Die Luftrettung nimmt neben dem bodengebundenen Rettungsdienst eine zentrale Stellung in der präklinischen Versorgung schwererkrankter und -verletzter Notfallpatienten ein [17].

Das Tätigkeitsfeld erstreckt sich von der primären Luftrettung und Akutversorgung der Patienten bis hin zur sekundären Behandlung und Durchführung von Transporten. Der Einsatz der Luftrettung ermöglicht den schnellen Transport von erfahrenen Notfallteams an die Einsatzstelle und somit auch die Anwendung erweiterter präklinischer Maßnahmen vor Ort, unterstützend zum bodengebundenen Rettungsdienst.

Gerade in Ballungsgebieten sind Patientenverschiebungen in die spezialisierten Zentren etabliert

Die im Weiteren stattfindende schnelle Verbringung des Patienten in die für die Erkrankung spezialisierte Klinik ist entscheidend für das Überleben [2, 5]. Darüber hinaus sind geografische Einflussfaktoren äußerst wichtig, und gerade in Ballungsgebieten wie dem Ruhrgebiet sind Patientenverschiebungen in die spezialisierten Zentren etabliert.

Durch die Corona-Pandemie haben sich weltweit Patientenströme und Entitäten verändert, sodass durch Lockdowns das gesellschaftliche Leben in Teilen zum Erliegen kam. Krankenhäuser waren gezwungen, geplante Operationen und andere Interventionen am Patienten zu verschieben [6, 14], um Ressourcen für die Versorgung erwarteter COVID-Patienten zu schaffen.

Zunächst ergriffen einzelne Landkreise und Bundesländer drastische Schritte in Richtung eines harten Lockdowns. Das unser Einsatzgebiet betreffende Landeskabinett NRW verabschiedete verschiedene Maßnahmenpakete zur Eindämmung der Pandemie.

Schulen, Kindertagesstätten, Kultur‑, Sport- und Freizeiteinrichtungen wurden geschlossen, nur noch Geschäfte des täglichen Bedarfs blieben geöffnet. Es bestanden Kontakteinschränkungen und u. a. auch eine Homeofficepflicht. Aufgrund des Föderalismus gab es mitunter bundeslandspezifische Unterschiede.

Ab Anfang Mai begannen erste Lockerungen, ab 07.05.2020 kehrten Schüler einzelner Klassen wieder in den Unterricht zurück, ab 11.05. öffneten wieder Geschäfte unter besonderen Auflagen. Auch Freizeitaktivitäten wie Fitnessstudios und Freizeitparks durften wieder Besucher empfangen, ebenso Restaurants. Kleinere Veranstaltungen wie Konzerte konnten unter freiem Himmel wieder stattfinden. Schüler aller Klassen kehrten in den Unterricht zurück und wurden abwechselnd unterrichtet. Das öffentliche Leben war von weiteren zahlreichen Einschränkungen begleitet.

Auch die Krankenhauslandschaft musste sich völlig neu aufstellen und in den Hochzeiten der Wellen von COVID-Patienten wurden die genannten Maßnahmen umgesetzt.

Die Rate an innerklinisch behandelten Herzinfarkten und Schlaganfällen ist laut Literatur in diesen Phasen gesunken [10, 15, 18].

Zahlreiche Studien untersuchen zur Beurteilung des Effekts der COVID-19-Pandemie auf die Präklinik die Belastungsentwicklung des bodengebundenen Rettungsdienstes [19].

Naujoks et al. zeigten in ihrer Arbeit zum Thema der Änderung rettungsdienstlicher Einsatzzahlen in der Metropolregion Frankfurt während der ersten Welle der COVID-19-Pandemie eine Einsatzzahlreduktion von 15 %. Dabei beschrieben die Autoren v. a. einen Rückgang bei der Schwerverletztenversorgung von etwa 50 % und eine 20%ige Reduktion von Einsätzen mit kardialer oder zerebraler Indikation [12].

Müller et al. betrachteten die Auswirkungen des ersten Lockdowns auf Rettungseinsätze an 4 Rettungswachen in Ostniedersachsen. Auch hier wird eine Einsatzzahlreduktion von 17,7 % im betrachteten Zeitraum angegeben. Der Anteil an respiratorisch bedingten Notfällen zeigte einen Rückgang um 40 % [11]. Die Arbeitsgruppe um Felzen et al. untersuchte ebenfalls die Entwicklung der Rettungsdiensteinsätze, diesmal im März 2020 im Vergleich zu den beiden Vorjahren des gleichen Zeitraums im Stadtgebiet Aachen, ebenfalls mit Rückgang der Einsatzzahlen insbesondere bei respiratorischen und kardialen Notfällen [4].

