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Mit dem Anstieg der weiblichen Erwerbstätigkeit sowie den vielfältigen Ausbildungs- und Karrieremöglichkeiten für Frauen ist das Alter der Erstgebärenden in den letzten Jahren stetig angestiegen und liegt in Europa mittlerweile bei durchschnittlich 30 Jahren [1]. Zwar sind auch die Chancen einer fast 40-jährigen Frau, bei regelmäßigem Geschlechtsverkehr schwanger zu werden, nicht schlecht, aber im Rahmen des natürlichen Alterungsprozesses nimmt die Fertilität ab 35 Jahren mit fortschreitendem Alter ab [2, 3]. Es ist deshalb davon auszugehen, dass der Trend zur späten Familienplanung mit einem Anstieg der ungewollten Kinderlosigkeit einhergeht [4]. In den Medien wird das Bild einer karrierebewussten Frau vermittelt, die eine Mutterschaft auf einen späteren Zeitpunkt – erst nach Erreichen ihrer beruflichen Ziele – verschieben will [5, 6]. US-amerikanische Firmen wie Google, Facebook und Apple zahlen Mitarbeiterinnen sogar Geld, damit sie ihre Eizellen einfrieren und die Realisierung des Kinderwunschs aufschieben.
Social Freezing zieht eine In-vitro-Fertilisation mit den damit assoziierten Risiken nach sich
Die hauptsächlichen Gründe für Social Freezing liegen jedoch in Begleitumständen, die zum Teil außerhalb der individuellen Kontrolle liegen [7, 8]; primär ist es das Fehlen eines geeigneten Partners im Alter zwischen 30 und 40 Jahren [9, 10]. Ein weiterer Grund besteht darin, Selbstvorwürfen vorbeugen zu wollen, nichts gegen die abnehmende Fertilität unternommen zu haben [11]. Zu berücksichtigen ist hierbei ein mögliches Bias in den Studien, da die Anbieter des Social Freezing das Narrativ einer verantwortungsbewusst handelnden Frau nutzen. Dabei wird ausgeblendet, dass beim Social Freezing im Gegensatz zur Schwangerschaft nach Spontanzyklus eine Methode gewählt wird, die später eine In-vitro-Fertilisation (IVF) mit den damit assoziierten Schwangerschafts- und Geburtsrisiken nach sich zieht [12].
Nach einer Darlegung der medizinischen, finanziellen und rechtlichen Aspekte des „oocyte banking“ aus oben genannten Gründen, also des „social egg freezing“ oder kurz Social Freezing äußern sich die Autorinnen zu den Möglichkeiten (Janna Pape) und Grenzen (Sibil Tschudin) dieses Angebots.
Medizinische Aspekte
Vor dem Social Freezing wird eine Stimulationsbehandlung durchgeführt, in der im besten Fall um die 25 Eizellen, je nach Alter und Eierstockreserve der Patientin jedoch eher um die 10–15 Eizellen gleichzeitig heranreifen. Über eine vaginale Punktion werden diese entnommen und schockgefroren (Vitrifikation). Durch das ultraschnelle Einfrieren der Eizellen sind – im Gegensatz zu den älteren Einfrier- und Auftauverfahren [13] – die Schwangerschaftschancen bei der späteren IVF gleich hoch und das kindliche Fehlbildungsrisiko gleich tief wie bei Verwendung frischer Eizellen [14, 15]. Die Eizellen können in flüssigem Sickstoff bei etwa −197 °C für mehrere Jahre gelagert werden, bis eine Schwangerschaft erwünscht ist. Bei in jungen Jahren kryokonservierten Eizellen entspricht die Geburts- und Fehlgeburtsrate dem Alter der Patientin bei Eizellentnahme [16]. Nach Befruchtung von kryokonservierten Eizellen wird in rund 10 % der Fälle eine Mutterschaft erreicht. Die Patientin muss hierbei im Vorfeld entscheiden, wie hoch die Chance sein soll, später mit den Eizellen ein Kind zu bekommen. Für eine 80 %ige Erfolgschance sind bei einer Anfang 30-jährigen Frau mit einer altersgemäßen Eierstockreserve rund 20 Eizellen erforderlich, was ungefähr 2 Stimulationszyklen entspricht (Abb. 1; [17]). Im Alter von 40 Jahren sind dagegen doppelt so viele Eizellen erforderlich, wofür etwa 3‑mal so viele Stimulationszyklen erforderlich sind [10, 18].
