Das Thema „Ernährung und Nahrungsergänzung in der Schwangerschaft“ gehört heute obligatorisch zur Beratung der Schwangeren. Ernährung und Supplementierung spielen aber nicht nur in der Schwangerschaft, sondern auch in der perinatalen Entwicklung des Kindes eine große Rolle, dabei kann neben Unterernährung auch eine „Überernährung“ mit Makronährstoffen negative Folgen haben [1].

Ernährung und Supplementierung spielen auch in der perinatalen Entwicklung des Kindes eine große Rolle

In der Schwangerschaft steigt der Bedarf an einzelnen Vitaminen und Mineralstoffen sowie Spurenelementen deutlich an. Dieser Mehrbedarf kann für die meisten Mikronährstoffe allein mit einer gesunden und abwechslungsreichen Ernährung abgedeckt werden. Als grobe Orientierung gelten folgende Empfehlungen [2]:

  • Reichlicher Konsum von Wasser, kalorienfreien Getränken, Obst, Gemüse, Hülsenfrüchten und Vollkornprodukten

  • Mäßiger Verzehr von tierischen Lebensmitteln

  • Wenige Süßigkeiten, zuckerhaltige Getränke und Snackprodukte

Ob ein Zusammenhang zwischen der perikonzeptionellen Ernährungsweise und der Konzeptionswahrscheinlichkeit bzw. dem Schwangerschaftsverlauf besteht und welche Folgen die Nahrungsqualität bzw. das Fehlen von Mikronährstoffen zu diesem frühen Zeitpunkt hat, ist weit weniger klar.

Perikonzeptionelle Ernährung

Der Einfluss von perikonzeptionellen Ernährungsgewohnheiten wurde von einem US-amerikanischen Forscherteam in der nuMoM2b-Studie untersucht, einer multizentrischen Beobachtungsstudie, an der sich zwischen 2010 und 2013 8 US-Kliniken beteiligten. Es wurden 10.038 Erstgebärende mit Einlingsschwangerschaft in die Studie aufgenommen. Die Frauen beantworteten im ersten Trimenon den modifizierten Block 2005 Food Frequency Questionnaire. Anhand dieser Angaben wurde der Healthy Eating Index 2010 (HEI-2010) ermittelt, der die Ernährungsqualität der Mütter innerhalb eines Zeitraums von 3 Monaten perikonzeptionell abbildet (je höher der Index, desto besser war die Qualität der Ernährung). Als Zielparameter wurden maternale und neonatale Komplikationen ermittelt. Dann wurde analysiert, ob ein Zusammenhang mit der perikonzeptionellen Ernährungsweise bestand. Die Ergebnisse der Studie zeigten, dass bei Frauen mit niedrigem HEI-Score signifikant häufiger hypertensive Schwangerschaftserkrankungen und postpartale Hämorrhagien auftraten. Ein Zusammenhang zwischen der Ernährungsweise und dem Gestationsdiabetes bestand nicht. Bei Müttern mit qualitativ schlechter Ernährung kam es signifikant häufiger zu Frühgeburten, Small-for-gestational-age-Neugeborenen und einem zu niedrigen Geburtsgewicht der Kinder, mit der Folge, dass deutlich häufiger eine intensivmedizinische neonatologische Behandlung erfolgen musste [3].

In der PREPARE-Studie (Preconceptional Diet in Assisted Reproductive Technology) wurde der Einfluss der perikonzeptionellen Ernährung auf das Outcome reproduktionsmedizinischer Behandlungen untersucht [4]. Im Vergleich zu anderen Ernährungsweisen zeigte sich bei mediterraner Ernährung eine um 40 % höhere Erfolgswahrscheinlichkeit bei Anwendung reproduktionsmedizinischer Techniken.

Passend dazu konnte in einer kanadischen Studie [5] bei Frauen mit Syndrom polyzystischer Ovarien („polycystic ovary syndrome“ [PCOS]) nachgewiesen werden, dass das zugrunde liegende Übergewicht nicht durch die Anzahl der Kalorien oder die Relation der Makronährstoffe erklärt werden konnte, sondern durch zu wenig Ballaststoffe und Magnesium sowie einen hohen glykämischen Index (GI). Umgekehrt führte eine vermehrte Zufuhr von Ballaststoffen und Magnesium zu einer verbesserten Insulinresistenz sowie zu niedrigeren Testosteron- und Dehydroepiandrosteronsulfatspiegeln. Auch Entzündungs- und Lipidwerte besserten sich.

