Anamnese

Die 7‑jährige Patientin wird mit einer seit 5 Tagen bestehenden vaginalen Blutung zugewiesen. Die Mutter berichtet von einem Einsetzen der Thelarche vor etwa 2 Monaten. Eine Behandlung mit Bisphosphonaten wurde aufgrund von rezidivierenden pathologischen Frakturen nach Low-impact-Belastung eingeleitet. Es sind bereits Frakturen an folgenden Extremitäten bekannt:

  • Rechter Unterschenkel, distaler Humerus links, Metatarsalia II und III rechts (2015)

  • Femur links, distaler Humerus rechts (2017)

Befunde

Im Rahmen der klinischen Untersuchung zeigt sich ein unauffälliges Hautbild. Das Tanner-Stadium ergibt eine Brustentwicklung bei T2–3 und eine beginnende Pubarche bei T2. In der gynäkologischen Untersuchung stellt sich die Vagina östrogenisiert dar und es zeigt sich eine leichte Schmierblutung. In der Transabdominalsonographie ist ein anteflektierter Uterus mit einem trilaminar auf 6 mm aufgebauten Endometrium zu sehen. Retrouterin kommt eine zystische und echoleere Struktur mit 43 × 26 mm zur Darstellung (Abb. 1).

Abb. 1
figure 1

Transabdominalsonographie: Retrouterine Ovarialzyste 43 × 26 mm

Bei 138 cm Körpergröße wiegt die Patientin 29 kg, was einem Body-Mass-Index von 15,3 kg/m2 entspricht. Die Röntgenaufnahme der Handknochen ergibt eine Skelettreife von 7 Jahren und 10 Monaten. Laborchemisch zeigt sich Östradiol deutlich erhöht bei Gonadotropinen unter der Nachweisgrenze (Tab. 1).

Tab. 1 Hormonwerte und Tumormarker. Blutabnahme morgens

Diagnose

In Zusammenschau der erhobenen Befunde wird die Diagnose eines atypischen McCune-Albright-Syndroms (MAS) mit Fehlen der Hautmanifestation gestellt.

Verlauf

Der Patientin wird in Abstimmung mit der pädiatrischen Endokrinologie der Aromatasehemmer Anastrozol p.o. 1 mg/Tag verordnet, dessen Einnahme für mindestens ein Jahr bzw. bis zum normalen Pubertätseintritt fortgesetzt werden soll. Bei weiterhin leichten vaginalen Blutungen wird die laufende Medikation um Lynestrenol ergänzt, worunter es zu einem Sistieren kommt.

Bereits nach einem Monat zeigen sich laborchemisch unauffällige Hormonwerte (17β-Östradiol ≤ 13 ng/l). Die retrouterine Ovarialzyste nimmt unter der Behandlung an Größe ab (Abb. 2) und ist im Verlauf vollständig regredient.

Abb. 2
figure 2

Transabdominalsonographie. Retrouterine Ovarialzyste 23 × 19 mm

Bei neu auftretenden vermehrten Kopfschmerzen linksseitig zeigt eine kraniale Magnetresonanztomographie (MRT) fibröse Dysplasien an Schädelkalotte, Clivus und Schädelbasis (Abb. 3). Zur Abklärung eines Wachstumshormonüberschusses wird ein oraler Glukosetoleranztest (oGTT) durchgeführt. Bei einer unter dem oGTT fehlenden Suppression des Wachstumshormons muss von einer überschießenden Wachstumshormonausschüttung ähnlich einer Akromegalie ausgegangen werden, weshalb eine Therapie mit einem Somatostatinanalogon s.c. 30 mg 1‑mal/Monat initiiert wird.

