Lernziele

Nach der Lektüre dieses Beitrags können Sie

  • einen Schlaganfall als solchen schnell erkennen und mögliche Tests zur Abschätzung der Schlaganfallschwere durchführen.

  • Entscheidungen zur Auswahl der Zielklinik für Patienten mit Schlaganfall verstehen.

  • eine präzise Klinikvoranmeldung durchführen.

  • die medikamentöse und nichtmedikamentöse Schlaganfalltherapie prähospital beginnen.

  • Ansätze zur zukünftigen Optimierung der prähospitalen Schlaganfallversorgung verstehen.

Einleitung

Mit etwa 270.000 Krankheitsfällen pro Jahr zählt der Schlaganfall zu den häufigsten Erkrankungen in Deutschland und ist eine der führenden Ursachen von Morbidität und Mortalität [1]. Daher führen akute Schlaganfälle zu häufigen Einsätzen im Rettungsdienst.

Es wird zwischen dem ischämischen (Gefäßverschluss) und hämorrhagischen Schlaganfall (Hirnblutung) unterschieden, wobei ersterer mit etwa 85 % den Hauptanteil ausmacht. Eine Differenzierung der Schlaganfallformen ist erst nach bildgebender Diagnostik möglich, sodass sich die Versorgung in der prähospitalen Phase nicht unterscheidet, somit aber auch keine Möglichkeit einer spezifischen prähospitalen Therapie besteht.

Durch die Einführung der endovaskulären Schlaganfalltherapie (EVT) zusätzlich zur systemischen Thrombolyse gibt es beim ischämischen Schlaganfall hocheffektive Behandlungsmöglichkeiten. Die Effektivität dieser Therapien sowie die Normalisierung einer Hypertonie und veränderten Hämostase bei intrazerebralen Blutungen (ICB) sind streng zeitabhängig und effektiver, je schneller die Therapieeinleitung erfolgt [2, 3, 4]. Da eine EVT nur in Kliniken mit entsprechender Infrastruktur zur Thrombektomie durchgeführt werden kann, haben sich durch ihre Einführung die Anforderungen an die Zuweiser von Patienten mit Schlaganfall geändert. Daher sind neben der korrekten Erkennung des Schlaganfalls eine Schweregradeinschätzung und schnellstmögliche, aber präzise Klinikzuweisung von großer Bedeutung.

Fallbeispiel

Sie werden um 18 Uhr zu einer 69-jährigen Patientin mit akuter Sprachstörung gerufen. Laut Ehemann fielen die Symptome um 15 Uhr auf. Auf konkrete Nachfrage erfahren Sie, dass die Patientin um 12 Uhr zuletzt im guten Vorzustand (keine Vorerkrankungen) gesehen wurde, als der Ehemann das Haus verließ. Der FAST-Test („Face, arm, speech, time“/Gesicht, Arm, Sprache, Zeit) zeigt die Sprachstörung und eine Lähmung der rechten Körperseite mit hängendem Mundwinkel. Der zur Einschätzung der Schlaganfallschwere durchgeführte Test mit der Shortened National Institutes of Health Stroke Scale for Emergency Medical Services (sNIHSS-EMS) ergibt 9 Punkte. Der Blutdruck ist mit 178/92 mm Hg hypertensiv entgleist bei normalem Puls, keinem Fieber und Normoglykämie. Sie stellen die Diagnose eines schweren Schlaganfallsyndroms, entscheiden sich zur Direkteinweisung in das nächste Thrombektomiezentrum (Fahrtzeitverlängerung von 15 min im Vergleich zur nächsten Stroke Unit) und legen unterwegs einen intravenösen Zugang.

