Die Ätiologie der Epilepsien des posterioren Kortex (PE [posteriore Epilepsien], TPO [temporoparietookzipitale-Epilepsien]) ist vielfältig, die Diagnostik komplex und die Indikationsstellung zu einem neurochirurgischen Eingriff dementsprechend schwierig. Deshalb spielt die Implantation von Subduralelektroden oder Tiefenelektroden zur invasiven Diagnostik bei PE zur weiteren Abklärung eine besondere Rolle. Als Resektionsverfahren stehen die Läsionektomie bzw. erweiterte, maßgeschneiderte Läsionektomie bis hin zu großen Resektions- bzw. Diskonnektionsverfahren (posteriore Quadrantenresektion/-diskonnektion) zur Verfügung.

Im Falle von mehr fokalen Pathologien wie LEATS („long term epilepsy associated tumors“: Gangliogliome [GG] oder dysembryoplastische neuroepitheliale Tumoren [DNETs]), vaskulären Malformationen (AVMs, Kavernome), fokal kortikalen Dysplasien (FCDs) oder posttraumatischen, postentzündlichen oder postischämischen kortikal/subkortikalen Narbenbildungen kommen Läsionektomien bzw. erweiterte maßgeschneiderte Läsionektomien nach invasivem Monitoring oder intraoperativer Elektrokortikographie zum Einsatz. Liegen ausgedehntere pathologische Veränderungen wie posteriore Heterotopien, Polymikrogyrien, posteriore Quadrantendysplasien, posterior betonte Rasmussen-Enzephalitis oder Sturge-Weber-Syndrom vor, sind große Resektions- oder Diskonnektionsverfahren des posterioren Quadranten (TPO-Resektion bzw. Diskonnektion) die adäquaten Operationsverfahren.

Die epilepsiechirurgische Erfolgsrate ist am höchsten bei Resektion fokaler Veränderungen mit bis zu 80–90 % anfallsfreier Patienten (Engel Grad I). In den letzten Jahren hat sich allerdings gezeigt, dass auch mit posterioren Diskonnektionsverfahren ähnlich hohe Raten an Anfallsfreiheit erreicht werden können.

Invasives Monitoring

Aufgrund der oft sehr schwer interpretierbaren und wenig fokalen Anfallssemiologie von TPO-Läsionen bzw. bei Verdacht auf MRT-negative fokale TPO-Epilepsien ist speziell im letzten Fall ein invasives Monitoring der nächste logische Schritt zur Abklärung der Operabilität bzw. zur Definition des notwendigen Resektionsverfahrens bzw. Ausmaßes (der voraussichtlichen epileptogenen Zone) [1]. Zurzeit entwickelt sich die invasive Abklärung von MRT-negativen Epilepsien speziell im Falle von ausgedehnter klinischer Anfallssemiologie wie im Falle von TPO-Epilepsien dynamischer für SEEG mit Tiefenelektroden als für die Implantation von Subduralelektroden [2, 3], wenngleich beide Verfahren Vor- und Nachteile zeigen und aus eigener Erfahrung nach Tiefenelektrodenmonitoring im TPO-Bereich auch oft eine zweite invasiver Phase I mit Subduralelektroden notwendig werden kann.

Patienten mit Verdacht auf LEATs (DNETs oder Gangliogliome) sollten bei inkongruenter Anfallssemiologie auch für ein invasives Monitoring, dann meist mit Subduralelektroden und/oder intraoperativer Elektrokortikographie (ECoG), erwogen werden, um Sattelitenläsionen (DNET) bzw. ausgedehntes subpiales Wachstum (GG), ausgedehnte fokale kortikale Dysplasien (FCDs) oder Hämosiderinansammlungen bei Kavernomen in die Resektion mit einzubeziehen, da nur eine komplette Resektion dieser Läsionen ein Anfallsoutcome von bis zu 80 % Engel I garantiert [4, 5]. Zusätzlich ermöglicht ein invasives extraoperatives Monitoring bei TPO-Läsionen in hocheloquenter Lage kombiniert mit extraoperativem Stimulationsmapping die Lokalisation angrenzender Funktionsareale (Sensorik, Motorik, Wernicke, Calcarina), deren Lage und Ausdehnung dann in die Resektion mittels funktioneller Neuronavigation [6, 7] mit einbezogen werden können.

