Anamnese

Eine 56-jährige Patientin stellte sich in unserer Notaufnahme mit heftigen, kolikartigen Bauchschmerzen vor, die seit 3 Tagen bestanden, aber im Verlauf deutlich zunahmen. Vor 2 Wochen fielen Hautveränderungen an den Unterschenkeln beidseits auf. Ähnliche Beschwerden, aber in der Ausprägung noch stärker, traten bereits vor sieben Jahren auf. Damals wurde eine IgA-Vaskulitis mit gastrointestinaler Beteiligung diagnostiziert. Ein ausgeprägter intestinaler Befall wurde damals mittels Endoskopie und CT-Untersuchung nachgewiesen. Nach einer Therapie mit Glukokortikoiden war die Patientin in den vergangenen Jahren ohne spezifische Medikation beschwerdefrei.

Befund

In der Notaufnahme zeigte sich eine Patientin mit normalen Vitalwerten. Der Blutdruck lag bei 128/85 mm Hg, die Herzfrequenz bei 85/min. Bei der Untersuchung des Abdomens fand sich eine geringgradige diffuse Abwehrspannung, aber normale Darmgeräusche. An den Unterschenkeln bestanden beidseits petechiale Hauteffloreszenzen im Sinne einer palpablen Purpura (Abb. 1), weniger betont auch an den Oberarmen, links mehr als rechts. In den Laboruntersuchungen war lediglich der CRP-Wert mit 6,4 mg/dl erhöht (Normwert ≤ 0,5 mg/dl). Das Kreatinin war mit 0,8 mg/dl normal, die GFR (CKD-EPI; glomeruläre Filtrationsrate, Chronic Kidney Disease Epidemiology Collaboration) lag bei 85 ml/min pro 1,73 m2. In der Urinuntersuchung fand sich kein Hinweis auf ein aktives Sediment (Erythrozyturie, ggf. mit Akanthozyten oder Erythrozytenzylindern) oder eine Proteinurie. Alle übrigen untersuchten Laborparameter lagen im Normbereich. Der iFOBT-Test auf okkultes Blut im Stuhl war positiv. In der CT-Untersuchung des Abdomens zeigte sich eine diskrete Wandverdickung im proximalen Jejunum, deutlich geringer ausgeprägt als in der Voruntersuchung vor 7 Jahren.

Abb. 1
figure 1

Palpable Purpura an den Unterschenkeln beidseits

Diagnose

Bei unserer Patientin zeigte sich ein Rezidiv einer IgA-Vaskulitis mit Befall der Haut und erneuter gastrointestinaler Beteiligung.

Therapie und Verlauf

Bereits in der Notaufnahme wurde eine gewichtsadaptierte Glukokortikoidtherapie (1 mg/kgKG entsprechend 70 mg p.o. 1‑0-0) eingeleitet, die zu einer raschen Besserung der Beschwerden und einem Rückgang der Entzündungsparameter führte. Ergänzend wurden eine Vitamin-D-Substitution sowie für die ersten Tage eine analgetische Bedarfstherapie mit Metamizol durchgeführt. Die Prednisolonstoßtherapie sollte nach einem kurzstationären Aufenthalt von zwei Tagen über die kommenden 4 Wochen reduziert und dann beendet werden. Auf eine erneute endoskopische Untersuchung verzichteten wir.