Schlaganfallerkennung und Schweregradeinschätzung

Klinisch ist ein akuter Schlaganfall durch ein akut aufgetretenes neurologisches Defizit gekennzeichnet, das im Zeitraum der letzten 24h aufgetreten ist. Zur Erkennung des Schlaganfalls als solchen wird in der aktuellen Leitlinie „Akuttherapie des ischämischen Schlaganfalls“ die Anwendung einer etablierten Skala empfohlen. Hier hat sich die FAST-Skala („Face, arm, speech, time“/Gesicht, Arm, Sprache, Zeit) als einfach und schnell anwendbarer Test mit einer hohen Sensitivität (82 %) durchgesetzt. Aufgrund der geringen Spezifität (13 %) ist sie jedoch nicht geeignet, andere Diagnosen auszuschließen [1]. Weitere wichtige Symptome, bei denen im Falle einer fehlenden alternativen Ursache der Verdacht auf einen Schlaganfall geäußert werden sollte, sind plötzlich aufgetretener „starker Kopfschmerz“, „akuter Schwankschwindel“ und „Sehstörungen“.

Mithilfe des FAST-Tests ist zwar eine gute Erkennung des Schlaganfalls möglich, jedoch keine Beurteilung des Schweregrads, die für die Identifikation von Patienten, die für eine EVT infrage kommen, wichtig ist. Hierfür existieren mehrere komplexe Scores, aber eine Festlegung auf einen Test gibt es bislang nicht [1]. Innerklinisch wird zur Beurteilung von Patienten mit Schlaganfall sowohl in der Akutdiagnostik als auch zur Verlaufsbeurteilung die National Institutes of Health Stroke Scale (NIHSS) angewendet. Diese Skala umfasst 11 Unterpunkte. Ihre präklinische Anwendung wurde jüngst in einer clusterrandomisierten Studie untersucht. Im Ergebnis bringt die Etablierung, die mit großem Trainingsaufwand verbunden ist, nur einen marginalen Vorteil in der Erkennung leichter Schlaganfälle [5].

Zur präklinischen Beurteilung von Patienten mit Schlaganfall ist eine verkürzte Version der NIHSS eher zu empfehlen, beispielsweise die Shortened National Institutes of Health Stroke Scale for Emergency Medical Services (sNIHSS-EMS). Die sNIHSS-EMS wurde speziell gemeinsam mit dem Rettungsdienst entwickelt und ermöglicht eine gleichzeitige Schlaganfallerkennung und Schweregradbewertung (Abb. 1, Punkt 1; [6]). Studiendaten empfehlen einen Cut-off-Wert von ≥ 6 zur Prädiktion eines Großgefäßverschlusses (Sensitivität 70 %, Spezifität 81 %; [6]). Da die sNIHSS-EMS auch die Tests zur Schlaganfallerkennung einschließt, kann bei ihrer Anwendung auf den FAST-Test verzichtet werden. Alternativ kann die Kombination aus Hemiparese und einem kortikalen Symptom (Aphasie oder Neglect) bzw. einer Kopf‑/Blickwendung hilfreich sein, um Patienten mit einem Großgefäßverschluss zu erkennen [7, 8]. Weitere Möglichkeiten sind unter anderem der G‑FAST-Test, in dem Blickwendung („gaze“), faziale Parese, Armparese und Sprachstörungen getestet werden, oder der CG-FAST-Test (Conveniently Grasped Field Assessment Stroke Triage), der zusätzlich noch Fragen zum Bewusstseinszustand abfragt. Trotz Vereinfachung der Skalen im Vergleich zur innerklinischen NIHSS ist eine regelmäßige Schulung des Rettungspersonals im Erkennen und Einordnen der Schlaganfallsymptome wichtig.

Abb. 1
figure 1

Beispiel eines Schlaganfallnotfallprotokolls für den Rettungsdienst. Strukturiert werden die wichtigsten Informationen abgefragt. Unter Punkt 1 sind die Untersuchungen zur Schlaganfallerkennung und Schweregradbeurteilung anhand der Shortened National Institutes of Health Stroke Scale for Emergency Medical Services (sNIHSS-EMS) aufgeführt. Versionen der digitalen Voranmeldung orientieren sich an diesem Protokoll (abrufbar unter www.fast-schlaganfall.de)

Merke

Zur Erkennung des Schlaganfalls ist der FAST-Test etabliert, zur kombinierten Erkennung und Beurteilung der Schlaganfallschwere sind beispielsweise die sNIHSS-EMS oder vergleichbare Scores zur Schweregradeinteilung hilfreicher.