Läsionektomien

Auch im Falle von umschriebenen therapierefraktären epileptogenen okzipitalen oder parietalen Läsionen wie LEATs, FCDs, vaskuläre Pathologien (AVMs, Kavernome) oder fokalen Narbenepilepsien können Anfallssemiologie als auch die EEG-Befunde sehr vielgestaltig und fehlleitend sein, sodass der Läsionektomie der Literatur nach in bis zur Hälfte der Abklärungen auch ein invasives Monitoring vorausgeht [1].

Läsionektomien sind die chirurgische Therapie der ersten Wahl bei posteriorer Epilepsie mit umschriebenen Pathologien, d. h. die Läsion wird mit mehr oder weniger umgebendem gliotischem Gewebe entfernt entsprechend den Zusatzbefunden (Neuroradiologie, intraoperative Elektrokortikographie, Stimulations-Mapping-Befunde zu eloquenten umgebenden Arealen).

Intraoperativ können mithilfe der Neuronavigation [7] in weiterer Folge Läsionsausmaß und Mapping-Daten der eloquenten Areale auf den intraoperativen Situs übertragen werden und die vorgeplanten Resektionsgrenzen für die Läsionektomie definiert werden (maßgeschneiderte Läsionektomie). Mit intraoperativer MR-Bildgebung [7] oder intraoperativem Ultraschall [8] lässt sich in weiterer Folge das Ausmaß der Resektion überprüfen und ermöglicht im Falle von Rest- oder Sattelitenläsionen die Vervollständigung der Resektion innerhalb der gleichen Narkose (intraoperative Second-Look-Surgery) und erspart dem Patienten einen neuerlichen Eingriff bzw. das Schicksal, nicht anfallsfrei zu werden. Speziell für die Resektion von Kavernomen, Gangliogliomen, fokal kortikalen Dysplasien oder multiätiologischen Narbenläsionen hat sich diese Vorgehensweise in unseren Händen als praktikabel erwiesen [9,10,11].

Fall 1

Eine 33-jährige Patientin leidet seit ihrer Kindheit an Parietallappenepilepsie mit außergewöhnlicher Semiologie, im MRT Verdacht auf DNET links parietal postzentral (sagittale und axiale FLAIR, Abb. 1a, b) mit Nahebeziehung zu Motorkortex, Pyramidenbahn und sprachrelevantem Kortex in der fMRT (Abb. 1c). Deshalb Entschluss zum invasiven subduralen Streifen- und Gitterelektroden-Monitoring (Abb. 1d). Über den Grid wurde auch ein Stimulations-Mapping zur Lokalisationsdiagnostik von Wernicke- und Motor-Kortex durchgeführt. Die Läsionsausdehnung und die eloquenten Areale wurden als Tumorkonturen ins Mikroskop während der Operation eingespiegelt und bildeten die Leitstrikturen für die schonende Resektion (Abb. 1e–h). Mit intraoperativem MRT wurde festgestellt, dass eine Sattelitenläsion verblieben ist und diese gezielt annavigiert und entfernt (Abb. 1i–l).

Abb. 1
figure 1

Fall 1: ad MRT, F-MRT, implantierte subdurale Streifen/Platte, eh intraoperative Neuronavigation, il intraoperative MRT Bilder, mn postoperative MRT

Die Patientin ist seit der Operation 2014 anfallsfrei (Engel 1a) und ohne neurologisches Defizit, im MRT 1 Jahr nach der Operation die Läsion komplett entfernt (Abb. 1m, n), DNET histologisch verifiziert.

Fall 2

Eine 22-jährige Patientin leidet seit 7 Jahren an einer medikamentös refraktären Epilepsie mit Déjà-vu-Auren. Im MRT zeigt sich der Verdacht auf ein Gangliogliom im basalen Praecuneus rechts (Abb. 2a, b). Aufgrund der tiefen und eloquenten Lage erfolgt eine aufwendige präoperative Funktionsdiagnostik mit fMRT und DTI-Bildgebung. Motor-Kortex (lila), Calcarina (grün) als auch Pyramidenbahn (lila) und Sehbahn (blau) werden visualisiert und in die intraoperative Neuronavigation ins Mikroskop eingespiegelt (Abb. 2c–f). Der Zugang erfolgt über den Interhemisphärenspalt. Ein intraoperatives MRT zeigt, dass die Läsion komplett entfernt ist und die eloquenten Regionen unversehrt sind (Abb. 2g–j).