Makronährstoffe

Kohlenhydrate

Sowohl die Quantität als auch die Qualität der mit der Nahrung zugeführten Kohlenhydrate haben Einfluss auf die Glukosehomöostase und die Insulinresistenz. Dadurch wird wiederum die Androgensekretion des Ovars beeinflusst. Als Indikator für die „Qualität“ der Kohlenhydrate können der GI und die glykämische Last herangezogen werden. Der GI beschreibt den Effekt von Kohlenhydraten auf die Blutzuckerspiegel. Die glykämische Last berechnet sich aus dem GI und der Gesamtmenge der zugeführten Kohlenhydrate. Neben diesen beiden Indikatoren spielt ebenso eine Rolle, ob raffinierte bzw. bearbeitete Kohlenhydrate oder unraffinierte Kohlenhydrate verwendet werden [6]. In der NHS-II-Studie waren sowohl die Kohlenhydratgesamtmenge als auch die glykämische Last mit einem höheren Risiko von Ovulationsstörungen assoziiert [7]. Diese Ergebnisse stehen in Einklang mit der Beobachtung, dass Frauen mit Hyperandrogenämie bzw. PCOS signifikant häufiger ein Ernährungsmuster aufweisen, das durch den Verzehr von Nahrungsmitteln mit hohem GI gekennzeichnet ist. Dementsprechend konnten durch Nahrungsumstellung die Androgenspiegel reduziert, die Insulinresistenz vermindert und auch der Anteil ovulatorischer Zyklen gesteigert werden [8].

Frauen mit hoher exogener Lignanzufuhr erzielten im IVF-Programm der EARTH-Studie eine höhere Lebendgeburtenrate

Nahrungsmittel auf Vollkornbasis können einen günstigen Einfluss auf Ovulationsstörungen ausüben [9]. Lignane gehören wie die Isoflavonoide zu den Phytoöstrogenen, die im menschlichen Körper ähnliche Wirkungen ausüben wie die körpereigenen Östrogene. Sie sind in hoher Konzentration in Vollkornprodukten enthalten und haben ebenso günstige Wirkungen auf die Ovarialfunktion. In einer prospektiven Studie (EARTH-Studie) wurde gezeigt, dass Frauen mit hoher exogener Zufuhr von Lignanen eine höhere Lebendgeburtenrate im In-vitro-Fertilisations(IVF)-Programm erzielten [10, 11].

Ballaststoffe wurden hinsichtlich ihres Einflusses auf reproduktive Funktionen in mehreren Studien untersucht. Eine Diät mit hohem Ballaststoff- und geringem Fettanteil war dabei mit einer Reduktion der Östrogenserumspiegel assoziiert. Dies ist möglicherweise darauf zurückzuführen, dass ein hoher Ballaststoffanteil die β‑Glucuronidase-Aktivität in den Fäzes vermindert und es hierdurch zu einer verminderten Resorption von Östrogenen im Darm kommt [12].

Der Zusammenhang zwischen ballaststoffreicher Diät und Ovulationsfrequenz wurde in mehreren Studien untersucht, jedoch sind die Ergebnisse widersprüchlich und nicht schlüssig [7]. Ein Zusammenhang zwischen dem Ballaststoffanteil in der Diät und dem Erfolg einer reproduktionsmedizinischen Behandlung ließ sich nicht aufzeigen [13]. Ein Zusammenhang von ballaststoffarmer Ernährung auf der einen Seite und der Entwicklung eines metabolischen Syndroms und – daraus resultierend – einer verlängerten „time to pregnancy“ (TTP) auf der anderen ist jedoch anzunehmen [14].