Thrombolyse und endovaskuläre Therapie

Ein Verständnis der innerklinischen Akuttherapien ist wichtig, um prähospital die richtige Zielklinik für den individuellen Patienten auswählen zu können. Die spezifische Akuttherapie des ischämischen Schlaganfalls besteht in der Rekanalisation eines verschlossenen hirnversorgenden Gefäßes mittels EVT („Thrombektomie“) sowie systemischer Thrombolyse. Nach Ausschluss von Kontraindikationen wird die systemische, das heißt intravenöse Thrombolyse routinemäßig in einem Zeitfenster von 4,5 h, bei geeigneten Patienten auch im unklaren Zeitfenster oder im erweiterten Zeitfenster bis 9 h unter Zuhilfenahme der Magnetresonanztomographie und/oder einer magnetresonanz- bzw. computertomographiegestützten Perfusionsbildgebung eingesetzt.

Bei der EVT werden mit verschiedenen Arten spezieller Katheterverfahren hirnversorgende Gefäßverschlüsse rekanalisiert. Dies kann abhängig von den jeweiligen bildgebenden und patientenspezifischen Kriterien zusammen mit oder ohne vorherige Thrombolyse erfolgen. Wenngleich eine zeitliche Obergrenze von 24 h üblich ist, können einzelne Patienten auch noch darüber hinaus endovaskulär behandelt werden [9]. Neben der Erweiterung des Zeitfensters zeigen jüngste Studienergebnisse die Effektivität einer EVT auch bei Patienten mit ausgedehnteren Infarktfrühzeichen [10, 11]. Daher kommen für eine kausale Akuttherapie immer mehr Patienten infrage, für die auch im erweiterten Zeitfenster unverändert die Regel „time is brain“ gilt und eine schnellstmögliche Klinikzuweisung erfolgen soll.

Merke

Rekanalisierende Akuttherapien (Thrombolyse und EVT) beim ischämischen Schlaganfall können bei geeigneten Patienten bis zu einem erweiterten Zeitfenster von 24 h eingesetzt werden.

Auswahl der geeigneten Zielklinik

Grundsätzlich sollen alle Patienten mit einem akuten Schlaganfall bzw. einer transitorischen ischämischen Attacke in eine Klinik mit Stroke Unit gebracht werden, wo die Möglichkeit zur Akutdiagnostik und Thrombolysetherapie besteht. Allerdings ist bei Großgefäßverschlüssen die alleinige Thrombolyse nur in etwa 10–20 % der Fälle effektiv. Zwar sollte daher vor jeder Sekundärverlegung möglichst eine Lysetherapie begonnen werden [12], basierend auf der Erfahrung, dass jede Sekundärverlegung zusätzlich Zeit benötigt, läge es aber auf der Hand, für Patienten mit schwerem Schlaganfallsyndrom eine Direktzuweisung in Thrombektomiezentren zu favorisieren. Daten aus prospektiven, randomisierten Studien über einen Vorteil dieses Zuweisungskonzepts gibt es in Deutschland bislang jedoch nicht. Eine Studie aus ländlichen Gebieten in Spanien (RACECAT) konnte bezogen auf das funktionelle Ergebnis nach 90 Tagen keinen Vorteil einer skalenbasierten prähospitalen Triage für eine Direktzuweisung in ein Thrombektomiezentrum zeigen [13].

