Einleitung

Hintergrund

Die Konfrontation mit medizinischen Extremsituationen gehört für die Notfallmediziner*innen und Notfallpflegenden der zentralen Notaufnahmen zum beruflichen Alltag. Für die betroffenen Patient*innen und deren Angehörige wie auch das behandelnde medizinische Personal bergen solche Situationen immer auch die Gefahr der akuten Belastung bis hin zur potenziellen Traumatisierung [2, 5, 9, 13, 17].

Laut Hinzmann und Schießl ist die Akutmedizin aufgrund hoher Anforderungen und komplexer Krankheitsbilder als Hochrisikobereich zu betrachten, der vom medizinischen Personal stets ein Höchstmaß an Professionalität fordert und auch bei routinierten Mitarbeiter*innen zu akuter bis hin zu chronischer Belastung führen kann [12]. Dieses Belastungspotenzial des medizinischen und pflegerischen Personals wurde in zahlreichen Studien belegt [13, 15, 16]. So zeigen Arndt und Beerlage auf, dass über die Hälfte des pflegerischen und ärztlichen Personals der Notaufnahmen in Deutschland als Burn-out-gefährdet gilt [2]. Über die verschiedenen klinischen Arbeitsbereiche hinweg konnten Raspe et al. erhebliche negative Belastungsfolgen für junge Ärzt*innen und Pflegende, insbesondere in Bezug auf das Burn-out-Risiko, den subjektiven Gesundheitszustand und die Versorgungsqualität, aufzeigen [16].

Relevanz der Studie

Betrachtet man die Präklinik, wo Krisenintervention für Betroffene und Einsatzkräfte fest in die Versorgungsstrukturen integriert ist, muss konstatiert werden, dass sich strukturierte innerklinische Kriseninterventionsangebote noch im Aufbau befinden [10].

Laut Gräff et al. wird deshalb die häufig vorhandene Lücke der psychosozialen Begleitung in krisenhaften Situationen durch die persönliche Zuwendung der Pflegekräfte und der Mitarbeiter*innen des ärztlichen Diensts aufgefangen, die aber für diese Art der Betreuung in besonders belastenden und existenzbedrohenden Situationen nicht hinreichend ausgebildet sind. Auch können sie in der laufenden Notfallversorgung die zeitlichen Ressourcen oftmals nicht dafür aufbringen. Für alle Beteiligten kann diese Situation dadurch unbefriedigend und hoch belastend sein. Aufgrund der oft größeren Nähe zu den Patient*innen leiden besonders die Mitarbeiter*innen aus dem Bereich Pflege unter der Situation [9, 17].

Dieser Sachverhalt begründet, warum für die Mitarbeiter*innen in der klinischen Akut- und Notfallmedizin eine strukturierte Krisenintervention im klinischen Bereich zum beruflichen Selbstverständnis sowie zu einer humanen und modernen Notfallmedizin gehört. Hierzu bedarf es einer Struktur, die im Fall einer drohenden oder empfundenen Überforderung des Personals mit der krisenhaften Situation die Betreuung der Betroffenen unterstützt [11, 14, 17].

Aus diesem Hintergrund heraus erscheint die Sicherstellung einer klinischen Krisenintervention insbesondere für die Häuser der Maximalversorgung mit ihrem hohen Anteil an Schwerstverletzten, Schwersterkrankten und pädiatrischen Notfällen als selbstverständliche Verpflichtung. Dies gilt über die medizinische Versorgung der Patient*innen hinaus auch für die psychische Not von Angehörigen, Begleitpersonen und Beschäftigten besonders in den Hochrisikobereichen. Hier gilt es, ein adäquates Unterstützungsangebot vorzuhalten [4,5,6,7,8, 10, 12, 13].

Ziel der Studie

Die vorliegende Arbeit untersucht erstmalig die Struktur der klinischen Krisenintervention in der klinischen Akut- und Notfallmedizin an deutschen Universitätskliniken. Im Sinne einer Bestandsaufnahme werden nicht nur quantitative oder qualitative Merkmale der klinischen Krisenintervention untersucht, sondern auch eine Bewertung der Zufriedenheit und Akzeptanz bestehender Angebote abgefragt. Ziel der Untersuchung ist es, Bedarfe und Indikationen aus der Perspektive der Prozessverantwortlichen vor Ort aufzuzeigen, um prospektiv mögliche Entwicklungen für das wichtige Themenfeld ableiten zu können.