Abb. 3
figure 3

Magnetresonanztomographie des Schädels. Fibröse Dysplasie links parietal. (Abb. 3 wurde dankenswerterweise von der Universitätsklinik für Radiologie, Innsbruck, zur Verwendung im Rahmen der Fallpräsentation zur Verfügung gestellt)

Diskussion

Typische Trias

Charakterisierend für das MAS ist folgende typische Trias:

  • Polyostotische fibröse Dysplasie: bindegewebiger Umbau in den einem gesteigerten Remodeling unterliegenden Geflechtknochen. Es kann zu schmerzhaften Deformierungen, Wachstumsstörungen und pathologischen Frakturen kommen. Die Erstmanifestation der pathologischen Frakturen liegt primär zwischen dem fünften und zehnten Lebensjahr [1].

  • Periphere Pubertas praecox

  • Irreguläre Café-au-Lait-Flecken: meist ohne Überschreiten der Mittellinie, den Blaschko-Linien folgend

Pathogenese

Pathogenetisch liegt eine spontane postzygotische Mutation des Gens GNAS1 (Chromosom 20) vor. Dieser Genlocus codiert das Gs-α-Protein, das an der Regulation von zyklischem Adenosinmonophosphat (cAMP) beteiligt ist. Bei Betroffenen kommt es zu einer cAMP-Hochregulierung mit einer nachfolgend kontinuierlichen Stimulation der endokrinen Regelkreise. Der Mutationszeitpunkt in der Embryogenese ist entscheidend für die Ausprägung des genetischen Mosaiks, weshalb es neben der genannten Trias auch zu einem atypischen MAS kommen kann.

Manifestation

Die periphere Pubertas praecox ist die häufigste Manifestation im Rahmen des Syndroms [1, 2]. Sind weitere endokrine Organe beteiligt, zeigt sich eine Hyperthyreose, ein renaler Phosphatverlust, ein Wachstumshormonexzess oder ein Cushing-Syndrom. Auch nicht endokrin aktive Organe wie die Leber und das Herz können mit klinisch imponierender Cholestase, Hepatitis oder kardialen Arrhythmien betroffen sein.

Auch nicht endokrin aktive Organe wie die Leber und das Herz können betroffen sein

Die Patientinnen entwickeln oftmals rezidivierende funktionelle Ovarialzysten, die aufgrund der Östradiolsekretion zu einer Östrogenisierung des Endometriums und nachfolgend zu vaginalen Blutungen führen können. Die Prävalenz des MAS beträgt 1:100.000 bis 1:1.000.000 [3].

Therapie

Therapie der Wahl ist die Gabe von Inhibitoren der gonadalen Sexualsteroidproduktion bzw. ihrer Zielrezeptoren. Um die Fertilität zu erhalten, sollte von einem operativen Vorgehen bezüglich der Ovarialzysten Abstand genommen werden.

Bei peripherer Pubertas praecox wird eine Therapie mit Aromataseinhibitoren wie Letrozol oder Anastrozol („off label“) empfohlen. Diese führen zu einer Reduktion der vaginalen Blutungsepisoden und der damit einhergehenden psychischen Belastung sowie zu einer Abnahme der Knochenalterung bzw. einer Verhinderung des frühzeitigen Epiphysenfugenschlusses. Im Falle von weiterhin bestehenden Blutungen kann eine Therapieergänzung mit einem Gestagenpräparat in ausreichender Transformationsdosis in Erwägung gezogen werden. Da Lynestrenol – wie im dargestellten Fall beschrieben – aktuell nicht erhältlich ist, kann alternativ zum Beispiel Chlormadinonacetat 2 mg, Medroxyprogesteronacetat 5–10 mg oder Dydrogesteron 10 mg 2‑mal täglich gegeben werden. Die Gabe von Antiöstrogenen wie Tamoxifen wird aufgrund einer uterinen Volumenzunahme [2] und entsprechender Risiken bei Langzeitanwendung kontrovers diskutiert. Während der Therapie sind regelmäßige Verlaufskontrollen indiziert, da sich bei einer länger andauernden Exposition gegenüber Sexualsteroiden auch eine zentrale Pubertas praecox entwickeln kann.

