Lernziele

Nach der Lektüre dieses Beitrags …

  • kennen Sie die Inzidenz des wiederholten Spontanaborts (WSA).

  • kennen Sie alle für WSA derzeit bekannten relevanten Risikofaktoren.

  • wissen Sie, welche diagnostischen Möglichkeiten bei WSA zur Verfügung stehen.

  • kennen Sie aktuelle therapeutische Ansätze bei WSA.

Einleitung

Einen wiederholten Spontanabort (WSA) erleben etwa 1–3 % aller Paare im reproduktionsfähigen Alter [2]. Die Definition des WSA gemäß der World Health Organization (WHO) umfasst „drei und mehr konsekutive Fehlgeburten vor der 20. SSW“ [3].

Das Wiederholungsrisiko von Fehlgeburten schwankt in Abhängigkeit von verschiedenen Einflussfaktoren wie Alter und Anzahl der vorangegangenen Aborte erheblich (Tab. 1; [4]).

Tab. 1 Wiederholungsrisiko von Fehlgeburten in Abhängigkeit vom maternalen Alter und der Anzahl vorangegangener Aborte. (Nach Nybo-Andersen et al. [4])

Diagnose und Therapie relevanter Risikofaktoren

Genetische Faktoren

Diagnostik

Je früher das Abortgeschehen in der Schwangerschaft eintritt, desto wahrscheinlicher ist das Vorliegen einer embryonalen bzw. fetalen Chromosomenstörung [5]. Das Risiko embryonaler oder fetaler Trisomien steigt mit zunehmendem mütterlichem Alter. Die häufigsten Chromosomenstörungen im Abortgewebe sind mit 60–70 % Trisomien, betroffen sind insbesondere die Chromosomen 15, 16, 21 und 22. Polyploidien finden sich bei etwa 15–20 % und die Monosomie X bei etwa 10–15 % der chromosomal auffälligen Aborte.

Empfehlung.

Bei Frauen mit WSA soll eine zytogenetische Analyse erfolgen. Diese kann mittels einer Chromosomenanalyse beider Partner präkonzeptionell oder aus dem Abortmaterial erfolgen.

Etwa 4–5 % der Paare mit 2 oder mehr Aborten weisen eine balancierte Chromosomenstörung (Translokation, Inversion) bei einem Partner auf im Vergleich zu 0,7 % der Paare ohne WSA [6]. Mit einer solchen Diagnose steigt nicht nur das Abortrisiko, sondern auch die Wahrscheinlichkeit für die Geburt eines Kindes mit einer Entwicklungsstörung aufgrund einer unbalancierten Chromosomenstörung.

Empfehlung.

Bei Nachweis einer strukturellen Chromosomenstörung im Abortmaterial soll eine zytogenetische Untersuchung beider Partner erfolgen. Das Ergebnis soll im Rahmen einer genetischen Beratung entsprechend den nationalen gesetzlichen Regelungen von einem Facharzt für Humangenetik oder einem Arzt mit entsprechender Qualifikation mitgeteilt werden.

Therapie

In Abhängigkeit von der Art der Chromosomenstörung wird betroffenen Paaren eine Pränataldiagnostik oder eine Präimplantationsdiagnostik angeboten. Die Pränataldiagnostik kann invasiv mit Chorionzottenbiopsie oder Amniozentese durchgeführt werden oder nichtinvasiv mittels zellfreier fetaler DNA-Analyse aus mütterlichem Blut erfolgen. Aktuelle Studien zeigen keinen Vorteil hinsichtlich der Lebendgeburtenrate (LGR) bei Durchführung einer künstlichen Befruchtung mit Präimplantationsscreening der Embryonen im Vergleich zu Spontanschwangerschaften bei Paaren mit WSA, bei denen ein Partner eine strukturelle Chromosomenveränderung trägt [7, 8].

Empfehlung.

Bei Paaren mit WSA ohne Nachweis einer familiären Chromosomenstörung oder monogenen Krankheit soll eine Präimplantationsdiagnostik zum Zwecke der Abortprophylaxe nicht durchgeführt werden.

