Bashir et al. bei Kinder nach HIE eine signifikante Reduktion des Antikonvulsivaeinsatzes nach Implementieren von kontinuierlicher EEG-Überwachung zeigen im Gegensatz zur Behandlung, basierend auf einem intermittierenden Kurzzeit-EEG in Kombination mit rein klinischer Diagnostik [2]. In einer Studie, die mittels mathematischer Modelle die Sensitivität und Spezifität zur Erkennung von Anfällen des aEEGs analysiert hat, zeigte sich eine eindeutige Abhängigkeit vom Erfahrungsgrad (Experte 85 %, unerfahrenes Personal 40–50 %) und der zugrunde liegenden Häufigkeit und Erkennbarkeit der Anfälle (z. B. deutliche bessere Erkennbarkeit bei Kindern mit HIE im Vergleich zum Frühgeborenen) [11].

Stevenson et al. konnten zeigen, dass eine Reduktion der Elektrodenanzahl von 8 auf 4 nur zu einer minimalen Reduktion der Anfallserkennung führt (89 % vs. 96 %) [27].

Haben Anfälle beim Neugeborenen einen Einfluss auf das spätere entwicklungsneurologische Outcome?

Da Anfälle einen Einfluss auf autonome Veränderungen (Sauerstoffverbrauch, Apnoen, RR-Schwankungen) und auch auf die Synaptogenese haben, und eine fehlende Behandlung zum Triggern („kindling“) von weiteren Anfällen und zur Verschlechterung einer vorliegenden Hirnschädigung führen kann [30], erscheint ein Einfluss von Anfällen auf das entwicklungsneurologische Outcome und auf das Auftreten einer postneonatalen Epilepsie sehr wahrscheinlich. Toet et al. berichten von einer Inzidenz an postneonataler Epilepsie zwischen 10 und 20 % [28]. Chen et al. identifizierten eine hohe Inzidenz an elektrographischen Anfällen bei Neugeborenen mit HIE. Wiederholte Anfälle oder sogar ein Status epilepticus in den ersten 24 h nach Wiedererwärmung nach Hypothermiebehandlung korrelierten mit dem Auftreten einer Epilepsie nach 12 Monaten [5]. Risikofaktoren für ein ungünstiges Outcome inkludierten – in einer Analyse von Glass et al. [9] – v. a. Frühgeburtlichkeit, niedrige Apgar-Scores, niedrigen pH am ersten Lebenstag, Anfallsbeginn < 24 h oder > 72 h nach der Geburt, das Auftreten eines Status epilepticus, auffälligen neurologischen Status, auffällige Hintergrundaktivität im EEG und das Vorliegen einer Hirnschädigung (v. a. der Basalganglien oder des Hirnstamms). Die exakte „seizure burden“ konnte mit dem Langzeitoutcome und der Läsionsschwere im MRT korreliert werden [26]. Kharoshankaya et al. berichten, dass eine hohe „seizure burden“ bei Kindern mit HIE signifikant mit einem auffälligen Outcome nach 24 und 48 Monaten korreliert, unabhängig von der ursprünglich zugrunde liegenden Schwere der HIE oder der Behandlung mit Hypothermie [12]. Auch Weeke et al. zeigten, dass das entwicklungsneurologische Outcome mit 2 Jahren (inklusive Epilepsie) mit der „seizure burden“ von reifen Kinder mit HIE korreliert [29].

Automatische Anfallserkennung – Zukunftsmusik oder schon Realität?

In einer großen multizentrischen Studie wurde ein Algorithmus zur Anfallserkennung im kontinuierlichen konventionellen EEG eingesetzt und eine Sensitivität von 81 % im Vergleich zu 89 % in der Gruppe ohne Algorithmus gefunden. In sehr erfahrenen Zentren konnte somit kein Benefit einer zusätzlichen automatisierten Anfallserkennung nachgewiesen werden, was aber möglichweise in unerfahreneren Zentren anders sein könnte, aber weitere Studien erst noch beweisen müssten [17]. Lawrence et al. untersuchten in einer Pilotstudie den Einsatz eines Anfallserkennungsalgorithmus bei kontinuierlich durchgeführtem aEEG, und hier zeigte der Algorithmus eine Anfallserkennungsrate von 55 % gesamt und 73 % für Anfälle, die länger als 30 s gedauert haben [13]. In einer weiteren Studie, die verschiedene Algorithmen vergleicht, erzielten die Algorithmen zwischen 37 und 92 % Anfallserkennung, im Vergleich zu 74 % Erkennung im aEEG durch Experten [7]. Apers et al. konnten aber auf jeden Fall zeigen, dass eine schnellere Therapie (innerhalb 1 h) von Anfällen beim Neugeborenen erfolgte, wenn die Anfälle klinisch sichtbar waren oder ein Seizure-Detection-Algorithmus eingesetzt wurde [1].