Methodik

Studiendesign

Durchgeführt wurde eine bundesweite multizentrische prospektive Evaluationsstudie.

Bei der vorliegenden Studie handelte es sich um eine anonyme, freiwillige, webbasierte Umfrage, die mittels eines strukturierten elektronischen Fragebogens in Kooperation mit dem Forum Universitärer Notaufnahmen (FUN) durchgeführt wurde. In der Abwägung zwischen Größe der Stichprobe und Aussagekraft bezüglich der Rückläufe wurde die Befragung über das Forum Universitärer Notaufnahmen als zielführend angesehen, um eine sehr hohe Rücklaufquote bei gleichzeitig breiter Streuung über das gesamte Bundesgebiet sicherzustellen. Es wurden alle Notaufnahmeleiter*innen eingeladen, sich an der Datenerhebung zu beteiligen bzw. die Umfrage an die Stellvertretung oder die pflegerische Leitung zu delegieren. Adressaten der Umfrage waren somit Personen, deren Tätigkeitsprofil den alltäglichen Umgang mit der klinischen Krisenintervention in der zentralen Notaufnahme beinhaltet. Das Augenmerk der vorliegenden Studie liegt auf der Beschreibung der Integration einer klinischen Krisenintervention in die Prozesse vor Ort, in den Notaufnahmen. Diesem Fokus der Studie zufolge waren die ärztlichen Leitungen als Entscheidungsträger*innen in der Thematik die primäre Zielgruppe der Befragung. Die exakte Beschreibung der Hintergründe und Prozesse der jeweiligen Unterstützungsangebote stand weniger im Fokus. Insgesamt handelt es sich um 36 angefragte Notaufnahmestandorte, von denen jeweils nur ein Rücklauf erbeten wurde.

Die Formulierung der Fragen wurde durch ein vierköpfiges Expertengremium auf Basis einer eingehenden Literaturrecherche entwickelt. Das Expertengremium umfasste ärztliches sowie nichtärztliches Personal mit mehrjähriger praktischer Erfahrung in der klinischen Krisenintervention, einhergehend mit einer Vielzahl publizierter wissenschaftlicher Artikel zum Thema.

Der Zugang zur Umfrage erfolgte mittels Hyperlinks. Es wurden insgesamt 44 Items abgefragt. Inhaltlich wurde zwischen Einrichtungen mit und ohne strukturierte klinische Krisenintervention unterschieden, was eine differenzierte Betrachtung der Unterstützungsangebote ermöglichte (Infobox 1).

Infobox 1

Schwerpunkte der Befragung bei Einrichtungen mit strukturiertem Unterstützungsangebot

  • Erfassung des detaillierten strukturellen Aufbaus

  • Abbildung der Organisationsstruktur

  • Einsatzindikatoren

  • Wirkung der Entlastung

  • Zufriedenheit mit dem vorhandenen Angebot

  • Erfassung von Verbesserungspotenzialen

  • Hintergründe zur Etablierung etc.

Schwerpunkte der Befragung bei Einrichtungen ohne strukturiertes Unterstützungsangebot

  • Notwendigkeit eines Unterstützungsangebots

  • Häufigkeit entsprechender Bedarfssituationen verschiedener Personengruppen

  • Potenziale für Belastung

  • Alternativen zur psychosozialen Unterstützung

  • Notwendigkeit zur Etablierung eines Unterstützungsangebots

  • Gründe für die fehlende Unterstützungsstruktur etc.

Die Befragung umfasste sowohl offene als auch geschlossene Fragen. Die geschlossenen Fragen waren sowohl als Single- als auch als Multiple-Choice-Fragen angelegt. Bei den Fragen zur subjektiven Einschätzung wurde als Bewertungsskala eine fünfstufige Likert-Skala zugrunde gelegt.

Erhebungszeitraum war vom 15.12.2021 bis 20.01.2022. Die Teilnahme an der Umfrage erfolgte unter Berücksichtigung der Datenschutzgrundverordnung. Eine Genehmigung durch eine Ethikkommission des Universitätsklinikums Bonn war nach erfolgter Beratung nicht notwendig, da keine patientenbezogenen Daten verwendet wurden. Das Studiendesign steht im Einklang mit der Deklaration von Helsinki [18].

