Zusammenfassung
Hintergrund und Fragestellung
Bislang liegen nur wenige Daten über den aktuellen Ausbaustand von Telenotarzt(TNA)-Systemen im deutschen Rettungsdienst vor. In einer nationalen Befragung wurde der Sachstand zu Ausbau und Nutzung von TNA-Systemen erhoben.
Material und Methode
Durchführung einer Online-Befragung unter aktiv im deutschen Rettungsdienst tätigen Personen zum Vorhandensein eines TNA-Systems und dessen Ausgestaltung, zu Standardarbeitsanweisungen (SAA) für Rettungsfachpersonal in ausgewählten Einsatzszenarien sowie zu persönlichen Einschätzungen zum Themenkomplex TNA.
Ergebnisse
1023 Teilnehmer aus 77,1 % (n = 299) aller deutschen Rettungsdienstbereiche nahmen teil. 90,3 % (n = 270) der Bereiche hatten kein TNA-System, ein mindestens teilweiser Betrieb war in 9,3 % (n = 29) etabliert. Die Ausgestaltung ist heterogen, die SAA für Rettungsfachpersonal unterscheiden sich auch innerhalb einzelner Bundesländer und zwischen Bereichen mit und ohne TNA erheblich. Regionen mit TNA verfügen zu einem größeren Anteil über SAA und führen einzelne Maßnahmen häufiger durch. So ist eine intravenöse Analgesie durch den Rettungswagen (RTW) bei 0,8 % vs. 8,9 % (n = 1 vs. n = 76) der Teilnehmenden nicht vorgesehen, die Gabe von Acetylsalicylsäure bei akutem Koronarsyndrom ohne ST-Hebung erfolgt in 3,1 % vs. 23,1 % (n = 4 vs. n = 198) nicht. Bei der persönlichen Einschätzung zum Thema TNA besteht ein signifikanter Unterschied zwischen Bereichen mit und ohne vorhandenes TNA-System.
Schlussfolgerungen
Im deutschen Rettungsdienst sind in weniger als einem Zehntel der Bereiche TNA-Systeme in Betrieb und die vorhandenen Systeme sind sehr heterogen gestaltet. Gleiches gilt für das Vorhandensein von Standardarbeitsanweisungen. Dies legt nahe, dass bei nationaler Betrachtung relevante Unterschiede in der notfallmedizinischen Versorgungsqualität der Bevölkerung bestehen.
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Abstract
Background and objectives
Only little data about the status of implementation and development of tele-emergency physician systems in German emergency medical services (EMS) have been reported yet. We present data of a nationwide survey of tele-emergency physician systems.
Materials and method
In an online survey, active German EMS staff of all professions were interviewed regarding the availability and design of a tele-emergency physician system, existing standard operating procedures (SOP) for defined emergency scenarios, and their personal opinion on the topic of tele-emergency physicians.
Results
In all, 1023 participants from 77.1% (n = 299) of all German districts completed the survey: 90.3% (n = 270) of the districts had no tele-emergency physician system, while 9.3% (n = 29) had systems that were at least partially operating. System design is heterogeneous. SOP for EMS personnel differ considerably even within the states and between systems with or without tele-emergency physicians. Systems with tele-emergency physicians have a higher percentage of SOP and paramedics perform several procedures more often. Intravenous analgesia by paramedics is not provided by 0.8% vs. 8.9% (n = 1 vs. n = 76) of the respondents, while 3.1% vs. 23.1% (n = 4 vs. n = 198) do not administer acetylsalicylic acid in case of acute coronary syndrome without ST elevation. Personal opinions on the topic tele-emergency physician differed significantly between districts with and without an operating tele-emergency physician system.
Conclusion
Less than one-tenth of the German EMS districts have an operating tele-emergency physician system and the design of available systems is heterogeneous. This also applies for standard operating procedures. Therefore, it can be concluded that there might be relevant differences in quality of emergency care by EMS nationwide.
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Hintergrund
Von Jahr zur Jahr steigende Einsatzzahlen im deutschen Rettungsdienst stellen Aufgabenträger und Leistungserbringer vor Herausforderungen [21].
