Am 17. September 2020 fand zum neunten Mal die Nachmittagsfortbildung WELTKONGRESSE in Olten in der Schweiz statt, mitten in der Coronapandemie. „Aber die WELTKONGRESSE wären nicht die WELTKONGRESSE, wenn sie sich von einem Virus von der Austragung abbringen ließen“, stellte M. von Wolff bei seiner Begrüßung fest. Allerdings war eine Hybridveranstaltung erforderlich, da nur 200 Teilnehmer vor Ort erlaubt waren. Alle anderen verfolgten die Veranstaltung live, die Aufzeichnung bleibt weiterhin aufgeschaltet (www.weltkongresse.ch).

Das Konzept blieb das gleiche wie in den Vorjahren: 30 meist praxisrelevante Themen wurden abgehandelt. Im Bereich der gynäkologischen Endokrinologie und Menopausenmedizin wurde mangels stattgehabter Kongresse über Hot Topics berichtet, im Bereich der Kinderwunschtherapie vom virtuellen Jahreskongress der European Society of Human Reproduction and Embryology (ESHRE).

Hot Topics der gynäkologischen Endokrinologie und Menopausenmedizin

Einsatz von Metformin bei Übergewicht und Adipositas

Metformin (MET) ist ein Biguanid, ein sogenannter „Insulinsensitizer“. Es hemmt die hepatische Glukoneogenese, reduziert die gastrointestinale Resorption von Kohlenhydraten und eine Insulinresistenz, erhöht die Glukoseaufnahme in den Muskel und besitzt außerdem pleiotrope Effekte, beispielsweise ist es kardio- und vasoprotektiv, appetithemmend, lipidsenkend, antiproliferativ, antiinvasiv und antimetastasierend. Da gastrointestinale Nebenwirkungen auftreten können, wird empfohlen, die Therapie einzuschleichen (Start mit MET 500 mg 0‑0‑1, Dosissteigerung alle 1–2 Wochen, Zieldosis: Metformin 1500–2000 mg/Tag). Die Langzeittherapie mit MET gilt als sicher, aber es besteht eine Assoziation mit niedrigen Vitamin-B12-Spiegeln. Die wichtigsten Kontraindikationen sind Niereninsuffizienz, schwere Lebererkrankung, Pankreatitis, Zustand vor, während und nach einer Operation, hypokalorische Ernährung (< 1000 kcal täglich) und Alkoholismus. MET ist für die Therapie des Diabetes mellitus Typ 2 indiziert. Daneben wird MET z. B. von der ESHRE für das Management des Syndroms polyzystischer Ovarien („polycystic ovary syndrome“ [PCOS]) empfohlen [13].

Eine prospektive, nichtrandomisierte Kohortenstudie ging der Frage nach, inwiefern der klinische, metabolische und endokrine Erfolg von MET vom Ausgangsgewicht bzw. Body-Mass-Index (BMI) der Patientin abhängt [14]. In die Studie wurden 108 „gesunde“, 22- bis 35-jährige übergewichtige bzw. adipöse Frauen mit PCOS und Insulinresistenz (Homeostasis Model Assessment for Insulin Resistance [HOMA-IR] > 2,5) eingeschlossen. Alle Frauen nahmen für 6 Monate MET (3-mal 500 mg/Tag) ein und mussten parallel eine Lifestyle-Intervention durchführen („Ernährungsanpassung“ und moderate bis schwere körperliche Belastung [Sport] 3‑mal 30–40 min/Woche). Die Endpunkte zu Studienbeginn und nach 6 Monaten waren BMI, Bauchumfang, Zyklusprofil und Laborparameter (Nüchternglukose, Nüchterninsulin, Gesamtcholesterin, follikelstimulierendes Hormon [FSH], luteinisierendes Hormon [LH], Gesamttestosteron, Östradiol, Androstendion, sexualhormonbindendes Globulin [SHBG] und Free Androgen Index [FAI]). Alle Frauen, die nach 6 Monaten keinen normalen HOMA-IR-Wert (≤ 2,5) hatten (sogenannte Nonresponder), erhielten dann nochmals für 6 Monate MET, allerdings in einer höheren Dosierung (2500 mg/Tag). Nach diesem Zeitraum zeigte sich eine signifikante Verbesserung aller Parameter, die vergleichbar mit den Ergebnissen war, die „Responder“ bereits mit MET 1500 mg/Tag für 6 Monate erzielt hatten. Leider wurden in der Studie keine Angaben zur Compliance der Lifestyle-Intervention gemacht.

