Sehr geehrte Leserinnen und Leser,

für pharmakoresistente Epilepsien hat sich in den letzten Dekaden die resektive Epilepsiechirurgie zu einem hoch standardisierten Verfahren entwickelt, das für eine nicht unerhebliche Anzahl von Patienten die „optimale Behandlungsmöglichkeit“ darstellt. Das Verfahren bedarf bezüglich der Indikationsstellung wie auch der Durchführung einer großen Erfahrung, insbesondere um das Ausmaß der Invasivität mit den potenziellen Risiken und Vorteilen abzuwägen. Die guten Ergebnisse hängen auch von einer sorgfältigen Patientenauswahl ab. Größere Untersuchungen haben inzwischen wiederholt gezeigt [1, 2], dass eine zunehmende Anzahl von Patienten eine invasive Ableitung oder ein resektives Verfahren ablehnt. Möglicherweise liegt die hohe Ablehnungsrate auch an der Invasivität der prächirurgischen Diagnostik und den zunehmend schwerer lokalisierbaren Epilepsien.

Dieses Themenheft wird daher mit einer Übersicht zu dem Thema „Einstellungen bezüglich Epilepsiechirurgie“ beginnen: M. Holtkamp und M. Steinbrenner, Berlin, stellen in diesem Zusammenhang auch erste eigene Daten vor. Ein Ausweg aus dem oben genannten Dilemma (potenziell beste Behandlungsoptionen vs. Invasivität) sind neu aufkommende minimalinvasive epilepsiechirurgische Verfahren, die – im Gegensatz zu neuromodulativen Verfahren – nicht einen symptomatischen, sondern kausalen und deswegen potenziell kurativen Ansatz verfolgen.

Die Thermoablation hat in diesem Zusammenhang in den letzten Jahren ein neues Interesse gewonnen. J. Voges, Magdeburg, et al. fassen die historische Entwicklung, die Methodik und die möglichen heutigen Indikationen für Verfahren der Thermoablation zusammen. J. Wellmer, Bochum, et al. führen die eigenen Erfahrungen bei der Anwendung dieser minimalinvasiven epilepsiechirurgischen Option in fokalen kortikalen Dysplasien (FCD) ausführlich dar. Kasper et al. stellen eine Übersicht zusammen, inwieweit mittels neurophysiologischer, nichtinvasiver Methoden im Rahmen der prächirurgischen Diagnostik eine Charakterisierung der FCDs gelingen kann. T. Polster, Bielefeld, et al. berichten von zwei Fällen mit periventrikulären nodulären Heterotopien, bei denen die Thermoablation im Langzeitverlauf sehr gute Ergebnisse ergab, und fassen die aktuellen Hypothesen zur Entstehung dieser Netzwerkstörung zusammen. Bei beiden Epilepsiesyndromen wird ein klar begrenztes epileptogenes Netzwerk bildmorphologisch nachzuweisen versucht. Das Konzept einer streng bildmorphologisch ausgerichteten Epilepsiechirurgie wird in einer Übersichtsarbeit „Über das Verhältnis von epileptogener Läsion und Epileptogenizität“ der beiden Gasteditoren durch einen zusätzlich funktionell ausgerichteten Ansatz ergänzt.

Nach der ersten Veröffentlichung [3] erfuhr das aufkommende Verfahren der stereotaktischen Laserablation in den USA und Kanada in den letzten Jahren ein vermehrtes Interesse. Da dieses Verfahren kurz vor der Zulassung in Europa steht, werden sich in diesem Heft drei Artikel diesem Verfahren widmen. Der im amerikanischen Sprachraum am häufigsten genutzte Begriff der „MR-guided laser interstitial thermal therapy“ ist schwer – oder gar missverständlich – in das Deutsche zu übersetzen. Die Gasteditoren haben sich daher entschlossen, jedem Autor selbst zu überlassen, wie sie dieses Verfahren nennen wollen. L. Büntjen, Magdeburg, et al. stellen das Konzept und die bisher bekannten neurochirurgischen Verfahrensweisen und Fallstricke aus neurochirurgischer Sicht vor. Eines der Zentren, die inzwischen relativ große Erfahrungen mit der Laser-Thermoablation gewinnen konnten, ist das Jefferson Comprehensive Epilepsy Center in Philadelphia: Mit besonderem Bezug auf Temporallappenepilepsien berichten J. Kang, Baltimore, und M. Sperling, Philadelphia, von ihren Erfahrungen [4] mit dieser neuen minimalinvasiven Therapieoption. Abschließend fassen cand. med. Ilse, Magdeburg, et al. mittels einer systematischen Literaturübersicht die Ergebnisse, die bislang in den USA bzw. Kanada veröffentlicht wurden, zusammen, sodass auch der klinische Epileptologe einen Überblick über die bisherigen Erfahrungen gewinnen kann.

Ein seit den 90er-Jahren [5] weiterentwickeltes Verfahren ist die Niedrigdosisbestrahlung, die durch eine funktionelle Veränderung des epileptogenen Netzwerkes einen nicht-destruierenden, minimal- oder aus neurochirurgischer Sicht sogar nicht-invasiven Ansatz verfolgt. Aktuelle Daten werden hier von J. Boström, Bonn, et al. vorgestellt.

Dieses Sonderheft wurde gezielt von Epileptologen und epilepsiechirurgisch orientierten Neurochirurgen thematisch gestaltet. Themenbedingt berühren die einzelnen Artikel auch das immer wieder in der Epileptologie wiederkehrende Thema, inwieweit eine bildmorphologisch nachweisbare Läsion auch tatsächlich dem epileptischen Netzwerk entspricht. In diesem Themenheft wurden teilweise gegensätzliche Ansätze vorgestellt. Ziel war es, über neuere Entwicklungen minimalinvasiver, potenziell kurativer Verfahren und deren therapeutisches Potenzial angemessen und kritisch von einem klinisch-epileptologischen Standpunkt aus zu berichten.

figure a

F.C. Schmitt, Magdeburg

figure b

H. Stefan, Erlangen