Diskussion

Bauchschmerzen sind ein häufiges Leitsymptom in der Notaufnahme. In der Literatur werden abdominelle Beschwerden für etwa 10 % der Notaufnahmevorstellungen verantwortlich gemacht [1]. Dabei kann es sich um harmlose Veränderungen handeln, aber auch um lebensbedrohliche Komplikationen, die ein rasches Handeln erfordern. Die Ursachen können vielfältig sein. Oft sind nicht die klassischen primär gastrointestinalen Erkrankungen für die Beschwerden verantwortlich, sondern Erkrankungen, deren Ursprung in anderen Organsystemen liegt und die sich durch abdominelle Beschwerden bemerkbar machen [2]. Dabei gibt es „Can’t-miss“-Diagnosen, die akut lebensbedrohlich sind und unbedingt und rasch gestellt werden müssen, „Shouldn’t-miss“-Diagnosen, die ein dringliches Handeln notwendig machen, und „Will-miss-if-not-considered“-Diagnosen. Dazu gehören ungewöhnliche oder seltene Erkrankungen, die leicht übersehen werden, wenn sie nicht in die differenzialdiagnostischen Überlegungen aufgenommen werden (Tab. 1; [2]). Aufgrund der Vielfältigkeit der möglichen Diagnosen erfordert die Behandlung von Patienten mit abdominellen Beschwerden häufig ein interdisziplinäres Vorgehen.

Tab. 1 Nicht primär gastroenterologische Erkrankungen, die abdominelle Beschwerden verursachen können. (Adaptiert nach Murali et al. 2021 [2])

Zahlen zur Häufigkeit von Bauchschmerzen in der Notaufnahme, die durch eine IgA-Vaskulitis ausgelöst werden, liegen nicht vor. Die IgA-Vaskulitis, früher auch als Purpura Schönlein-Henoch (PSH) bezeichnet, ist die häufigste systemische Vaskulitis im Kindesalter mit einer geschätzten jährlichen Inzidenz von 3 bis 27,2/100.000 [3, 4]. Bei Erwachsenen liegt die jährliche Inzidenz mit 0,8–2,2/100.000 deutlich niedriger [4]. Auch wenn bei mehr als der Hälfte der erwachsenen Patienten im Verlauf der Erkrankung abdominelle Beschwerden auftreten, handelt es sich doch insgesamt um ein seltenes Krankheitsbild [5]. Bei der IgA-Vaskulitis finden sich Ablagerungen von IgA1-Immunkomplexen in den kleinen Gefäßen, die dort zu Entzündungen führen. Verschiedene Auslöser werden diskutiert. So findet sich insbesondere bei Kindern ein gehäuftes Auftreten im Herbst und Winter und nach Infektionen des Respirations- und Gastrointestinaltrakts. Neben mikrobiellen Triggern gibt es auch Hinweise auf medikamentenassoziierte IgA-Vaskulitiden, insbesondere nach Antibiotikaeinnahme. Aber auch eine Assoziation mit malignen Erkrankungen wird beschrieben, weshalb im Erwachsenenalter bei prolongiertem oder refraktärem Verlauf auch eine Tumorsuche durchgeführt werden sollte.

Die IgA-Vaskulitis äußert sich häufig in einer klinischen Trias mit einer palpablen Purpura vor allem an der unteren Extremität, bei Erwachsenen gelegentlich auch an der oberen Extremität oder am Körperstamm ohne Vorliegen einer Thrombozytopenie oder von Gerinnungsstörungen, Arthralgien und abdominellen Schmerzen. Diese Konstellation reicht i. d. R. aus, um die Diagnose klinisch stellen zu können. Gibt es Zweifel an der Diagnose, so sollte der Verdacht durch eine Hautbiopsie gesichert werden. Hier zeigt sich histologisch eine leukozytoklastische Vaskulitis mit den pathognomonischen IgA-Ablagerungen, die in der direkten Immunfluoreszenzuntersuchung sichtbar werden [6]. Eine weitere Komplikation der IgA-Vaskulitis ist eine Beteiligung der Nieren, die vor allem bei Erwachsenen sogar zu einem terminalen Nierenversagen führen kann. Im Rahmen der Diagnostik bei Vorliegen einer IgA-Vaskulitis sollten insbesondere die Nierenfunktion und eine Urinuntersuchung mit Urinmikroskopie und Eiweißbestimmung erfolgen. Beim Auftreten von pathologischen Befunden sollte hier niederschwellig ein Nephrologe hinzugezogen werden.