Fazit für die Praxis.

Die MET-Dosis sollte bei Frauen mit PCOS dem BMI angepasst werden, um die gewünschten klinischen (BMI, Bauchumfang, Zyklusprofil), metabolischen (Glukose- und Lipidstoffwechsel) und hormonellen Veränderungen (Androgene) zu erzielen.

Da MET in der dargestellten Studie aber kein echter „Schlankmacher“ war, stellt sich die Frage, wie groß der gewichtsreduzierende Effekt von MET bei übergewichtigen bzw. adipösen Menschen ohne Diabetes mellitus im Allgemeinen ist. Mit dieser Fragestellung setzte sich ein systematisches Review mit Netzwerkmetaanalyse auseinander. Die Arbeit schloss 34 Studien mit 8461 Frauen und Männern (Adoleszente und Erwachsene) mit Übergewicht oder Adipositas ein [15]. Dabei wurden verschiedene MET-Dosierungen mit Lifestyle-Interventionen, anderen Medikamenten oder Placebo verglichen. Bei übergewichtigen bzw. adipösen Adoleszenten war MET 2000 mg/Tag für 6 Monate bezüglich einer Gewichtsreduktion am erfolgreichsten. Dennoch empfehlen die Autoren, bei diesem Kollektiv zunächst MET 1000 mg/Tag für 3 Monate einzusetzen. Bei übergewichtigen bzw. adipösen Erwachsenen waren Lifestyle-Interventionen und sogenannte „mini meals“ am erfolgreichsten bezüglich einer Gewichtsreduktion, gefolgt von MET 3000 mg/Tag für 6 Monate. Bezüglich der Sicherheit wurden in der Metaanalyse keine negativen Effekte von MET auf Leber‑, Lipid- und Entzündungswerte gefunden.

Fazit für die Praxis.

MET hat einen dosisabhängigen Effekt auf BMI und Körpergewicht. Für Adoleszente wird MET 1000 mg/Tag für 3 Monate empfohlen (besser als Lifestyle-Intervention); für Erwachsene MET 3000 mg/Tag für 6 Monate (ist aber weniger effektiv als Lifestyle-Interventionen!). MET ist kein echter „Schlankmacher“! Anpassungen des Ernährungs- und Bewegungsverhaltens sind bei Übergewicht und Adipositas unumgänglich.

Management des „genitourinary syndrome of menopause“

Die North American Menopause Society (NAMS) hat 2020 ihr Positionspapier zum Management des sogenannten „genitourinary syndrome of menopause“ (GSM) aktualisiert [16]. Der Begriff GSM beschreibt die östrogenmangelbedingten Veränderungen im Bereich von Vulva und Vagina bzw. Blase und Urethra bei postmenopausalen Frauen. Das GSM umfasst genitale (vaginale Trockenheit, Brennen, Irritation), sexuelle (fehlende Lubrifikation, Dyspareunie, sexuelle Dysfunktion) und urologische Symptome (Harndrang, Dysurie, rezidivierende Harnwegsinfekte). Bis zu 85 % der Frauen ab 40 Jahren geben Scheidentrockenheit und Juckreiz an, bis zu 60 % eine Dyspareunie [17]. Die Lebensqualität ist bei 52 % der Frauen mit symptomatischem GSM reduziert [18]. Frauen mit symptomatischem GSM haben ein signifikant erhöhtes Risiko für eine Depression und Angststörung [19]. Die Erstlinientherapie (Level A) besteht in der Anwendung nichthormoneller intravaginaler Präparate (Gleitmittel, Feuchthaltemittel, Cremes). Zur Zweitlinientherapie (Level A) zählen niedrig dosierte vaginale Östrogene (ET), vaginales Dehydroepiandrosteron (DHEA), orales Ospemifen (ein selektiver Östrogenrezeptormodulator, der in Deutschland und der Schweiz nicht erhältlich ist) und eine systemische Hormonersatztherapie („hormone replacement therapy“ [HRT]), falls weitere menopausale Symptome bestehen [16]. Gemäß NAMS gelten folgende Empfehlungen:

  • Therapiedauer bei vaginaler ET: so lange wie nötig (Level C), auch wenn Sicherheitsdaten für das Endometrium aus randomisierten, kontrollierten Studien nur für ein Jahr vorliegen. Beobachtungsstudien haben kein erhöhtes Risiko endometrialer Erkrankungen ergeben (Level B).

  • Ein Gestagen zur Endometriumprotektion ist bei der Gabe einer niedrig dosierten vaginalen ET im Allgemeinen nicht nötig (Level B).

  • Eine routinemäßig durchgeführte Endometriumkontrolle ist bei asymptomatischen (blutungsfreien) Frauen, die eine niedrig dosierte vaginale ET anwenden, im Allgemeinen nicht nötig.

  • Bei Frauen mit erhöhtem Endometriumkarzinomrisiko kann eine transvaginale Sonographie zur Beurteilung des Endometriums oder eine intermittierende Gestagentherapie erwogen werden (Level C).

  • Wenn unter einer vaginalen ET ein Spotting oder eine vaginale Blutung auftritt, muss dies standardgemäß weiter abgeklärt werden (Level A).

  • Zur vaginalen Lasertherapie sind noch weitere Studien nötig, bevor sie allgemein empfohlen werden kann (Level C).

  • Frauen nach Brust- oder Endometriumkarzinom sollten unter Einbezug des Onkologen individuell über die Vor- und Nachteile der GSM-Therapieoptionen aufgeklärt werden (Level C).

Fazit für die Praxis.

Über 50 % der postmenopausalen Frauen sind von einem GSM betroffen. Die Diagnose wird klinisch gestellt. Zur Therapie können nichthormonelle vaginale Präparate sowie vaginale Östrogene und vaginales DHEA eingesetzt werden. Bisherige Studien zur vaginalen Lasertherapie bei GSM sind vielversprechend. Die Krankenkassen übernehmen bisher nur die Kosten der vaginalen ET (Übernahme der Kosten einer Behandlung mit vaginalem DHEA durch Zusatzversicherungen).

Testosterontherapie in der Postmenopause

Vor mehreren Jahren gab es in Europa das transdermale Präparat Intrinsa® (Testosteron 300 μg/Tag), das für Frauen mit Libidomangel nach bilateraler Ovarektomie zugelassen war. Derzeit ist eine Testosterontherapie für die postmenopausale Frau nur in Australien zugelassen (1 % Testosteroncreme). In der aktuellen S3-Leitlinie „Peri- und Postmenopause – Diagnostik und Interventionen“ aus dem Jahr 2020 ist zu lesen, dass „eine transdermale Testosterontherapie bei Libidostörungen ... angewendet werden kann“, und zwar als Magistralrezeptur mit „Mikronisiertem Testosteron auf Liposomengrundlage, 3 mg/Hub, Dosierspender“ [20]. Wie ist nun das Vorgehen in der Praxis? Wichtig ist, dass es bei der Diagnose „sexuelle Dysfunktion der Frau“ keine Cut-off-Werte für Androgene im Serum gibt (Grad C). Gemäß dem Global Consensus Position Statement on the Use of Testosterone Therapy for Women [21] hat eine Testosterontherapie in einer Dosierung, mit der physiologische Testosteronwerte im Serum der Prämenopause erreicht werden, bei postmenopausalen Frauen mit Libidomangel einen signifikant positiven Effekt auf sämtliche Aspekte der sexuellen Funktion (Libido, Erregung, Orgasmus, sozialer Disstress; Level 1, Grad A). Eine transdermale Testosterontherapie in dieser Dosierung ist bei manchen Frauen mit leichter Akne und Behaarungszunahme verbunden, jedoch nicht mit einer Alopezie, Klitoromegalie oder Stimmveränderung (Level 1, Grad A). Sie hat keinen Einfluss auf Lipidprofil, Blutdruck, Nüchternblutzucker/Hämoglobin A1c, die mammographische Dichte oder die sonographische Endometriumdicke (Level 1, Grad A). Auch haben Studien bisher keinen Einfluss auf das Risiko von Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Brustkrebs gezeigt (cave: Sicherheitsdaten nur für maximal 2 Jahre, in Studien nur gesunde postmenopausale Frauen).