Eine andere Möglichkeit, die Zeit bis zur EVT zu verkürzen, besteht darin, den Neurointerventionalisten zum Patienten zu bringen, statt Letzteren sekundär in ein Thrombektomiezentrum zu verlegen. Eine Studie aus ländlichen Gebieten in Südbayern zeigte, dass hierdurch häufiger eine EVT erfolgen und die Zeit bis zum Beginn der EVT verkürzt werden konnte, allerdings ohne Vorteil hinsichtlich des funktionellen Outcomes [14]. Weitere Studien unterstützen diese Ergebnisse [15].

Damit gibt es zum aktuellen Zeitpunkt keine klare Empfehlung, nach welcher die „richtige“ Zielklinik ausgewählt werden soll. Das stellt das Rettungspersonal vor eine große Herausforderung, da Patienten ohne Großgefäßverschluss von der schnellen Einleitung einer Lysetherapie in der lokalen Stroke Unit profitieren, während für Patienten mit einem Großgefäßverschluss durch eine Sekundärverlegung die Zeit bis zur Thrombektomie verlängert wird. Da in Studien kein Vorteil der Direktzuweisung hinsichtlich des funktionellen Ergebnisses gezeigt werden konnte, könnte geschlussfolgert werden, alle Patienten in die nächstgelegene Stroke Unit zu transportieren. Allerdings ist zu berücksichtigen dass in der spanischen RACECAT-Studie die Direktzuweisung an das Thrombektomiezentrum aufgrund der geografischen Lage oft zu einer Fahrtzeitverlängerung von über 60 min führte [13].

In vielen Regionen Deutschlands wird daher aktuell erwogen, Patienten mit einem schweren Schlaganfallsyndrom direkt in ein Thrombektomiezentrum einzuweisen, sofern dies mit einer geringen Fahrtzeitverzögerung möglich ist. Laut Leitlinie könnte in Ballungsgebieten eine Direktzuweisung bei einer Fahrtzeit von < 30–45 min bevorzugt werden, bei längeren Fahrtzeiten sollte der Primärtransport in die nächstgelegene Stroke Unit erfolgen [1]. Studiendaten für einen entsprechenden Cut-off-Wert gibt es jedoch nicht. Eine Kombination aus der skalenbasierten Schweregradbeurteilung und einer telefonischen Absprache mit den Neurologen der Zielklinik bzw. einer Telekonsultation ist zu empfehlen (Näheres siehe Abschnitt „Notarztbegleitung/Telenotarzt als Option?“), um den Transportweg zu präzisieren und Behandlungszeiten zu verkürzen. Gerade in Gebieten mit weiten Fahrtstrecken zum Thrombektomiezentrum stellt die Option des Drive-the-doctor- oder Fly-the-doctor-Konzepts für Entscheidungen zur Sekundärverlegung eine Alternative dar, sofern das Zentrum über eine entsprechende Ausstattung zur Thrombektomie verfügt, da so die Fahrtzeit des Neurointerventionalisten für die Patientenvorbereitung genutzt werden kann.

Basierend auf der Studienlage kann zum aktuellen Zeitpunkt keine allgemeine Empfehlung zur Klinikzuweisung gegeben werden, sodass jede Region selbst organisieren muss, wie sie das Zuweisungskonzept gestaltet. Hierzu gehört auch, frühzeitig die Luftrettung einzubeziehen.

Merke

Das Zuweisungskonzept ist von regionalen Gegebenheiten abhängig, bei geringer Fahrtzeitverzögerung (beispielsweise < 30 min) und schwerem Schlaganfallsyndrom kann eine Direktzuweisung an das Thrombektomiezentrum erwogen werden. Eine Kombination aus skalenbasierter Schweregradbeurteilung und telefonischer Konsultation der Klinikärzte oder Teleneurologen ist hierbei zu empfehlen.

