FormalPara Originalpublikation

Wang et al (2022) Association of polycystic ovary syndrome phenotypes with adverse pregnancy outcomes after in-vitro fertilization/intracytoplasmic sperm injection. Front Endocrinol 13(889029).

FormalPara Hintergrund.

Das polyzystische Ovarsyndrom (PCOS) ist eine häufige endokrinologische Erkrankung von Frauen im reproduktiven Alter und eine der Hauptursachen für eine anovulatorische Infertilität. Charakteristisch sind neben den klassischen Parametern der Oligo‑/Anovulation, der polyzystisch veränderten Ovarien sowie des Hyperandrogenismus zusätzlich häufig Adipositas sowie Insulinresistenz. Die Prävalenz des PCOS beträgt zwischen 6 und 21 % [1]. Entsprechend den Rotterdam-Kriterien können PCOS-Patientinnen in vier verschiedene Phänotypen unterteilt werden (siehe Tab. 1): Phänotyp A: Hyperandrogenismus/Hyperandrogenämie und Oligomenorrhö/Anovulation und polyzystische Ovarien; Phänotyp B: Hyperandrogenismus/Hyperandrogenämie und Oligomenorrhö/Anovulation; Phänotyp C: Hyperandrogenismus/Hyperandrogenämie und polyzystische Ovarien; Phänotyp D: Oligomenorrhö/Anovulation und polyzystische Ovarien. Für diese verschiedenen PCOS-Phänotypen ist beispielsweise ein unterschiedliches Ansprechen auf Gonadotropine im Rahmen einer kontrollierten ovariellen Hyperstimulation bekannt [2]. Da es sich bei dem PCOS um ein reproduktiv-endokrines sowie auch metabolisches Krankheitsbild handelt, tendieren die betroffenen Patientinnen zu einem höheren Risiko an Schwangerschaftskomplikationen und damit verbunden einem erhöhten Risiko für ein ungünstiges perinatales Outcome [3, 4]. Aktuelle Arbeiten zeigen, dass das Risiko für schwangerschaftsassoziierte Komplikationen sowie ungünstige Schwangerschaftsausgänge bei PCOS-Patientinnen im Rahmen von „assisted reproductive technology“ (ART) häufiger vorkommen als im Rahmen einer Spontankonzeption [5]. Da es bislang kaum Untersuchungen zum Zusammenhang der verschiedenen PCOS-Phänotypen und ungünstiger Schwangerschaftsausgänge nach IVF/ICSI gab, haben die Autoren in der vorliegenden Arbeit diese spezifische Fragestellung adressiert.

Tab. 1 PCOS-Phänotypen entsprechend den Rotterdam-Kriterien
FormalPara Studienaufbau.

Im Rahmen einer retrospektiven Studie an einem reproduktionsmedizinischen Zentrum in China wurden nach einem entsprechenden Matching 1186 Patientinnen in eine PCOS- sowie eine Kontrollgruppe (d. h. ohne PCOS) eingeschlossen. Von den PCOS-Patientinnen gehörten 293 dem Phänotyp A, 53 dem Phänotyp B, 77 dem Phänotyp C und 773 dem Phänotyp D an. Als primärer Outcome-Parameter wurde ein ungünstiger Schwangerschaftsausgang („adverse perinatal outcome“) definiert. Hierunter wurden ektope Schwangerschaften, Fehlgeburten, Frühgeburten sowie Schwangerschaftskomplikationen wie hypertensive Schwangerschaftserkrankungen, Gestationsdiabetes sowie peripartale Komplikationen zusammengefasst.

Als sekundäre Studienparameter die biochemische Schwangerschaftsrate, klinische Schwangerschaftsrate und Lebendgeburtenrate.

FormalPara Ergebnisse.

Patientinnen mit verschiedenen PCOS-Phänotypen zeigten ähnliche Raten an biochemischen Schwangerschaften, klinischen Schwangerschaften und Lebendgeburten, die sich jeweils allenfalls geringfügig und nur teilweise statistisch signifikant von der Kontrollgruppe unterschieden. Die Häufigkeit von ungünstigen Schwangerschaftsausgängen („adverse pregnancy outcome“) war bei den PCOS-Phänotypen A und D signifikant höher als in der Kontrollgruppe (44 und 46,4 % vs. 28,7 %). Die Rate an hypertensiven Schwangerschaftserkrankungen war signifikant höher in den PCOS-Phänotypen A und C verglichen mit der Kontrollgruppe (9,3 und 12,5 % vs. 3,1 %).

Kommentar und Fazit für die Praxis

Die Autoren schlussfolgern, dass die PCOS-Phänotypen A und D unabhängige Risikofaktoren für ein ungünstiges Schwangerschaftsoutcome darstellen, wenngleich die klinische Schwangerschaftsrate und Lebendgeburtenrate in den verschiedenen PCOS-Phänotypen vergleichbar war. Diese Beobachtungen sind in Übereinstimmung mit anderen Arbeiten, die ebenfalls ein höheres Risiko von ungünstigen Schwangerschaftsverläufen bei PCOS-Patientinnen zeigen, trotz der Tatsache einer verbesserten Lebendgeburtenrate [6]. Die Autoren spekulieren, dass Veränderungen des endometrialen Phänotyps und der Implantation möglicherweise Ursachen für Komplikationen wie Fehlgeburt und Frühgeburten sein könnten. Die beobachteten Ergebnisse hinsichtlich der PCOS-Phänotypen A und D versuchen die Autoren durch die gemeinsamen Charakteristika der Oligomenorrhö und Anovulation sowie der polyzystischen Ovarien zu erklären. Sie diskutieren, dass unter anderem eine Insulinresistenz und damit eine metabolische Dysfunktion als Hauptursache für Zyklusstörungen angesehen wird. Des Weiteren erörtern die Autoren den möglichen Einfluss der beim PCOS veränderten Eizellqualität und der daraus resultierenden veränderten Embryoqualität. Unterstützend zu dieser Spekulation führen die Autoren die in ihrer Arbeit beobachtete niedrige Rate an High-quality-Embryonen in der PCOS-Phänotyp-Gruppe A und D im Vergleich zu anderen Gruppen, insbesondere der Kontrollgruppe, an.

Es bleibt offen, ob die dargestellten Beobachtungen auch in anderen Ethnizitäten so nachweisbar sind, gerade hinsichtlich des BMI sind sicherlich international Unterschiede in der Grundpopulation zu erwarten.

Für den klinischen Alltag kann aus der diskutierten Arbeit als mögliche Konsequenz gezogen werden, neben der leitlinienkonformen intensivierten Überwachung der Schwangerschaften bei PCOS-Patientinnen insbesondere die Phänotypen A und D besonders zu beachten, um die Inzidenz von ungünstigen Schwangerschaftsausgängen möglicherweise zu senken. Angesichts der Limitierung der vorliegenden Studie (retrospektiver Charakter, teilweise kleine Fallzahl) ist diese Schlussfolgerung jedoch mit Vorsicht zu betrachten, größere Untersuchungen sind notwendig, um ein evidenzbasiertes individualisiertes Vorgehen im Rahmen der assistierten Reproduktion bei PCOS-Patientinnen zu ermöglichen.