Fazit für die Praxis.

Laut der aktuellen S3-Leitlinie zur Peri‑/Postmenopause kann eine transdermale Testosterontherapie bei postmenopausalem Libidomangel angewendet werden. Sonstige Therapiemöglichkeiten umfassen Phytotherapie und „off label“ HRT/Tibolon, orales DHEA (25–)50 mg/Tag, vaginales DHEA 6,5 mg/Tag oder eine vaginale Testosteroncreme 300 μg/Applikation 3‑mal/Woche.

Jahreskongress der European Society of Human Reproduction and Embryology 2020

Erhöhen In-vitro-Fertilisations-Auftauzyklen mit einer Hormonersatztherapie das Risiko von hypertensiven Schwangerschaftserkrankungen und Präeklampsien?

In der Schweiz werden knapp 80 % der Auftauzyklen nach einer In-vitro-Fertilisation (IVF) als sogenannte HRT-Auftauzyklen durchgeführt, für Deutschland gibt es keine verlässlichen Zahlen. Ein HRT-Auftauzyklus bedeutet, dass das Endometrium mit Östrogentabletten oder -pflastern aufgebaut wird, die auch bei einer HRT verwendet werden. Aufgrund der hohen Dosierung wird die Follikulogenese unterdrückt, sodass auch die Lutealphase substituiert werden muss. Die Östrogene und Gestagene müssen bei Eintritt einer Schwangerschaft während des gesamten ersten Trimenons verabreicht werden.

Diese HRT-Auftauzyklen werden oft durchgeführt, da sie sich zeitlich gut steuern lassen und somit für Ärzte und Patientinnen vorteilhaft sind. Bei unregelmäßigen Zyklen sind sie jedoch auch medizinisch indiziert.

Seit 2019 werden allerdings große Studien publiziert, die ein höheres Risiko von hypertensiven Schwangerschaftserkrankungen und Präeklampsien nach HRT-Auftauzyklen aufzeigen, nicht aber nach einem Auftauen im natürlichen Zyklus oder nach einem Auftauzyklus mit FSH-Stimulation, das heißt in Zyklen ohne einen Gelbkörper.

  • Ginström Ernstad et al. [3] führten in Schweden eine Registerstudie durch. Nach einer Spontankonzeption (1.127.566 Geburten) betrug die Rate hypertensiver Erkrankungen in der Schwangerschaft 2,8 %, nach einem Auftauen im natürlichen Zyklus (6297 Geburten) 4,3 % und nach einem Auftauen im HRT-Zyklus (1446 Geburten) 8,2 % (natürlicher Zyklus vs. HRT-Zyklus: adjustierte Odds Ratio [aOR] 2,63; 95 %-Konfidenzintervall [KI] 2,20–3,13).

  • Saito et al. [7] führten in Japan eine retrospektive Kohortenstudie durch. Nach einem Auftauen im natürlichen Zyklus (7737 Geburten) betrug die Rate hypertensiver Erkrankungen in der Schwangerschaft 3,0 %, nach einem Auftauen im HRT-Zyklus (16.248 Geburten) 4,0 % (natürlicher Zyklus vs. HRT-Zyklus: aOR 1,43; 95 %-KI 1,14–1,80).

