Anamnese

Eine 68-jährige Patientin wurde mittels Rettungshubschrauber bei unklarer Vigilanzminderung intubiert und beatmet in unseren Schockraum beim Verdacht auf eine intrakranielle Blutung eingeliefert. Fremdanamnestisch war zu erheben, dass die Patientin in der Häuslichkeit beim Versuch des Aufstehens in sich zusammengesackt sei. Bei initial deutlich eingeschränkter Vigilanz und einer Glasgow Coma Scale (GCS) von 4 erfolgte noch am Einsatzort die endotracheale Intubation.

Untersuchung

Die Schockraumbehandlung erfolgte anhand des etablierten (PR_E)-AUD2IT-Algorithmus bei nichttraumatologischen Patienten [1]. Bei Übergabe war die Patientin regelrecht endotracheal intubiert und seitengleich beatmet, kreislaufstabil (Vitalparameter: Sauerstoffsättigung 100 %, Blutdruck 150/90 mm Hg, Herzfrequenz 85/min, arrhythmisch, Temperatur 37,1 °C), die Pupillen waren mittelweit und lichtreagibel, der Babinski-Test war bds. negativ. Ein weiterer neurologischer Untersuchungsbefund war bei analgosedierter und intubierter/beatmeter Patientin nicht möglich. Fremdanamnestisch bestand jedoch vor der Intubation kein Hinweis auf ein lateralisierendes fokalneurologisches Defizit. Im „primary survey“ (ABCDE-Schema) zeigte sich demnach als Leitsymptom eine Vigilanzminderung bei ansonsten stabiler Patientin, sodass eine weitere bildgebende Diagnostik angestrebt wurde [1].

Diagnostik

Die eFAST-Sonographie ergab keinen Perikarderguss, keine freie Flüssigkeit in Morrison- und Coller-Pouch sowie keine freie Flüssigkeit im Douglas-Raum. In der im Schockraum durchgeführten kranialen Computertomographie (cCT) zeigte sich eine alt imponierende kurzstreckige Karotisdissektion links ohne Hinweis auf eine akute Ischämie oder intrazerebrale Blutung. Die Perfusion war nicht adäquat auswertbar, ergab aber keine größere Perfusionsverzögerung. Laborchemisch zeigte sich kein wegweisender Befund. Es bestanden allenfalls eine leichte respiratorische Azidose (pH 7,268, BE −4,7, Laktat 0,8 mmol/l) und eine leichte Leukozytose mit 14,55 G/l. Alle weiteren bestimmten Laborparameter wie Elektrolyte, Blutzucker, Nierenwerte (Kreatinin, Harnstoff, GFR), Leberwerte (Bilirubin, Gamma-GT, GPT, GOT, Lipase), Entzündungszeichen (CRP, PCT), Alkohol, TSH, kardiale Marker (Troponin T, Kreatinkinase), Blutgerinnung (INR, Quick, aPTT) und Blutbild (Hämoglobin, Hämatokrit, Thrombozyten) waren normwertig. Bei unklarer Synkope und a.e. neu aufgetretenem Vorhofflimmern erfolgte die kardiologische Mitbeurteilung. Die transthorakale Echokardiographie (TTE) im Schockraum (Abb. 1a und Video im Online-Zusatzmaterial) und die in der Folge durchgeführte Kardio-CT (Abb. 1b) erbrachten schließlich die Diagnose einer großen Raumforderung im linken Vorhof mit intermittierender Ausflusstraktobstruktion.

Abb. 1
figure 1

Bildgebung im Schockraum. a Transthorakale Echokardiographie, Vier-Kammer-Blick mit großem Thrombus im linken Vorhof (LA). b Computertomographie, Zusatzstruktur von ca. 4,4 cm am Dach des linken Vorhofs

Therapie und Verlauf

Durch die diensthabenden Kardiochirurgen wurde nach Beurteilung der Klinik und der Bildgebung (TTE und Kardio-CT) die Indikation zur dringlichen operativen Versorgung gestellt. In Anbetracht des erforderlichen Einsatzes einer Herz-Lungen-Maschine mit entsprechender Heparinisierung (angestrebte Activated-clotting-time[ACT]-Werte 400–600 s) erweiterten wir die Bildgebung um eine kraniale Magnetresonanztomographie (cMRT). Hier konnten multiple frische ischämische Läsionen im rechten Anterior- und Mediastromgebiet am ehesten kardioembolischer Genese nachgewiesen werden. Zudem zeigten sich ischämische Läsionen in Grenzzonengebieten bei anzunehmender passagerer Hypoperfusion. Trotz der frischen zerebralen Ischämien wurde bei noch nicht eingetretener Schrankenstörung das sekundäre Einblutungsrisiko als gering eingeschätzt, sodass im interdisziplinären Konsens aus Kardiologie, Neurologie und Herzchirurgie eine Operation schnellstmöglich empfohlen wurde. Hierzu wurde die Patientin direkt aus unserer Notaufnahme in den herzchirurgischen OP verlegt.

