Sowohl die Einsatzindikationen Suizid und Tötung als auch Einsätze mit involvierten Kindern werden von Fachkräften verschiedener unmittelbar nach Unglücksereignissen tätiger Fachrichtungen als besonders herausfordernd und belastend erlebt [2, 3, 19, 23, 28, 30, 31, 33, 36, 46]. Der Tätigkeitsbereich der psychosozialen Akuthilfe (PSAH) ist gekennzeichnet von der Konfrontation mit unerwarteten Todesfällen wie Suizid und Tötung [24]. Aufgrund der Forschungslage ist davon auszugehen, dass oftmals auch Kinder und Jugendliche betroffen sind und zu den zu betreuenden Personen zählen [4, 8, 39, 41]. Bisher ist das junge Gebiet der PSAH wenig erforscht und es liegt wenig Evidenz zu den Herausforderungen und der Belastung von Einsatzkräften der PSAH bei Einsätzen mit den Indikationen Suizid oder Tötung und Involviertheit von Kindern vor. Ziel der hier beschriebenen Querschnittsstudie ist es, mehr über die Erfahrungen und Belastung von Einsatzkräften der PSAH bei solchen Einsätzen zu erfahren und daraus eventuelle Bedarfe abzuleiten.

Hintergrund

Aus der internationalen Forschung ist bekannt, dass einige Faktoren in der Betreuung und Versorgung unmittelbar nach Unglücksfällen von Fachkräften verschiedener Fachrichtungen als besonders herausfordernd und belastend erlebt werden. So gelten Einsätze bei Suizid und Suizidversuchen unter professionellen Helfenden in Rettungsdienst und Feuerwehr, Polizist*innen sowie medizinischem Personal in der Intensivmedizin und der Psychiatrie als besonders belastend [2, 23, 30, 31, 33]. Auch für die Einsatzindikation Tötung ist bekannt, dass sie von den verschiedenen Einsatzkräften als besonders belastend empfunden wird [19, 36, 46]. Darüber hinaus werden Einsätze, die Kinder involvieren, als besonders herausfordernd beschrieben [3, 23, 25, 28, 31], wodurch es naheliegt, dass Einsätze, in denen zwei oder mehr dieser Belastungsfaktoren zusammentreffen, eine ganz besondere Herausforderung darstellen.

Die psychosoziale Notfallversorgung (PSNV) ist in Deutschland vielerorts grundsätzlicher Bestandteil der Versorgungsstruktur nach schweren Not- und Unglücksfällen [9]. Als unmittelbarer und ereignisnaher Teil der PSNV arbeitet die psychosoziale Akuthilfe (PSAH) oft eng mit den verschiedenen Einsatzkräften, Rettungsdiensten und Leitstellen zusammen [34]. So sind beispielsweise die Kriseninterventionsteams im Rettungsdienst und die Notfallseelsorge in Gesamtorganisationen bzw. -systeme eingebettet, die das Dach für die operativen Akteure bilden [9].

Mit ihrem Fokus auf körperlich unverletzte Betroffene stellt die PSAH eine entlastende Unterstützung für die Einsatzkräfte vor Ort dar und ermöglicht es ihnen, sich auf ihre primären Aufgaben wie Rettung und medizinische Versorgung zu konzentrieren [34]. Dabei zeichnet sich das Spektrum der Indikationen, für die die Fachkräfte der PSAH angefordert werden, besonders dadurch aus, dass „eine akute psychische oder psychosoziale Betroffenheit durch eine Konfrontation mit dem plötzlichen Tod“ vorliegt [24]. Insbesondere die Einsatzindikation Suizid und Suizidversuch kommt im PSAH-Einsatzalltag häufig vor. Beispielhaft sei hier das KIT München als eines der etabliertesten und größten Kriseninterventionsteams im Rettungsdienst in Deutschland genannt, welches jährlich ca. 2000 Menschen begleitet [27] und dessen Einsätze im Jahr 2021 zu 23 % die Einsatzindikation Suizid aufwiesen [24]. Somit stellte Suizid die zweithäufigste Indikation nach der Einsatzindikation „natürliche Todesursache ohne Fremdeinwirkung“ und weit vor der dritthäufigsten Indikation „Unfall“ dar.