Die beste Chance auf eine erfolgreiche Lebendgeburt besteht bei einem Social Freezing von Eizellen vor dem 34. Lebensjahr. Andererseits besteht in jüngerem Alter die Chance auf eine Spontanschwangerschaft in den folgenden Jahren, beispielsweise wenn zeitnah ein passender Partner gefunden wird. Ein Aspekt, der hierbei oft zur Sprache kommt, ist die sogenannte Kosteneffektivität: Insbesondere bei Wunsch nach mehreren Kindern kann frühes Social Freezing spätere IVF-Kosten senken, da die hierbei verwendeten Eizellen aufgrund der höheren biologischen Qualität schneller zu einer Schwangerschaft führen. Wenn Frauen sich für eine elektive Fertilitätserhaltung entscheiden, müssen sie bei der Abschätzung der Kosteneffektivität neben den Kosten für das Social Freezing auch die Nutzungsrate berücksichtigen. Diese variiert zwischen 6 % [19] und 20,3 % [20].
Kosten
Die Kosten der Stimulationsbehandlung mit anschließender Follikelpunktion und Kryokonservierung liegen in Deutschland bei etwa 3000–4000 € pro Zyklus. Notwendig sind meist 2–4 Stimulationen, hinzu kommen Lagerungskosten für die kryokonservierten Eizellen von etwa 200–300 € pro Jahr. Eine Befruchtung mit intrazytoplasmatischer Spermieninjektion (ICSI) und anschließendem Transfer wird mit etwa 2000 € beziffert. Bei einer 35-jährigen Frau, die nach 3 Stimulationen ihre Eizellen für 7 Jahre einfrieren lässt, ergibt dies eine Gesamtsumme von etwa 14.000 €. Davon ausgenommen sind die weiteren anfallenden Kosten, falls die Eizellen tatsächlich für eine oder mehrere künstliche Befruchtungen verwendet werden. In der Schweiz liegen die Kosten etwas höher mit etwa 5000 CHF pro Stimulationszyklus. Bei 3 Zyklen, jährlichen Lagerungskosten von etwa 400 CHF und einem Transfer ergibt sich hier im Falle einer 7‑jährigen Lagerung eine Gesamtsumme von etwa 20.000 CHF [21].
Die Kosten für „social freezing“ werden nicht von der Krankenkasse übernommen
In Österreich ist „egg freezing“ nur bei medizinischer Indikation erlaubt, wobei beispielsweise auch Endometriose als solche angesehen werden kann (vergleiche Abschnitt „Rechtlicher Rahmen“; [22]). Die Kosten werden nicht von der Krankenkasse übernommen, während dies in Deutschland und der Schweiz bei medizinischer Indikation der Fall ist. Das österreichische Gesundheitsministerium hat hierfür einen IVF-Fond eingerichtet, der jedoch nur greift, wenn die Eizellen befruchtet werden und eine stabile Partnerschaft vorliegt (Ehe, eingetragene Partnerschaft oder eheähnliche Lebensgemeinschaft).
Rechtlicher Rahmen
Bei zwei Aspekten im Zusammenhang mit dem Social Freezing, nämlich der Altersgrenze und der Aufbewahrungsfrist, zeigen sich Unterschiede im europäischen Rechtsvergleich: Die meisten Länder sehen eine Altersgrenze für die In-vitro-Befruchtung der kryokonservierten Eizellen vor. Mit Ausnahme von Belgien und der Schweiz gibt es kein Land, das eine Aufbewahrungsfrist für die Eizellen vorsieht [23].