Anatomische Faktoren

Diagnostik angeborener und erworbener Fehlbildungen

Die Prävalenz einer angeborenen (Uterusfehlbildung) oder erworbenen intrauterinen Störung (Adhäsion, Polyp, submuköses Myom) unterscheidet sich nach 2, 3 und ≥4 konsekutiven Aborten nicht [9]. Anerkannt ist lediglich die erhöhte Wahrscheinlichkeit von Aborten beim Uterus subseptus. Die Ursache für diesen Zusammenhang ist unbekannt [10]. Inwieweit ein Zusammenhang von WSA mit anderen Uterusfehlbildungen besteht, ist unklar. Zur Diagnostik einer Uterusfehlbildung stehen die Hysteroskopie – gegebenenfalls in Kombination mit einer Laparoskopie – bzw. die 3‑D-Sonographie und Magnetresonanztomographie (MRT) zur Verfügung [11].

Eine Metaanalyse von 19 Beobachtungsstudien zeigte – allerdings in In-vitro-Fertilisations-Zyklen – für intramurale Myome ohne submukösen Anteil eine statistisch nicht signifikant höhere Abortrate [12]. In einer Auswertung retro- und prospektiver Daten von Patientinnen mit WSA lag die Inzidenz submuköser Myome bei 2,6 % [13]. Die Studiendaten lassen einen Zusammenhang zwischen submukösen Myomen und dem Auftreten von Aborten vermuten, sind aber von niedriger Qualität. Eine Cochrane-Analyse mit nur wenigen Studien zeigte keine signifikante Reduktion des Abortrisikos nach Myomresektion [14]. Inwieweit auch Polypen, als intrakavitäre Störung in Analogie zu den submukösen Myomen, das Abortrisiko beeinflussen, ist ebenfalls unklar.

Empfehlung.

Zum Ausschluss einer Uterusfehlbildung sowie submuköser Myome und Polypen soll bei Frauen mit WSA eine qualifizierte Vaginalsonographie und/oder eine Hysteroskopie durchgeführt werden. Zum Ausschluss von intrauterinen Adhäsionen soll eine Hysteroskopie durchgeführt werden.

Therapie

Bei Frauen mit WSA und Uterusseptum soll eine hysteroskopische Septumdissektion durchgeführt werden [15]. Eine Metaanalyse aus dem Jahr 2017 zeigte, dass bislang keine randomisierten Studien zum Therapieeffekt einer Septumdissektion durchgeführt wurden [16]. Retrospektive, unkontrollierte Studien legen allerdings einen Vorteil nahe. Bei anderen Uterusfehlbildungen wie dem Uterus bicornis, Uterus didelphys und Uterus arcuatus ist eine operative Intervention nicht indiziert [17].

Empfehlung.

Bei Frauen mit WSA und Uterusseptum soll eine hysteroskopische Septumdissektion durchgeführt werden, bei intrauterinen Adhäsionen eine hysteroskopische Adhäsiolyse.

Therapie der Wahl bei intrauterinen Adhäsionen ist die hysteroskopische Adhäsiolyse [18]. Ob intrauterine Adhäsionen generell das Abortrisiko beeinflussen bzw. ab welchem Grad sie das tun und ob eine Adhäsiolyse das Abortrisiko senkt, ist allerdings unklar. Randomisierte Studien zum therapeutischen Nutzen einer Myomresektion bei Frauen mit WSA existieren nicht.

Empfehlung.

Bei Frauen mit WSA und submukösen Myomen sollte eine operative Resektion durchgeführt werden.

Eine Metaanalyse zeigte, dass die hysteroskopische Resektion von im Ultraschall darstellbaren intrauterinen Polypen vor einer intrauterinen Insemination die klinische Schwangerschaftsrate steigern kann [19]. Gibt es keine andere Erklärung für die WSA kann die Resektion persistierender Polypen erwogen werden.

Empfehlung.

Bei Frauen mit WSA und persistierenden Polypen sollte eine hysteroskopische Resektion zum Zweck der Abortprophylaxe durchgeführt werden.