(Digitale) Voranmeldung

Die präzise Voranmeldung von Patienten mit Schlaganfall ist unerlässlich, um die innerklinischen Behandlungspfade einzuleiten. Hierfür empfehlen sich strukturierte Protokolle (Abb. 1), um gegebenenfalls nur am Einsatzort zu klärende Sachverhalte zu erfassen:

  • Patientenidentifikation

  • Neurologische Symptome/Schweregrad

  • Zeitpunkt des Symptombeginns und des letztmaligen Zeitpunkts ohne die akuten neurologischen Symptome (= „last seen well“)

  • ABC(D)E-Probleme („airway, breathing, circulation, [disability], environment“/Atemweg, Atmung, Kreislauf, [neurologische Defizite], Umgebung)

  • Vorzustand

  • Antikoagulanzientherapie

  • Telefonnummer, unter der Angehörige durchgängig erreichbar sind

  • Erwarteter Zeitpunkt des Eintreffens in der Klinik

Diese Informationen werden optimalerweise digital per Tablet erfasst und übermittelt. Während der Anfahrt können zusätzlich telefonisch weitere Fragen geklärt werden. Pauschale Abmeldungen von Kliniken ohne Trennung zwischen „Notfallversorgung“ und „stationärer Versorgung“ sind problematisch, wenn hierdurch Verzögerungen in der Akutdiagnostik und -therapie entstehen, da eine Thrombolysetherapie auch ohne freies Stroke-Unit-Bett am selben Standort durchgeführt werden kann.

Merke

Eine präzise Voranmeldung von Patienten nach strukturierten Protokollen ist für die effektive innerklinische Behandlung wichtig. Fehlende Kapazitäten in der stationären Versorgung dürfen nicht zur pauschalen Abmeldung der Notfallstrukturen führen.

Notarztbegleitung/Telenotarzt als Option?

Bei wachen Patienten mit Schlaganfall ohne ABC-Problem (ABC „airway, breathing, circulation“/Atemweg, Atmung, Kreislauf) ist unter Berücksichtigung der zeitkritischen Erkrankung in der Regel eine Verlegung mit Rettungswagen ohne Arztbegleitung ausreichend. Eine prähospitale Notarztversorgung und -begleitung ist bei kreislaufinstabilen Patienten oder Notwendigkeit der Korrektur von Vitalparametern indiziert, was meist nach Erstkontakt durch die Leitstellen gebahnt wird. Zudem erfordert eine Sekundärverlegung unter laufender Lysetherapie u.U. eine Arztbegleitung (je nach Region und Absprachen innerhalb eines lokalen Rettungsdienstkonzepts dürfen auch Aufgaben auf Notfallsanitäter delegiert werden), da gegebenenfalls Medikamentengaben zur Senkung des Blutdrucks erfolgen oder Entscheidungen über eine Therapieunterbrechung getroffen werden müssen. Selten können auch Angioödeme unter der Thrombolysetherapie auftreten (laut Fachinformation in < 1 von 1000 Fällen), die neben dem sofortigen Therapiestopp die Gabe von Prednisolon und Clemastin erfordern.

Ein vielversprechender Ansatz, die fachärztliche Expertise in der Schlaganfallversorgung präklinisch zur Verfügung zu stellen, besteht im Einsatz von neurologischen Telenotärzten. Das Telenotarztkonzept wird zur Optimierung der Notfallversorgung im Allgemeinen vom Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) empfohlen und gefördert. Während in Studien der Einsatz nichtneurologischer Telenotärzte keinen Vorteil zeigte [16], waren Telekonsultationen zwischen Rettungspersonal und Teleneurologen per Telefon bei der Einschätzung der Schlaganfallschwere und der Auswahl der Zielklinik hilfreich und führten zu einem häufigeren und schnelleren Einsatz rekanalisierender Therapien [17]. Zudem führte die prähospitale Telekonsultation mittels Videoanruf zu einer effektiven Behandlung der Patienten [18]. In Deutschland gibt es bislang keine neurologischen oder in der Schlaganfallmedizin ausgebildeten Telenotärzte. In einzelnen Regionen stehen aber Teleneurologen neben den Partnerkliniken als telefonische Ansprechpartner für das Rettungspersonal zur Verfügung, was im Stockholm-Stroke-Triage-Projekt zu einer Verbesserung der Schlaganfallversorgung geführt hat [17]. Ein weiterer Ausbau dieser telefonischen Konsultationsmöglichkeiten sowie die Etablierung von neurologischen Telenotärzten könnte die Schlaganfallversorgung weiter verbessern.