Statistik

Die Datenerhebung und -auswertung erfolgte mit dem webbasierten Umfragetool der Firma SurveyMonkey® (https://www.surveymonkey.de). Die statistische Auswertung der quantitativen Daten erfolgte deskriptiv unter Angabe prozentualer sowie absoluter Häufigkeiten.

Ergebnisse

Teilnehmercharakteristika

Die Rücklaufquote lag mit 30 von 36 angefragten Einrichtungen bei 83 %. Dabei waren bis auf Brandenburg, Bremen, Hessen und Thüringen Rückmeldungen aller Bundesländer vertreten. Eine explizite Beschreibung der soziodemografischen Daten der Stichprobe ist Tab. 1 zu entnehmen.

Tab. 1 Soziodemografische Daten der Stichprobe

Ergebnisse aus Einrichtungen ohne strukturierte klinische Krisenintervention

23 % (n = 7) der Befragten gaben an, kein zusätzliches strukturiertes Angebot zur Unterstützung in krisenhaften Situationen zu haben. Die im folgenden Abschnitt dargestellten prozentualen und absoluten Angaben beziehen sich dementsprechend auf die Grundgesamtheit der Gruppe ohne vorhandene strukturierte klinische Krisenintervention und damit auf n = 7 Einrichtungen (100 %).

Häufigkeit und Bedarf

Aus dieser Gruppe gaben alle Befragten an, dass ihnen im Arbeitsalltag schon einmal Krisensituationen begegnet sind, in denen aus ihrer Sicht ein zusätzliches Kriseninterventionsangebot für Patient*innen, Angehörige/Begleitpersonen oder Mitarbeiter*innen sinnvoll oder notwendig gewesen wäre. 29 % (n = 2) gaben an, dass dies seltener als einmal pro Monat vorkommt. 57 % (n = 4) der Befragten gaben an, dass solche Situationen 1‑ bis 5‑mal pro Monat vorkommen, 14 % (n = 1) gaben an, dass die Häufigkeit bei > 5-mal pro Monat liegt.

Bei der Einschätzung der Befragten zu Situationen aus dem notfallmedizinischen Alltag, bei denen sie den größten Bedarf einer zusätzlichen Krisenintervention für Angehörige/Begleitpersonen sehen, wurden am häufigsten der Tod bzw. die schwere Verletzung im Kindesalter genannt. Weitere Situationen werden in Abb. 1 dargestellt (Abb. 1).

Abb. 1
figure 1

Situationen aus dem notfallmedizinischen Alltag mit dem größten Bedarf einer zusätzlichen Krisenintervention bei Einrichtungen ohne strukturierte KKI

Betrachtet man die Umfrage hinsichtlich des Potenzials für eine akute Belastung der Behandlungsteams selbst, so zeigt sich, dass in erster Linie der Tod eines Kollegen bzw. einer Kollegin gleichauf mit einem Übergriff oder Gewalt durch Patienten*innen oder Angehörige als belastend erlebt wird (Abb. 2).

Abb. 2
figure 2

Situationen mit hohem Potenzial für eine akute Belastung des Behandlungsteams bei Einrichtungen ohne strukturierte KKI

Lösungsansätze

86 % (n = 6) der Befragten gaben an, beim Auftreten solcher Situationen ad hoc ein Angebot zur Krisenintervention organisiert zu haben.

Dabei wurden in der qualitativen Abfrage folgende Lösungen benannt:

  • Konsiliarische Vorstellung bei den Kolleg*innen der Psychiatrie

  • Gemeinsame Lösung über Religion

  • Kriseninterventionsteam der Stadt

  • Klinikweites Coachingteam aktiviert

  • Supervisionen

Auswirkungen und Notwendigkeit

Negative Auswirkungen durch das Fehlen einer strukturierten Krisenintervention im notfallmedizinischen Bereich werden von den Befragten überwiegend für die beteiligten Mitarbeiter*innen beschrieben (86 %; n = 6) sowie für die betroffenen Angehörigen und Begleitpersonen (71 %; n = 5). Lediglich eine Person gab an, keine negativen Auswirkungen durch das Fehlen einer strukturierten Unterstützung zu beobachten. Dies spiegelt sich auch in der Frage nach dem Bedarf an klinischer Krisenintervention der verschiedenen Personengruppen wider. Bei Mitarbeiter*innen wird hier von 71 % (n = 5) der Befragten ein hoher bis sehr hoher Bedarf angegeben, bei Angehörigen lag die angegebene Einschätzung bei 57 % (n = 4).