Auch die Fallzahlen von Suizid und Suizidversuch sowie versuchter und vollendeter Tötung in Deutschland legen nahe, dass Fachkräfte der PSAH mit diesen Einsatzindikationen konfrontiert werden. So verstarben im Jahr 2022 insgesamt 10.119 Personen in Deutschland durch Suizid [40], und das Bundeskriminalamt dokumentierte im Jahr 2022 2236 Fälle von Tötung, Totschlag und Tötung auf Verlangen in Deutschland [11]. Neben den Todesfällen zeichnen sich auch die Suizidversuche und versuchten Tötungen statistisch durch eine große Häufigkeit aus: So liegt laut WHO in Ländern mit hohem durchschnittlichem Haushaltseinkommen, wie in Deutschland, die Prävalenz von Suizidversuchen bei 3 pro 1000 erwachsenen Einwohner*innen [47] und die Deutsche Depressionshilfe schätzt, dass die Suizidversuche die Suizide um den Faktor 15–20 übersteigen [15]. Im Bereich der Tötungen überlebten 2022 2220 Menschen in Deutschland einen Tötungsversuch [11].

Internationale Forschung geht davon aus, dass zu den Hinterbliebenen nach Suizid durchschnittlich sechs nahe Angehörige (Kinder, Geschwister, Eltern, Partner*innen) zählen [8, 39], und laut UNODC [44] entfallen in Europa zwischen 36 und 76 % aller Tötungsdelikte auf Tötungsdelikte innerhalb einer Partnerschaft und/oder Familie, wodurch interpersonelle Betroffenheiten oft auch von Kindern entstehen [4, 41]. Jeder dieser Fälle stellt gemäß den gemeinsamen Ausbildungsrichtlinien [1] einen möglichen Einsatz für Mitarbeitende der PSAH dar, bei dem zu den Betroffenen naturgemäß auch Kinder und Jugendliche mit direkter oder indirekter Betroffenheit zählen können und berücksichtigt werden sollten [24].

Neben der beschriebenen Häufigkeit dieser Notfallsituation sind auch die klinischen Folgerisiken für die Betroffenen erheblich, wie bereits andernorts dargestellt [17, 26, 38]. Auch dies unterstreicht die Bedeutung früher Hilfsangebote und derer, die sie ausüben.

Vor dem Hintergrund der bekannt hohen Belastung versorgender Fachkräfte bei Einsätzen mit den Einsatzindikationen Suizid, Suizidversuch bzw. versuchte und vollendete Tötung und Betroffenheit von Kindern ist es ein Ziel der hier vorgestellten Querschnittsstudie, die Erfahrungen der Einsatzkräfte der PSNV in Einsätzen zu erheben, bei denen diese Parameter (Indikation und Betroffenheit von Kindern) zusammentreffen. Dabei sollen besonders auch Belastungen aufseiten der Fachkräfte erkannt und eventuelle Bedarfe daraus abgeleitet werden.

Methode

Stichprobe und Vorgehen

Bei dieser Erhebung handelt es sich um eine Querschnittsstudie. Für die Online-Befragung wurde ein teilstandardisierter Fragebogen verwendet, welcher auf der Plattform SoSci Survey (Version 3.2.43) programmiert wurde. Der Fragebogen wurde vorab im Hinblick auf Sprache, Verständlichkeit und Logik getestet und anhand der Rückmeldungen entsprechend überarbeitet.

Der Befragungszeitraum begann am 22. Juli und endete am 27. September 2021. Zur Teilnahme an der Online-Befragung waren alle Personen aus dem deutschsprachigen Raum eingeladen, die in einem akut versorgenden System der PSNV tätig sind. Konkret gemeint sind damit maßgeblich Mitarbeitende der Krisenintervention im Rettungsdienst und der Notfallseelsorge sowie Mitarbeitende aus ähnlichen Krisendiensten, welche psychosoziale Akuthilfe gemäß der Definition der Konsensuskonferenz des Bundesamts für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe [9] leisten.

Die Rekrutierung der Teilnehmenden erfolgte durch ein systematisches Rollout über alle bundesweit verfügbaren Landeszentralstellen bzw. Landesbeauftragten der PSNV, das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK), alle Hilfsorganisationen, die Träger der Krisenintervention sind, sowie die Sprecher der Notfallseelsorge der evangelischen und katholischen Kirche und verschiedene Fachverteiler.

Vor Beginn der Befragung wurde das Einverständnis der Teilnehmenden zur Datenverarbeitung eingeholt und auf die anonyme Speicherung der Daten hingewiesen.