Abb. 2
figure 2

Fall 2: ab Präoperative MRT T1 nach Kontrast, die den teils soliden, teils zystischen Tumor im Interhemisphärenspalt an der Basis des Präkuneus zeigen. c–f Präoperative Planung für die Neuronavigation mit funktionellen Bilddaten: in blau die Sehbahn, in lila die Pyramidenbahn, grün die Sehrinde. Die Läsion ist in orange dargestellt. g–j Intraoperative MRT Bilder, die die komplette Resektion ohne Resttumor beweisen. Kein Hinweis auf Nachblutung oder andere Adverse Events

Patientin seit der Operation 2016 anfallsfrei (Engel 1a), GG histologisch gesichert.

Fall 3

Ein 21-jähriger Patient mit täglichen fokalen asymmetrisch tonischen Anfällen. Im MRT kleine strichförmige zentral-postzentrale Läsion (Abb. 3a), Bestätigung durch Voxel-based-Morphometrie (intraoperative MRT 1 zeigt die unvollständige Resektion (Abb. 3b), aufgrund dessen Nachreseziert wird („second look“, rote Kontur im MRT und türkise Kontur im Mikroskop (Abb. 3d) markiert die Restläsion und ist im Mikroskop sichtbar), MRT 2 (Abb. 3c) zeigt die vollständige Resektion). Die histologische Untersuchung ergab den Befund einer FCD 2b. Der Patient ist postoperativ jetzt das 5. Jahr anfallsfrei (Engel 1a). Aus [10], mit freundlicher Genehmigung von Elsevier.

Abb. 3
figure 3

a Präoperatives MRT, b erstes intraoperatives MRT, c zweites intraoperatives MRT, d intraoperative Sicht auf die FCD in Form der türkisen vorgeplanten Kontur

Posteriore Resektion/Diskonnektion

Da TPO-Epilepsien aufgrund ausgedehnterer Läsionen (posteriore Heterotopien, Polymikrogyrien, posteriore Quadrantendysplasien, posterior betonte Rasmussen-Enzephalitis oder Sturge-Weber-Syndrom) häufig weitläufige epileptogene Zonen aufweisen und auch größerflächige Pathologien im TPO-Bereich speziell bei Kindern häufiger vorkommen, spielt die Resektion/Diskonnektion der TOP-Region bzw. des „posterioren Quadranten“ bei dieser Epilepsieform insbesondere bei Kindern eine große Rolle [12, 13].

Wurden früher für hauptsächlich große TPO-Mehrlappen Resektionen durchgeführt [14], haben sich in den letzten Jahren minimal-invasive Diskonnektionen durchgesetzt [15,16,17,18] Diese Entwicklung ist mit der Umstellung der Hemisphärektomie (Entfernung der Hemisphäre bis auf die Stammganglien) in Richtung Hemisphärotomie (nur Diskonnektion der Hemisphäre) bei Hemisphärenpathologien mit therapierefraktärer multifokaler unilateraler Epilepsie vergleichbar [19, 20].

Der wesentliche Vorteil der Diskonnektion (Isolierung der epileptogenen Zone anstatt operative Entfernung) ist die Notwendigkeit einer wesentlich kleineren Trepanation, der geringere Blutverlust und die geringere Wahrscheinlichkeit von Liquorzirkulationsstörungen mit postoperativer Liquorshuntpflichtigkeit. Intraoperative Neuronavigation, intraoperative Elektrophysiologie mit kontinuierlichem MEP und SEP-Monitoring und eine minimal-invasive Technik haben Diskonnektionseingriffe sehr sicher gemacht [15].