Die meisten Länder sehen eine Altersgrenze für In-vitro-Befruchtungen kryokonservierter Eizellen vor
Die Situation in den drei deutschsprachigen Ländern ist wie folgt:
In Deutschland fehlt eine umfassende fortpflanzungsmedizinische Gesetzgebung: Die Reproduktionsmedizin wird an verschiedenen Stellen im Verfassungs-, Embryonenschutz‑, Transplantations‑, Arzneimittel-, ärztlichen Berufs- und Familienrecht geregelt. Es wird im Allgemeinen davon ausgegangen, dass die Eizellentnahme, Aufbewahrung und spätere Verwendung von Eizellen erlaubt ist. Auch das Social Freezing ist in den reproduktionsmedizinischen Gesetzen nicht geregelt, das heißt, der Staat schränkt die reproduktive Freiheit in dieser Hinsicht nicht ein. Dementsprechend wird Social Freezing von verschiedenen Kinderwunschzentren mit unterschiedlichen Konditionen angeboten.
In der Schweiz unterliegt die Entnahme der Eizellen nicht dem Bundesgesetz über die medizinisch unterstützte Fortpflanzung (FMedG) und ist daher ohne medizinische Indikation zulässig. Für die Kryokonservierung findet sich im FMedG hingegen eine konkrete Regelung: Die Höchstdauer der Aufbewahrung beträgt 5 Jahre und kann nach geltendem Recht einmalig ohne nähere Begründung um 5 Jahre verlängert werden. Voraussetzung für die spätere Verwendung der Eizellen zur IVF ist das Vorliegen einer medizinischen Indikation infolge von Unfruchtbarkeit. Es besteht eine „weiche Altersgrenze“, wonach Fortpflanzungsverfahren nur bei Paaren angewendet werden dürfen, die mit Blick auf ihr Alter und ihre persönlichen Verhältnisse ein Kind bis zur Volljährigkeit versorgen können.
In Österreich ist die Reproduktionsmedizin umfassend im Fortpflanzungsmedizingesetz (FMedG) geregelt. Hiernach dürfen Samen, Eizellen sowie Hoden- und Eierstockgewebe nur bei medizinischer Notwendigkeit und nicht allein aus Gründen der einfacheren Familienplanung entnommen werden. Eine medizinische Indikation besteht beispielsweise bei Ovarialzysten und Endometriose mit Teilentfernung der Eierstöcke, bei sonstigen Operationen an den Reproduktionsorganen oder zur Fertilitätsprotektion bei Autoimmun- und onkologischen Erkrankungen mit geplanter gonadotoxischer Chemo- oder Strahlentherapie und/oder Entfernung der Gonaden.
Möglichkeiten des Social Freezing – Pro
Reproduktive Autonomie
Grundsätzlich sollte jede Frau frei entscheiden können, ob, wann und wie sie ein Kind bekommen möchte. Durch Social Freezing wird die Möglichkeit eröffnet, Eizellen in einem guten biologischen Zustand einzufrieren und die altersbedingte Verschlechterung der Eizellen zu verhindern. Der Zeitpunkt für die Familiengründung wird damit nicht mehr allein durch das Alter determiniert, sondern vor allem durch die biografischen Voraussetzungen und Familienleitbilder. Diese umfassen neben der sozialen Komponente (unter anderem gesichertes Einkommen, gute Wohn- und Betreuungssituation [24]) auch eine psychologische Komponente: Eine „gute Mutter“ stellt ihr Kind ins Zentrum und ihre eigenen Interessen zurück. Dies geht mit einer längeren Selbstverwirklichungsphase einher, die geprägt wird durch Freunde und Familie, Reisen, Hobbys und eine längere Ausbildung. Frauen, die sich spät für eine Mutterschaft entscheiden, müssen somit nicht mehr mit dem Gefühl leben, „etwas verpasst zu haben“ [25].
Der Zeitpunkt der Familiengründung wird nicht mehr allein durch das Alter determiniert
Diese normativen Vorstellungen einer „guten Mutterschaft“ führen dazu, dass sich einige Frauen erst spät bereit für die Familiengründung fühlen. Auch wenn Social Freezing keine Garantie gegen ungewollte Kinderlosigkeit ist, bietet es doch ein gutes Instrument, wo die „biologische Uhr“ sonst ablaufen würde. Dies stellt einen weiteren Schritt zur Gleichberechtigung dar: Frauen können sich genau wie Männer und passend zu ihren beruflichen Zielen auch erst im fortgeschrittenen Alter der Familienplanung widmen.