Mikrobiologische Faktoren

Diagnostik

Der Zusammenhang zwischen Infektionen und WSA ist unklar. Daher wird ein Screening auf vaginale Infektionen nicht empfohlen. Allerdings findet sich bei 7–67 % der ansonsten symptomlosen Frauen mit WSA sowie bei 30–66 % der Frauen mit wiederholtem Implantationsversagen eine chronische Endometritis, nachgewiesen durch Plasmazellen im Endometriumbiopsat [20].

Empfehlung.

Ein infektiologisches Screening durch Vaginalabstriche soll bei asymptomatischen Frauen mit WSA nicht durchgeführt werden.

Empfehlung.

Bei Frauen mit WSA kann eine Endometriumbiopsie zum Ausschluss einer chronischen Endometritis durchgeführt werden (mithilfe einer immunhistochemischen Untersuchung des plasmazellspezifischen Antigens CD138).

Therapie

Im Rahmen einer Schwangerschaft sollten bei Verdacht auf eine vaginale Infektion eine adäquate Abklärung und Therapie erfolgen [21]. Bei einer chronischen Endometritis kann eine antibiotische Therapie mit Doxycyclin (beispielsweise 200 mg 1‑0-0 über 14 Tage) angewandt werden, im Falle einer Persistenz bei weiterhin nachweisbaren Plasmazellen beispielsweise eine Therapie mit Ciprofloxacin mit/ohne Metronidazol [22].

Empfehlung.

Bei Frauen mit WSA und chronischer Endometritis kann zum Zweck der Abortprophylaxe eine antibiotische Therapie durchgeführt werden.

Endokrine Faktoren

Diagnostik

Eine manifeste Hyperthyreose ist gemäß einer retrospektiven Analyse mit erhöhten Abortraten assoziiert [23]. Gleiches gilt für manifeste Hypothyreosen. Als oberer Grenzwert für das thyreoideastimulierende Hormon (TSH) wird von der Endocrine Society bei einer Infertilität ein Spiegel von 2,5 mU/l angesehen [24]. Unklar ist jedoch, ob auch latente Hypothyreosen, das heißt Erhöhungen der TSH-Konzentrationen bei normwertigen Schilddrüsenhormonkonzentrationen, das Abortrisiko erhöhen. Bei Frauen mit WSA wurde gemäß einer Metaanalyse von 2 Studien keine geringere LGR bei einer TSH-Konzentration >2,5 mU/l beschrieben [25]. Erhöhte Schilddrüsenautoantikörper scheinen hingegen mit erhöhten Spontanabortraten assoziiert zu sein [26].

Ein Syndrom polyzystischer Ovarien („polycystic ovary syndrome“ [PCOS]) und die damit oft einhergehende Hyperandrogenämie, Insulinresistenz und Diabeteserkrankung sind mit einer erhöhten Abortneigung assoziiert. Das PCOS per se ist kein prädiktiver Faktor für einen Abort oder WSA, wohingegen eine Adipositas als solche die Abortrate zu erhöhen scheint [27].

Empfehlung.

Bei Frauen mit WSA sollen zur endokrinologischen Abklärung TSH und bei auffälligen TSH-Werten zusätzlich das freie Trijodthyronin (fT3) und Thyroxin (fT4) sowie die Schilddrüsenautoantikörperkonzentrationen bestimmt werden.

Empfehlung.

Bei Frauen mit WSA sollte der Body-Mass-Index (BMI) bestimmt werden. Bei einem BMI ≥30 kg/m2 kann ein metabolisches Syndrom abgeklärt werden.

Therapie

Eine manifeste Schilddrüsenüber- oder Schilddrüsenunterfunktion soll grundsätzlich diagnostiziert und therapiert werden. Möglicherweise profitieren Patientinnen mit WSA und Thyreoperoxidase(TPO)-Autoantikörpern von einer Schilddrüsenhormonsubstitution hinsichtlich der Abortrate, allerdings existieren bislang keine spezifischen Daten für Patientinnen mit WSA.

Empfehlung.