  • Wang et al. [12] führten in China eine retrospektive Kohortenstudie durch. Nach einem Auftauen im natürlichen Zyklus (10.211 Geburten) betrug die Präeklampsierate 3,8 %, nach einem Auftauen im HRT-Zyklus (4142 Geburten) 8,8 % (natürlicher Zyklus vs. HRT-Zyklus: aOR 2,55; 95 %-KI 2,06–3,16).

Roelens et al. aus Belgien (O-242) stellten beim ESHRE-Kongress eine weitere Studie vor. Sie führten in Belgien eine monozentrische retrospektive Kohortenstudie mit den Zyklen von 2010 bis 2019 durch. Untersucht wurden 324 Auftauzyklen im natürlichen Zyklus und 213 Auftauzyklen im HRT-Zyklus. Analysiert wurde die Häufigkeit einer Präeklampsie. Nach einem Auftauen im natürlichen Zyklus betrug die Präeklampsierate 3,7 %, nach einem Auftauen im HRT-Zyklus 11,3 % (HRT-Zyklus vs. natürlicher Zyklus: aOR 0,35; 95 %-KI 0,17–0,74). Somit bestätigt diese eher kleine, beim ESHRE-Kongress vorgestellte Studie das erhöhte Präeklampsierisiko in Schwangerschaften nach einem Auftauen im HRT-Zyklus.

Ein HRT-Auftauzyklus sollte soweit möglich vermieden werden

Gleiches gilt für eine vorläufige Analyse der Daten des schweizerischen IVF-Registers mit knapp 6000 Geburten der Jahre 2014–2018. Diese zeigte ebenso eine Verdopplung der Rate dokumentierter Präeklampsien (persönliche Kommunikation C. Limoni, Fécondation In Vitro National [FIVNAT], Schweiz). Die Daten werden derzeit systematisch ausgewertet. Tragfähige Daten aus dem Deutschen IVF-Register [DIR] existieren zu dieser Thematik nicht.

Zusätzlich zu einem erhöhten Risiko von hypertensiven Schwangerschaftserkrankungen und Präeklampsien sind auch die Risiken postpartaler Blutungen (Ginström Ernstad et al. 2019 [3]: aOR 2,63; 95 %-KI 2,20–3,13; [12]: aOR 2,94; 95 %-KI 1,44–5,99) und das Risiko von Placentae accretae ([7]: aOR 6,91; 95 %-KI 2,87–16,66) nach einem HRT-Auftauzyklus erhöht.

Fazit für die Praxis.

Die Risiken von hypertensiven Schwangerschaftserkrankungen, Präeklampsien und anderen geburtshilflichen Komplikationen sind nach einem IVF-HRT-Auftauzyklus mindestens doppelt so hoch wie nach Auftauen in einem natürlichen Zyklus. Der Grund scheint der fehlende Gelbkörper zu sein, die exakten molekularen Ursachen sind bisher unklar. Da die Erfolgsrate durch einen HRT-Auftauzyklus nicht ansteigt [2], sollte wenn möglich ein HRT-Auftauzyklus vermieden werden.

Nordic Sibling Study – welche der erhöhten IVF-Risiken lassen sich auf die IVF-Technik zurückführen?

Die Gesundheitsrisiken für Kinder nach einer IVF-Therapie sind erhöht. Gemäß von Wolff u. Haaf [11] ist das Fehlbildungsrisiko im Vergleich zu Spontankonzeptionen um etwa 30 % erhöht (relatives Risiko [RR] 1,33; 95 %-KI 1,24–1,43). Das Risiko einer Frühgeburt ist um etwa 80 % erhöht (Odds Ratio [OR] 1,79; 95 %-KI 1,21–2,63). Die Ursachen sind unklar. Ursächlich könnten plazentare Insuffizienzen bedingt durch endometriale Dysfunktionen aufgrund supraphysiologischer Östrogenkonzentrationen bei der Stimulation sein. Möglich sind aber auch epigenetische Effekte durch die Therapie, die auch als Grund für das erhöhte Kindsgewicht bei Schwangerschaften nach einer Kryokonservierung von Embryonen angesehen werden. So ist das Risiko einer Makrosomie nach einem Auftauzyklus um etwa 80 % erhöht (RR 1,85; 95 %-KI 1,46–2,33; [11]).