Fragebogen

Der Fragebogen bestand aus 40 Single- und Multiple-Choice- sowie 20 offenen Fragen. Inhaltliche Berücksichtigung fanden die drei Themenschwerpunkte

  1. a)

    Erfahrungen der Fachkräfte bei Einsätzen mit den Indikationen Suizid, Suizidversuch, Tötung und Tötungsversuch,

  2. b)

    Einschätzung des Versorgungsbedarfs und der bestehenden Versorgungssituation von betroffenen Familien nach Suizid, Suizidversuch, Tötung und Tötungsversuch sowie

  3. c)

    Ausbildung und (Selbst‑)Einschätzung der Kompetenzen zu traumaspezifischen Aspekten, insbesondere im Zusammenhang mit Suizid, Suizidversuch, Tötung und Tötungsversuch.

Zusätzlich wurden allgemeine demografische Variablen erfragt.

Daten wurden für die Indikationen Suizid, Suizidversuch, Tötung und Tötungsversuch jeweils getrennt erhoben. Da die realen Fallzahlen für Suizid wesentlich höher liegen als für Tötung und somit davon ausgegangen werden kann, dass diese Indikation für versorgende Einsatzkräfte häufiger vorkommt, wurde auf die Versorgung nach Suizid und Suizidversuch ein zusätzlicher Schwerpunkt gelegt. In diesem Sinne wurden einige Fragen im Fragebogen mit Bezug auf ein Fallbeispiel gestellt, welches einem anonymisierten Realeinsatz entspricht und sich auf den Suizidversuch eines Familienvaters bezieht.

Datenanalyse

Die Analyse der erhobenen Daten erfolgte mittels R (Version 4.1.0), MAXQDA Standard 2020 (Version 20.4.0, VERBI GmbH, Berlin) und Excel. Als deskriptive Statistiken wurden absolute und relative Häufigkeiten bei kategorialen Variablen angegeben.

Diverse Items nutzten Likert-Skalen. Likert-Skalen sind psychometrische Skalen, die aus mehreren Aussagen bestehen, die alle dasselbe Merkmal messen und den Grad der Zustimmung abfragen [32]. Als gut evaluiertes und verlässliches Instrument werden Likert-Skalen häufig in verschiedenen Forschungsbereichen verwendet und weisen eine hohe Zuverlässigkeit und Validität auf [29]. Bei Items, deren Beantwortung eine non-numerische Likert-Skala vorgab, erfolgte die Auswertung der unterschiedlichen Intensitäten des gemessenen Merkmals durch numerische Codierung (z. B. nie = 1, selten = 2, gelegentlich = 3, oft = 4, immer = 5) und anschließende statistische Berechnung [14].

Antworten auf offene Fragen (z. B. „Welche grundsätzlichen Wünsche, Vorschläge und/oder Empfehlungen haben Sie zur Verbesserung der psychosozialen Akuthilfe für Kinder und Jugendliche?“) wurden per qualitativer Inhaltsanalyse ausgewertet [18, 35]. Hierfür wurden sowohl theorie- als auch empiriegeleitete Kategoriensysteme für die verschiedenen Fragebereiche entwickelt, indem vorab Regeln (Analyseeinheiten, inhaltsanalytische Regeln etc.) formuliert wurden, welche in Rückkoppelungsschleifen während der Analyse überarbeitet wurden [35]. Die Entwicklung des Kategoriensystems wurde hauptsächlich von den zwei Personen durchgeführt, welche im Anschluss die Codierung durchführten. Anschließend wurde stichprobenartig sowohl die Intracoderreliabilität als auch die Intercoderreliabilität [35] für alle Items geprüft. Bei Abweichungen in der Codierung wurden diese zwischen den codierenden Personen und der dritten Autorin diskutiert und gelöst. Die Codierung der Antworten auf offene Fragen wurde in MAXQDA durchgeführt. Die Ergebnisse wurden im Anschluss mit den anderen Daten und Variablen der Umfrage zusammengeführt und analysiert.

Ergebnisse

Aussagen zur gesamten Anzahl von PSNV-Kräften im deutschsprachigen Raum liegen nicht vor [45]. Ebenso ist unklar, wie viele PSNV-Systeme und damit verbundene Personen mit dem oben beschriebenen Rollout tatsächlich erreicht werden konnten. Daher kann eine Beschreibung der Stichprobe hier nur deskriptiv erfolgen.