Keine Partnersuche unter Druck
Frauen sollten nicht länger mit Kinderlosigkeit bestraft werden, weil sie keinen Partner gefunden haben, noch sollten sie sich aufgrund ihrer abnehmenden Eierstockreserve zu einer Beziehung gezwungen fühlen [24]. Alleinstehenden Frauen, die sich dem Ende ihrer reproduktiven Jahre nähern, wird durch den Zeitgewinn von 10 bis 15 Jahren der Druck bei der Partnersuche genommen.
Genetische Familienbeziehung
Social Freezing ist eine Alternative zur Fremdeizellspende, die aufgrund von Problemen bei der Immuntoleranz mit höheren Schwangerschafts- und Geburtsrisiken einhergeht [26]. Beim Social Freezing nimmt die potenzielle zukünftige Empfängerin die Belastung von Stimulation und Punktion auf sich selbst und delegiert sie nicht wie bei der Fremdeizellspende an eine andere Frau. Viele Frauen wünschen sich eine genetische Verbindung zu ihrem Kind: Mit 93 % sprach sich in einer amerikanischen Befragung die große Mehrheit der Frauen für eine künstliche Befruchtung eigener Eizellen aus; eine Eizellspende war nur für 57 % und eine Adoption nur für 48 % eine Option [27].
Späte Schwanger- und Mutterschaft – kein biologisches Problem!
Die Risiken einer späten Schwangerschaft sind zwar medizinisch unbestritten, es müssen jedoch individuelle und schützende Faktoren berücksichtigt werden: Junge Frauen mit Vorerkrankungen können beispielsweise ein höheres Risikoprofil als eine 40-jährige Erstgebärende haben. Ferner korreliert ein hoher sozioökonomischer Status mit einer geringen Frühgeburtsrate [28]. Eine ausführliche Fertilitäts- und präkonzeptionelle Beratung ist somit essenziell, insbesondere die Aufklärung über geburtshilfliche Risiken. Eine allgemeine Einschränkung eines sogenannten Fortpflanzungsrechts aufgrund möglicher medizinischer Risiken ist nicht legitim. Mit der steigenden Lebenserwartung in guter Gesundheit und der damit einhergehenden verlängerten körperlichen und psychischen Kraft sollte genügend Energie für die Bedürfnisse des Nachwuchses auch im fortgeschrittenen Alter vorhanden sein. Darüber hinaus haben Großeltern schon immer eine wichtige Rolle bei der Kindererziehung gespielt und wurden dafür nicht als „zu alt“ beurteilt. Zudem engagieren sich einige Frauen über 60 Jahre in der Pflege ihrer Eltern – eine Tätigkeit, die mindestens genauso anspruchsvoll und anstrengend ist wie das Aufziehen des Nachwuchses. Die gleichen Bedenken bei später Elternschaft sollten sich auch bei älteren Vätern stellen, was jedoch weniger diskutiert wird [29]. Zwar gibt es ein höheres Risiko der Verwaisung bei älteren Frauen – bei einer 55-Jährigen ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie vor der Pubertät ihrer Kinder verstirbt, im Vergleich zu einer 35-Jährigen 5‑mal höher [30] – jedoch muss auch beachtet werden, dass bei einer Vaterschaft in hohem Alter oder bei Krebspatientinnen mit möglicherweise reduzierter Lebenserwartung meist keine Vorbehalte gegen eine Eizellkonservierung bestehen [31].