Überdies mehren sich die Hinweise hinsichtlich der Bedeutung der Darmflora für das PCOS: Bei Frauen, die Probiotika oder Synbiotika erhielten, besserten sich die Hormonstörungen, Entzündungswerte und der Blutzuckerstoffwechsel [15]. In einer Metaanalyse von 25 Studien zeigte sich auch ein geringer Kohlenhydratanteil in der Ernährung (< 50 %) als wirksam gegen die Insulinresistenz. Besonders profitierten Frauen mit schwerer Insulinresistenz von dieser Low-carb-Ernährung [16].

Zusammenfassend lässt sich auf Basis der vorliegenden Daten – mit eher geringer Evidenz – Folgendes sagen:

  • Eine Ernährung mit niedriger glykämischer Last und einem hohen Anteil von Vollkornprodukten wirkt sich tendenziell günstig auf die Ovarialfunktion aus.

  • Eine ballaststoffreiche Diät vermag zwar die Östrogenserumspiegel und die Insulinresistenz zu senken, jedoch kann ein Zusammenhang zwischen dem Anteil von Ballaststoffen und der Fekundität nicht postuliert werden.

  • Eine kohlenhydratreduzierte Ernährung kann die Insulinresistenz verbessern.

Fette

Fette bzw. Fettsäuren werden in gesättigte und ungesättigte eingeteilt. Die ungesättigten Fettsäuren wiederum werden in einfach ungesättigte und mehrfach ungesättigte unterteilt. Ihnen kommt für die ovarielle Funktion und auch die Eizellreifung enorme Bedeutung als Energiesubstrat und als wichtiger Faktor der Eizellreifung und frühen Embryonalentwicklung zu [17].

Fettsäuren dienen unter anderem als Präkursoren für Prostaglandine und Steroide und werden beim Implantationsvorgang sowie während der Schwangerschaft benötigt [18]. Neben diesen günstigen Effekten haben trans-Fettsäuren jedoch ungünstige Wirkungen auf die Insulinresistenz und damit die Ovulation. So wurde in der NHS-II-Studie gezeigt, dass ein hoher Konsum von trans-Fetten mit einem erhöhten Risiko anovulatorischer Zyklen sowie mit einer generell verminderten Fekundität assoziiert ist. Im Gegensatz dazu konnte in einer dänischen Kohortenstudie ein solcher Zusammenhang nicht bestätigt werden [19].

Omega-3-Fettsäuren und Fruchtbarkeit

Der Effekt einer exogenen Zufuhr von Omega-3-Fettsäuren auf die Fertilität wurde in mehreren Studien untersucht. So konnte in der sogenannten Biocycle-Studie durch Omega-3-Fettsäure-Zufuhr die durchschnittliche Progesteronserumkonzentration in der Lutealphase erhöht werden [20]. Darüber hinaus scheint es eine Assoziation zu geben zwischen exogener Zufuhr von Omega-3-Fettsäuren und einem reduzierten Risiko des Auftretens einer Endometriose [21].

Ein hoher Omega-3-Fettsäure- und niedriger trans-Fett-Anteil scheint sich günstig auf die weibliche Fertilität auszuwirken

Die exogene Zufuhr von Omega-3-Fettsäuren konnte bei normalgewichtigen Frauen den durchschnittlichen Serumspiegel des follikelstimulierenden Hormons senken, nicht jedoch bei adipösen Frauen mit normaler Ovarialreserve. Dies unterstützt die Hypothese, dass Omega-3-Fettsäuren die physiologische Abnahme der Ovarialfunktion prolongieren [22].

In der EARTH-Studie wurden günstige Effekte durch Omega-3-Fettsäuren auf bestimmte Zielparameter reproduktionsmedizinischer Behandlungen gezeigt. Präkonzeptionell höhere Omega-3-Fettsäure-Spiegel waren mit einer besseren Embryomorphologie assoziiert [23]. Ein signifikanter Effekt auf die Schwangerschafts- oder Lebendgeburtenrate ließ sich jedoch nicht zeigen [24].

Zusammenfassend kann man sagen, dass ein Ernährungsmuster mit hohem Anteil an Omega-3-Fettsäuren und niedrigem Anteil an trans-Fetten geeignet erscheint, günstige Effekte auf die weibliche Fertilität auszuüben. Die Bedeutung von Omega-6-Fettsäuren und anderen Fettsäuren in dieser Hinsicht ist unklar.