Durch normales Drop-out-Verhalten von Teilnehmenden [16] ergibt sich ein über die gesamte Befragung variierendes n für die einzelnen Fragen. Die Gesamtzahl der Teilnehmenden liegt bei 506, komplett beendet haben den Fragebogen 388 Personen. Für die deskriptiven Einzelauswertungen der Fragen wurde das jeweilige n betrachtet, bei weiterführenden Analysen wurde das n um die Abbruchfälle bereinigt.

Die Stichprobe besteht aus Proband*innen aus dem gesamten deutschen Bundesgebiet (70,79 %) sowie aus dem deutschsprachigen Ausland – konkret aus Österreich (20 %), der Schweiz (6,31 %) und Italien (2,89 %). Eine Übersicht über die Träger der PSNV-Systeme, aus denen die Befragten stammen, findet sich in Tab. 1.

Tab. 1 Stichprobe

Die befragten Personen gaben an, seit durchschnittlich 9,51 (SD = 6,76) Jahren ihre Tätigkeit in der PSNV auszuüben, mit einem Median von 8 Jahren. Dabei hatten sie im Mittel 92,83 (SD = 122,04) Einsätze seit Beginn ihrer Tätigkeit.

Erfahrungen der Fachkräfte bei Einsätzen mit den Indikationen Suizid, Suizidversuch, Tötung und Tötungsversuch

86,97 % der befragten Fachkräfte der PSAH haben Erfahrung mit der Einsatzindikation Suizid und Suizidversuch. Des Weiteren gaben 67,40 % von ihnen an, Erfahrung mit der Einsatzindikation Tötung und Tötungsversuch zu haben. Dabei schätzten 65,27 % der Fachkräfte Einsätze mit der Indikation Suizid und Suizidversuch auf einer 5‑stufigen Likert-Skala als eher und sehr herausfordernd ein. Bei der Einsatzindikation Tötung und Tötungsversuch ist der Anteil der Befragten, die diese Einsätze als eher oder sehr herausfordernd einschätzten, mit 74,53 % noch höher. Damit wurden Einsätze mit der Indikation Tötung (M = 4,04, SD = 0,090) als signifikant (t (372) = 4,736, p < 0,001) emotional herausfordernder empfunden als Einsätze mit der Indikation Suizid (M = 3,82, SD = 0,896). Um eine weitere Dimension der Belastung der Einsatzkräfte zu erfassen, wurde gefragt, ob die Einsatzkräfte in Zusammenhang mit den verschiedenen Einsatzindikationen schon einmal an ihre persönliche Grenze gekommen seien. In der subjektiven Einschätzung durch die Befragten wurde dies von einem guten Viertel (25,20 %) für die Einsatzindikation Suizid und von einem knappen Fünftel (18,92 %) für die Einsatzindikation Tötung bejaht.

In anschließenden offenen Fragen wurden die Befragten gebeten zu beschreiben, worin diese persönliche Grenze für die einzelnen Indikationen bestand, um einen Eindruck davon zu erlangen, welche Aspekte als besonders emotional belastend empfunden werden. Hierauf gaben die Einsatzkräfte die „Betreuung am Einsatzort“ (29,41 %) und dabei insbesondere die „Betreuung von Kindern am Einsatzort“ für die Einsatzindikation Suizid und Suizidversuch als häufigsten Grund an. Für die Einsatzindikation Tötung und Tötungsversuch wurde der „Umgang mit eigener Emotionalität und eigenen Gefühlen“ am häufigsten (25,45 %) genannt, gefolgt von der „Betreuung am Einsatzort“ (21,82 %), insbesondere der „Betreuung von Kindern am Einsatzort“.

Die Betroffenheit von Kindern als direkt Anwesende bzw. nicht direkt am Einsatzort Anwesende wurde für beide Indikationen erfragt. Dabei wurde bei der Fragestellung von zwei typischen Einsatzszenarien ausgegangen: In einem Fall sind Kinder körperlich während des Einsatzgeschehens anwesend (direkt anwesend); im anderen Fall sind Kinder während des Akuteinsatzes nicht körperlich anwesend, sind dennoch spätestens bei ihrer Rückkehr oder beim Erhalt der Information vom Ereignis betroffen (nicht direkt anwesend). In beiden Fällen sind Kinder in der Betreuung durch die Fachkräfte der PSAH zu berücksichtigen. Dabei ergab sich ein deutliches Bild, dass in nur sehr wenigen PSNV-Systemen Kinder nie zu den Betroffenen zählen. Für eine differenzierte Aufstellung siehe Tab. 2.