Westvik-Johari et al. aus Norwegen (O-029) führten die sogenannte Nordic Sibling Study durch, um das Frühgeburtsgewicht und die Kindsgewichte von Geschwistern, die nach einer Spontankonzeption oder nach einer IVF-Therapie geboren wurden, zu vergleichen. Dadurch konnten weitgehend maternale und paternale Einflussgrößen sowie Umweltfaktoren ausgeschlossen werden.

Analysiert wurden die Registerdaten des Committee of Nordic Assisted Reproductive Technology and Safety (CoNARTaS) in Dänemark, Norwegen und Schweden von 1988 bis 2015. Eingeschlossen wurden 2.563.837 Kinder nach Spontankonzeption, 53.345 Kinder nach einer IVF mit Frischtransfer und 14.405 Kinder nach Kryokonservierung der Embryonen und Auftauzyklus. Herausgefiltert wurden 27.041 Geschwisterpaare mit mindestens 2 der Konzeptionsformen. Die Daten wurden unter anderem hinsichtlich des Alters der Mutter adjustiert.

Nach einem IVF-Frischtransfer im Vergleich zu einer Spontankonzeption war

  • das Geburtsgewicht der IVF-Kinder 56 g niedriger (95 %-KI −65 bis −47 g),

  • das Small-for-gestational-age(SGA)-Risiko der IVF-Kinder um etwa 30 % erhöht (OR 1,31; 95 %-KI 1,13–1,52) und

  • das Risiko einer Frühgeburt der IVF-Kinder um etwa 25 % erhöht (RR 1,26; 95 %-KI 1,13–1,41).

Nach einem IVF-Auftauzyklus im Vergleich zu einer Spontankonzeption war

  • das Geburtsgewicht der IVF-Kinder 73 g höher (95 %-KI 59–87 g),

  • das Large-for-gestational-age(LGA)-Risiko der IVF-Kinder um etwa 75 % erhöht (OR 1,75; 95 %-KI 1,42–2,2) und

  • das Risiko einer Frühgeburt der IVF-Kinder um etwa 25 % erhöht (RR 1,23; 95 %-KI 1,03–1,48).

Ein direkter Vergleich dieser Daten mit den Daten aller IVF-Therapien ist nur bedingt möglich, da dies einen Vergleich verschiedener Studien, Register und Patientenkollektive bedeutet. Vergleicht man dennoch die Daten der Nordic Sibling Study mit jenen von Metaanalysen aller IVF-Therapien [11] hinsichtlich der Frühgeburtenrate, zeigt sich, dass das Frühgeburtenrisiko bei allen IVF-Therapien um etwa 80 % (s. oben) ansteigt, bei Geschwisterpaaren, das heißt bedingt durch die IVF-Technik, jedoch nur um etwa 25 % (s. oben). Somit kann sehr vorsichtig abgeleitet werden, dass sowohl maternale, paternale und Umweltfaktoren als auch die IVF-Technik als solche zu einem erhöhten Risiko für Frühgeburten beitragen.

Fazit für die Praxis.

Die SGA-, LGA- und Frühgeburtenrisiken sind nicht nur durch maternale, paternale und Umweltfaktoren, sondern auch durch die IVF-Technik als solche erhöht. Die exakten Ursachen für die Risikozunahmen sind unklar. Unklar ist zudem, ob dies auch für Fehlbildungsrisiken gilt und ob sich die Risiken in den letzten Jahren verringert haben, z. B. durch die Weiterentwicklung der Kulturmedien.

Ist eine Uterusseptumresektion bei Kinderwunsch wirklich erforderlich?