Eiweiß

Die allgemeine Empfehlung zur täglichen Eiweißaufnahme lautet, dass ein Erwachsener mit durchschnittlicher körperlicher Aktivität 0,8 g Eiweiß pro kgKG zu sich nehmen sollte. Es gibt keine expliziten Empfehlungen zur perikonzeptionellen Eiweißaufnahme. Laut zahlreichen Berichten können Formuladiäten auf Eiweißbasis sogar einen hohen Anteil endokriner Disruptoren enthalten und dadurch zu negativen Effekten sowohl auf das Endokrinium allgemein als auch auf die Konzeptionschancen führen [25].

In der bereits oben erwähnten EARTH-Studie konnte keine Assoziation zwischen Eiweißaufnahme und Fertilität nachgewiesen werden. In einer US-amerikanischen Studie wurde gezeigt, dass der Konsum von 3 oder mehr Glas Vollmilch pro Tag (als „Eiweißlieferant“) einen protektiven Effekt auf die Ovarialfunktion hatte [26]. Zwei Kohortenstudien bei Frauen mit Kinderwunsch ergaben widersprüchliche Resultate: In einer dänischen Studie wurde eine Assoziation zwischen Eiweißaufnahme und Fertilität gezeigt, wohingegen dieser Zusammenhang in der PRESTO-Studie nicht bestätigt wurde [27].

Im IVF-Programm zeigte sich bei Frauen > 35 Jahre eine höhere Lebendgeburtenrate unter exogener Eiweißzufuhr, dabei gab es keinen Unterschied zwischen Nahrungsmitteln mit hohem und niedrigem Fettgehalt [28].

Sojaprodukte, Isoflavone und Fruchtbarkeit

Es liegen zahlreiche Studien zum Einfluss von Sojaprodukten auf die ovarielle Reserve vor, jedoch sind die Ergebnisse nicht schlüssig [29]. In Studien zum physiologischen Eintritt der Menopause gab es keinen Zusammenhang mit dem Konsum von Sojaprodukten, ebenso wenig ließ sich ein Zusammenhang zwischen Sojaaufnahme und Fertilität in einer prospektiven Kohortenstudie aufzeigen [30].

Auch für Isoflavone konnte bisher nicht gezeigt werden, dass sie einen signifikanten Einfluss auf die Fertilität haben. In der retrospektiven Adventist Health Study konnte aber bei Frauen mit hohem Isoflavonanteil in der Nahrung ein erhöhtes Risiko festgestellt werden, kinderlos zu bleiben [31].

Im Gegensatz dazu konnten für Frauen mit erhöhter Soja- und Isoflavonaufnahme in einer prospektiven Studie bessere Outcomeparameter nach reproduktionsmedizinischer Behandlung im Vergleich zur Kontrollgruppe gezeigt werden. Auch in der EARTH-Studie war bei Frauen mit exogener Sojazufuhr die Lebendgeburtenrate höher als in der Kontrollgruppe [32, 33].

Einfluss verschiedener Diätformen auf die Reproduktionsfunktion

In der NHS-II-Studie propagieren die Autoren eine sogenannte Fruchtbarkeitsdiät. Charakteristisch für diese Diät ist ein hoher Konsum von einfach ungesättigten Fettsäuren, pflanzlichen Proteinen, Ballaststoffen, Kohlenhydraten mit niedrigem GI, Multivitaminpräparaten sowie Eisenpräparaten. Nach Aussage der Autoren verringert dies das Risiko von Ovulationsstörungen [34]. Ebenso konnte in einer Fall-Kontroll-Studie bei Studentinnen in Spanien gezeigt werden, dass eine mediterrane Diät mit hohem Anteil von Früchten und Gemüse, Fisch und Geflügel, Produkten mit niedrigem Fettanteil und Olivenöl zur Verbesserung der Konzeptionschance beiträgt [35].

Im Gegensatz dazu konnte in der NHS-II-Studie gezeigt werden, dass weder die „Fruchtbarkeitsdiät“ noch eine mediterrane Diät bzw. die Umsetzung des HEI-2010-Konzeptes das Abortrisiko günstig beeinflusst [36]. Der regelmäßige Konsum von „Fast Food“ und eher seltene Konsum von Früchten und Gemüse führte jedoch zu einer verlängerten TTP [37].

