Hintergrund

Die Aufrechterhaltung der medizinischen Versorgung der Bevölkerung in Katastrophen, Krisen und Kriegen ist eine Aufgabe der Daseinsvorsorge und wesentliche Säule der Resilienz einer Gesellschaft. Für die Gewährleistung dieser Leistung zu sorgen, ist eine staatliche Aufgabe und unter anderem als eine der 7 Basisanforderungen der NATO an die alliierten Nationen hinterlegt [1]. Ein Schutz von medizinischen Einrichtungen durch völkerrechtliche Konventionen kann nach den Erfahrungen aus den jüngsten Kriegen und nach weltweit wiederkehrenden, gezielten Terroranschlägen auf Krankenhäuser nicht mehr angenommen werden. Im Gegenteil, Krankenhäuser werden zu Angriffszielen. In den ersten Wochen des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine wurden nach öffentlich zugänglichen Informationen über 300 Krankenhäuser durch Beschuss beschädigt, 21 Krankenhäuser wurden komplett zerstört [2]. Laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) wurden dabei 73 Menschen getötet und 51 verletzt [3].

Um in derartigen Lagen die medizinische Versorgung möglichst lange aufrechterhalten zu können und Patienten und Personal vor Angriffen zu schützen, sind besondere Maßnahmen und entsprechende Vorplanungen erforderlich. In Israel beispielsweise sind die Krankenhäuser in der Lage, bei Bedarf die medizinische Versorgung in unterirdische Bereiche zu verlegen. Hierzu dienen z. B. Parkhäuser, die innerhalb weniger Stunden zu einem voll funktionsfähigen und geschützten Behandlungsbereich umgestaltet werden können [4].

Wenngleich in Deutschland Krankenhäuser bislang von Terroranschlägen oder Amokläufen weitestgehend verschont geblieben sind, gab es auch hierzulande bewaffnete Angriffe in Krankenhäusern. Als Beispiel nennen wir hier die tödlichen Schüsse auf einen Arzt im Berliner Benjamin-Franklin-Krankenhaus 2016, die Schüsse auf einen Arzt im Dortmunder St-Josefs-Hospital im Jahr 2018 und den Schusswaffengebrauch eines Patienten im oberfränkischen Naila. Gewalttätige Angriffe auf Krankenhauspersonal gibt es überdies in zunehmendem Maße. Von 2019 bis 2022 stieg die Zahl der Gewalttaten in klinischen Einrichtungen um 20 % [5]. Diese Tatsachen und die Entwicklung der geopolitischen Lage mit einer zunehmenden Wahrscheinlichkeit einer Aktivierung von Artikel 5 des NATO-Vertrags (Bündnisverteidigung) oder auch das Szenario der Landesverteidigung müssen in Deutschland neben organisatorischen Maßnahmen zur Erhöhung der Sicherheit zu einem Umdenken bei der baulichen Ausstattung von Krankenhäusern führen.

Bei der Konzeption von Krankenhausneubauten stehen in Deutschland bisher städtebauliche, architektonische und funktionale Aspekte im Vordergrund. Verbindliche Normen und Mindeststandards zum Thema Sicherheit existieren nur für vorbeugenden und abwehrenden Brandschutz, Arbeitsschutz und Krankenhaushygiene [6]. Bauliche Schutzvorkehrungen bei Amok, Terror oder gar die Anforderungen im Rahmen der Bündnis- und Landesverteidigung (BV/LV) spielen keine Rolle. Dadurch entsteht ein gravierendes Problem: Bei der Planung von Neubauten bleibt es den jeweiligen Bauherren und Nutzern überlassen, diese Aspekte zu berücksichtigen oder aber zu ignorieren. Dass die entstehenden Kosten bei der Berücksichtigung dieser Aspekte einen hemmenden Faktor darstellen, ist offenkundig. Der Umstand einer Beliebigkeit und die Verschiebung der Verantwortung auf die Nutzer und regionalen Bauplaner ist nicht akzeptabel und führt zu einem unzureichenden Schutz der kritischen Infrastruktur Krankenhaus, der Menschen, die für die Aufrechterhaltung der medizinischen Versorgung einstehen und der Menschen, die von dieser Versorgung abhängig sind.