Eine manifeste Hypo- oder Hyperthyreose soll präkonzeptionell therapiert werden.

Empfehlung.

Bei Frauen mit WSA und einer latenten Hypothyreose, das heißt pathologisch erhöhten TSH-Konzentrationen bei noch normwertigen fT3- und fT4-Konzentrationen, oder bei Vorliegen von TPO-Autoantikörpern kann eine Schilddrüsenhormonsubstitutionstherapie allein zum Zweck der Abortprophylaxe durchgeführt werden.

Immunologische Faktoren

Diagnostik

Im Rahmen einer Abklärung immunologischer Ursachen soll ein Antiphospholipidsyndrom (APS) ausgeschlossen werden (Tab. 2). Die Inzidenz des APS bei WSA beträgt 2–15 % [28]. Bei Vorliegen von klinischen Manifestationen (Livedo reticularis, Ulzerationen, renale Mikroangiopathie, neurologische Störungen und kardiale Manifestationen) und teilweiser Erfüllung der Diagnosekriterien des klassischen APS (unter anderem Anti-Phospholipid[APL]-Antikörper-Titer im niedrigen Bereich oder Zustand nach 2 Aborten) sollte auch an ein sogenanntes „non-criteria APS“ gedacht werden [29]. Zusätzlich sollten die APL-Antikörper-Titer bei der Kontrolle 12 Wochen nach Erstbestimmung erneut im mittleren bis hohen Bereich liegen, damit die Kriterien eines APS erfüllt sind [29].

Tab. 2 Diagnosekriterien für das Antiphospholipidsyndrom. Es muss mindestens ein klinisches und ein laborchemisches Kriterium erfüllt sein, um die Diagnose eines Antiphospholipidsyndroms stellen zu können

Empfehlung.

Alloimmunologische Untersuchungen wie die Bestimmung des TH1/TH2-T-Helfer-Zellen-Quotienten oder des T4/T8-Index, die Analyse der peripheren und/oder uterinen natürlichen Killer(NK)-Zellen, NK-Toxizitätstests, Lymphozytenfunktionstests, molekulargenetische Untersuchungen auf „nichtklassische“ Human-leukocyte-antigen(HLA)-Gruppen (Ib) oder Rezeptorfamilien wie KIR sowie HLA-Bestimmungen sollten bei Frauen mit WSA ohne Hinweis auf eine präexistente Autoimmunerkrankung nicht außerhalb von Studien durchgeführt werden.

Empfehlung.

Bei Frauen mit WSA soll ein APS anhand klinischer und laborchemischer Parameter (Tab. 2) abgeklärt werden.

Empfehlung.

Bei Frauen mit WSA sollte ein „non-criteria APS“ anhand klinischer und laborchemischer Parameter abgeklärt werden, insbesondere bei Vorliegen von klinischen Manifestationen (Livedo reticularis, Ulzerationen, renale Mikroangiopathien, neurologische Störungen und kardiale Manifestationen).

Empfehlung.

Bei Frauen mit WSA und einer Autoimmunerkrankung soll bereits präkonzeptionell eine interdisziplinäre Betreuung eingeleitet werden.

Therapie

Bei Vorliegen eines APS soll eine Therapie mit niedrig dosierter Acetylsalicylsäure (ASS) und niedermolekularem Heparin (NMH) durchgeführt werden. Ab dem positiven Schwangerschaftstest wird ASS bis zur 34 + 0. Schwangerschaftswoche (SSW) gegeben, NMH bis mindestens 6 Wochen post partum. Die Behandlung des „non-criteria APS“ sollte identisch erfolgen [30].

Empfehlung.

Bei Frauen mit WSA und APS soll eine Therapie mit niedrig dosierter ASS und NMH durchgeführt werden. Ab Vorliegen eines positiven Schwangerschaftstests soll neben der Behandlung mit ASS, die bis zur 34 + 0. SSW fortgesetzt werden soll, die Heparingabe bis mindestens 6 Wochen post partum durchgeführt werden.

Empfehlung.