Einfluss verschiedener Diätformen auf das Ergebnis reproduktionsmedizinischer Behandlungen

Der günstige Einfluss bestimmter Diätformen auf das Outcome reproduktionsmedizinischer Behandlungen konnte in mehreren Studien gezeigt werden. So untersuchten Twigt et al. [38] eine Kohorte von 199 niederländischen Paaren, die vor reproduktionsmedizinischer Behandlung eine Diät mit hohem Konsum von Vollkornprodukten, Früchten, Gemüse und mehrfach ungesättigten Ölen durchführten. Im Vergleich zur Kontrollgruppe wurde für diese Paare eine höhere Schwangerschaftsrate erzielt.

In einer weiteren Kohorte niederländischer Paare (n = 161) konnten Vujkovic et al. [39] zeigen, dass eine maternale mediterrane Diät (hoher Konsum von Gemüse und Pflanzenöl, Fisch und Gemüse, keine Snack-Produkte) mit einer höheren Schwangerschaftsrate verbunden war im Vergleich zu einer Diät, die vor allem auf hohe Frucht- und Gemüsezufuhr abzielte.

Generelle Empfehlungen

Auch wenn die oben genannten Studien mit unterschiedlichem Design durchgeführt wurden, lassen sich doch generelle Empfehlungen ableiten. Ein hoher Anteil der folgenden Nahrungsmittel und Makronährstoffe scheint einen positiven Einfluss auf die Spontankonzeption sowie das Ergebnis reproduktionsmedizinischer Behandlungen zu haben (American Society for Reproductive Medicine [ASRM], „committee opinion“, [40]):

  • Vollkornprodukte

  • Früchte

  • Gemüse

  • Fisch (vor allem mit hohem Anteil langkettiger Omega-3-Fettsäuren)

  • Olivenöl (mit hohem Anteil mehrfach ungesättigter Fettsäuren)

  • Sojaprodukte

In Tab. 1 findet sich eine Gegenüberstellung aktueller Studien, die eine positive bzw. keine Assoziation zwischen Ernährung und Fertilität aufzeigen.

Tab. 1 Übersicht einzelner Studien, die eine Assoziation zwischen Ernährung und Fertilität untersucht haben

Ein Einfluss der oben genannten Faktoren auf die Abortwahrscheinlichkeit konnte nicht gezeigt werden.

Mikronährstoffe

Folsäure

Bereits in den 1990er-Jahren wurde Frauen im reproduktionsfähigen Alter von den amerikanischen Gesundheitsbehörden empfohlen, täglich 0,4–0,8 mg Folsäure zu sich zu nehmen, um – im Falle einer Schwangerschaft – das Risiko für Spaltfehlbildungen zu minimieren [41]. Es folgten Studien, die bei Anwendung dieser Folsäureprophylaxe ein erhöhtes Abortrisiko zeigten, jedoch wurden diese Studien aufgrund methodischer Schwächen kritisiert [42, 43].

In einer neueren Cochrane-Analyse wurde nun auf Basis dreier randomisierter Studien gezeigt, dass die tägliche Zufuhr von 0,4 bis 0,8 mg Folsäure und Multivitaminpräparaten sowohl vor als auch in der Schwangerschaft das Abortrisiko nicht erhöhte [44]. Diese Aussage wurde auch durch große Studien zu Folsäureeinnahme und Abortrisiko in China und Brasilien bestätigt [45, 46].

Folsäure und Ovarialfunktion

Bei Frauen in der NHS-II-Studie, die Folsäure und Multivitaminpräparate zu sich nahmen, fand sich ein signifikant (etwa 30 %) geringeres Risiko für Ovulationsstörungen [47]. Ebenso konnte in der Biocycle-Studie gezeigt werden, dass Folsäure das Risiko anovulatorischer Zyklen reduziert [48]. Eine große prospektive dänische Studie ergab, dass eine Folsäurezufuhr die TTP reduziert [49].