Ein Uterusseptum wurde bisher als mögliche Sterilitäts- und Abortursache angesehen. Aufgrund dessen wurde häufig eine Resektion durchgeführt, nicht nur eines kompletten, sondern auch eines partiellen Septums. Die nationalen und internationalen Leitlinien zur Notwendigkeit einer Septumresektion sind kontrovers. Bei habituellen Aborten empfiehlt die deutsch-schweizerisch-österreichische S2k-Leitlinie der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) zur Diagnostik und Therapie bei wiederholten Spontanaborten aus dem Jahr 2018 [10] die Entfernung eines Septums.

Eines der Probleme bisheriger Studien war die uneinheitliche Definition eines Septums. Inzwischen hat die ESHRE festgelegt, dass für die Definition eines partiellen Uterusseptums (U2a) die fundale Vorwölbung des Myometriums > 50 % der fundalen Uteruswanddicke betragen muss. Bei einem partiellen Septum erreicht dieses nicht den inneren Muttermund, bei einem kompletten Septum (U2b) wird der Muttermund erreicht [4].

Rikken et al. aus den Niederlanden (O-057) führten eine Subanalyse einer Gesamtstudie durch, die 2020 in Human Reproduction erschienen war [6]. In der Gesamtstudie, einer Kohortenstudie, wurden an 21 Zentren in den Niederlanden, Großbritannien und den USA Patientinnen eingeschlossen, bei denen zwischen 2000 und 2018 ein Uterusseptum diagnostiziert worden war. Alle Patientinnen hatten einen Kinderwunsch, bei 151 der Frauen erfolgte eine Septumresektion, bei 106 Frauen nicht. Das primäre Zielkriterium war die Lebendgeburtenrate nach Diagnosestellung. Die kumulative Lebendgeburtenrate war nach multipler Adjustierung der Daten in beiden Gruppen gleich hoch. Wider Erwarten war die Abortrate bei den Frauen, bei denen keine Septumresektion erfolgt war, niedriger. Auch die Abortrate bei 41 Frauen mit komplettem Septum war in der Gruppe ohne Septumresektion geringer.

Westvik-Johari et al. aus Norwegen (O-029) stellten auf dem ESHRE-Kongress eine Subanalyse der Gesamtstudie vor. 80 Frauen waren randomisiert worden hinsichtlich einer Septumresektion oder eines abwartenden Vorgehens. Auch in dieser Subanalyse zeigte sich, dass eine Septumresektion weder die Lebendgeburtenrate noch die Abortrate signifikant veränderte.

Fazit für die Praxis.

Die Resektion eines partiellen Septums führt zu keiner Verbesserung der Lebendgeburtenrate und sollte deswegen bei Sterilitätspatientinnen nicht mehr durchgeführt werden.

Wenngleich die Gesamtstudie bei Frauen ohne Septumresektion wider Erwarten eine niedrigere Abortrate sowohl bei einem kompletten Septum als auch bei einem vorgängigen Abort zeigte, sind die Fallzahlen zu gering, um eine definitive Schlussfolgerung für oder gegen eine Septumresektion bei einem kompletten Septum und bei habituellen Aborten abzuleiten.

Welches Verfahren führt zu höheren Lebendgeburtenraten bei Paaren ohne andrologischen Faktor: IVF oder ICSI?

In der Schweiz wurden 2018 etwa 80 % und in Deutschland etwa 75 % der IVF-Zyklen mit einer Fertilisation per intrazytoplasmatischer Spermieninjektion (ICSI) durchgeführt. Da die ICSI als invasiveres Fertilisationsverfahren gilt, wird dies kritisch gesehen. Nach einer ICSI sind die Risiken von urogenitalen Fehlbildungen erhöht (vermutlich bei sehr schlechten Spermiogrammen), aber eine Risikoerhöhung hinsichtlich anderer Fehlbildungen konnte nicht nachgewiesen werden [11].

Die Fertilisationsrate der Oozyten ist bei ICSI erhöht [1, 8], ob dies aber auch zu einer höheren Geburtenrate führt, war unklar. Eine 2001 publizierte randomisierte, kontrollierte Studie zeigte eine 7 % höhere klinische Schwangerschaftsrate, dieser Unterschied war aber nicht signifikant und die Geburtenrate wurde nicht analysiert [1].