Merke

Statment DSG (Deutsche Schlaganfallgesellschaft) liegt vor, NA Begleitung unter Lyse nicht immer notwendig. Bei ausgewählten, anderweitig stabilen Betroffenen kann ein Sekundärtransport unter Lysetherapie unter Umständen auch durch geschultes Rettungsdienstpersonal erfolgen.

Prähospitales Akutmanagement

Da die Schlaganfalltherapie zeitkritisch ist, aber erst nach bildgebender Diagnostik in der Klinik erfolgen kann, sollen alle prähospitalen Maßnahmen mit einer hierdurch bedingten Transportverzögerung kritisch abgewogen werden. Anders als etwa beim akuten Koronarsyndrom ist eine prähospitale Therapie mit gerinnungshemmenden Medikamenten streng kontraindiziert. Versuche, durch prähospital eingeleitete neuroprotektive Behandlungen das funktionelle Outcome zu verbessern, haben in Studien bislang keinen Vorteil gezeigt [19].

Die Empfehlungen aus den Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Neurologie [1] für das prähospitale Management von Patienten mit akutem Schlaganfall sind in Infobox 1 zusammengefasst.

Infobox 1 Leitlinienempfehlungen für das prähospitale Management von Patienten mit akutem Schlaganfall

  1. 1.

    Sauerstoffgabe: nicht routinemäßig; bei einer Sauerstoffsättigung < 95 %

  2. 2.

    Intravenöse Medikamentengabe und Infusionen: periphere Venenverweilkanüle anlegen (möglichst an der nichtparetischen Körperseite)

  3. 3.

    Intramuskuläre Medikamentengabe: kontraindiziert

  4. 4.

    Antikoagulanzien oder Thrombozytenaggregationshemmer: kontraindiziert

  5. 5.

    Blutdruckwerte systolisch <110mmHg: mit Vollelektrolytlösung, bei fehlendem Erfolg gegebenenfalls mit vasoaktiven Substanzen behandeln

  6. 6.

    Blutdruckwerte systolisch ≥220mmHg/diastolisch ≥120mmHg: können behandelt werden

  7. 7.

    Temperaturerhöhung (> 37,5 °C): Gabe von antipyretischen Substanzen erwägen

  8. 8.

    Blutzucker: messen! Wenn < 60 mg/dl, mit Glukose behandeln, keine prähospitale Insulingabe

  9. 9.

    Lagerung des Patienten: Oberkörperhochlagerung mit Neutralposition des Kopfs (während Transport)

Akute Blutdrucktherapie

Gemäß den Leitlinien soll bei Patienten mit akutem Schlaganfall der Blutdruck sorgfältig überwacht und eine individuelle Blutdruckkontrolle basierend auf dem Alter, den kardiovaskulären Risikofaktoren und den klinischen Umständen des Patienten erfolgen [1].