Der Einsatz eines Telenotarztes (TNA) ist eine der Maßnahmen, mit denen versucht wird, Notarzteinsätze nicht noch weiter ansteigen zu lassen und gleichzeitig eine stabile Versorgungsqualität bei entstehendem Notärztemangel sicherzustellen [17]. Darüber hinaus löst er Delegationsprobleme [3]. Daten über den aktuellen Ausbaustand von TNA-Systemen, deren Integration in Versorgungsprozesse sowie Einschätzungen zur Wirksamkeit liegen jedoch bislang nur rudimentär vor.
Die Deutsche Gesellschaft für Rettungsdienst und präklinische Notfallmedizin (DGRN) hat daher in Zusammenarbeit mit der Universitätsmedizin Essen eine umfassende Befragung durchgeführt, die erstmals einen derartigen Überblick zulässt.
Methodik
Nach Vorliegen der Begutachtung durch die Ethikkommission der Universitätsmedizin Essen (Az. 21-9934 BO) erfolgte im Zeitraum vom 05.11.2021 bis zum 20.01.2022 die Befragung von aktiv im deutschen Rettungsdienst (RD) tätigen Personen über die Online-Plattform LimeSurvey. Der hierzu im Vorfeld erstellte Fragebogen umfasste insgesamt 26 Fragen in den Fragengruppen „Allgemeine Fragen“, „Vorhandensein und Art eines Telenotarzt-Systems“, „Einsatzszenarien“ sowie „persönliche Einschätzung zum Themenkomplex Telenotarzt“. Im allgemeinen Fragenteil wurden Angaben zu Person und Tätigkeit im Rettungsdienst des Teilnehmenden abgefragt. Darauf folgten Fragen hinsichtlich des Vorhandenseins eines TNA-Systems, aufgeschlüsselt bis auf den Rettungsdienstbereich (RDB), im primären Tätigkeitsbereich des Teilnehmenden. War ein TNA-System vorhanden, schlossen sich ergänzend Fragen zur Art des Systems an. Im weiteren Verlauf wurde das Vorgehen bei ausgewählten Einsatzszenarien, die innerhalb der Arbeitsgruppe im Rahmen einer Konsensentscheidung festgelegt wurden, insbesondere mit Blick auf vorliegende Standardarbeitsanweisungen (SAA) evaluiert. Abschließend wurden alle Befragten gebeten, ihre persönliche Einschätzung zu verschiedenen Aussagen rund um den Themenkomplex TNA abzugeben. Hier waren Angaben auf einer Skala von 1 bis 6 möglich (1 – sehr sinnvoll bzw. trifft sehr zu, 6 – überhaupt nicht sinnvoll bzw. trifft gar nicht zu). Bei einzelnen Fragen waren Mehrfachantworten zulässig.
Der Befragungslink wurde innerhalb des Befragungszeitraums über verschiedene E‑Mail-Verteiler deutschlandweit versendet. Statistische Auswertungen erfolgten direkt aus LimeSurvey (LimeSurvey GmbH, Hamburg) heraus oder nach Überführung in Microsoft Excel (Microsoft Corporation, Redmond, WA, USA). Die Darstellung der Werte erfolgt als Mittelwert (± Standardabweichung). Die Prüfung auf Signifikanz erfolgte anhand eines t‑Tests mit einem Signifikanzniveau < 0,05.
Ergebnisse
Grunddaten
Die Befragung wurde von insgesamt 1023 Teilnehmenden vollständig abgeschlossen. Das Durchschnittsalter der Befragten betrug 35,0 ± 13,3 Jahre. 87,3 % der Befragten waren männlich, 12,5 % weiblich und 0,2 % divers. Alle im RD tätigen Berufsgruppen der unterschiedlichsten Beschäftigungsverhältnisse waren vertreten (Tab. 1). Den größten Anteil bildeten hierbei Notfallsanitäter/-innen (NotSan) mit 49,9 % sowie NotSan mit Weiterbildung Praxisanleiter/-in mit 30,1 %.
Antworten lagen aus insgesamt 77,1 % (n = 299) aller deutschen Rettungsdienstbereiche vor. Eine Differenzierung nach Bundesländern und den Anteilen von RDB mit mindestens einer Rückmeldung findet sich im Online-Zusatzmaterial.