Tab. 2 Wie häufig gehören Kinder und Jugendliche bei Einsätzen zum Kreis der Betroffenen

Ein statistisch signifikanter Zusammenhang zeigte sich zwischen der empfundenen Belastung der Einsatzkräfte bei Einsätzen mit der Indikation Suizid und Suizidversuch und der Betroffenheit von Kindern. Sowohl bei der indirekten Betroffenheit von Kindern ohne körperliche Anwesenheit am Einsatzort (p = 0,01487; ρ = 0,1130125) als auch bei direkter Anwesenheit von Kindern (p = 0,005016; ρ = 0,1326367) gaben Einsatzkräfte eine höhere Belastung an. Für die Einsatzindikation versuchte und vollendete Tötung konnte ein solcher Zusammenhang nicht nachgewiesen werden. Allerdings gehören Kinder und Jugendliche bei Einsätzen mit der Indikation Suizid auch signifikant häufiger sowohl zu den direkt anwesenden Betroffenen (t (704,39) = 6,3761; p < 0,001) als auch zu den nicht direkt anwesenden Betroffenen (t (642,7) = 4,9254; p < 0,001) als bei der Einsatzindikation Tötung.

Ausbildung und (Selbst‑)Einschätzung der Kompetenzen zu traumaspezifischen Aspekten

Die Befragten gaben an, im Rahmen ihrer Ausbildung im Bereich der PSNV die Besonderheiten von akutem traumatischem Stress bei Kindern und Jugendlichen mit durchschnittlich 8,46 h (SD = 11,18, Md = 5,0) behandelt zu haben. 66,58 % hatten zusätzliche Weiterbildungen zu diesem Thema gemacht, welche große Unterschiede im Stundenumfang aufweisen. Während der Mittelwert bei 30,78 h (SD = 73,38) lag, waren es im Median nur 12 h. Auf die Fragen, ob im Rahmen dieser Weiterbildung hilfreiche und schädliche Verhaltensweisen für den Umgang mit Kindern nach Suizid uns Suizidversuch im Nahfeld vermittelt wurden, antworteten die Befragten auf beides zu 80,32 % mit Ja. Bei der gleichen Frage in Bezug auf Tötung und Tötungsversuch waren es bezüglich hilfreicher Verhaltensweisen nur noch 63,39 % und bezüglich schädlicher Verhaltensweisen nur 57,67 %. Im nächsten Schritt wurden die Befragten gebeten, hilfreiche und schädliche Verhaltensweisen nach Suizid und Suizidversuch und Tötung und Tötungsversuch zu nennen. Wurden für Suizid und Suizidversuch noch von 220 Personen sowohl hilfreiche als auch schädliche Verhaltensweisen benannt, so waren es für Tötung und Tötungsversuch nur 159 respektive 139 Personen.

Nach Wünschen, Vorschlägen und Empfehlungen zur Verbesserung der psychosozialen Akuthilfe für Kinder und Jugendliche gefragt, entfiel nahezu die Hälfte der Antworten (47,28 %) auf eine Verbesserung der Aus‑, Fort- und Weiterbildung. Die Verbesserung des Versorgungssystems, beispielsweise durch den Aufbau flächendeckender Angebote der PSNV oder die inhaltliche Verbesserung der Arbeit, machte 37,06 % der Antworten aus. Nur vereinzelt wurden andere Bereiche, wie beispielsweise die Professionalisierung der PSNV-Systeme oder die Bereitstellung von mehr Ressourcen, genannt.

Der Großteil der Befragten (92,91 %) fand den Erwerb weiterer Kompetenzen im Bereich der psychosozialen Akuthilfe für Kinder und Jugendliche nach Suizid, Suizidversuch, Tötung und Tötungsversuch für sich wünschenswert (Abb. 1).

Abb. 1
figure 1

Was würden Sie für sich selbst sagen: Wie sehr sind weitere Kompetenzen im Bereich der psychosozialen Akuthilfe für Kinder und Jugendliche nach Suizid/-versuch oder versuchter/vollendeter Tötung wünschenswert?