Bei Frauen mit WSA und „non-criteria APS“ sollte eine Therapie mit niedrig dosierter ASS und NMH durchgeführt werden. Ab Vorliegen eines positiven Schwangerschaftstests sollte neben der Behandlung mit ASS, die bis zur 34 + 0. SSW fortgesetzt werden sollte, die Heparingabe bis mindestens 6 Wochen post partum durchgeführt werden.

Empfehlung.

Bei Frauen mit WSA ohne Hinweis auf eine präexistente Autoimmunerkrankung soll eine Glukokortikoidgabe zum Zweck der Abortprophylaxe außerhalb von Studien nicht durchgeführt werden.

Empfehlung.

Bei Frauen mit WSA sollte eine Therapie mit intravenösen Immunglobulinen, mit Lipidinfusionen oder mit Tumor-Nekrose-Faktor-α-Rezeptor-Blockern zur Abortprophylaxe außerhalb von Studien nicht durchgeführt werden.

Gerinnung

Diagnostik

International wird ein generelles Screening auf hereditäre Thrombophilien bei Frauen mit WSA nicht empfohlen. Die Empfehlungen der American Society for Reproductive Medicine (ASRM) schlagen eine Thrombophilieabklärung bei Frauen mit WSA ausschließlich im Falle einer positiven Eigen- oder Familienanamnese für thrombembolische Ereignisse vor.

Aus auffälligen Befunden der Thrombophilieparameter kann gegebenenfalls die Indikation zur Behandlung in der Schwangerschaft aus maternalen Gründen (Prophylaxe thrombembolischer Ereignisse) abgeleitet werden. Hierbei ist das erhöhte Risiko venöser Thrombembolien (VTE) der Schwangeren zu sehen, das in speziellen Konstellationen, unter anderem bei Antithrombinmangel, homozygoter Faktor-V-Leiden(FVL)-Mutation oder kombiniert heterozygoter FVL- und Prothrombinmutation, eine Antikoagulation zur mütterlichen VTE-Prophylaxe rechtfertigen kann.

Empfehlung.

Eine Thrombophiliediagnostik zum Zweck der Abortprophylaxe sollte nicht durchgeführt werden.

Empfehlung.

Bei Frauen mit WSA und thrombembolischen Risiken soll eine Thrombophiliediagnostik durchgeführt werden. Diese umfasst eine Bestimmung der Aktivität von Antithrombin und Protein C/S im Blutplasma sowie eine molekulargenetische Analyse der Faktor-V-Leiden-Mutation und der Prothrombin-G20210A-Mutation.

Therapie

Heparin.

Eine generelle Heparinisierung von Frauen mit WSA ohne nachgewiesene Thrombophilie ist nicht indiziert. Der Enthusiasmus zu Beginn des Jahrtausends hinsichtlich abortpräventiver Effekte einer prophylaktischen Heparinisierung bei Frauen mit WSA (und Ausschluss eines APS) konnte weder in großen prospektiven, randomisierten Studien [31] noch in aktuellen Metaanalysen [32] fundiert werden. Inwieweit Subgruppen von Patientinnen – beispielsweise solche mit nachgewiesener hereditärer Thrombophilie – tatsächlich von einer Heparinisierung profitieren, bedarf weiterer Untersuchungen, wie der aktuell rekrutierenden multinationalen ALIFE2-Studie [33].

Empfehlung.

Bei Frauen mit WSA soll eine Therapie mit Heparinen zum alleinigen Zweck der Abortprophylaxe nicht durchgeführt werden. Dies gilt auch bei Vorliegen einer hereditären Thrombophilie.

Empfehlung.

Bei Frauen mit WSA und einem erhöhten Thromboserisiko sollte in der Schwangerschaft aus maternaler Indikation eine Thromboseprophylaxe durchgeführt werden.

Acetylsalicylsäure.

Eine ASS-Gabe in niedriger Dosierung ab dem ersten Trimenon reduziert das Risiko für plazentaassoziierte Komplikationen in der Spätschwangerschaft, während ein protektiver Effekt auf die Abortrate nicht nachgewiesen werden konnte.

Empfehlung.