Stellungnahme der DAKEP e. V.

Die Deutsche Arbeitsgemeinschaft Krankenhaus-Einsatzplanung (DAKEP e. V.) sieht im Fehlen einer bundesweit einheitlichen Regelung von Sicherheitsstandards bei Krankenhausbauten ein gravierendes Defizit. Ein wichtiger erster Schritt zu dessen Beseitigung wäre die Aufnahme von diesbezüglichen Sicherheitsstandards in eine verbindliche Norm im Zusammenhang mit der Planung, Genehmigung und Finanzierung von Krankenhausneubauten.

Allgemeine Sicherheitsvorkehrungen stellen eine essenzielle Grundlage zur Bewältigung einer Amok- oder Terrorlage dar.

Entsprechende Basiskonzepte wie z. B.

  • ein geregelter Zugang zu den kritischen Bereichen (z. B. Intensivstationen, OP-Einheiten, zentrale Notaufnahmen, Perinatalzentrum, Kreißsaal, Versorgung, Logistik und IT-Serverbereiche),

  • Identifikations- und Berechtigungstools wie zum Beispiel Mitarbeiterausweise,

  • verschließbare Zugangsbereiche, Bewegungsmelder mit dynamischer Beleuchtung der Eingänge und

  • die Etablierung eines Sicherheitsdiensts

müssen verbindlich geregelt werden.

Diese Grundsicherheit ist zumeist durch organisatorische Maßnahmen seitens der Krankenhäuser zu erreichen und nicht Teil dieses Positionspapiers.

Die folgenden Vorschläge beziehen sich somit im Wesentlichen auf bauliche Maßnahmen und gehen im ersten Teil auf die Vorbereitung auf Terror- und Amoklagen ein. Der zweite Teil konzentriert sich auf grundlegende Erfordernisse im Rahmen von BV/LV.

Teil 1 – bauliche Maßnahmen zur Erhöhung der Sicherheit bei Terror- und Amoklagen

Ziel

Bestmögliche Sicherheit bei Amok und Terroranschlag auf dem Areal und in den Gebäuden eines Krankenhauses. Dies gilt sowohl für die Beschäftigten und Studierenden als auch für Patienten und Besucher.

Dem Schutz der Infrastruktur kommt dabei eine tragende Rolle zu.

Die Tauglichkeit der Maßnahmen im Krankenhausalltag ist eine strikte Voraussetzung.

Bezüglich etwaiger baulich-technischer Vorkehrungen werden die im Folgenden genannten Maßnahmen als zwingender Mindeststandard angesehen.

  • Sichern: Türknauflösungen für dezidierte Funktionsräume und Dienstzimmer zur Abriegelung

  • Warnen: zentrale (automatisierte) Durchsagemöglichkeiten zur Warnung aller im Gebäude befindlichen Personengruppen

  • Flüchten: Fluchtwege und rückwärtige Schutzräume an exponierten Stellen (z. B. Pforten, Notaufnahmen und Stützpunkte) zum Schutz des Personals

  • Lotsen: intuitive Beschilderung und Wegeführung (z. B. Gütersloher Konzept) zur Orientierung von Flüchtenden und Einsatzkräften

Ebenso wären durch die Implementierung z. B. von Videoüberwachung und die Alarmsicherung von Nebeneingängen noch weitere sicherheitssteigernde Vorteile zu erwarten. Hierbei gilt es aber, Aufwand und Nutzen sowie insbesondere auch die Folgeaufwände abzuwägen. Maßnahmen, die mit dem Klinikalltag und Massenverkehr von Personen in Gebäuden letztendlich nicht vereinbar sind, sollten unbedingt vermieden werden.