Der Wunsch nach weiteren Kompetenzen steht in einem hochsignifikanten Zusammenhang sowohl zur empfundenen Belastung bei Einsätzen mit der Indikation Suizid und Suizidversuch (r = 0,190, p < 0,001) als auch mit der Indikation Tötung und Tötungsversuch (r = 0,198, p < 0,001), wobei mit größerer Belastung auch ein stärkerer Wunsch nach mehr Kompetenzen einhergeht.

Konkret nach der Einführung einer zentralen Notfallrufnummer für Fachkräfte der PSAH, die zur fachlichen Beratung während oder nach einem Einsatz mit betroffenen Kindern und Jugendlichen kontaktiert werden kann, gefragt, hielten 82,80 % der Befragten eine solche für eher bis absolut sinnvoll (Abb. 2).

Abb. 2
figure 2

Für wie sinnvoll halten Sie eine zentrale Hotline für Fach- und Einsatzkräfte der psychosozialen Akuthilfe, die zur fachlichen Beratung während oder nach einem Einsatz mit betroffenen Kindern und Jugendlichen kontaktiert werden kann?

Diskussion

Die Ergebnisse der hier vorgestellten Querschnittsstudie zeigen deutlich, dass Fälle von Suizid, Suizidversuch, Tötung und Tötungsversuch ein relevanter Teil der Betreuungsrealität der Fachkräfte der PSAH sind. Die hier befragten Personen haben mehrheitlich Erfahrungen mit diesen Gewaltformen und können daher relevante Aussagen hierzu treffen. Darüber hinaus wird die Belastung, die diese Art von Einsätzen für die Fachkräfte bedeutet, deutlich. Die hohen Raten an subjektiv erlebter Herausforderung bei diesen gewaltbezogenen Beratungsanlässen sind auch insofern bemerkenswert, als sie von Fachkräften geäußert werden, deren Tätigkeitsschwerpunkt per definitionem die Unterstützung nach plötzlichen und traumatischen Todesfällen ist und die mit durchschnittlich 9,5 Jahren Einsatzerfahrung bereits auf ein großes Maß an Erfahrung und Expertise zurückgreifen können.

Für den Bereich der PSNV liegt ein deutliches Forschungsdesiderat vor [24], wodurch sich eine in weiten Teilen explorative Natur der hier beschriebenen Studie ergibt. Um eine Diskussion vor dem Hintergrund vorangegangener Forschung zu ermöglichen, werden an dieser Stelle auch Ergebnisse aus der Forschung mit verwandten und angrenzenden Berufsgruppen gewählt, bei denen von einer zumindest teilweisen Vergleichbarkeit ausgegangen werden kann. Aus der internationalen Forschung zur Belastung von Einsatzkräften im Rettungsdienst ist bspw. bekannt, dass sie ein deutlich höheres Risiko aufweisen, an einer PTBS oder anderen psychischen Störungen zu erkranken, als die Allgemeinbevölkerung [7, 37]. Wie bereits dargestellt, gelten Einsätze mit Suizid und Suizidversuch, versuchten und vollendeten Tötungen sowie der Involviertheit von Kindern unter Angehörigen diverser unmittelbar nach Unglücksereignissen helfender Professionen als besonders belastend [2, 3, 19, 23, 25, 28, 30, 31, 33, 36, 45, 46]. Diese Ergebnisse finden sich auch in den Daten dieser Untersuchung wieder, indem das Erreichen der subjektiven persönlichen Grenzen bei Einsätzen in der Anwesenheit bzw. Betroffenheit und/oder der Betreuung von Kindern am Einsatzort begründet lag.