Zusammenfassend sehen 86 % (n = 6) der Befragten die Notwendigkeit einer strukturierten Krisenintervention in ihrem Bereich als notwendig an.

Implementierungshindernisse

Als Gründe für die bislang nicht erfolgte Implementierung einer klinischen Krisenintervention in der jeweiligen Einrichtung gaben 71 % (n = 5) der Befragten fehlende finanzielle und personelle Ressourcen an, sowie das Fehlen eines tragfähigen Konzepts. Als weiterer Grund wurde von 43 % (n = 3) der Befragten die fehlende Unterstützung durch die übergeordneten Entscheidungsträger benannt. Vereinzelt wurde darüber hinaus benannt, dass niemand die Umsetzung in die Hand nimmt (29 %; n = 2) oder die Möglichkeit zur qualifizierten Ausbildung fehlt (14 %; n = 1). Ein Befragter gab an, dass seiner Einschätzung nach das medizinisch-pflegerische Versorgungsteam keinen Bedarf für die Implementierung einer klinischen Krisenintervention sieht.

Präsenz des Themas

Bezogen auf die Präsenz des Themas in den verschiedenen Berufsgruppen des Verantwortungsbereichs gaben 57 % (n = 4) der Befragten an, dass Sie das Thema psychosoziale Versorgung in der Berufsgruppe der Pflegenden für stark oder sehr stark präsent halten. Ebenfalls gaben 57 % (n = 4) der Befragten an, dass sie dies für das ärztliche Personal im Verantwortungsbereich als weniger präsent einschätzen. Über den Verantwortungsbereich hinaus vermuten 71 % (n = 5) der Befragten weniger oder sogar gar keine Präsenz des Themas.

Für den Fall einer Großschadenslage/Massenanfall von Verletzten (MANV) gaben die Befragten an, dass sie auf Versorgungsstrukturen der Präklinik zurückgreifen oder die internen Strukturen der psychiatrischen Kliniken sowie der Seelsorge nutzen. 57 % (n = 4) der Befragten konnten zur Zuständigkeit im Fall einer Großschadenslage/MANV keine Aussage treffen oder haben die Frage nicht beantwortet.

Ergebnisse aus Einrichtungen mit strukturierter klinischer Krisenintervention

77 % (n = 23) der 30 im Rahmen der Studie befragten Einrichtungen gaben an, ein über die pflegerisch-medizinische Versorgung hinausgehendes strukturiertes Unterstützungsangebot zu haben. Die im folgenden Abschnitt dargestellten prozentualen und absoluten Angaben beziehen sich dementsprechend auf die Grundgesamtheit der Gruppe mit vorhandener strukturierter klinischer Krisenintervention und damit auf n = 23 Einrichtungen (100 %).

Von diesen gaben 43 % (n = 10) an, auf ein Team mit eigenständiger Organisationsstruktur zurückgreifen zu können. 57 % (n = 13) greifen auf anderweitige Organisationsstrukturen zurück.

Alarmierung und Verfügbarkeit

Bezüglich der Alarmierung des Kriseninterventionsangebots zeigte sich, dass in 100 % (n = 23) der Einrichtungen die telefonische Anforderung möglich ist. Darüber hinaus wurden die Anforderung über Konsil (26 %, n = 6), Funk (4 %; n = 1), Mail (4 %; n = 1) oder Leitstelle (4 %, n = 1) als mögliche Option benannt.

61 % (n = 14) der Befragten gaben an, dass die Verfügbarkeit einer Krisenintervention über die beschriebene Struktur rund um die Uhr (24/7) gewährleistet ist. 22 % (n = 5) der Befragten beurteilten die Erreichbarkeit des Unterstützungsangebots als nicht verlässlich. 17 % (n = 4) gaben eine feste Erreichbarkeit zu verschiedenen Zeiten (z. B. angelehnt an den Regeldienst oder 8:00 Uhr–18:00 Uhr) an.