Bei Frauen mit WSA soll eine ASS-Therapie zur Abortprophylaxe nicht durchgeführt werden.

Idiopathische WSA

Idiopathische WSA liegen vor, wenn die Kriterien für die Diagnose von WSA erfüllt sind und alle bekannten Risikofaktoren ausgeschlossen wurden. Der Anteil idiopathischer WSA am Gesamtkollektiv von Frauen mit WSA ist mit 50–75 % hoch [34]. Die LGR von Frauen mit idiopathischen WSA beträgt ohne Therapie 35–85 % [35, 36].

Therapie

In 2 Metaanalysen von Studien, die an Frauen mit idiopathischen WSA durchgeführt wurden, konnte keine Verbesserung der LGR durch ASS mit oder ohne Heparin nachgewiesen werden [37, 38].

Empfehlung.

Bei Frauen mit idiopathischen WSA soll eine Therapie mit ASS mit oder ohne Heparin zum Zweck der Abortprophylaxe nicht durchgeführt werden.

Eine 2017 publizierte Metaanalyse von 10 randomisierten Studien unter Einschluss von 1586 Frauen mit idiopathischen WSA ergab für eine Progesterontherapie mit synthetischen Gestagenen – wie Hydroxyprogesteroncaproat oder Dydrogesteron – im ersten Trimenon einen positiven Effekt hinsichtlich der Abortrate wie auch der LGR [39].

In der PROMISE-Studie erhielten 836 Frauen mit idiopathischen WSA Placebo oder 400 mg vaginal appliziertes mikronisiertes Progesteron [40]. Die Behandlung erfolgte ab dem positiven Schwangerschaftstest bis zur 12. SSW. Die LGR war in beiden Studienarmen gleich hoch (63 bzw. 66 %). Eine randomisierte Studie an 700 Frauen mit WSA berichtet hingegen von einer signifikant erhöhten LGR (91 % vs. 77 %) nach Gabe von 2‑mal 400 mg Progesteron intravaginal beginnend in der Lutealphase gegenüber Placebo [41].

Empfehlung.

Bei Frauen mit idiopathischen WSA sollte eine Therapie mit natürlichem mikronisiertem Progesteron im ersten Trimenon zum Zweck der Abortprophylaxe nicht durchgeführt werden.

Empfehlung.

Bei Frauen mit idiopathischen WSA kann eine Therapie mit synthetischen Gestagenen im ersten Trimenon zur Abortprophylaxe durchgeführt werden.

Fazit für die Praxis

  • Zur Abklärung von WSA soll eine zytogenetische Analyse erfolgen.

  • Bei Uterusseptum soll eine hysteroskopische Septumdissektion durchgeführt werden, bei intrauterinen Adhäsionen eine hysteroskopische Adhäsiolyse. Bei submukösen Myomen sollte eine operative Resektion erfolgen.

  • Bei chronischer Endometritis kann zum Zweck der Abortprophylaxe eine antibiotische Therapie durchgeführt werden.

  • Zur endokrinologischen Abklärung sollen TSH und bei auffälligem Befund zusätzlich fT3 und fT4 sowie die Schilddrüsenautoantikörper bestimmt werden.

  • Eine manifeste Hypo- oder Hyperthyreose soll präkonzeptionell therapiert werden.

  • Bei latenter Hypothyreose oder bei TPO-Autoantikörpern kann eine Schilddrüsenhormonsubstitution allein zum Zweck der Abortprophylaxe durchgeführt werden.

  • Ein APS soll anhand klinischer und laborchemischer Parameter abgeklärt werden.

  • Bei Vorliegen eines APS soll eine Therapie mit niedrig dosierter ASS und NMH durchgeführt werden.

  • Bei thrombembolischen Risiken soll eine Thrombophiliediagnostik durchgeführt werden.

  • Eine generelle Heparinisierung ohne nachgewiesene Thrombophilie ist nicht indiziert.

  • Bei Frauen mit idiopathischen WSA kann eine Therapie mit synthetischen Gestagenen im ersten Trimenon zur Abortprophylaxe durchgeführt werden.