Es ist bedeutsam, dass sich die überwiegende Mehrheit der Fachkräfte mehr Wissen und Kompetenzen im Bereich der psychosozialen Akuthilfe für Kinder und Jugendliche wünscht und dieser Wunsch auch in hochsignifikantem Zusammenhang mit der empfundenen eigenen Belastung steht. Die Ausbildung und das dadurch gestärkte Gefühl von Kompetenz und Sicherheit im Einsatz ist ein Schlüsselfaktor für die Förderung der Resilienz bspw. von Rettungskräften [7, 30]. Somit könnten durch Aus‑, Fort- und Weiterbildung präventive Ziele bei beiden Gruppen, den Betroffenen und den Einsatzkräften, erreicht werden: Zum einen können betroffene Kinder und Jugendliche direkt eine erste traumasensible Unterstützung erfahren, was den gängigen Leitlinien und Empfehlungen zur Versorgung von Akuttrauma entspricht [5]. Zum anderen wird durch Fortbildung und Wissensgewinn die Resilienz der Fachkräfte selbst gestärkt [21, 42], welche durch die Konfrontation mit den Fällen und den Erlebnissen der Betroffenen selbst hoher Belastung und dem Risiko einer sekundären Traumatisierung und anderer psychischer Erkrankungen ausgesetzt sind [7]. Auch eine Langzeitstudie von Greinacher et al. [20] mit Fachkräften der PSNV in Deutschland fand, dass das Gefühl, auf Einsätze vorbereitet und für diese kompetent zu sein, ein Schutzfaktor gegen sekundäre Traumatisierung darstellt. Ein noch differenzierteres Bild wird in einer Studie von Craig und Spang [12] gezeichnet, in der eine spezialisierte Traumaausbildung ein negativer Prädiktor für Burn-out bei Praktikern aus den Bereichen der klinischen Psychologie und der klinischen Sozialarbeit war, das heißt, ein niedrigeres Ausbildungsniveau sagte ein höheres Burn-out-Niveau voraus. Dies ist vor allem relevant vor dem Hintergrund, dass ca. ein Drittel der Befragten der hier vorgestellten Studie keine Weiterbildung zum Thema akuter traumatischer Stress bei Kindern und Jugendlichen besucht hatte und der Stundenumfang, in welchem das Thema den anderen zwei Dritteln vermittelt wurde, im Median nur 5 h betrug. Hierbei muss beachtet werden, dass anzunehmen ist, dass viele der Teilnehmenden der Befragung noch nach den bis Oktober 2022 gültigen Ausbildungsrichtlinien im Bereich der PSNV ausgebildet wurden. In ihnen waren insgesamt vier Unterrichtseinheiten vorgesehen, in denen jedoch verschiedene „besondere Zielgruppen“ behandelt wurden. Zu diesen besonderen Zielgruppen gehörten neben Kindern und Jugendlichen außerdem auch Senior*innen, von Krisensituationen Betroffene in Bildungs- und Betreuungseinrichtungen sowie Menschen mit Behinderungen [6]. Bei den Neuerungen des „Mindeststandards in der Psychosozialen Akuthilfe (PSAH)“ [1] erfolgte eine Anpassung bezüglich Inhalt und Umfang, was eventuell in kommenden Jahren dazu beitragen wird, dass die Fachkräfte sich besser für Einsätze mit Kindern und Jugendlichen ausgebildet fühlen.

In Bezug auf die Betreuung und Versorgung Betroffener ist die Resilienz und Stabilität der Fachkräfte der PSNV von großer Bedeutung. Aus der Forschung zu verwandten Berufsgruppen im Gesundheitsbereich, welche ähnlich herausfordernde Situationen in ihrem Berufsalltag erleben, ist bekannt, dass Zusammenhänge zwischen dem Belastungsgrad der Fachkräfte und der Qualität der Versorgung bestehen [13, 22, 43]. Die richtige Identifizierung von Bedarfen auf Betroffenenseite, die Wahl geeigneter Interventionen und die korrekte Einschätzung nachfolgender Bedarfe auf Betroffenenseite stehen also in einem engen Zusammenhang mit der Stabilität der Unterstützenden. Dies ist von besonderer Relevanz, da die Philosophie der PSNV sich ausdrücklich gegen eine Pauschalierung der Unterstützungsbedarfe Betroffener ausspricht [10] und so die Fähigkeit zur Differenzierung und empathischen Einschätzung der Bedarfe von den Fachkräften verlangt. Eine differenzierte Darstellung der Ergebnisse dieser Studie bezüglich der Bedarfseinschätzung durch die Fachkräfte und der Versorgung von betroffenen Familien findet sich bei Kern et al. [26].