Eine gastrointestinale Beteiligung äußert sich meist durch kolikartige Bauchschmerzen, die mit Übelkeit, Erbrechen und Diarrhöen einhergehen können. Bei 50 % der Patienten kann okkultes Blut im Stuhl nachgewiesen werden. Duodenum und Dünndarm sind die Segmente, die am häufigsten betroffen sind. Schwere Verläufe mit gastrointestinalen Hämorrhagien, Ischämien bis Nekrosen, Invaginationen und Perforation treten auf, sind aber insgesamt eher selten. Eine gastrointestinale Beteiligung ist sowohl bei Kindern als auch bei Erwachsenen möglich. Allerdings sind die Komplikationsraten bei Erwachsenen höher [5]. Die Datenlage zu einer höheren Rezidivrate der Erkrankung bei gastrointestinaler Beteiligung ist widersprüchlich [5, 7]. Die Indikation für eine CT-Untersuchung des Abdomens und endoskopische Untersuchungen sollte großzügig gestellt werden. Dabei geht es weniger um die Diagnosesicherung als vielmehr um das Ausmaß der Beteiligung, um Komplikationen abzuschätzen und die richtige therapeutische Strategie zu wählen.

Vor allem bei Kindern ist eine symptomorientierte und supportive Therapie der IgA-Vaskulitis meist ausreichend. Bei einer analgetischen Therapie sollte insbesondere bei einer renalen oder gastrointestinalen Beteiligung auf nichtsteroidale Antiphlogistika (NSAR) verzichtet werden. Alternativ kann Paracetamol oder Metamizol angewendet werden. Selbst bei Erwachsenen sind Hautmanifestationen meist selbstlimitierend und innerhalb weniger Wochen wieder verschwunden. Der Einsatz von Glukokortikoiden wird hier kontrovers diskutiert, obwohl er in der Praxis sicher selbst bei nur auf die Haut beschränkter Erkrankung häufig erfolgt.

Eine gastrointestinale Beteiligung erfordert je nach Ausprägung ein entsprechend umfangreiches interdisziplinäres Management zur Evaluation von interventionellen oder chirurgischen Therapieoptionen. Der Einsatz von Glukokortikoiden und anderer immunsuppressiver Therapien wie Cyclophosphamid wird aufgrund der geringen Evidenz bei unzureichender Datenlage und kontroversen Studienergebnissen vor allem bei milder gastrointestinaler Beteiligung widersprüchlich diskutiert [5, 8]. Bei schwereren Verlaufsformen besteht mehr Konsens hinsichtlich der Glukokortikoidtherapie. Wir sind bei unserem Patientenkollektiv mit einer gastrointestinalen Beteiligung im Rahmen einer IgA-Vaskulitis eher großzügig bei der Indikationsstellung einer Steroidtherapie und beginnen damit i. d. R. bereits in der Notaufnahme. Meist erfolgt eine orale Stoßtherapie in einer Dosis von Prednisolon initial 1 mg/kgKG/d. Alternativ können auch intravenöse Pulstherapien über 3 Tage mit einer Dosis von 250 bis 500 mg/d i.v. angewandt werden. Anschließend erfolgt über die kommenden Wochen eine schrittweise Reduktion der Steroiddosis [6].

Fazit für die Praxis

  • Abdominelle Beschwerden sind ein häufiges Symptom in der Notaufnahme.

  • Die zugrunde liegenden Ursachen können weitgehend harmlos sein, aber auch zu akuter vitaler Bedrohung führen.

  • Nicht immer sind spezifische gastroenterologische Erkrankungen die Ursache der Beschwerden.

  • Auch andere, teilweise seltene Erkrankungen wie in unserem Fallbeispiel die IgA-Vaskulitis können zu abdominellen Beschwerden führen.

  • Bei der Diagnosestellung sollte deshalb immer strukturiert, in Kenntnis der verschiedenen Differenzialdiagnosen und häufig interdisziplinär vorgegangen werden.