Aufgrund der u. a. lockdownbedingten Reduktion des öffentlichen Lebens ist v. a. von einer deutlichen Abnahme von traumabedingten Einsätzen auszugehen. Vor allem die eingeschränkten Mobilitätsmöglichkeiten, die Einführung von Homeofficepflicht und das Schließen zahlreicher Freizeiteinrichtungen sind dafür mögliche Gründe.

Ziel der Untersuchung ist es, die Auswirkung der COVID-19-Pandemie in Bezug auf die Luftrettung an einem zentralen Luftrettungsstandort (Christoph 9 – Abb. 1) im Gesamtjahr 2020 im Vergleich zu 2018/2019 zu untersuchen, um hier mögliche Auswirkungen und Änderungen von Parametern zu erkennen.

Abb. 1
figure 1

Rettungshubschrauber Christoph 9 im Einsatz

Material und Methoden

Am Luftrettungszentrum Christoph 9 am BG-Klinikum Duisburg wurden retrospektiv der Zeitraum vom 01.01.2018 bis zum 31.12.2020 anhand von 2967 Notarzteinsatzprotokollen ausgewertet. Auch die erste Lockdownphase 16.03.2020–06.05.2020 wurde im Vergleich zu den Vorjahreszeiträumen untersucht.

Für die Analyse wurden Einsatzzahlen, Unfallhergang/-art und Verletzungs‑/Erkrankungsschwere (nach NACA-Score, National Advisory Committee for Aeronautics) ausgewertet. Im Weiteren auch demografische Daten der Patienten.

Das Studienprotokoll wurde der Ethikkommission der Ärztekammer Nordrhein vorgelegt, die keine Beanstandung hatte und die Beratungspflicht aussetzte (Nr. 71/2021).

Die statistische Datenauswertung erfolgte deskriptiv mittels Microsoft Excel für Office 365. Signifikanztestungen wurden mit dem exakten Test nach Fisher sowie dem t‑Test für unverbundene Stichproben durchgeführt. Das Signifikanzniveau wurde für p < 0,05 angenommen.

Ergebnisse

Das Luftrettungszentrum Christoph 9 hat einen Einsatzradius von 50–70 km in und um Duisburg. Im Einsatzgebiet wohnen etwa 5,2 Mio. Menschen. Durch die schnelle Verbringung des erfahrenen Teams an die Einsatzstelle kann ein breites Spektrum von Patientenversorgung erfolgen. Sowohl internistische als auch neurologische Einsatzindikationen gehören zum Alltag, der größte Anteil der Einsätze umfasst jedoch traumatologisches Patientengut mit konstant über 50 % des Einsatzaufkommens.

Im Rahmen der COVID-19-Pandemie kam es zu einer signifikanten Reduktion der Einsatzzahlen von etwa 20 %

Im Rahmen der COVID-19-Pandemie kam es zu einer signifikanten Reduktion der Einsatzzahlen von etwa 20 % (860 im Jahr 2020 vs. 1046 im Jahr 2019/1061 im Jahr 2018). Diese ergab sich v. a. durch Abnahme der Alarmierung zu internistischen Einsätzen z. B. Herz/Kreislauf um 34 % bei ähnlicher Verteilung der Erkrankungsschwere (NACA 1–3: 49 % vs. 53 %, NACA 4–6: 48 % vs. 43 %) in beiden Gruppen.

Die Abb. 2 zeigt die Verteilung von Einsatzarten unterschieden nach Primäreinsatz mit Transport, Primäreinsatz mit Versorgung, nach Fehl- und Sekundäreinsatz. Es zeigt sich, dass im gesamten Pandemiejahr 2020 der Anteil an transportierten Patienten gleichblieb, der Anteil an primär versorgten und dann bodengebunden transportierten Patienten jedoch um 25 % signifikant fiel.

Abb. 2
figure 2

Verteilung der Einsatzarten 2018–2020, n = 2978. Markierungen mit Asterisk signifikanter Unterschied im mittels Klammer markierten Zeitraum (p < 0,05)

Im Pandemiejahr 2020 zeigte sich des Weiteren eine signifikante Gesamtreduktion der Fehleinsätze um 34 %.

Bei der Betrachtung der einzelnen Einsatzkategorien zeigte sich eine signifikante Reduktion der internistischen Fälle um 33,7 % (Abb. 3).