Einsatzhäufigkeit und -indikationen

Für Einrichtungen mit strukturierter Unterstützung lässt sich der Bedarf eines entsprechenden Unterstützungsangebots anhand der Häufigkeit der Inanspruchnahme der klinischen Krisenintervention in kritischen Situationen ableiten. Dies kommt in Abb. 3 zur Darstellung (Abb. 3).

Abb. 3
figure 3

Darstellung der durchschnittlichen Inanspruchnahme der klinischen Krisenintervention pro Monat bei Einrichtungen mit strukturierter KKI

In Bezug auf die unterschiedlichen Einsatzindikationen gaben 35 % (n = 8) der Befragten an, dass der plötzliche Tod eines/einer Patient*in im Kindes- und Jugendalter immer eine Indikation zur Inanspruchnahme der klinischen Krisenintervention für Angehörige und Begleitpersonen darstellt. Weitere 43 % (n = 10) gaben an, dass das Unterstützungsangebot in diesem Fall häufig wahrgenommen wird. Auch bei schweren Verletzungen, z. B. nach Unfall, Gewaltverbrechen oder Suizidversuch, eines/einer Patient*in im Kindes- und Jugendalter beschrieben 61 % (n = 14) der Befragten, dass sie auch hier das Kriseninterventionsangebot häufig (35 %/n = 8) oder immer (26 %/n = 6) in Anspruch nehmen (Abb. 4b). Jeweils 48 % (n = 11) der Befragten gaben dies auch bei denselben Indikationen (plötzlicher Tod/schwere Verletzung) im Erwachsenenalter an (Abb. 4a).

Abb. 4
figure 4

Säulendiagramm zur Inanspruchnahme der klinischen Krisenintervention für Patient*innen und deren Angehörige/Begleitpersonen bei Einrichtungen mit strukturierter KKI nach Einsatzindikation (Mehrfachnennung möglich). a Patient*innen im Erwachsenenalter, b Patient*innen im Kindes- und Jugendalter

Weitere Indikationen (z. B. schwere Erkrankungen) nehmen eine eher untergeordnete Rolle ein.

Bei den Einsatzindikationen für die Betreuung belasteter Mitarbeiter*innen nahmen der Tod einer/eines Kolleg*in (30 %/n = 7) sowie der Übergriff oder die Gewalttat durch Patient*innen, Angehörige oder Beschäftigte (30 %/n = 7) die größte Bedeutung ein.

Bei Überforderung im Arbeitsalltag (n = 21) sowie personengefährdenden Fehlern im Arbeitskontext (n = 22) gaben hingegen jeweils über 90 % der Befragten an, dass eine psychosoziale Unterstützung nie oder selten in Anspruch genommen wird.

Gleichzeitig geben 70 % der Befragten (n = 16) an, dass die Anwesenheit einer zusätzlichen Unterstützungsmöglichkeit in Krisensituationen vom Behandlungsteam als Entlastung erlebt wird.

In 48 % (n = 11) der Fälle ist das dargestellte Team in das Krisenmanagement im MANV-Fall eingebunden. In 35 % (n = 8) findet keine Einbindung statt. 17 % (n = 4) der Befragten können hierzu keine Aussage treffen.

Zufriedenheit und Verbesserungspotenziale

Die verfügbaren Strukturen werden von 57 % (n = 13) der Befragten in Bezug auf die zeitliche Abdeckung des Angebots als zufriedenstellend oder sehr zufriedenstellend bewertet. 22 % (n = 5) der Befragten gaben an, mit der zeitlichen Abdeckung der Krisenintervention nicht oder sogar überhaupt nicht zufrieden zu sein. 48 % (n = 11) gaben an, dass sie mit dem Unterstützungsangebot in ihrem Bereich insgesamt zufrieden oder sehr zufrieden sind. 30 % (n = 7) sind hingegen nicht oder überhaupt nicht zufrieden.