Sachstand Deutschland
In 90,3 % (n = 270) der berichteten Rettungsdienstbereiche war kein TNA-System vorhanden. Die Nutzung in Teilbereichen fand in 4,0 % aller Regionen statt, während 4,0 % ein TNA-System im Rahmen eines Pilotprojekts betrieben. Der Regelbetrieb war lediglich in 1,3 % etabliert. Während in Mecklenburg-Vorpommern bereits in 28,6 % der Regionen Telemedizin im RD im Regelbetrieb durchgeführt wird, bestehen in mehreren Bundesländern bisher keinerlei aktive Systeme. Der Vergleich der einzelnen Bundesländer findet sich in Tab. 2.
Die Ausgestaltung der TNA-Systeme (n = 29) ist durchaus unterschiedlich (Tab. 3). So ist der TNA in 41 % der vorhandenen Systeme von der Leitstelle aus tätig, während er in 28 % der Systeme im Rahmen eines mobilen Hintergrundsystems agiert. In 28 % ist der TNA von der Klinik aus tätig. In den meisten Regionen mit TNA-System (76 %) liegen für das Rettungsfachpersonal umfangreiche SAA für Einsätze ohne primäre Notarztindikation vor. Der TNA kann hier additiv kontaktiert werden. Bei unkompliziert gemeldeten Einsätzen mit primärer NA-Indikation wird der TNA in 24 % regelhaft anstatt der Alarmierung eines Notarztsystems eingesetzt. In zwei Drittel der Systeme (66 %) kann der TNA auch durch den regulären NA zur Beratung kontaktiert werden. In Bezug auf Sekundärtransporte findet in 41 % der Regionen eine vorherige NA-Indikationsprüfung durch den TNA statt, in 31 % begleitet der TNA regelhaft anstatt eines NA einfache Sekundärtransporte.
Typische Einsatzszenarien
Das Vorgehen von RTW-Besatzungen (n = 984) in typischen Einsatzszenarien ist sehr heterogen und unterscheidet sich zudem zwischen Teilnehmenden aus Systemen mit (n = 128) und ohne TNA (n = 856; Tab. 4). Bei vorhandenem TNA-System erfolgt im Bedarfsfall (z. B. bei Komplikationen) nach SAA die Kontaktaufnahme zum TNA, ohne dass die Nachforderung eines NA zwingend notwendig wird. SAA mit obligater NA-Anforderung finden sich in diesen Bereichen insgesamt deutlich seltener als in Bereichen ohne TNA. Bereiche mit TNA arbeiten in den gegebenen Situationen außerdem häufiger mit SAA und delegieren dem nichtärztlichen Personal die Durchführung einzelner Maßnahmen häufiger. Eine intravenöse (i.v.) Analgesie wird von 0,8 % vs. 8,9 % des Rettungsfachpersonals grundsätzlich nicht durchgeführt. Die Gabe von Acetylsalicylsäure (ASS) bei akutem Koronarsyndrom (ACS) ohne ST-Hebung erfolgt von 3,1 % vs. 23,1 % nicht. Antihypertensiva werden von 2,3 % vs. 21,5 % der Teilnehmenden nicht eigenständig verabreicht.
In den Abb. 1, 2 und online finden sich Übersichten zum Vorhandensein von SAA in den einzelnen Bundesländern (Abb. 1) sowie das jeweilige Vorgehen hinsichtlich der Anlage eines i.v.-Zugangs (Abb. 2) und der Glukosegabe (siehe Online-Zusatzmaterial).
Persönliche Einschätzungen zu TNA-Systemen
Zwei Drittel der Befragten gaben an, dass der TNA das Wissen vor Ort verbessern bzw. Wissenslücken schließen kann (32,6 % sehr zutreffend, 33,8 % zutreffend). Lediglich 3,2 % werteten die Aussage als völlig unzutreffend. Ebenso gab eine deutliche Mehrheit an, dass der TNA Rechtssicherheit gibt (39,3 % sehr zutreffend, 26,9 % zutreffend). 7,2 % fanden, dass dies überhaupt nicht zutrifft. 30,6 % aller Befragten waren der Meinung, dass der TNA keinesfalls nur die Zeit bis zum Eintreffen des regulären NA überbrücken sollte. 37,9 % gaben an, dass der TNA keinesfalls einen physischen NA komplett ersetzen kann (Abb. 3).
