FormalPara Originalpublikation

Vinogradova Y et al (2020) Use of hormone replacement therapy and risk of breast cancer: nested case-control studies using the QResearch and CPRD databases. BMJ. 371:m3873. https://doi.org/10.1136/bmj.m3873. LoE 3b.

FormalPara Hintergrund.

Erst 2019 wurde eine Metaanalyse zu Hormonersatztherapie (HRT) und Mammakarzinomrisiko publiziert [1], die jedoch keine Änderung an den Aussagen der aktuellen S3-Leitlinie „Peri- und Postmenopause – Diagnostik und Interventionen“ [2] notwendig machte [3]. Nun wurden neue Daten aus England publiziert, und es stellt sich die Frage, wie diese einzuordnen sind.

FormalPara Zusammenfassung.

Das Ziel der vorliegenden Studie war es, den Einfluss verschiedener HRT-Typen und deren Anwendungsdauer auf das Brustkrebsrisiko zu untersuchen. Hierfür wurden die Daten von 50- bis 79-jährigen Frauen, die im Zeitraum 1998–2018 in einer der beiden größten prospektiven Primärversorgungsdatenbanken in England registriert wurden, mit Daten aus drei spezifischen Datenbanken (z.B. Krebsregister) verknüpft. Frauen, die in diesem Zeitraum an Brustkrebs erkrankten („Fälle“; n = 98.611) wurden mit nicht an Brustkrebs erkrankten Frauen („Kontrollen“; n = 457.498) verglichen (sog. „nested case-control study“). Im Vergleich zu den „Kontrollen“ waren an Brustkrebs erkrankte Frauen eher übergewichtig/adipös, Exraucherinnen und hatten häufiger eine positive Eigenanamnese für eine benigne Brusterkrankung oder andere Krebserkrankung sowie eine positive Familienanamnese für Brustkrebs.

34 % der „Fälle“ bzw. 31 % der „Kontrollen“ hatten bis ein Jahr vor dem Indexdatum (= Zeitpunkt der Erstdiagnose Brustkrebs bei den „Fällen“) eine HRT angewandt. Der Start der HRT-Exposition wurde als der Zeitpunkt der ersten Verschreibung (u. a. Östrogenmonotherapie [ET], Östrogen + Gestagen [EPT], Tibolon [TIB]) definiert. ET umfasste die Östrogentypen Estradiol (E2) und konjugierte equine Östrogene (CEE). Die meisten HRT-Anwenderinnen erhielten eine EPT (74 % der „Fälle“ und 70 % der „Kontrollen“). Die vier häufigsten Gestagenkombinationspartner in EPT waren Norethisteronacetat (NETA), Levonorgestrel (LNG), Medroxyprogesteronacetat (MPA) und Dydrogesteron (DYD). Bei der Auswertung der EPT-Daten wurden die Östrogentypen nicht differenziert. Am häufigsten wurde CEE + MPA oder CEE + LNG verschrieben; E2 wurde nur in Kombination mit NETA oder DYD verschrieben. 43 % der Frauen wechselten während des Beobachtungszeitraums das EPT-Präparat. Jede EPT wurde als separate HRT-Exposition bewertet. Bei der HRT-Anwendungsdauer wurden sechs Kategorien gebildet: nie, <1 Jahr, ≥1 und <3 Jahre, ≥3 und <5 Jahre, ≥5 und <10 Jahre, ≥10 Jahre. „Past use“ wurde definiert als HRT-Stopp ≥5 Jahre vor dem Indexdatum.

Im Vergleich zu keiner HRT („never HRT use“) war das Brustkrebsrisiko für eine ≥5-jährige ET (adjustierte OR 1,15, 95 %-KI 1,09–1,21) bzw. EPT (adjustierte OR 1,79, 95 %-KI 1,73–1,85) signifikant erhöht. Bei Berücksichtigung des Gestagentyps in EPT war das Risiko für NETA (adjustierte OR 1,88, 95 %-KI 1,79–1,99) am höchsten und für DYD (adjustierte OR 1,24, 95 %-KI 1,03–1,48) am niedrigsten.

Interessant ist der Vergleich der absoluten Fallzahlen in der vorliegenden Studie mit denen der Metaanalyse ([1]; Tab. 1). In der aktuellen Studie sind die Risiken für Brustkrebs unter einer ≥5-jährigen HRT niedriger als in der Metaanalyse [1].

Tab. 1 Vergleich der aktuellen Studie und der Metaanalyse

Kommentar

Die aktuelle Studie bestätigt, dass die HRT-Anwendungsdauer und bei EPT die Gestagenkomponente das Brustkrebsrisiko beeinflusst. Die Risiken werden niedriger als in der Metaanalyse von 2019 beziffert. Somit gelten nach wie vor die Aussagen der S3-Leitlinie „Peri- und Postmenopause – Diagnostik und Interventionen“. Trotzdem lohnt es sich, einen genaueren Blick auf die Limitationen der Studie zu werfen: 1) Gemäß Studiendesign handelt es sich um eine Studie auf dem „level of evidence“ (LoE) 3b (also schwächer als die Metaanalyse [1], LoE 2b, oder randomisiert-kontrollierte Studien, LoE 1b), 2) die EPT-Fallzahlen variieren bei Differenzierung nach Gestagentyp stark (DYD seltener als andere Gestagene, keine Berücksichtigung von mikronisiertem Progesteron), 3) keine Differenzierung zwischen sequenzieller und kontinuierlich-kombinierter EPT, 4) fehlende Angaben zur HRT-Adhärenz und 5) keine Berücksichtigung klassischer Brustkrebsrisikofaktoren. Erschwerend kommt hinzu, dass eine Großzahl der Frauen das EPT-Präparat wechselte. Es ist unklar, inwiefern die Gründe für einen Wechsel und auch die Sequenz der EPT-Präparate einen Einfluss auf das Brustkrebsrisiko haben.