Die Frage nach möglichem Verbesserungspotenzial wurde wie folgt beantwortet: Mehrfach wurden die Aspekte einer ständigen Verfügbarkeit und einer guten strukturellen und organisationalen Einbindung des Angebots sowie die Kommunikation und Information des vorhandenen Angebots zur Steigerung der Bekanntheit und der Ermöglichung einer niederschwelligen Inanspruchnahme aufgeführt. Ebenso wurde die Qualifikation der Mitarbeiter*innen in der Krisenintervention sowie der Behandlungsteams mehrfach benannt. Weitere Aspekte zur Verbesserung der aktuellen Versorgungssituation waren die Verkürzung der Reaktionszeit, die Steigerung der Akzeptanz in den Versorgungsteams, ein kulturspezifisches Angebot sowie die klare Zuständigkeit für die Unterstützung belasteter Mitarbeiter*innen auch durch Peer Support.

Fördernde Faktoren und Präsenz des Themas

Faktoren, die zum Aufbau des strukturierten Kriseninterventionsangebots geführt haben, werden in Infobox 2 aufgeführt.

Infobox 2

Faktoren, die zum Aufbau des strukturierten Kriseninterventionsangebots geführt haben

  • Aufbau des Angebots auf aktiven Wunsch der Behandlungsteams

  • Vorhandener Bedarf konnte durch die bestehenden Strukturen (z. B. Klinikseelsorge) nicht mehr abgedeckt werden

  • Anknüpfbarkeit an die präklinischen Strukturen

  • Durch COVID-19 entstandener zusätzlicher Bedarf

Die Frage nach der Präsenz des Themas „psychosoziale Versorgung“ wurde von insgesamt 22 Befragten beantwortet. Für das pflegerische Personal in den notfallmedizinischen Bereichen wurde hierbei mit 77 % (n = 17) der höchste Wert erreicht. Für das ärztliche Personal wurden 55 % (n = 12) mit präsent bis stark präsent angegeben, während 45 % (n = 10) mit wenig oder gar nicht präsent angegeben wurden. Über den notfallmedizinischen Versorgungsbereich der Kliniken hinaus gaben lediglich 32 % (n = 7) der Befragten an, dass sie das Thema für präsent oder stark präsent halten. Wenig oder gar nicht präsent wurde es für 68 % (n = 15) der weiteren Bereiche des jeweiligen Klinikums eingeschätzt.

Bei den Eirichtungen mit strukturierter klinischer Krisenintervention wird zwischen Teams mit eigenständiger Organisationsstruktur und Angeboten mit anderen Organisationsstrukturen unterschieden.

Spezifika klinischer Kriseninterventionsteams mit eigenständiger Organisationsstruktur

Teams mit eigenständiger Organisationsstruktur (n = 10) zeichnen sich durch die autarke Sicherstellung der klinischen Krisenintervention in ihren Einrichtungen aus und setzen sich überwiegend zusammen aus

  • Seelsorger*innen,

  • Psycholog*innen und

  • pflegerischem Personal.

In einzelnen Teams wurden darüber hinaus auch ärztliches Personal sowie Sozialarbeiter*innen benannt.

Alle Befragten aus den 10 Einrichtungen, in denen Teams mit eigenständiger Organisationsstruktur aufgeführt wurden, gaben an, dass diese Teams für die Betreuung von Mitarbeiter*innen zuständig sind. 90 % (n = 9) dieser Teams sind darüber hinaus für die Betreuung von Patient*innen und 80 % (n = 8) auch für die Angehörigenbetreuung zuständig.

50 % (n = 5) der Befragten gaben an, dass die Mitglieder des Teams eine Zusatzausbildung in der Krisenintervention oder der psychosozialen Notfallversorgung absolviert haben. 40 % (n = 4) können die Frage nicht beantworten. Eine Person gab an, dass keine Zusatzausbildung vorhanden ist.

Als zusätzliche externe Unterstützungsangebote in Krisensituationen werden die Notfallseelsorge (70 %, n = 7) oder präklinische Kriseninterventionsteams (50 %; n = 5) benannt.

Spezifika klinischer Kriseninterventionsteams mit anderweitigen Organisationsstrukturen

Einrichtungen, die kein Team zur eigenständigen Sicherstellung der klinischen Krisenintervention vorhalten (n = 13), greifen in Krisensituationen auf anderweitige einrichtungsinterne oder externe Organisationsstrukturen zurück. Dies wird in 100 % (n = 13) der Einrichtungen unter anderem durch die interne Seelsorge abgebildet. Im Rahmen der Mehrfachnennungen wird darüber hinaus von 70 % der Befragten die Psychiatrie/Psychosomatik benannt, sowie angestellte Psycholog*innen aus dem intensiv- und notfallmedizinischen Bereich der Kliniken (23 %; n = 3), der betriebsärztliche Dienst (15 %; n = 2) und die klinische Ethikberatung (8 %; n = 1).