Unterschiede der Antworten bei Vorhandensein eines TNA-Systems im Vergleich zu Bereichen ohne TNA-System sind in Tab. 5 dargestellt. Hier zeigt sich ein signifikanter Unterschied in der Einschätzung bei allen Teilfragen.
Diskussion
Die vorliegenden Ergebnisse der Befragung geben erstmals einen Überblick über den aktuellen Ausbaustand der Telemedizin mittels TNA im deutschen RD. Außerdem zeigen die Resultate die Heterogenität der Patientenversorgung in konkreten Einsatzszenarien, besonders im Vergleich zwischen Bundesländern und zwischen Systemen mit und ohne TNA, auf.
Während die Einführung oder die Planung von TNA-Systemen in einzelnen Bundesländern bereits vorangeschritten ist, gibt es dennoch nach wie vor auch Bundesländer, in denen es keine oder nur sehr wenige Bereiche gibt, die die Einführung eines TNA-Systems überhaupt planen. Hierbei handelt es sich in einem Großteil der Fälle um Flächenländer, obwohl gerade hier unterstellt werden kann, dass der RTW meist mit einem deutlichen Zeitvorteil gegenüber dem NA beim Patienten eintrifft [20]. Auffällig bei den Ergebnissen ist außerdem ein deutlicher Unterschied zwischen den westlichen und den östlichen Bundesländern. Mecklenburg-Vorpommern ist in den östlichen Bundesländern als Vorreiter bei der Einführung von Telemedizin im RD zu sehen [16]. Bestehende Planungen wurden im Rahmen der Befragung angegeben, führten aber teilweise zu Diskrepanzen zwischen den gemachten Angaben und bereits publizierten Informationen. Diese waren einzelnen Teilnehmenden offenbar nicht bekannt. Aus diesem Grund wurde auf eine zusätzliche Aufschlüsselung in RDB mit in Planung befindlicher Implementierung verzichtet.
Zu den aktuellen Herausforderungen im RD zählen seit Jahren konstant steigende Einsatzzahlen [21], mit einem größeren Anstieg von Notfalleinsätzen in ländlichen Bereichen [12], sowie eine sich verändernde Kliniklandschaft [13]. Hieraus resultierend sind längere Anfahrts- und Transportzeiten sowie damit einhergehende Rettungsmittelbindezeiten zu erwarten. Insbesondere ländliche RD-Bereiche könnten demnach von der Einbindung eines TNA profitieren, um die Bindungszeit der Ressource NA zu reduzieren, der dann für komplexe Einsatzsituationen zur Verfügung steht [4]. Darüber hinaus kann der TNA ohne relevante Zeitverzögerung Fachkenntnisse, formale Kompetenz und Expertise an den Notfallort bringen, beratend und delegierend tätig sein und so Rechts- und Handlungssicherheit vermitteln. Bei auftretenden Komplikationen im Rahmen von eigenständig durch den RTW abzuarbeitenden Szenarien kann über den Kontakt zum TNA auf die sonst unmittelbar notwendige NA-Nachforderung verzichtet werden, sodass auch hier eine Ressourcenschonung erfolgt. Ebenso ist eine Steuerung von Patientenströmen möglich, da Patienten in minderschweren Fällen unter Umständen nach Untersuchung und Beratung an der Einsatzstelle verbleiben oder ohne Bindung des Rettungsdiensts in die ambulante ärztliche Versorgung übergeben werden können. Hierdurch kann nicht nur eine Entlastung des RD selbst, sondern auch die Reduktion vermeidbarer Transporte in die Notaufnahmen bewirkt werden. Die Überbrückung der Zeit bis zum Eintreffen eines physischen NA beim kritischen Patienten, mit der Möglichkeit einer zeitlich früheren und umfassenderen Therapie des Patienten, ist eine weitere Einsatzmöglichkeit des TNA [9, 15].