Einfluss von Folsäure auf das Ergebnis reproduktionsmedizinischer Behandlungen

Die Folsäuresupplementierung hat einen günstigen Effekt auf das Outcome reproduktionsmedizinischer Behandlungen. In einer randomisierten, kontrollierten Studie führte die Gabe von Folsäure (0,4 mg/Tag) im IVF-Programm zu einer 16 % höheren Schwangerschaftschance im Vergleich zur Kontrollgruppe [50]. In zwei unabhängigen Studien wurde gezeigt, dass eine Methylentetrahydrofolat-Reduktase(MTHFR)-677T-Mutation, die eine erniedrigte MTHFR-Enzymaktivität und damit niedrigere Folatspiegel bewirkt, zu einem geringeren Ansprechen auf die ovarielle Stimulation, einer geringeren Zahl gewonnener Eizellen und einem erniedrigten Östradiolwert zum Zeitpunkt der Eizellentnahme führt [51, 52].

In einer prospektiven Kohortenstudie des Boston-IVF-Zentrums (EARTH-Studie) wurde gezeigt, dass Frauen, die präkonzeptionell > 0,8 mg/Tag Folsäure zu sich nahmen, eine höhere Wahrscheinlichkeit für eine Lebendgeburt hatten als Frauen mit < 0,4 mg/Tag Folsäureaufnahme [53]. Neben den Serumfolatspiegeln waren die Serumspiegel von Vitamin B12 prädiktiv für das Outcome – insbesondere Lebendgeburt – im IVF-Programm [54]. In Folgearbeiten konnte gezeigt werden, dass Folsäure insbesondere für die frühe Schwangerschaftsphase (Implantation/Embryonalentwicklung) bedeutsam ist und den weiteren Schwangerschaftsverlauf entscheidend beeinflusst [55, 56].

Die perikonzeptionelle Folsäuresupplementierung hat potenziell günstige Effekte auf die Frühschwangerschaft

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die perikonzeptionelle Folsäuresupplementierung keinen ungünstigen Effekt auf die Abortwahrscheinlichkeit hat, sondern potenziell günstige Effekte auf die Frühschwangerschaft ausübt. Dabei scheinen Dosierungen oberhalb der für die Protektion von Neuralrohrdefekten empfohlenen sinnvoll zu sein. Systematische Studien zur optimalen Dosierung fehlen jedoch bis heute.

Vitamin D

Es gibt wohl kaum einen Faktor, dem in den letzten Jahren eine solche „Omnipotenz“ zugesprochen wurde, wie Vitamin D. Sowohl in der Fach- als auch in der Laienliteratur wurde der therapeutische Einsatz von Vitamin D intensiv diskutiert.

In nahezu allen Organen des Reproduktionstrakts lassen sich Vitamin-D-Rezeptoren nachweisen, so in den Ovarien, im Uterus und speziell im Endometrium [57]. Im Tiermodell konnte mit Knock-out-Modellen gezeigt werden, dass eine Vitamin-D-defizitäre Diät zu Fertilitätseinschränkungen führt [58]. Vitamin D stimuliert die ovarielle Steroidgenese, es fördert die follikuläre Reifung und ist an wesentlichen Mechanismen der Implantation beteiligt. Es wird postuliert, dass ein Vitamin-D-Mangel einen Pathomechanismus in der Entstehung des PCOS darstellt [59].

Es gibt nur wenige Hinweise, dass eine Assoziation zwischen Vitamin-D-Aufnahme und ovarieller Funktion besteht

Ungeachtet der oben genannten Bedeutung von Vitamin D für ovarielle Prozesse gibt es nur wenige Hinweise, dass eine Assoziation zwischen der Vitamin-D-Aufnahme und der ovariellen Funktion besteht. So korrelierte die Vitamin-D-Aufnahme von Frauen in der NHS-II-Studie nicht mit Ovulationsstörungen. Ebenso gibt es keine Korrelation zwischen Vitamin-D-Serumspiegeln und der Konzeptionswahrscheinlichkeit. Dies konnte sowohl in einer dänischen Population als auch von einer italienischen Arbeitsgruppe nachgewiesen werden [60].