Dang et al. aus Vietnam (O-167) führten in Vietnam eine 2‑zentrische, randomisierte Studie mit 1064 Paaren durch. Eingeschlossen wurden Paare mit einer normalen Spermienkonzentration und einer normalen Spermienmotilität. Die Spermienmorphologie wurde nicht berücksichtigt. Primäres Zielkriterium war die Lebendgeburtenrate.

Die Studienergebnisse glichen tendenziell jenen von Bhattacharya et al. [1]. Die Fertilisationsrate war mit 70,1 % vs. 64,4 % nach einer ICSI signifikant höher. Die Lebendgeburtenrate war mit 34,6 % vs. 31,2 % ebenso höher, der Unterschied von 3,4 % war aber nicht signifikant.

Fazit für die Praxis.

Eine ICSI führt zu einer höheren Fertilisationsrate und zu einer leicht, aber nicht signifikant höheren Lebendgeburtenrate.

Wenn keine niedrigen Fertilisationsraten bekannt sind, sollte bei einem normalen Spermiogramm, insbesondere wenn auch keine Teratozoospermie vorliegt, keine ICSI durchgeführt werden.

Ist bei einem Abort eine Behandlung mit Progesteronrezeptorantagonisten plus Prostaglandinanaloga effektiver als Prostaglandinanaloga allein?

Bei einem Abort wird meist keine Kürettage mehr durchgeführt, da diese mit einem erhöhten Risiko intrauteriner Synechien und aufgrund dessen mit dem Risiko einer reduzierten Fertilität einhergeht. Stattdessen werden meist Prostaglandinanaloga (Misoprostol) vaginal oder oral („off label“) verabreicht. Bei Schwangerschaftsabbrüchen werden meist ebenfalls Prostaglandinanaloga (Misoprostol) verabreicht, jedoch zusätzlich etwa 2 Tage vorher Progesteronrezeptorantagonisten (Mifepriston).

Daher stellte sich die Frage, ob die Kombination aus Mifepriston und Misoprostol auch bei Aborten effektiv einsetzbar ist und das Risiko einer Trophoblastenpersistenz mit Notwendigkeit einer Kürettage reduziert. Eine zuvor publizierte Studie im New England Journal of Medicine zeigte einen Vorteil der Kombinationstherapie [9], eine Cochrane-Analyse jedoch nicht [5].

Hamel et al. aus den Niederlanden (O-300) führten beginnend 2018 eine multizentrische, randomisierte, doppelblinde, placebokontrollierte Studie in 18 niederländischen Krankenhäusern durch. Bei einem Abort in der 6.–14. Schwangerschaftswoche erhielten die Frauen nach einer Wartezeit von einer Woche 1‑mal 600 mg Mifepriston oral vs. Placebo. 36–48 h später wurden 2‑mal 400 mg Misoprostol oral (4 h Abstand) verabreicht; falls nach 24 h kein Gewebeabgang erfolgte, wurde dies wiederholt.

Nach Einschluss von 50 % der Patientinnen (n = 344) wurde die Studie vorzeitig wegen Überlegenheit der Kombinationstherapie abgebrochen. Bei der Kombination von Mifepriston und Misoprostol galt die Therapie in 80 % der Fälle als erfolgreich, eine Kürettage war bei nur 11 % der Frauen erforderlich. Die reine Misoprostoltherapie war nur bei 59 % der Frauen erfolgreich, eine Kürettage war bei 30 % der Frauen erforderlich. Allerdings war der Anteil der Frauen mit Nebenwirkungen (Übelkeit, Schwindel, Diarrhö) bei einer Kombinationstherapie mit 60 % höher als bei der reinen Misoprostoltherapie mit 48 %.

Fazit für die Praxis.

Eine Kombinationstherapie mit Mifepriston und Misoprostol ist hinsichtlich der Vermeidung einer Kürettage effektiver als eine reine Misoprostoltherapie, verursacht aber auch mehr Nebenwirkungen. Beide Medikationen sind bei Aborten „off label“.