Grenzen des Social Freezing – Kontra
Die Weiterentwicklungen in der Medizin und die immer neuen technischen Möglichkeiten machen es notwendig, das daraus resultierende wachsende Angebot – und dazu gehört in der Reproduktionsmedizin sicher auch das Social Freezing – kritisch zu hinterfragen. Steht etwas zur Verfügung, dann stellt sich auch der Wunsch ein, dies zu nutzen – sei dies ärztlicherseits oder seitens der Patient:innen. Verbote, wie sie in gewissen Publikationen diskutiert werden, sind da nicht die richtige Stoßrichtung, wohl aber eine kritische Erörterung der Anwendungsbereiche und eine Diskussion der gesellschaftlichen und ethischen Implikationen [31]. Auch wenn Guido Pennings die strikte Trennung von „Medical“ und „Social Freezing“ infrage stellt, so weist er gleichzeitig darauf hin, dass jede medizinische Intervention durch Effizienz, Sicherheit und Gerechtigkeit gerechtfertigt sein muss [32]. Er argumentiert weiter, dass die Möglichkeit, Eizellen einzufrieren, nicht vom Grund der (zukünftigen) Infertilität abhängig sein sollte, sondern eben von den genannten Kriterien. Allerdings stellt sich die Frage, ob bei einer primär nicht medizinisch indizierten Intervention der Grad an Effizienz und Sicherheit nicht höher sein sollte. In Bezug auf die Autonomie wiederum gilt es zu klären, wie diese im Zusammenhang mit der Reproduktion zu verstehen ist, denn gerade in diesem Bereich wirken sich Aspekte wie frühkindliche Erfahrungen, genetische Herkunft, psychische Gesundheit oder Krankheit, Lebenserfahrung, Partnerschaft und Umfeld maßgebend auf die Entscheidungsfreiheit aus.
Effizienz
Die Effizienz des Social Freezing lässt sich unter anderem am Prozentsatz der Frauen messen, die ihre eingefrorenen Eizellen im Laufe der Zeit weiterhin zu verwenden gedenken oder dies dann auch effektiv tun bzw. bereits getan haben. Tatsache ist, dass dieser Protzentsatz gering zu sein scheint und die damit erzielten Schwangerschaften noch geringer [19]. Gemäß Hammarberg et al. waren die am häufigsten genannten Gründe dafür, dass die Verwendung nicht in Betracht gezogen wurde, Bedenken im Zusammenhang mit Einelternschaft, die Bevorzugung einer natürlichen Konzeption und die fehlende Bereitschaft, von einer Donorsamenspende Gebrauch zu machen [19]. Zudem besteht ja keinerlei Gewähr, dass mit den eingefrorenen Eizellen wirklich eine Schwangerschaft erzielt werden kann, sodass es sich in Anbetracht der damit verbundenen Kosten beim Social Freezing um eine teure Versicherung ohne jegliche Garantie handelt [33]. Neben den finanziellen kann dies auch emotionale Belastungen nach sich ziehen. So konnten Greenwood et al. bei 16 % der nach Social Freezing befragten Frauen eine mittlere bis ernsthafte und bei 33 % eine leichte Entscheidungsreue feststellen. Diese war abhängig von der Anzahl eingefrorener Eizellen und umso geringer, je besser die Informationsvermittlung und die emotionale Unterstützung empfunden wurden und je höher die Wahrscheinlichkeit einer Lebendgeburt von den Befragten eingeschätzt wurde [34].
Sicherheit
Späte Mutterschaft bringt eine erhöhte Morbidität für Mutter und Kind mit sich [35]. Dies ist für Schwangere ab 40 Jahren der Fall und macht sich besonders deutlich bei Schwangeren in einem Alter über 45 Jahre bemerkbar [36]. Des Weiteren besteht Evidenz dafür, dass bei Schwangerschaften nach IVF die Kinder ein höheres Risiko von Fehlbildungen und diversen gesundheitlichen Problemen haben, wobei sowohl die zugrunde liegende Infertilität als auch die IVF eine Rolle zu spielen scheinen und das Risiko bei ICSI am höchsten ist [37]. Technische Aspekte, wie das gewählte Kulturmedium, die Verwendung von Gefrierschutzmitteln bei der Vitrifikation und IVF-bedingte epigenetische Phänomene, scheinen dabei eine Rolle zu spielen.
Das IVF-bedingt erhöhte Risiko fällt bei einer Frau ohne Fertilitätsproblem mehr ins Gewicht
Zwar würde sich das altersbedingte Risiko beim Social Freezing durch frühzeitig gewonnene Eizellen reduzieren, aber nur hinsichtlich der durch diese Komponente bedingten Risikoerhöhung. Frauen, die eine Schwangerschaft in einen späteren Lebensabschnitt verschieben, setzen sich dem durch ihr fortgeschrittenes Alter bedingten zusätzlichen Risiko aus. Zudem ist das IVF-bedingt erhöhte Risiko zwar im Falle einer Infertilität akzeptabel, fällt aber bei einer Frau ohne Fertilitätsproblem mehr ins Gewicht. Genauso verhält es sich mit den bei Stimulation und Eizellentnahme möglichen Komplikationen, wobei auch diese beim Social Freezing seltener sind.