In einer neueren Metaanalyse wurde der Zusammenhang zwischen Vitamin D und Spontanaborten untersucht. Es fand sich bei 10.630 schwangeren Frauen aus 5 Kohortenstudien keine generelle Assoziation zwischen niedrigen Vitamin-D-Spiegeln und Abortwahrscheinlichkeit. In einer Subgruppe ließen sich jedoch für Frauen mit extrem niedrigen Vitamin-D-Serumspiegeln (< 20 ng/ml) erhöhte Abortraten feststellen [61].

Vitamin D und reproduktionsmedizinische Behandlungen

Die Daten zum Einfluss von Vitamin D auf den Erfolg reproduktionsmedizinischer Behandlungen sind nicht schlüssig. In einer Metaanalyse von 11 Kohortenstudien (5 prospektiv, 6 retrospektiv) zeigten die Autoren, dass Frauen mit Vitamin-D-Substitution im Gegensatz zu Frauen mit Vitamin-D-Mangel höhere Schwangerschafts- und Lebendgeburtenraten im IVF-Programm erzielten. Dieser Zusammenhang ließ sich von anderen Autoren wiederum nicht bestätigen [62, 63]. Ein Zusammenhang zwischen Vitamin-D-Spiegeln und Abortrate fand sich nicht [64].

In einem Kollektiv von Frauen mit PCOS fanden Pal et al. [65] bei Frauen mit 25-Hydroxy-Vitamin-D-Spiegeln < 30 ng/ml niedrigere Lebendgeburtenraten als bei Frauen mit Spiegeln > 30 ng/ml. Weder die wöchentliche Supplementierung mit 50.000 IU Vitamin D für 6–8 Wochen noch die Einmalgabe von hoch dosiertem Vitamin D (300.000 IU) führte in diesem Kollektiv zu einer Verbesserung des reproduktiven Outcomes. Es konnte zwar eine Verbesserung der Endometriumdicke festgestellt werden, jedoch führte dies zu keiner höheren Schwangerschafts- oder gar Lebendgeburtenrate [66].

In der placebokontrollierten SUNDRO-Studie zum Einfluss von Vitamin D auf den Erfolg reproduktionsmedizinischer Behandlungen wurden Frauen mit einem Vitamin-D-Serumspiegel < 30 ng/ml jeweils 600.000 IU Vitamin D3 injiziert. Im Vergleich zu Placebo konnte durch Vitamin-D-Gabe kein signifikanter Effekt auf die Schwangerschaftsrate erzielt werden [67, 68].

Zusammenfassend lässt sich somit sagen, dass trotz mannigfaltigen Einflusses von Vitamin D auf die Reproduktionsfunktion bislang nicht gezeigt werden konnte, dass niedrige Vitamin-D-Serumspiegel als negativer Prädiktor für die natürliche Konzeption oder den Erfolg reproduktionsmedizinischer Behandlungen anzusehen sind. Dementsprechend gibt es keine Evidenz für eine generelle Vitamin-D-Supplementierung bei Frauen mit Kinderwunsch. Angesichts des geringen Risikos bei Vitamin-D-Zufuhr sehen einige Autoren aber dennoch in Summe einen guten Kosten-Nutzen-Effekt [69].

Antioxidanzien

Antioxidanzien neutralisieren den Effekt von Sauerstoffradikalen und ihnen wird eine positive Wirkung auf die Reproduktionsfunktion zugesprochen [70]. Zur Gruppe der Antioxidanzien gehören Vitamine, aber auch andere Substanzgruppen. Die Datenlage zum Einfluss von Antioxidanzien auf die Reproduktionsfunktion ist weitgehend heterogen. In den vorliegenden Studien wurden unterschiedliche Kollektive untersucht, unterschiedliche Endpunkte gewählt, und vor allem lassen sich die Studien aufgrund der jeweils unterschiedlichen Zusammensetzung der Substanzen und ihrer Dosierungen nur begrenzt vergleichen.

Vitamin E gehört zu den lipidlöslichen Substanzen mit antioxidativer Wirkung. In vitro inhibiert Vitamin E die oxidative Zerstörung mehrfach ungesättigter Fettsäuren in Membranlipiden. Vitamin E liegt in verschiedenen molekularen Formen vor, die größte Gruppe stellen die Tocopherole. Ein relevanter Einfluss von Vitamin E auf die Reproduktionsfunktion wurde bisher nicht nachgewiesen.