In den Regionen mit vorhandenem TNA-System unterscheiden sich die Tätigkeitsorte des TNA und damit auch die Ausstattung des TNA-Arbeitsplatzes [8]. Aufgrund der in über einem Viertel der Systeme genutzten Variante eines mobilen Hintergrundsystems lässt sich jedoch ableiten, dass es möglicherweise je nach regionalen Gegebenheiten durchaus praktikabel sein kann, keinen festen TNA-Arbeitsplatz in einer Rettungsleitstelle zu haben und dennoch handlungsfähig zu sein. In Bezug auf die vorhandenen und regelhaft genutzten Kommunikationsmittel zeigt sich auch hier eine Vielfalt von Kombinationen. Die Kontaktaufnahme zum TNA mittels irgendeiner Sprechverbindung scheint in allen Regionen der Fall zu sein. Dies gilt nicht für die Übertragung von Monitor-Livedaten oder aber auch eine etwaige Videoübertragung. Da nicht alle Regionen mit TNA-Systemen Daten zu ihrer Organisationsstruktur und ihren Leistungen publizieren, ist ein objektiver Vergleich der einzelnen Systeme in Bezug auf ihre Leistungsfähigkeit nur schwer möglich. Vor dem Hintergrund der aktuell in Ausarbeitung befindlichen S2e-Leitlinie zur Telemedizin in der prähospitalen Notfallmedizin [6] ist abzuwarten, ob wissenschaftliche Daten Empfehlungen zur Systemgestaltung ermöglichen.
SAA sind im RD inzwischen weit verbreitet, von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) für alle Einrichtungen des Gesundheitswesens gar gefordert und haben unmittelbaren Einfluss auf die Patientensicherheit [23]. SAA existieren in der prähospitalen Notfallmedizin neben der regionalen Ebene zum Teil sogar auf Landes- oder länderübergreifender Ebene [1, 2, 7]. Daneben gibt es beispielsweise in Hessen reine Prüfungsalgorithmen für NFS [22]. Trotz dieser konsentierten und zum Teil sehr umfangreichen Regelungen stellen die Ausarbeitungen in ihren Vorworten oder Erläuterungen klar, dass diese SAA nicht zur pauschalen Anwendung freigegeben sind und die letztendliche Entscheidung darüber beim Ärztlichen Leiter Rettungsdienst (ÄLRD) der einzelnen Gebietskörperschaft liegt. Gleichzeitig kann dieser Anpassungen im Sinne von Ergänzungen und Streichungen vornehmen. Im Ergebnis führt dies zu einer Vielzahl von regionalen Unterschieden in der Patientenversorgung. Beispielhaft sei hier die Anlage eines i.v.-Zugangs durch RTW-Besatzungen genannt. Dieser wird in einigen Regionen nicht oder nur in Ausnahmefällen gelegt. Die Durchführung einer i.v.-Analgesie ohne Beteiligung eines NA findet in weniger als der Hälfte aller Regionen statt, obwohl längst in mehreren Untersuchungen gezeigt werden konnte, dass diese Maßnahme auch ohne NA sicher durchführbar ist [10, 11, 14, 18, 19]. Ergänzend findet sich auch hier ein Betätigungsfeld des TNA [5]. Gleichzeitig verfügen RDB mit TNA-Anbindung häufiger über SAA als RDB ohne ein solches System, sodass insgesamt mehr Maßnahmen für den Patienten von den RTW-Besatzungen ergriffen werden können. Die Gabe von ASS im Rahmen des ACS erfolgt von 23,1 % der Teilnehmenden aus einem RDB ohne TNA grundsätzlich nicht und steht damit in klarem Gegensatz zu den Vorgaben der Leitlinien des European Resuscitation Council (ERC), in denen die Gabe von ASS beim vermuteten ACS bereits durch Ersthelfer gefordert wird [24]. Bei der Versorgung von Patienten mit akutem neurologischem Defizit zeigten sich ebenfalls große Unterschiede. So reicht die Spanne von der Versorgung durch den RTW allein über Angaben, dass innerhalb der ersten Stunde nach Auftreten der Symptome ein NA obligat ist, während innerhalb der Stunden 1 bis 3 ein RTW mit Sondersignal den Patienten transportiert, bis hin zur Angabe, dass ein NA grundsätzlich erforderlich sei. In Bezug auf die SAA ist anzumerken, dass sich bei den Antworten die subjektive Einschätzung bzw. die Handhabung der Teilnehmenden teilweise von offiziellen Vorgaben unterscheidet. Beispielhaft sind hier für Bayern die flächendeckend freigegebene Anlage eines i.v.-Zugangs sowie die eigenständige Gabe von Glukose durch NotSan zu nennen [2]. Dies lässt den Rückschluss zu, dass Vorgaben und gelebte Praxis keinesfalls identisch sind. Die Ursachen hierfür können nur gemutmaßt werden.