Dem gegenüber steht das Risiko, bei der reinen Diskonnektion intakte Faserverbindungen zurückzulassen und damit ein schlechteres Epilepsieoutcome zu erreichen. Allerdings kann durch Verwendung von intraoperativer Neuronavigation, intraoperativem elektrophysiologischem Monitoring und jüngst an unserer Klinik auch der intraoperativen MR-Tomographie diese Komplikation vermieden werden [15]. In der 2013 publizierten Diskonnektionsserie bei PE der Neurochirurgischen Klinik der MedUni Wien/AKH Wien waren 8 der 10 publizierten Patienten Kinder, und es konnte ein Anfallsoutcome von 90 % Wieser 1a (anfallsfrei seit Operation) erreicht werden [15].

Diese gute Erfolgsrate konnte in einer retrospektiven Serie aus dem Klinikum Bethel (Kalbhenn et al. 2019) an Patienten mit reiner TPO-Epilepsie bestätigt werden (84,6 % ILAE 1-Outcome) [16]. Dabei handelte es sich auch größtenteils um Kinder. Eine Metaanalyse von Haward et al. bestätigte das gute Anfallsoutcome v. a. bei Kindern [21].

Fall 4

Ein 7‑jähriges Mädchen leidet seit seinem 5 Lebensjahr ein einer pharmakoresistenten Epilepsie, welche sich mit einer Angstsymptomatik sowie Auren mit Halluzinationen von Tieren und Monstern äußerte. Im MRT zeigte sich eine ausgeprägte Gyrierungsstörung rechts parietookzipital und passend dazu eine Minderspeicherung im FDG-PET. Die Indikation zur TPO-Diskonnektion wurde gestellt. Die Abb. 3a zeigt schematisch das geplante Ausmaß der Diskonnektion und die Größe der dafür notwendigen Kraniotomie (Abb. 3b). Das postoperative MRT zeigt eine komplette hintere Quadrantendiskonnektion (Abb. 3c, d) Der histologische Befund ergab eine FCD Typ 1a. Das Kind ist seit der Operation 2013 anfallsfrei und ohne Medikation. Die Abb. 4a–d: aus [15].

Abb. 4
figure 4

Fall 4: a Grafik zur Demonstration der geplanten Diskonnektion. b Knochenöffnung, Ausmaß der Trepanation. cd Postoperative Bilder, die die Diskonnektionslinie zeigt

Zukunftsaspekte

Durch die Einführung neuer Techniken in der Epilepsiechirurgie wie Laserablation oder fokussierter Ultraschall stehen noch mehr minimal-invasive oder perkutane Verfahren zur Verfügung, die für die Zerstörung von Läsionen oder eine Diskonnektion genützt werden können. Damit sind neue Operationsverfahren für die Anwendung für posteriore Epilepsien zu erwarten [8].

Technische Hilfsmittel für die Epilepsiechirurgie von TPO-Epilepsien [8].

  • Elektrophysiologie (IOM: intraoperatives Monitoring von Bahnsystemen und Stimulation)

  • Neuronavigation (intraoperatives Einblenden von Bildmaterial und Definition von Resektionsgrenzen)

  • Intraoperativer Ultraschall (Detektion von Restläsionen – LEATS, FCDs, Kavernome, AVMs)

  • Intraoperative MRT-Bildgebung (Detektion von Restläsionen – LEATS, FCDs, Kavernome, AVMs)

  • „Laser interstitial thermal therapy“ (LITT): Destruktion von Läsionen oder Diskonnektion von Bahnen mittels Lasertechnologie

  • „High-intensity MRI guided focused ultrasound“ (transkutanes Verfahren zur Destruktion von Läsionen bzw. Diskonnektion von Bahnen)

Fazit für die Praxis

  • Epilepsien des posterioren Kortex stellen für die Epilepsiechirurgie eine große Herausforderung dar.

  • In der Diagnostik spielt das invasive Monitoring (IM, Phase 2) d. h. die Implantation von Subduralelektroden oder Tiefenelektroden, eine große Rolle.

  • Läsionektomien (bzw. erweiterte Läsionektomien nach IM oder ECoG) sind die Therapie der Wahl für mehr fokale Pathologien (LEATs, DNET, GG, Kavernome, AVMs, FCDs, postentzündliche, posttraumatische und postischämische Läsionen).

  • Posteriore Diskonnektionen sind die Therapie der Wahl für mehr großflächige Pathologien (posteriore Heterotopien, Polymikrogyrien, posteriore Quadrantendysplasien, posterior betonte Rasmussen-Enzephalitis oder Sturge-Weber-Syndrom).