Vitamin C (Synonym: Ascorbinsäure) gehört im Gegensatz zu Vitamin E zu den wasserlöslichen Vitaminen und ist ein entscheidender Faktor bei Hydroxylierungsvorgängen. Vitamin C akkumuliert im Ovar – vor allem im Corpus luteum. Es gibt Berichte über erniedrigte Vitamin-C-Spiegel bei Frauen mit Corpus-luteum-Insuffizienz bzw. wiederholten Aborten [71]. Eine entsprechende Supplementierung mit 750 mg/Tag Vitamin C führte zu einem Anstieg der Progesteronserumwerte und einer Verbesserung der Schwangerschaftsrate [72].

Zusammenfassend liegt derzeit nur geringe Evidenz dafür vor, dass die Gabe von Antioxidanzien perikonzeptionell einen relevanten Einfluss auf die Reproduktionsfunktion hat. Neuere Metaanalysen und Cochrane-Reviews schließen einen positiven Effekt zwar nicht grundsätzlich aus, betonen aber, dass man aus den derzeit vorliegenden Daten keine konkrete Handlungsempfehlung für Paare mit unerfülltem Kinderwunsch ableiten kann [73, 74].

Koenzym Q10

Koenzym Q10 wird auch als Ubichinon-10 bezeichnet. Es ist strukturell mit Vitamin E und Vitamin K verwandt. Koenzym Q10 spielt eine Rolle bei der zellulären Energiegewinnung und gehört auch zur Gruppe der Antioxidanzien. Koenzym Q10 ist eine der Substanzen, die als Anti-aging-Präparate gehandelt werden. Dementsprechend werden diese Substanzen vor allem für bestimmte Subgruppen infertiler Frauen eingesetzt:

  • Fortgeschrittenes reproduktives Alter

  • „Poor responder“

  • Clomifenresistenz

Der Effekt von Koenzym Q10 wurde in mehreren randomisierten, kontrollierten Studien untersucht. Es konnte kein genereller Einfluss auf die Schwangerschafts- oder Lebendgeburtenrate gezeigt werden [75]. Es gibt jedoch Hinweise darauf, dass Koenzym Q10 bei Frauen mit „poor response“ ein besseres Ansprechen im Falle einer ovariellen Stimulation erzielt [76].

Der in Deutschland übliche Richtwert zur Supplementierung von Koenzym Q10 als Nahrungsergänzungsmittel beträgt 100 mg/Tag. Es bleibt offen, ob und, wenn ja, bei welcher Dosierung von Koenzym Q10 ein günstiger Effekt auf die Anzahl oder Qualität der Eizellen im Rahmen reproduktionsmedizinischer Maßnahmen zu erwarten ist.

Fazit für die Praxis

  • Perikonzeptionelle Ernährung und Mikronährstoffe haben einen Einfluss auf die Reproduktionsfunktion.

  • Bei aller Heterogenität der vorliegenden Daten scheinen sich ein hoher Anteil von Vollkornprodukten, Früchten, Gemüse, Fisch (vor allem mit hohem Anteil langkettiger Omega-3-Fettsäuren) und Olivenöl (mit hohem Anteil mehrfach ungesättigter Fettsäuren) sowie ein moderater Kohlenhydratanteil günstig auf die Reproduktionsfunktion auszuwirken.

  • Vor Beginn einer Kinderwunschbehandlung soll auf die Notwendigkeit einer Folsäuresubstitution mit mindestens 400 µg/Tag Folsäure hingewiesen werden. Die Folsäuresubstitution kann durch Einnahme eines Multivitaminpräparats erfolgen, das zusätzlich unter anderem noch 20 µg Vitamin D enthält.

  • Für die anderen in diesem Beitrag genannten Mikronährstoffe ist die Evidenz gering, dass sie bei perikonzeptioneller Zufuhr einen relevanten Einfluss auf die Konzeptionswahrscheinlichkeit bzw. den Schwangerschaftsverlauf haben. Es fehlen hierzu entsprechende prospektive, randomisierte Studien mit einer Fallzahl, die wissenschaftlich fundierte Schlussfolgerungen zulässt.