Abb. 3
figure 3

Verteilung der Einsatzkategorien 2018–2020, n = 2376. Markierungen mit Asterisk signifikanter Unterschied im mittels Klammer markierten Zeitraum (p < 0,05)

Der Anteil der traumabedingten Einsätze blieb nahezu konstant, neurologische Einsätze zeigten eine abnehmende Tendenz, wie aus Abb. 3 ersichtlich (Jahr 2018: 114/Jahr 2019: 92/Jahr 2020: 78), jedoch ohne Signifikanz (p > 0,05).

Betrachtet man die einzelnen internistischen Einsatzkategorien, so zeigte sich v. a. eine Reduktion der Diagnosekategorien akutes Koronarsyndrom (ACS) um 32 %, Synkope um 49 % und respiratorischer Notfall sowie chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD)/Asthma um 40 % im Vergleich von 2019 zu 2020 (Abb. 4).

Abb. 4
figure 4

Unterteilung der internistischen Kategorien 2018–2020, n = 736. Markierungen mit Asterisk signifikanter Unterschied im mittels Klammer markierten Zeitraum (p < 0,05). ACS akutes Koronarsyndrom, COPD chronisch obstruktive Lungenerkrankung, HRST Herzrhythmusstörungen, Hypo- Hypo-/ Hypertonie, res respiratorischer Notfall

Auch die Traumagenese lag mit dem Hauptanteil in Verkehrsunfällen begründet. Bei der genaueren Betrachtung zeigt sich 2020 ein signifikanter Anstieg von Radunfällen um 45 % von 2018 auf 2020 und eine signifikante Abnahme von Arbeitsunfällen um 43 % (Abb. 5) bei gleicher Anzahl an Verkehrsunfällen in beiden Zeiträumen.

Abb. 5
figure 5

Unterteilung der chirurgischen Kategorien 2018–2020, n = 1255. Markierungen mit Asterisk signifikanter Unterschied im mittels Klammer markierten Zeitraum (p < 0,05)

Die Betrachtung der suizidbedingten Einsätze zeigte keine Unterschiede in Anzahl und Genese

Die Zahl der Freizeitunfälle stieg an, wie beschrieben v. a. Radunfälle um 45 %. Dafür nahm der Anteil der Reitunfälle tendenziell um 18 % von 2019 zu 2020 ab, weitere Freizeittätigkeiten wie Gartenarbeit zeigten keine Änderungen.

Die Betrachtung der suizidbedingten Einsätze zeigte keine Unterschiede in Anzahl und Genese.

Vergleicht man die Verletzungsschwere der Patienten in den Jahren 2019 zu 2020, so zeigt sich in der Kategorie NACA 4 eine Abnahme im Pandemiejahr 2020 um 24 %.

Die Zahl der Kategorie 5 stieg um 6 %, Kategorie 6 stieg um 44 %, Kategorie 7 ging um 7 % zurück.

Die Kategorien 1–3 zeigten sich über alle Kategorien rückläufig (NACA 1: −38 %, 2: −37 %, 3: −13 %). Die Abb. 6 vergleicht die Entwicklung des NACA-Scores in den Kategorien internistisch und chirurgisch.

Abb. 6
figure 6

NACA-Score (National Advisory Committee for Aeronautics) nach Einsatzkategorien internistisch und chirurgisch

Bei nahezu gleich hoher Anzahl schwersterkrankter/-verletzter Patienten (> NACA 4) im untersuchten Zeitraum ergaben sich erwartungsgemäß keine signifikanten Änderungen bei Durchführung von invasiven Maßnahmen wie Intubation oder Thoraxdrainageanlage.

Alle untersuchten Einsatzarten und Einsatzkategorien wurden auch über den Lockdownzeitraum vom 16.03. bis zum 06.05.2020 mit dem gleichen Zeitraum der beiden Vorjahre verglichen. Es zeigten sich keine signifikanten Unterschiede im Jahresvergleich.

Es kam im Lockdownzeitraum 2020 zu einer Reduktion der internistischen Einsätze von knapp 48 % im Vergleich zum selben Zeitraum im Vorjahr 2019, und es fand sich nur eine Reduktion um 28 % zum Jahr 2018.

Die chirurgischen Einsatzkategorien zeigten einen Rückgang um 28 % im Lockdown 2020, bezogen auf das Gesamtjahr 2020 glich sich diese Differenz nahezu auf Vorjahresniveau an. Die chirurgischen Kategorien Fahrradunfall (2020 n = 4, 2019 n = 11) und Arbeitsunfälle (2020 n = 4, 2019 n = 7) zeigten sich rückläufig, die Anzahl der Verkehrsunfälle blieb trotz Lockdown nahezu gleich (2020 n = 17, 2019 n = 19).