Weiterhin werden folgende externe Unterstützungsangebote in Anspruch genommen: Notfallseelsorge (62 %; n = 8), präklinische Kriseninterventionsteams (46 %; n = 6), Medizinisches Versorgungszentrum (MVZ; 8 %; n = 1).

Zwei der Befragten (15 %) geben an, dass ihnen kein externer Ansprechpartner bekannt ist.

Diskussion

Die vorliegende Studie evaluiert erstmalig die vorhandenen Strukturen der klinischen Krisenintervention an deutschen universitären Notaufnahmen. Die Ergebnisse der durchgeführten Untersuchung erlauben eine Bestandsaufnahme sowie die Beschreibung quantitativer und qualitativer Merkmale der bestehenden Strukturen aus Sicht der Notaufnahmeleiter*innen. Weiterhin können auf Basis der Daten darüber hinausgehende Bedarfe und Indikationen aufgezeigt werden, um prospektiv mögliche Entwicklungen für das wichtige Themenfeld ableiten zu können.

Die Ergebnisse zeichnen erwartungsgemäß kein homogenes Bild zur aktuellen Situation strukturierter klinischer Krisenintervention in deutschen Notaufnahmen. Aufgrund bislang fehlender Qualitätsstandards und Leitlinien für die innerklinische Krisenintervention ergibt sich in logischer Konsequenz die Notwendigkeit für die Kliniken, die entsprechenden Strukturen eigenständig zu erarbeiten. Dabei orientieren sie sich an unterschiedlichen bestehenden präklinischen Konzepten wie z. B. der Notfallseelsorge, städtischen Kriseninterventionsteams, dem innerklinischen Sozialdienst, Klinikseelsorge etc. Hieraus ergeben sich hoch individuelle Strukturen bezüglich der Anbindung vorhandener Teams, der Verfügbarkeit weiterer externer und interner Ressourcen, der konkreten Prozesse für die Alarmierung sowie der Zusammensetzung und Ausbildung der Akteure. Auf die Gefahren einer entsprechenden unsystematischen und hoch diversen Entwicklung wurde bereits in anderen Arbeiten hingewiesen [2].

Die vorliegenden Daten zeigen, dass auch in den Häusern mit strukturierter Krisenintervention die Zufriedenheit mit dem jeweiligen Angebot und der Verfügbarkeit nicht sehr hoch ist. Dieses Ergebnis bestätigt die Ergebnisse vorheriger Studien sowie Empfehlungen der Fachgesellschaften, die ebenfalls aufzeigen, dass vorhandene Angebote nicht passgenau sind und Entwicklung erfordern [6, 13]. Umso wichtiger erscheint es, dass weiter an der Qualität, einer standardisierten Ausbildung und auch einer Erweiterung der individuellen Verfügbarkeiten in den Häusern gearbeitet wird. Es gilt weiterhin zu beachten, dass über die Kompetenz im Kriseninterventionsteam hinaus auch die medizinischen Versorgungsteams eine gute Information sowie die Kompetenz zur Steuerung und Intervention in der akuten Krisensituation brauchen.

Die vorliegenden Daten legen den Schluss nahe, dass das Wissen um vorhandene Strukturen oder zumindest die Kenntnis möglicher Unterstützungsangebote – auch wenn diese in nichtstrukturierter Form vorliegen – die Behandlungsteams vor und in der Akutsituation enorm entlastet. Gestützt wird diese Annahme durch die hohe Anzahl der Situationen, in denen Einrichtungen ohne strukturierte Krisenintervention ein Unterstützungsangebot als notwendig erachteten.