Die Unterschiede bei den persönlichen Einschätzungen der Befragten im Hinblick auf TNA-Systeme zeigen, dass Mitarbeitende (MA) in Bereichen mit TNA-System dessen Sinnhaftigkeit noch höher bewerten als die MA, denen ein TNA nicht zur Verfügung steht. Dies lässt den Schluss zu, dass etwaige Vorbehalte gegen eine Implementierung von TNA-Systemen nicht von Mehrheiten getragen sind.
Limitationen
Durch die ungerichtete und deutschlandweite Befragung konnten nur Aussagen über 77,1 % der RDB erfasst werden. Es ist unklar, ob Systeme mit TNA-Systemen in Betrieb oder Planung eine höhere oder niedrigere Antworthäufigkeit erzeugt haben. Aus Gründen der methodischen Konsistenz wurde keine ergänzende Recherche über die nicht abgebildeten RDB durchgeführt. Ebenso war die Auswahl von Antwortmöglichkeiten zur Ausgestaltung limitiert, was bei der Diversifikation der bislang vorhandenen Systeme möglicherweise nicht alle technischen oder organisatorischen Aspekte abbilden könnte.
Die Befragung wurde anonym durchgeführt und ganz überwiegend von nichtärztlichem Rettungsfachpersonal ohne Leitungsposition beantwortet, was bei der Interpretation der persönlichen Einschätzungen zu berücksichtigen ist. Demnach besteht die Möglichkeit, dass die gemachten Angaben subjektiv empfundene Sachverhalte oder Arbeitshaltungen widerspiegeln.
Fazit für die Praxis
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Aus dem bundesdeutschen Rettungsdienst (RD) werden durch die Teilnehmer aus rund neun von zehn der rückgemeldeten Rettungsdienstbereiche (RDB) noch keine etablierten Telenotarzt(TNA)-Systeme berichtet.
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Die vorhandenen Systeme sind dabei hinsichtlich Organisation, technischer Ausgestaltung und Einsatzindikationen eher heterogen aufgestellt.
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Diese Heterogenität setzt sich auch in Bezug auf das Vorhandensein von Standardarbeitsanweisungen (SAA) und deren Ausgestaltung fort.
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RDB mit TNA-System verfügen häufiger über SAA als RDB ohne TNA, sodass einzelne Maßnahmen durch Rettungswagen(RTW)-Besatzungen häufiger durchgeführt werden.
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Die Einbindung eines TNA wird vonseiten des RD-Personals mehrheitlich als sinnvoll erachtet.
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Die große Heterogenität sowohl im Ausbaustand von TNA-Systemen wie auch in den SAA für Rettungsfachpersonal, sowohl innerhalb einzelner Bundesländer wie auch zwischen allen Bundesländern, zeigt Qualitätsunterschiede in der rettungsdienstlichen Notfallversorgung auf, die dringend im Sinne einheitlich hoher Standards korrigiert werden sollten.
Literatur
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D. Rupp, P. Benöhr, M.K. König, M. Bollinger, E. Wranze-Bielefeld, P.M. Eichen und C. Kill geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Für diesen Beitrag wurden von den Autor/-innen keine Studien an Menschen oder Tieren durchgeführt. Für die aufgeführten Studien gelten die jeweils dort angegebenen ethischen Richtlinien.
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Rupp, D., Benöhr, P., König, M.K. et al. Telenotarztsysteme im deutschen Rettungsdienst: eine nationale Sachstandserhebung. Notfall Rettungsmed (2022). https://doi.org/10.1007/s10049-022-01063-3
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