Eine unmittelbar wirkungsvolle Möglichkeit zur Unterstützung der Fachkräfte der PSAH könnte in der Einrichtung einer niedrigschwellig erreichbaren telefonischen Rückfallebene bestehen. Schon im Vorfeld eines Einsatzes könnte ggf. kurzfristig spezifisches Rüst- und Handwerkszeug bezüglich der Involviertheit von Kindern bei den Einsatzindikationen Suizid und Tötung vermittelt werden. Darüber hinaus würde die Möglichkeit eröffnet, dass Einsatzkräfte bei der Einschätzung der Bedarfe Betroffener unterstützt würden und fachlichen Input im Einsatz erhielten. Auch zur Nachbereitung von Einsätzen, die neben der Stabilität der Einsatzkräfte auch auf eine bessere Vorbereitung auf zukünftige Einsätze, auf Kontroll- und Selbstwirksamkeitserleben abzielt, könnte eine Rückfallebene eine wertvolle Unterstützung darstellen und hier einen eher supervisorischen Charakter annehmen. So könnte auch ein Beitrag zur Resilienzförderung und Unterstützung der psychischen Gesundheit der Einsatzkräfte geleistet werden.

Dass die große Mehrheit der befragten Einsatzkräfte eine solche Rückfallebene für sinnvoll erachtet, spricht für den grundsätzlichen Bedarf nach einem solchen Angebot.

Unseres Wissens nach handelt es sich bei der vorliegenden Studie um die erste, die sich mit Einsatzkräften der PSAH bei Einsätzen mit den Indikationen Suizid oder Tötung und gleichzeitiger Involviertheit von Kindern beschäftigt. Als solche bietet sie wertvolle Einblicke in die Erfahrungen und Belastungen der Fachkräfte und leitet erste Ideen dazu ab, welche Handlungsbedarfe sich daraus ergeben und wie Fachkräfte unterstützt werden könnte.

Eine Limitation der Studie ergibt sich aus der Stichprobengröße und den fehlenden Angaben zur Gesamtzahl der PSAH-Kräfte in der befragten Region, wodurch keine Aussage zur eventuellen Verallgemeinerung der Ergebnisse möglich ist. Diese Limitation wird durch den Selektionsbias durch Selbstselektion verstärkt, da davon auszugehen ist, dass besonders Personen, die ein Interesse am Thema haben, am Survey teilgenommen haben. Selbstselektion führt im Vergleich zur Zufallsauswahl dazu, dass die Stichprobe nicht repräsentativ ist und Rückschlüsse auf die Gesamtheit der Studienpopulation nur eingeschränkt möglich sind.

Die Kategorisierung von Antworten auf offene Fragen im Interesse statistischer Auswertbarkeit kann zu einem möglichen Informationsverlust führen, was eine weitere Limitation darstellt. Allerdings wurden Antworten mit verschiedenen inhaltlichen Aspekten mehreren Kategorien zugeordnet, um den Informationsverlust so gering als möglich zu halten.

Da die hier vorgestellte Studie hauptsächlich explorativen Charakter hat, sind weitere Studien zur Erweiterung des Wissens in diesem Bereich, insbesondere bezüglich der Erfahrungen von Einsatzkräften bei weiteren Einsatzindikationen, wünschenswert. Für die künftige Forschung erscheint es relevant, die grundsätzliche Wirksamkeit der PSAH, so weit als möglich, zu untersuchen und zu verstehen.

Fazit für die Praxis

  • Die Mehrheit der Einsatzkräfte der psychosozialen Akuthilfe (PSAH) hat Erfahrung mit den Einsatzindikationen Suizid, Suizidversuch, Tötung und Tötungsversuch.

  • Der hohe Belastungsgrad im Zusammenhang mit diesen Indikationen weist auf die Notwendigkeit gezielter Unterstützungsangebote für Fachkräfte der PSAH hin.

  • Fachkräfte der PSAH wünschen sich den Erwerb weiterer Kompetenzen im Bereich der psychosozialen Akuthilfe für Kinder und Jugendliche nach Suizid, Suizidversuch, Tötung und Tötungsversuch.

  • Es zeigt sich ein Zusammenhang zwischen subjektivem Belastungserleben und dem Wunsch nach zusätzlichen Handlungskompetenzen.

  • Diese gewünschten Aus‑, Fort- und Weiterbildungsangebote haben das Potenzial, sowohl Fachkräften als auch Betroffenen zugutezukommen.

  • Gezielt gefragt, halten mehr als 80 % der Befragten die Einführung einer Notfallebene, in Form einer zentralen Rufnummer, die zur fachlichen Beratung während oder nach einem Einsatz mit betroffenen Kindern und Jugendlichen kontaktiert werden kann, für sinnvoll.