Eine Empfehlung zur Akuttherapie des Blutdrucks besteht erst ab Werten ≥ 220 mm Hg systolisch oder ≥ 120 mm Hg diastolisch, wobei der Blutdruck in den ersten 24 h um nicht mehr als 25 % des Ausgangswerts gesenkt werden soll [1]. Es ist zu vermuten, dass die Interventionsgrenzen hierbei zu hoch angesetzt sind. Große Beobachtungsstudien ergaben einen U‑förmigen Zusammenhang zwischen den Blutdruckwerten und dem Outcome von Patienten mit Schlaganfall, wobei sowohl zu hohe (> 180 mm Hg) als auch zu niedrige Werte (< 140 mm Hg) mit einem schlechten Outcome assoziiert waren [20, 21]. Weitere Argumente für eine frühere Senkung des Blutdrucks sind die obere Blutdruckgrenze von 180/105 mm Hg im Falle der innerklinischen Einleitung einer Thrombolysetherapie und das bessere klinische Outcome von Patienten mit ICB bei rascher Blutdrucksenkung [22]. Daher könnte für die meisten Patienten eine vorsichtige präklinische Blutdrucksenkung auf unter 220 mm Hg systolisch vorteilhaft sein, wobei die Blutdruckgrenzen bislang nicht durch randomisierte Studien belegt sind. Allerdings kann bei Patienten mit Großgefäßverschluss eine Blutdrucksenkung auch zu einer negativen Beeinflussung der kritischen kollateralen Blutversorgung führen. Zur Senkung des Blutdrucks wird die intravenöse Gabe von Urapidil empfohlen, auf nitrathaltige Präparate sollte verzichtet werden.

Merke

Da eine kausale Akuttherapie erst nach bildgebender Diagnostik erfolgen kann, sollen alle prähospitalen Maßnahmen mit hierdurch bedingter Transportverzögerung kritisch abgewogen werden.

Sonderfall mobile Stroke Unit

Das Ziel einer mobilen Stroke Unit (MSU) ist es, eine schnelle Schlaganfalldiagnostik und Therapieeinleitung vor Ort zu bieten – mit Thrombolyse bei ischämischem Schlaganfall oder Normalisierung der Gerinnung bei Hirnblutung. MSU sind entsprechend dimensionierte Rettungswagen, ausgestattet mit

  • CT-Scanner,

  • radiologischer Assistenz und

  • notärztlich versierten Neurologen.

Die erste MSU in Deutschland wurde 2008 in Homburg (Saar) eingeführt [23]. Heute gibt es hierzulande drei MSU, die tatsächlich zur Schlaganfallversorgung eingesetzt werden (Stroke-Einsatz-Mobile [STEMO] in Berlin).

Studiendaten zu den MSU sind vielversprechend. So konnte die Thrombolysetherapie schneller begonnen und insgesamt häufiger sowie häufiger innerhalb der ersten Stunde nach Symptombeginn („golden hour“) eingesetzt werden, was zu einem besseren funktionellen Outcome geführt hat [24, 25].

Trotz der positiven Studiendaten ist ein zeitnaher flächendeckender Ausbau der MSU in Deutschland unwahrscheinlich. Die Implementierung ist aufgrund des hohen Personalbedarfs und der hohen Investitions- und Vorhaltekosten eine Herausforderung.

Fazit für die Praxis

  • Der akute Schlaganfall ist eine hochgradig zeitkritische Erkrankung.

  • Eine effektive prähospitale Schlaganfallversorgung ist für die innerklinische kausale Akuttherapie entscheidend, die mittlerweile bis 24 h nach Symptombeginn möglich ist.

  • Prähospital wichtig sind die Erkennung und Therapie akuter ABC-Probleme („airway, breathing, circulation“/Atemweg, Atmung, Kreislauf), die korrekte Erkennung des Schlaganfalls und die Schweregradabschätzung sowie die präzise Klinikzuweisung.

  • Bei schwerem Schlaganfallsyndrom ist eine Direktzuweisung in ein Thrombektomiezentrum zu erwägen.

  • Eine Kombination aus skalenbasierter Einordnung der Schlaganfallschwere und telefonischen Konsultationen von Teleneurologen kann bei der Klinikzuweisung hilfreich sein.

  • Eine gute Koordination zwischen Leitstelle, Rettungspersonal und Klinikärzten unter Berücksichtigung der regionalen Gegebenheiten ist wichtig.

  • Ansätze zur zukünftigen Verbesserung der prähospitalen Schlaganfallversorgung sind die Etablierung einheitlicher Tests zur Schlaganfallschwere, die Konsultation von Teleneurologen und klare Zuweisungskonzepte auf regionaler Ebene.