Intraoperativ zeigte sich ein kugelförmiger Tumor, der nahezu den gesamten linken Vorhof ausfüllte und durch die insuffiziente Mitralklappe bis zum linken Ventrikel prolabierte. Es erfolgten die linksatriale Tumorresektion, eine Mitralklappenrekonstruktion sowie Rekonstruktion des Vorhofseptums. Postoperativ wurde die Patientin auf der herzchirurgischen Intensivstation betreut. Ein weiterer kardiochirurgischer Eingriff mit Myektomie im Bereich des Ventrikelseptums und biologischem Mitralklappenersatz wurde bei mittelgradiger Mitralklappeninsuffizienz und persistierendem Systolic-anterior-movement(SAM)-Phänomen als Zeichen einer Septumhypertrophie nötig.

Die postoperative kraniale Bildgebung aus cCT und cMRT ergab keine neuen Ischämien oder Embolisationen, sodass ohne ein erhöhtes zerebrales Einblutungsrisiko eine dauerhafte Antikoagulation begonnen werden konnte. Klinisch bestanden keine Hinweise auf weitere Embolisationsorte und im echokardiographischen Verlauf zeigte sich ein regelrechter Befund mit erhaltener linksventrikulärer Funktion. In der histopathologischen Untersuchung zeigte sich, dass es sich bei dem exstirpierten Tumor um einen Thrombus handelte, der a.e im Rahmen von Vorhofflimmern entstanden sein muss.

Die Patientin erholte sich deutlich und konnte nach 23 Tagen zur weiteren neurologischen Rehabilitation bei bestehender Hemiparese links in eine entsprechende Einrichtung verlegt werden.

Diskussion

Bei intrakardialen Zusatzstrukturen in einer der Herzhöhlen sollten differenzialdiagnostisch neben den relativ häufig auftretenden Vorhofthromben auch seltenere herzeigene Tumoren wie zum Beispiel ein Myxom als Ursachen in Erwägung gezogen werden. Insbesondere bei Patienten mit Vorhofflimmern ist jedoch ein Thrombus im linken Vorhof mit einer Prävalenz von ca. 10 % die wahrscheinlichste Diagnose. Selbst unter einer bestehenden Antikoagulation liegt die Prävalenzrate bei ca. 3 %. Typische Prädiktoren für einen Vorhofthrombus ergeben sich aus dem CHA2DS2-VASc-Score. So sind neben dem weiblichen Geschlecht, dem Alter auch eine bestehende Herzinsuffizienz häufig bei Patienten mit einem kardialen Thrombus zu finden [2, 3]. Auch bei unserer Patientin lagen bei einem CHA2DS2-VASc-Score von 2, bedingt durch Alter und Geschlecht, entsprechende Risikofaktoren vor.

Die Allgemeinsymptome eines intrakardialen Thrombus oder Herztumors sind von Lage und Größe abhängig. Meist handelt es sich um unspezifische Symptome wie Dyspnoe oder Schwindel. Erst durch eine Obstruktion einer Herzklappe, bedingt durch die Thrombusmasse, kann es zu typischen Symptomen einer Mitral- oder Trikuspidalklappenstenose kommen. Sekundärkomplikationen wie Embolisationen, die zu einem Schlaganfall oder einer Lungenembolie führen, sind jedoch oft die ersten Anzeichen [4]. Die primäre Therapie des Vorhofthrombus ist die Antikoagulation. Treten jedoch, wie in unserem Fall, Sekundärkomplikationen auf, ist eine zeitnahe kardiochirurgische Sanierung zu empfehlen [5].

Im Rahmen des konservativen Schockraummanagements ist es unerlässlich, dass ein weiterführender Point-of-care-Ultraschall (POCUS) im „secondary survey“ erfolgt. Insbesondere nach unauffälligem eFAST muss zur definitiven Diagnosesicherung ein erneuter Ultraschall erfolgen, der anhand der bestehenden Leitsymptome durchgeführt werden sollte, um mögliche Differenzialdiagnosen bestmöglich ausschließen zu können [6, 7].

Fazit für die Praxis

Patienten mit unklarer Vigilanzminderung mit konsekutiver Synkope und unklarer Ursache im „primary survey“ sollten im Rahmen des „secondary survey“ eine weiterführende kardiologischen Abklärung mittels TTE erhalten.