Pubertas praecox

Eine Pubertätsentwicklung in einem Alter von 7 Jahren wird als Pubertas praecox bezeichnet, wobei auch die Familienanamnese, das Körpergewicht und die Ethnizität berücksichtigt werden sollen.

Wichtig ist folgende Unterscheidung:

  • Zentrale Pubertas praecox, wobei es gonadotropinabhängig zu einer frühzeitigen Reifung der Hypothalamus-Hypophysen-Gonaden-Achse kommt. Die entstehenden Geschlechtsmerkmale sind isosexuell.

  • Periphere Pubertas praecox, die gonadotropinunabhängig bei einer erhöhten Ausschüttung von Östrogenen bzw. Androgenen aus Gonaden oder Nebennieren, einer exogenen Zufuhr von Sexualsteroiden oder einem hormonproduzierenden Tumor eine frühzeitige Entwicklung von isosexuellen oder kontrasexuellen Geschlechtsmerkmalen zeigt.

  • Isolierte Adrenarche/Thelarche/benigne Normvariante bedingt durch eine frühzeitige Aktivierung der Nebennieren- oder der Hypothalamus-Hypophysen-Gonaden-Achse.

Wegweisend sind die Anamnese in Bezug auf das Auftreten von Thelarche, Pubarche, Menarche oder Wachstumsschübe sowie eine Erhebung der Tanner-Stadien.

Bei Verdacht auf einen Tumor werden Inhibin und humanes Choriongonadotropin bestimmt

Eine Röntgenuntersuchung der linken Hand dient der Bestimmung des biologischen Knochenalters. Zur Diagnostik gehören eine erweiterte Hormonbasisdiagnostik mit zusätzlicher Bestimmung von 17-Hydroxyprogesteron (17-OHP), Dehydroepiandrosteronsulfat und Androstendion. In Abhängigkeit der Befunde kann ein Gonadotropin-Releasing-Hormon-Test veranlasst werden, der der Unterscheidung zwischen einer peripheren und zentralen Pubertas praecox dient. Bei Verdacht auf das Vorliegen eines Tumors sollten Inhibin und humanes Choriongonadotropin bestimmt werden.

Die bildgebenden Verfahren werden je nach Verdachtsdiagnose angeschlossen. Bildmorphologisch gibt eine Transabdominalsonographie Aufschluss über das Volumen der Ovarien und des Uterus, das Vorliegen von Zysten, die Höhe des Endometriums und etwaige Raumforderungen. Bei Verdacht auf einen zerebralen oder adrenalen Tumor erfolgt die weitere Diagnostik mittels Kontrastmittel-MRT.

Als Differenzialdiagnosen einer peripheren Pubertas praecox sind funktionelle Ovarialzysten und Tumoren wie Granulosazelltumoren (isosexuelle Frühreifung) oder Sertoli-Leydig-Zell-Tumoren, Leydig-Zell-Tumoren und Gonadoblastome (kontrasexuelle Frühreifung) zu nennen. Bei exogen zugeführten Sexualsteroiden, adrenalen Störungen wie dem adrenogenitalen Syndrom oder Tumoren der Nebenniere sowie bei Vorliegen einer schweren primären Hypothyreose kann es zu einer peripheren Pubertas praecox kommen.

Fazit für die Praxis

  • Die Unterscheidung zwischen isolierter Thelarche/Adrenarche sowie einer zentralen und peripheren Pubertas praecox ist wegweisend für die Behandlungsmodalität.

  • Die Behandlung erfolgt interdisziplinär gemeinsam mit der pädiatrischen Endokrinologie.

  • Bei Vorliegen von Ovarialzysten sollten konservative Therapieoptionen operativen vorgezogen werden.

  • Es erfolgt ein Therapieversuch mit Aromataseinhibitoren („off label“) für mindestens ein Jahr oder bis zum altersadäquaten Pubertätseintritt. Klinische, laborchemische und sonographische Kontrollen werden engmaschig durchgeführt.