Gerechtigkeit
Social Freezing ist eine präventive und damit nicht kassenpflichtige medizinische Leistung. Für die Patientin ist es mit beträchtlichen Kosten verbunden. Dies bedeutet, dass sich nur finanziell gut situierte Frauen eine solche „biologische Versicherung“ leisten können.
Reproduktive Autonomie
Viele Frauen möchten heutzutage genauso wie Männer ihre Berufskarriere verfolgen können. Dass dies in vielen Fällen nur möglich sein soll, wenn die Erfüllung des Kinderwunschs auf das Ende der reproduktiven Lebensphase oder noch über diese Grenze hinaus verschoben wird, und dass dafür Eizellen eingefroren werden müssen, kann nicht als Ausdruck reproduktiver Autonomie, das heißt einer aus „freiem Willen“ gefällten Entscheidung ausgelegt werden; insbesondere nicht, wenn Frauen beispielsweise von ihrem Arbeitgeber dazu motiviert werden. Vielmehr zementieren solche Strategien die zugewiesenen Rollenmuster; Frauen werden auf diese Weise erneut unter Druck gesetzt. Tatsache ist, dass eine Schwangerschaft und die Kinderbetreuung nie wirklich in die Karrierepläne einer Frau passen, ganz unabhängig von ihrem Alter [38]. Es gibt einerseits nicht den „idealen Moment“ und andererseits ist es immer aufwendig, die Betreuung vor und nach der Schule, bei Erkrankung und während der Schulferien zu organisieren. Gleichzeitig reduzieren sich auch die Energien und Kräfte dafür mit zunehmendem Alter. Das Argument, dass ältere Menschen allenfalls gelassener sind, und dafür die Großeltern als Beispiel aufzuführen, hinkt dahingehend, dass diese innerhalb des Familiengefüges eine grundlegend andere Rolle einnehmen. Gleichzeitig besteht die Gefahr, dass sie gerade bei später Elternschaft nicht mehr für ihre Enkelkinder zur Verfügung stehen und entsprechend auch die Eltern nicht entlasten können. So gesehen löst Social Freezing nicht ein Problem, sondern bewirkt eine Verschiebung einer Reihe von Problemen, die zu lösen nicht Aufgabe der Reproduktionsmedizin, sondern der Gesellschaft ist: nämlich bessere Rahmenbedingungen dafür zu schaffen, dass junge Menschen es sich vorstellen können, Eltern zu werden und auf eine gute Art und Weise Beruf und Familie miteinander zu vereinbaren.
Fazit für die Praxis
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Social Freezing bietet keine Erfolgsgarantie und es bestehen Risiken bei der Eizellentnahme.
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Die länderspezifischen Richtlinien zu den rechtlichen Rahmenbedingungen des Social Freezing, insbesondere zur Dauer der Aufbewahrungsfrist, sind unterschiedlich.
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Social Freezing ist kein „Heilmittel“ gegen den reproduktiven Alterungsprozess.
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Social Freezing kann als Back-up verstanden werden, wenn der Partner fehlt, keine Schwangerschaft auf natürlichem Weg zustande kommt oder die biologische Uhr abläuft.
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Die Durchführung von Social Freezing sollte auf einem informierten, autonomen Entscheidungsfindungsprozess basieren, der auch eine gebührende Pause der Reflexion beinhaltet.
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Aufgabe der Frauenärzt:innen ist es, sorgfältig und umfassend über alle Aspekte des Social Freezing zu informieren und vor allem auch auf dessen Grenzen hinzuweisen.
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Pape, J., Tschudin, S. Pro und kontra Social Freezing – eine Stellungnahme aus reproduktionsmedizinischer und psychosomatischer Perspektive. Gynäkologische Endokrinologie 21, 53–58 (2023). https://doi.org/10.1007/s10304-022-00482-2
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