Die höchste Akzeptanz zur Inanspruchnahme der vorhandenen Unterstützungsangebote ist den Daten zufolge bei der Beteiligung von Kindern und Jugendlichen sowie im Rahmen der Mitarbeiter*innenbetreuung in Extremsituationen, wie z. B. Übergriffen oder Gewalttaten durch Patienten*innen, Angehörige oder Kolleg*innen, zu erwarten. Es erscheint wichtig, die Gründe für die eher geringe Akzeptanz in anderen Situationen näher zu betrachten und möglicherweise situations- und zielgruppenspezifische Angebote zu entwickeln. Die vorliegende Studie legt insgesamt die größte Akzeptanz und thematische Relevanz für die Berufsgruppe der Pflegenden nahe. Da andere Veröffentlichungen darauf hinweisen, dass auch die Berufsgruppe der Ärzt*innen erhebliche Belastung durch krisenhafte Situationen im Arbeitsalltag erfährt, erscheint insbesondere die weiterführende Frage relevant, wie die Anerkennung für die vorhandenen Belastungen und eine Inanspruchnahme entsprechender Unterstützungsangebote auch im ärztlichen Dienst gesteigert werden kann [12, 13].

Zur psychischen Gesunderhaltung aller betroffenen Akteur*innen und zum Erhalt ihrer Lebensqualität und Arbeitsfähigkeit fordern Fachgesellschaften wie z. B. die Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI), die Unfallkassen (Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung e. V. [DGUV] 2015, 2017) sowie das Bundesministerium für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK), im Krankenhausalarm und -einsatzplan entsprechende Strukturen und zielgruppenspezifische Angebote zur psychosozialen Notfallversorgung von Betroffenen im klinischen Alltag vorzuhalten [3, 6]. Damit soll sichergestellt werden, dass Mitarbeiter*innen, die von einem potenziell traumatisierenden Ereignis betroffen sind, angemessene Unterstützung zur Erfahrungsverarbeitung und Nachsorge erhalten, um sie vor Traumafolgestörungen und psychischen Fehlbeanspruchungsfolgen zu schützen.

Auch den Vorgaben des Arbeitsschutzgesetzes entsprechend, sind Gefährdungen für die Gesundheit der Mitarbeiter*innen möglichst zu vermeiden und die Arbeit zum Schutze dieser entsprechend zu gestalten [1]. Die Arbeit im notfallmedizinischen Umfeld birgt immer auch die Gefahr einer tätigkeitsbedingten psychischen Extrembelastung (sekundäre Traumatisierung), sodass es besonders für dieses Tätigkeitsfeld die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers umzusetzen gilt [5, 9, 12].

Einhergehend mit den aktuellen gesundheitspolitischen Diskussionen rund um die notwendige Entlastung der Gesundheitsfachberufe gilt es, für die zukünftige Weiterentwicklung und Professionalisierung der Unterstützungsangebote auch die Frage der Refinanzierung für die Leistungserbringer eingehend zu betrachten.

Gleichzeitig erscheinen weitere wissenschaftliche Analysen aus anderen Perspektiven (z. B. Pflege, Leitungen der Krisenintervention, Seelsorge etc.) als erstrebenswerte Fragestellung für mögliche Folgeerhebungen, um ein vollumfängliches Bild der klinischen Krisenintervention in deutschen Notaufnahmen zeichnen zu können.

Limitationen

Die durchgeführte Studie hat mehrere Limitationen. Durch die ausschließliche Befragung von zentralen Notaufnahmen an Universitätskliniken ist eine allgemeine Aussage zu außeruniversitären Einrichtungen über die Strukturen der klinischen Krisenintervention nicht möglich. Inwieweit bereits Strukturen einer KKI an Häusern der Basis- bzw. erweiterten Notfallversorgung etabliert wurden, bleibt unklar und bedarf weiterer Studien. Auch ist eine Aussage zu besonderen Einrichtungen, wie z. B. in psychiatrischen/psychosomatischen Fachkliniken, nicht möglich.

Trotz der sehr guten Rücklaufquote von 83 % sind nicht aus allen Bundesländern Rückläufe eingegangen. Die Autoren bewerten diesen Sachverhalt allerdings als vernachlässigbar und sind der Meinung, dass hierdurch kein Bias in Bezug auf die Kernaussage der vorgelegten Arbeit besteht.

Fazit

  • Mehr Häuser als gedacht weisen eine strukturierte Krisenintervention auf.

  • Die Systeme sind sehr heterogen aufgebaut.

  • Der Bedarf wird gesehen und die Notwendigkeit zum Aufbau entsprechender Strukturen erkannt.

  • Die Anwesenheit einer klinischen Krisenintervention wird vom Behandlungsteam als Entlastung wahrgenommen.