Limitationen und Vorteile des aEEGs bei neonatalen Anfällen

Zum Erstscreening bei klinischen Auffälligkeiten und zur Therapieüberwachung kann das aEEG – ergänzend bzw. bis zur Verfügbarkeit des konventionellen EEGs – gut eingesetzt werden. Besonders die leicht übersichtliche Langzeitüberwachung, die einfache Handhabung direkt am Krankenbett und die reduzierte Elektrodenzahl sind wichtige Vorteile der Methode.

Gleichzeitig stellt dies aber auch die wichtigste Limitation der Methodik dar, da fokale, nur sehr kurz dauernde Anfälle bzw. Anfälle mit nur geringem Unterschied in der Amplitudenhöhe von der Grundaktivität und fehlender regionaler Ausbreitung schwieriger erkennbar sind. Auch kann die Höhe der Amplituden von Medikamenten, Artefakten oder anderen klinischen Zuständen beeinflusst werden [4]. Somit sollte, soweit verfügbar, immer das zugrunde liegende Roh-EEG zur Anfallserkennung im aEEG herangezogen werden und die Diagnostik so schnell wie möglich um ein konventionelles EEG inklusive Video ergänzt werden.

Fazit

Zur verlässlicheren Anfallserkennung, zur genaueren Erfassung der „seizure burden“ und zur Therapiesteuerung bei Neugeborenen mit akut symptomatischen Anfällen stellt das aEEG neben dem Goldstandard des konventionellen EEGs inklusive Video eine hilfreiche zusätzliche Methode dar.

Die Dauer und Häufigkeit der Anfälle, die Hintergrundaktivität und die Erfahrung des Befunders spielen bei der Erkennung von Anfällen im aEEG eine entscheidende Rolle.

Nur kurz dauernde, rein fokale oder sich nur wenig von der Grundaktivität unterscheidende Anfälle können damit weniger gut erfasst werden, wobei länger dauernde Anfälle, die sich regional ausbreiten, von einem erfahrenen Befunder in bis zu 85 % auch mittels aEEG erkannt werden können. Da es zunehmend Daten gibt, dass die „seizure burden“ mit dem entwicklungsneurologischen Outcome korreliert und laut der aktuellen ILAE-Klassifikation eine rein klinische Diagnostik von Anfällen beim Neugeborenen nicht zu empfehlen ist, ist eine möglichst kontinuierliche elektrophysiologische Überwachung dieser Patienten anzustreben. Hier kann das aEEG einen wichtigen Beitrag leisten. Für die Zukunft ist eine automatische Anfallserkennung mittels „Anfallserkennungsalgorithmen“ ein wünschenswertes Hilfsmittel in der kontinuierlichen EEG/aEEG-Ableitung.

Fazit für die Praxis

  • Anfälle beim Neugeborenen sind hauptsächlich „akut symptomatisch“ = Ausdruck einer zugrunde liegenden neurologischen Störung.

  • Zur Diagnose von Anfällen beim Neugeborenen ist eine EEG-Ableitung unabdingbar.

  • Zur genauen Erfassung der „seizure burden“ (Anfallsdauer über einen bestimmten Zeitraum) ist eine kontinuierliche Langzeit-EEG-Ableitung notwendig.

  • Zum Erstscreening bei klinischen Auffälligkeiten und zur Therapieüberwachung kann das aEEG – ergänzend bzw. bis zur Verfügbarkeit des konventionellen EEGs – gut eingesetzt werden.

  • Die einfache Handhabung direkt am Krankenbett und die reduzierte Elektrodenzahl sind wichtige Vorteile der Methode.

  • Je nach Dauer, Lokalisation und Expertise des Befunders schwankt die „seizure detection rate“ des aEEGs zwischen 40 und 80 %.

  • Eine Bestätigung mittels konventionellen EEGs bzw. durch Experten ist zusätzlich notwendig.

  • Automatische Seizure-Detection-Algorithmen befinden sich in Entwicklung und stellen für die Zukunft ein wünschenswertes Tool zur Anfallserkennung dar.