Teil 2 – bauliche Maßnahmen zur Aufrechterhaltung der medizinischen Versorgung an Krankenhäusern im Rahmen von Bündnis- und Landesverteidigung (BV/LV)

Im Falle der BV/LV ist u. a. mit folgenden Herausforderungen zu rechnen:

Es ist von einer hohen Anzahl an Verwundeten, sowohl seitens der Streitkräfte als auch seitens der Zivilbevölkerung, auszugehen. Die öffentlich zugänglichen Schätzungen liegen bei 1000 Patienten pro Tag für die Bundesrepublik Deutschland. Selbst wenn Deutschland nicht unmittelbar Schauplatz von Kampfhandlungen sein sollte, als Aufmarschgebiet und Drehscheibe der NATO wird Deutschland möglicherweise gezielten Angriffen auf die kritische Infrastruktur ausgesetzt sein.

Dazu zählen möglicherweise Cyberangriffe, Sabotage von Verkehrs- und Transportwegen und intendierte Unterbrechung von Lieferketten. Krankenhäuser können somit direkt oder indirekt betroffen sein.

Im Falle der Landesverteidigung und der damit verbundenen Kampfhandlungen auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland wird die Lage durch direkte Zerstörung, unmittelbare Gefährdung der Bürger und viele weitere, kaum abschätzbare Faktoren noch ungleich komplexer.

Für die Planung und Vorbereitung muss daher zumindest folgende ungünstige Konstellation berücksichtigt werden: erhöhtes Patientenaufkommen, Mangel an Material und Personal, Ausfall von IT, Stromausfall, Störung der Wasserversorgung und Zerstörung von kritischer Infrastruktur.

Ziel

Längstmögliche Aufrechterhaltung der Behandlungskapazität und Funktionalität von Krankenhäusern unter der Bedrohung von indirekten oder direkten Angriffen auf die kritische Infrastruktur im Rahmen der BV/LV.

In Bezug auf bauliche Maßnahmen sind vor allem die Themen Behandlungsräume und Versorgungssicherheit (elektrische Energie, Wasserversorgung und -entsorgung, Dampf, medizinische Gase, IT) zur Aufrechterhaltung einer Basisfunktionalität zu bedenken. Diese Funktionalität ist eine unabdingbare Voraussetzung für den Erhalt der Behandlungskapazität.

Folgende Aspekte müssen für die Planung berücksichtigt werden:

  • Robuste und redundante Anlage von Ver- und Entsorgungswegen (Wasser, Dampf, elektrische Energie)

  • Schutz kritischer Technikbereiche (Wärme, Luft, Server/IT)

  • Vorhaltung von unterirdischen, beschusssicheren Behandlungsräumen, die im Bedarfsfall kurzfristig aktiviert werden können. Vor allem die kritischen, unbedingt zu schützenden akut- und intensivmedizinischen Kernbereiche eines Krankenhauses müssen hier berücksichtigt werden. Diese sind:

    • Notaufnahme

    • Operationssäle

    • Intensivstationen

    • Labore

    • Transfusionsmedizin

  • Vorhalten zusätzlicher Anschlüsse für medizinische Gase in geschützten, unterirdischen Bereichen

  • Einrichten von Dekontaminations- und Behandlungsbereichen für kontaminierte Patienten (chemisch, biologisch, radionuklear/CBRN). Dies dient vor allem zwei Aspekten: dem Schutz des Krankenhauses vor Kontamination und der Behandlung von betroffenen Patienten.

  • Bevorratung von Verbrauchsmaterialien und Arzneimitteln

Fazit

Zur Erhöhung der baulichen Sicherheit deutscher Krankenhäuser in Hinblick auf Terror- oder Amoklagen und das Szenario BV/LV müssen in Deutschland rechtsverbindliche Mindeststandards geschaffen werden. Die aktuell herrschende Beliebigkeit ist nicht akzeptabel und muss beendet werden. Die zu verankernden Mindeststandards müssen schnellstmöglich in einem Expertengremium konsentiert werden. Die DAKEP e. V. steht für eine Teilnahme in einem solchen Gremium jederzeit zur Verfügung.