Auch die neurologischen Einsätze zeigten eine rückläufige Tendenz (2019 n = 11/2020 n = 5).

Jedoch waren diese 2019 im Vergleich zu 2018 bereits rückläufig (2018 n = 17). Die genaue Darstellung der Einsatzkategorien und der chirurgischen Einsätze finden sich in Abb. 7 und 8.

Abb. 7
figure 7

Unterteilung der Einsatzkategorien im Lockdownzeitraum 16.03. bis zum 06.05.2020 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum 2018 und 2019, n = 318

Abb. 8
figure 8

Unterteilung der chirurgischen Kategorien im Lockdownzeitraum 16.03. bis zum 06.05.2020 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum 2018 und 2019, n = 175

In der näheren Betrachtung der Reanimationen in den Jahren 2018 bis 2020 zeigte sich ein Anstieg der Gesamtzahl der Reanimationen bei kontinuierlich steigender Anzahl chirurgisch bedingter Reanimationen über die Jahre im gleichbleibenden Anteil. Bei den internistisch bedingten Reanimationen zeigt sich nahezu eine Verdopplung der Gesamtzahl.

Der Anteil der durchgeführten Laienreanimationen zeigte keine signifikanten Änderungen über die Jahre (Tab. 1).

Tab. 1 Reanimationen 2018–2020, n = 66

Diskussion

Neben den bereits bekannten Auswirkungen der Pandemie auf die Patientenzahlen in Notaufnahmen und Krankenhäusern [3] wurde in dieser Studie auch ein deutlicher Effekt auf die primäre Luftrettung nachgewiesen. Es kam insgesamt zu einer Einsatzzahlreduktion um 20 % im Jahr 2020. Zu einem ähnlichen Wert kommen auch Örgel et al., die eine 17 %ige Einsatzzahlreduktion im durch sie untersuchten luftgebundenen Rettungsdienst zeigten [13]. Auch Unterpertinger et al. zeigten einen deutlichen Rückgang der Patientenzahlen in der Luftrettung an 6 Luftrettungsstationen in Tirol im untersuchten Zeitraum [21]. Die in beiden Arbeiten konstatierte Verschiebungen zu höheren NACA-Werten konnten die Autoren in der vorliegenden Untersuchung nicht nachweisen. Die vorliegenden Ergebnisse entsprechen denen um Rikken et al., die in ihrer Arbeit an einem niederländischen Luftrettungszentrum eine Abnahme der Inzidenz von HEMS-Einsätzen („helicopter emergency medical services“) zeigten, ohne dass es zu signifikanten Unterschieden bei der Verletzungsschwere kam [16].

Die Traumagenese zeigte Änderungen in Richtung freizeitbedingter Unfälle mit Reduktion von Arbeits- und insbesondere Wegeunfällen durch eingeschränkte Mobilität und Homeofficepflicht und einen Anstieg von Radunfällen bei nahezu gleichbleibendem Traumaeinsatzaufkommen (2018: 425, 2019: 415, 2020: 411).

Hoffeld et al. wiesen in ihrer Untersuchung zum innerklinischen Aufkommen an Arbeits- und Wegeunfällen eine Reduktion um 31 % bei nahezu gleichbleibendem SAV-Anteil (Schwerstverletzungsartenverfahren) nach [7]. Somit kam es zu einer weiter bestehenden Belastung des Systems mit Schwerverletzten, was auch die vorliegenden Ergebnisse zeigen.

Bei der Auswertung der Gesamtunfallzahlen in Deutschland 2018–2020 zeigt sich eine über die Jahre stetig abnehmende Anzahl an Verkehrsunfällen [20]. Trotz allem wird in dieser Betrachtung eine gleichbleibende Inanspruchnahme der Luftrettung zur Primärversorgung der Traumapatienten im untersuchten Einsatzgebiet ersichtlich.

Bei der Verletzungsschwere wurden keine wesentlichen Unterschiede in den Zeiträumen nachgewiesen

Bei der Verletzungsschwere wurden keine wesentlichen Unterschiede in den jeweiligen Zeiträumen nachgewiesen, es verblieb ein gleichbleibend hoher Anteil schwerverletzter Patienten. Somit ergab sich für die Zielkliniken ein hohes Aufkommen schwerverletzter Patienten auch während der COVID-19-Pandemie mit zusätzlicher Belastung der durch die Pandemie reduzierten Ressourcen. Auch ein Wandel der Inanspruchnahme der Zielkliniken wurde nicht nachgewiesen.

Die deutlich rückläufigen Zahlen (−25 %) im Bereich der durch den Rettungshubschrauber (RTH) primär versorgten und dann bodengebunden transportierten Patienten lassen sich durch die deutliche Reduktion der internistischen Einsatzkategorie erklären. Es handelt sich häufig um innerstädtische Einsätze. Diese Patienten werden bei fehlendem Vorteil des luftgebundenen Transports bei kurzen Distanzen zur nächsten geeigneten Klinik zum überwiegenden Anteil bodengebunden in Begleitung des RTH-Notarztes transportiert. Aufgrund der 2020 bestehenden Reduktion dieser Patientenklientel kam es auch zur Reduktion der bodengebundenen, durch den RTH-Notarzt begleiteten, Transporte. Die luftgebunden transportieren Patienten sind zumeist Traumapatienten und Sekundärtransporte.

Die Anzahl der internistischen Einsätze wies eine deutliche Reduktion von 34 % auf, dies entspricht auch den bisherigen Erfahrungen in anderen europäischen Ländern wie Frankreich [9]. Insbesondere Einsatzkategorien wie akute Atemnot zeigten eine rückläufige Alarmierungszahl, dies vielleicht auch durch weniger Ansteckungen aufgrund der bestehenden Schutzmaßnahmen und Kontaktbeschränkungen.

Aus der Literatur geht hervor, dass der Anteil respiratorischer Notfälle i. Allg. rückläufige Zahlen aufwies [11].

Zusätzlich fand vielleicht auch eine gezieltere Alarmierung des RTH durch die Leitstelle statt. Bei COVID-Verdacht/gesicherter Diagnose konnte aufgrund fehlender Isolierungsmöglichkeit des Patienten in der Maschine kein luftgebundener Transport erfolgen. Bei respiratorischen Infekten wurden somit diese Patienten versorgt und im Weiteren bodengebunden transportiert.

Andererseits könnte die Reduktion auch auf das Vermeidungsverhalten der Patienten im Sinne der Angst vor einem erhöhten Infektionsrisiko mit COVID-19, z. B. durch Aufenthalt in Krankenhäusern, zurückzuführen sein. Auch das durch die soziale Isolation bedingte Fehlen von Kontakt zu dritten Personen und dadurch mögliches Erkennen von Notfallsymptomen durch selbige könnte eine Rolle gespielt haben.

Ein Hinweis darauf gibt der gesteigerte Anteil der reanimationspflichtigen Patienten im untersuchten Zeitraum, v. a. bei den internistisch bedingten Reanimationen, die sich 2020 verdoppelten, im Gegenteil dazu standen die chirurgischen Reanimationen, die über die Jahre um einen gleichbleibenden Anteil anstiegen.

Somit ergab sich auch die Vermutung, dass Patienten erst später medizinischer Hilfe zugeführt wurden, zum einen durch die soziale Isolation und dadurch späteres Auffinden der Patienten, zum anderen durch Verschleppen der Symptomatik aus Angst vor Ansteckung bei Behandlungen im Krankenhaus.

Auch Lai et al. stellten für den Rettungsdienst in New York eine 3‑mal höhere Inzidenz für Reanimationen bei nichttraumatischem Herz-Kreislauf-Stillstand im Jahr 2020 im Vergleich zum Vorjahr fest [8]. Ebenso wie in der vorliegenden Untersuchung zeigte sich hier keine signifikante Änderung der Laienreanimationsbereitschaft im Pandemiejahr im Vergleich zu den Vorjahren.

Baldi et al. fanden ebenfalls einen deutlichen Anstieg der reanimationspflichtigen Patienten – jedoch bei deutlich reduzierter Laienreanimationsbereitschaft [1].

Eine genaue Evaluation von Gesamterkrankungs- und Gesamtmortalitätszahlen könnte aufzeigen, ob die COVID-19-Pandemie mit all den resultierenden Maßnahmen zu einer Unterversorgung kritisch kranker Patienten geführt hat.

Die in der vorliegenden Untersuchung auffällige Reduktion an Fehleinsätzen könnte in einer gezielteren Alarmierung des RTH durch die Leitstelle begründet sein.

Gegebenenfalls wurde bei der Alarmierung der Luftrettung bestimmten Einsatzkategorien Vorzug gewährt

Gegebenenfalls wurde bei der Alarmierung der Luftrettung bestimmten Einsatzkategorien Vorzug gewährt. Dieser Effekt zeigte sich auch in den Niederlanden [16].

Aufgrund des retrospektiven Studiendesigns und der begrenzten Betrachtung eines definierten Einsatzgebietes sind Aussagen auf deutschlandweite Auswirkungen nicht möglich. Jedoch zeigt sich die weiterhin hohe Auslastung der Luftrettung v. a. bei der Versorgung polytraumatisierter Patienten und die Wichtigkeit der Sicherstellung der primären Luftrettung auch in Pandemiezeiten.

Limitationen

Zusätzlich zu den Limitationen des retrospektiven Studiendesigns konnten die Autoren in ihrer Untersuchung aufgrund fehlender Zugangsmöglichkeit zu den Daten aller Städte und Landkreise keinen Bezug zum bodengebundenen Rettungsdienst ihres Einsatzgebietes nehmen. Auswertungen der Bodenrettung aus dem Einsatzgebiet sind bisher nicht erfolgt. Somit ist die vollständige Abbildung der Region nur aus Luftrettungssicht möglich.

Ausblick

Ziel der Arbeit war die Darstellung des Einflusses der COVID-19-Pandemie auf den Einsatzalltag, bezogen auf das Gesamtjahr 2020. Trotz der Lockdownphasen und der Reduktion des gesellschaftlichen Lebens mit Homeofficepflicht blieb der Anteil der Traumaeinsätze, und insbesondere der Verkehrsunfälle, nahezu gleich. Erwartungsgemäß nahm der Anteil an Arbeitsunfällen ab, Freizeitbeschäftigungen wie Radfahren führten häufiger zu Unfällen.

Die Verletzungsschwere (NACA-Score) zeigte keine signifikanten Unterschiede zwischen Pandemie und Nicht-Pandemie-Zeiten.

Bei den internistischen Erkrankungen kam es v. a. während des ersten Lockdowns zu einer Reduktion der Alarmierung, v. a. bei akutem Koronarsyndrom und respiratorischen Notfällen.

Der Anteil an suizidbedingten Verletzungen blieb über die Jahre konstant.

Neben den bereits bekannten Auswirkungen der COVID-19-Pandemie auf die Patientenzahlen in Notaufnahmen und Krankenhäusern konnte in dieser Studie auch ein Effekt auf die primäre Luftrettung gezeigt werden.

Im Vordergrund stand eine 20%ige Gesamteinsatzzahlreduktion, v. a. im Bereich internistischer Krankheitsbilder bei konstanter Anzahl traumabedingter Notfälle im Jahresvergleich. Die Traumagenese zeigte Änderungen in Richtung freizeitbedingter Unfälle mit Reduktion von Arbeits- und insbesondere Wegeunfällen durch eingeschränkte Mobilität und Homeofficepflicht und einen Anstieg an Radunfällen.

Für die Zielkliniken war das Aufkommen schwerverletzter Patienten in der COVID-Pandemie gleichbleibend

Bezüglich der Verletzungsschwere zeigten sich keine wesentlichen Unterschiede in den jeweiligen Zeiträumen. Somit ergab sich für die Zielkliniken ein gleichbleibendes Aufkommen schwerverletzter Patienten auch in der COVID-Pandemie. Im untersuchten Kollektiv führte die Pandemie nicht zu einem Anstieg der Suizidrate, weitere Betrachtungen und langfristige Untersuchungen der psychischen Folgen müssen jedoch durchgeführt werden.

Fazit für die Praxis

  • Die Reduktion der Einsatzzahlen war mit nahezu gleichbleibender Anzahl der Verletzungsschwere (> NACA 4, National Advisory Committee for Aeronautics) verbunden.

  • Die Belastung der Zielkliniken in der Behandlung komplex erkrankter Patienten blieb gleich.

  • Reduktion der Fehleinsätze bei gezielterer Alarmierung des Luftrettungsmittels in Pandemiezeiten sollte auch in Nicht-Pandemie-Zeiten angestrebt werden.

  • Bei Verordnung von Lockdowns sollte die dadurch resultierende soziale Isolation und ein eventuell späteres Erreichen medizinischer Hilfe mit schlechterem Outcome für Patienten mit in die Überlegungen einfließen und kritisch geprüft werden.

  • Die Aufrechterhaltung der primären Luftrettung ist auch in Pandemiezeiten dringend notwendig.